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.
Leben
Auguſt von Kotzze bu e's.
seben
YAusuffvon Kotzze bu e's.
C ramey Fri — Ma Mıhıa
bohtred
geben
Auguſt von Kotzebue's.
Nach ſeinen Schriften
und
nach authentiſchen Mittheilungen dargeſtellt.
v
Verlaß Dich nicht darauf, daß der Haufe groß iſt,
mit dem Du Uebel thuſt; ſondern gedenke, daß
Dir die Strafe nicht ferne iſt. —
Jeſus Sirach. VII. 17, 18.
Leipzig:
3. A. Brodhaus.
1820.
— vI — —
digen nur ſchlaͤfrige Zuhoͤrer und taube Oh—
ren macht. Darum erwarte bier nicht der⸗
gleichen; auch nicht die Wiederholung deffen,
was feit mehreren Monaten an hundert Or⸗
ten über von Koßebue gedrudt ſteht. Den⸗
noch kann nur wenig Meues im Einzelnen
. verheißen werden: wenn gleid) das Lebens-
gemälde, wie es daſteht, dadurch eine eigen-
tbümlihe Neuheit des Kolorits erhält, daß
der Mann felbft immer redend eingeführt
wird; weshalb die fämmtliden Schriften
K—s, (mit Ausnahme der dramatifchen,
von welchen er. immer behauptete, daß er
an ihnen nicht felbft fpreche, fondern feine
Theatercharaktere reden laffe,) fleißig benutzt
find, wie es Anlage und Plan mit fi
brachten.
Vielleicht wird mancher Fehler zu be-
richtigen, manche Lücke zu ergänzen feyn.
Beides foll dankbar erfannt werden, wenn
nur nicht verkannt wird, daß für Sung und
Alt in diefem Buche viele wohl zu beruͤck⸗
fihtigende, fleißig zu erwägende Fingerzeige,
zu welhen K—s Leben, Wirken und Tod
anmahnt, redlich gegeben find. — Einige
Punkte, als die angefchuldigee Autorfchaft
der Erpeftorationen, blieben abfichtlid uns
berührt. Vor allem find, nach Anleitung
der auf den legten Blättern nambaft gemach⸗
ten Berichtigungen, in dieſer Schrift manche
Fehler zu verbeffern, die wohl, nur. der
fleinern Hälfte nah, der Schuld der unle-
ferlihen Handſchrift beigemeffen werden duͤr⸗
fen. Andere dort nicht angegebene, aber
leicht zu errathene Fehler, 3. B. etwannige
Merwechfelung bes m und n, und kleine
Verſehen gegen die Interpunktion, mögen
da, mo fie dem Auge des Korreftors ent:
gangen find, gefälligft berichtige werden. —
Die eigentliche Würdigung der fchrift«
ſtelleriſchen, befonders der dramatifchen Ar⸗
beiten RS, zu einer vollſtaͤndigen Kritif
über ihn, lag nit in dem Zwecke biefer
Schrift. In den fritifchen Blättern Des
In- und Auslandes find dazu, feit dreißig
Sahren, fehägbare Materialien niedergelegt,
welche zu benußen und zu fammeln, zunächft
ift der Beruf der Afademien der Wiffen-
ſchaften, deren Mitglied v. K. war, und in
deren Mitte ftatutenmäßig fein Andenfen
mit Sobreden begangen werden muß.
Naͤher lag es, dir, geliebter Sefer! hier
den gefchichtlichen Standpunfe zu bezeichnen,
auf welchen. das beutfche Waterland feinen
entarteten Zögling fallen und die traurigen
Folgen jenes Todes fich verbreiten fah.
Nicht etwannige Sorge vor dem meiten -
Banne der Vehmgeüchte Eonnte den Vers
faffer beftimmen, das zu verfchweigen, was
eine Bekanntſchaft mit der Gefchichte fo
deutlich erfennen laßt, daß die Ereigniffe
der neueflen Tage und die nad) den unwan⸗
delbaren Gefegen der Weltordnung fish Daran
— — IX — —
knuͤpfenden Stürme der Zukunft, mit ihree
ganzen Kataftrophe zu berechnen find. —
Wohl griff er muthig zur Feder, um bie
Züge des rafch fortfchreitenden Trauerfpiels
der Schrift zu verfrauen; doch in der Be⸗
fümmerniß feines Herzens verfagte,. mit der
hervorbrechenden Thraͤne, Das Auge den
Dienft; und als er hinaustrat, um, wie oft,
aus dem Sternenlichte neue $ebensfraft zu
trinfen, da leischteten ihm von den Bergeshoͤ⸗
ben die Siegesfeuer der Völferfchlaht (— es
war am 18ten Dctober —) entgegen. : Ehe
noch die Siegesfreude, im Ruͤckblick auf die
glorreichen Tage der Vergangenheit, Raum
gewann, legte ein Falter, giftiger Nebel ſich
um die DBerggipfel, verdecte mit ihnen den
Himmel und die Gottesfterne, und während
die Irrenden mühfam ihre Obdach fuchten,
gedachte er der Worte Samuels, im neun«
zehnten Kapitel feines zweiten Gefchichts-
buches: „Aus dem Siege des Tages
ward ein Leid unser dem ‚ganzen '
— — X — —
Volke, — und es ſtahl ſich weg an
dem Tage, daß es nicht zur Stadt
kam, wie ſich ein Volk wegſtiehlt,
Das zu Schanden geworden iſt.“ —
Mit dieſem Gedanken ſchloß der Verfaſſer
jammernd die Vorrede, noch ehe der 18te
Oktober beendet war, im Jahre 1819. —
Auguſt von Kotzebue's Leben.
NEE
Erftes Bud.
Seine Jugend, bis zu ſeiner Abreiſe nach Rußland.
ô— ——
„Todten ſoll man nichts uͤbles nachre⸗
den, iſt ein Grundſatz, der ſeine Entſtehung
wahrlich nur dem Umſtande verdankt, daß die Tod⸗
ten fein unter den Fuͤßen liegen, und nieman⸗
den im Wege ſtehn. Wenn die Todten ihre tau⸗
ſendjaͤhrige Muße zum Buͤcherſchreiben anwende⸗
ten, ſo wuͤrde man ihnen mehr Uebles nachreden,
als irgend einem Lebendigen. So aber glaubt
man gar nicht, welch' eine ſchoͤne Sache das
Todtſeyn für einen Schriftfteller if. Die Blu⸗
men, die ihm auf dem Lebenspfade nur ſparſam
blühten, wachfen üppig auf feinem Grabe. Die
‚ legte Schaufel Erde dedt feinen Budel, wenn er
einen hatte, und feine Dehler, wenn er welche
hatte, Nach hundert Jahreñ wen bie Nach⸗
DU) 4 — —
welt, er ſey der geradegewachſenſte Mann und
tadelfreieſte Schriftſteller geweſen.“) — |
Ohne das Glüd näher zu windigen, welches
hier den Entfchlafenen beigemefjen wird, fey es
verfucht, einen Theil des Fluches zu Iöfen, der,
über die Nachwelt auögefprochen, das heilige Ge⸗
bieth hiftorifcher Wahrheit als eine Narrenbühne
elender Lobpreifungen bezeichnet. Diefen Bann
zu brechen, in Hinſicht der Lebendgefchichte eines
Mannes, der auf feiner Pilgerbahn und durch
die Art feines Zodes vieled Auffehn erregte, ift
unbezweifelt der. Augenblid der günftigfte, wo
die Zeugen feined Lebens noch nicht abgetreten,
und die Zeugniffe felbft noch nicht vesfchollen find. —
Die ſchoͤne Sache des Todtſeyns“ kann das
durch nicht gefaͤhrdet werden; denn wenn, wie
wir ſo zuverſichtlich hoffen, den Dahingeſchiede⸗
nen ein Ruͤckblick auf das Erdenleben vergoͤnnt
iſt, ſo bleibt doch wohl gewiß die Gluͤckſeligkeit
des Jenſeits, wie der wahre Werth des Dies⸗
- 9) Siehe: Fragmente Über Recenſenten⸗ Unfug, vom
U. v. Kogebue. Leipzig 1797. Geite 141 und 142. —
GREREREED 5 m———
feits, ewig bebingt von der Gerechtigkeit und
Wahrheit. —
\
Unter den Männern, welhe Amalia, Her⸗
zogin von Sahfens Weimar, aus dem Haufe
Braunfchweig: Wolfenbüttel, diefe herrliche Frau,
ihres befonderen Vertrauns würbigte, "gehörte
ber Legationsrath Kotzebue. Sie rief ihn von
Braunfchweig nah Weimar, „gebrauchte ihn ald
Kabinetsſekretair in vielen wichtigen öffentlichen
und Privats Angelegenheiten, und fchäßte ihn als
einen thätigen, einfichtövollen, und treuen Diener
eben fo fehr, ald er von feinen Mitbürgern.
geachtet wurde. Die Kogebuefche Familie fand
damals zu dem Braunfchweigifchen Fürftenhaufe
in vielfachen Beziehungen. Ein älterer Bruder
des Legationsrathes hatte unter dem heldenmuͤ⸗
thigen Ferdinand, bei der alliirten Armee im
fiebenjährigen Kriege tapfer gefochten, ſich bis
zum Major hinaufgearbeitet, und durch eine Ka⸗
nonenkugel einen Arm verloren. Er blieb in ber
nähern Umgebung feines Feldherrn, bis er zu
I — 6 —
deſſen Schweſter, der Markgraͤfin von Bai⸗
reuth, als Geſchaͤftstraͤger ging, in welcher
Stelle er den Ruhm eines braven, redlichen Man⸗
nes mit in die Gruft nahm.*) Eine Schwefter
biefer beiden Brüder war erfte Kammerfrau "der
Herzogin Amalia, und ward von biefer, burch
ſo feltene Eigenfchaften des Geiſtes und Herz
zend, unfterblichen Fuͤrſtin, mit wahrhaft ſchwe⸗
ſterlicher Zuneigung geliebt. —
Der Legationsrath Kotzebue ftarb [don 1763
und hinterließ eine noch lebende Witwe, geborne
Krüger aus Braunfchweig, und mehrere Kinder,
von welchen, nach dem Tode des Sohnes, defa
- fen Leben diefe Blätter gewidmet find,- an der
Seite der würdigen, achtzigjehrigen Mutter ges
genwaͤrtig noch zwei zu Weimar leben, ein die
terer Sohn, ber früher Theologie: fludirte, aber *
einer fehr ſchwachen Förperlichen und geifligen
*) Diefem Major Kopebue hat be: Neffe den brit=
ten Theil per jüngften Kinder feiner Saune
gewidmet. Wodurch der Schriftſteller veranlaßt wur⸗
- be, dem Namen bes Oheims das Woͤrtlein von vor⸗
zufegen, ift unbefannt.
„mu 7 zn
Organifation.halber, nie in Amtsverhaͤltniſſe trat;
und eine Tochter, bie verwitwet, mit dem Syns
dikus Gildemeifter, erfi zu Duisburg, dann
zu Luͤbeck, verheirathet war. Zwifchen biefen Ges
ſchwiſtern Dem Alter nach mitten inneftehend, "war
Auguft Friebrih Ferdinand Kogebue '
den britten Mai 1761 zu Weimar geboren. —
Er ſelbſt ſchildert uns fein Sinabenalter in einem
„mein literarifcher Lebenslauf“ überfchries
benen Auffage*), der an charakteriftifcher Eigens
thümlichfeit gewinnt, wenn man ohne der Reihes
folge der Jahre vorzugreifen, das einleitende Bora
wort nicht überfieht. und fo erwägt: wie ber
‚Mann fi felbft in dem Berhättnife zum Leben:
betrachtet. —
Er beginnt: „Ich habe als Schriftſteller Su
*je5 und Böfes erfahren, Beides in reichem Maas.
fe. Sch bilde mir ein, es koͤnne SJünglingen,
welche dieje fchlüpfrige Bahn betreten wollen, zu
großem Nugen gereichen,. wenn fie die Erfahrung
H Siehe „die jüngften Kinder meiner Laune, von X.
von Kogebue,“ fünftes Bänden. 1796. Seite 123 ff.
/ *
eines Mannes leſen, der zwar nicht am Ziele
ſteht — denn wie wenige erreichen es! — aber
doch lange vor ihnen auslief; ber ſich in einen
Kreis mit ihnen fest und ohne Schminke
‚erzählt, wo er ftrauchelte, wo er fiel; wo er
beräuchert oder begeifert, genedt oder getäufcht
wurde; wo bie Mufe ihm winkte, oder wo er eine
Backhantin für eine Mufe anfah.”
„So fammelt euh um mid), ihr Unerfahre:
nen, bie ihr bie Spigen eurer Stäbe nur erft in
den. Honig des Parnafjes tauchte, und meint,
er muͤſſe euch wohl bekommen, weil er ſuͤß iſt;
laßt euch nieder, und hoͤrt mir zu. Ihr ſeht,
ich habe es mir be qu em gemacht, meine Seele
iſt im Neglige, und meine Lippen find geöffs
net, eben ſo aufrichtig zu bekennen, wo die Eis
telfeit mich zwidte, als wo das Gefühl für das
Wahre und Schöne mich durchwaͤrmte.“
„Auch will ich mir diefe Aufrichtigkeit gar nicht
zum Verbienfte anrechnen, denn es giebt Lagen
des Lebens, in welchen es eben fo leicht wird,
Gutes zu thun, als feinen Ucberrod anzuziehen,
und das find gewöhnlich diejenigen, wo man den
ganzen Tag im Ueberrode herumſchlendern darf;
wo man fich nur büdt, um eine Blume zu pflüs
deh, und nie, um einen Handfhuh aufzuheben,
"oder ein Namendfeft zu verherrlihen; wo man
mehr Freude über die erfien Maiknospen, oder
ben erſten Zahn des jüngflen Buben empfindet,
als über die gnaͤdigen Worte des Gönnerd: Sie
fpeifen heute bei mir. Wenn man abgefchies
ben von ber großen Welt in ländlicher Ruhe lebt,
wenn Zufriedenheit und Genügfamkeit das Herz
‚jeder Freude, und folglich jeder Tugend Öffnen;
wenn man nur von wenigen Lieben umgeben ijt,
‚ bie bed Herzend nie unedle Regungen von den
Verirrungen bed Kopfes ſchon längft gefchieden
haben; o dann befennt man gern jedes Unrecht,
deſſen man ſich fchuldig ‚glaubt ; man tritt mit
Sreudigfeit vor das Publikum, weil nur bie
Stimmen der gutmüthigen Beurtheiler in bie
Einfamkeit wieberhallen, die Stimmen derer,
welche die Worte des Erzählers nicht verdrehen,
nicht befpötteln, nicht haͤmiſch deuteln.“ —
„Wohlan denn! ihr boͤſen Krittler! ihr Ehr⸗
abſchneider von Profeſſion! was kuͤmmert euer
⸗⸗
— 40 —
Bellen den frohen Mann in feiner Einſamkeit?
bat er doch nur ein Weib und ein paar Freunde,
bie ihn Eennen und lieben; brum bellt! ihr elen-
den Söldner! diefed Weib, diefe Freunde werbet
ihr ihm nicht vom Buſen wegbellen.”
Wenn ich behaupten wollte, ic ſchriebe die⸗
ſes Buͤchlein blos den Juͤnglingen zu Nutz und
Frommen, ſo wuͤrde ich eben ſo unwahr reden,
als ein Buchhaͤndler, der ſeine Buͤcherpreiſe blos
deswegen herabſetzt, um den Liebhabern ver Wiſ⸗
ſenſchaften den Ankauf zu erleichtern. Nicht doch,
lieben Freunde! es ſind Ladenhuͤter, die er gern
los ſeyn moͤchte, und ſo lag auch dieſe Schrift
ſchon ſeit fuͤnf Jahren in meiner Seele, ich muß
ſie herausſchaffen, um Platz zu bekommen. Mir
ſelbſt verſpreche ich Genuß davon, unbekuͤmmert
um fremde, vielleicht verwoͤhnte Gaumen, denn ich
habe uͤberhaupt in meinem Leben nur ein Buch
und eine Broſchuͤre, andern Leuten zu gefallen,
geſchrieben ), und das wurden gerade meine
*) Die Broſchuͤre, wie man weiterhin zu erfahren Ges
legenheit findet, führt ben Titel: „Bahrdt mit
— 4 —
ſchlechteſten Arbeiten. Alle meine Schauſpiele
hingegen, Alles, was etwa Ruͤhrendes oder Schoͤ⸗
nes aus meiner Feder floß, ſchrieb ich fuͤr mich,
und die Stunde, in der ich es ſchrieb, lohnte
mir koͤſtlicher, als Publikum und Verleger.“
„So ſoll denn auch jetzt meine Phantaſie den
erſten Schnee wegſchmelzen, der heute vor mei⸗
nem eigenen Fenſter gefallen iſt; was kuͤmmern
mich fremde Fenſter? Nebenher ſoll es mich wohl
herzlich freuen, wenn auch andere Leute in Win⸗
keln der Erde, wo heute am dritten Oktober noch
kein Schnee faͤllt, mein Buͤchlein gern leſen und
nicht gewahr werden, daß es beim erſten Froſte
geſchrieben worden; doch behuͤte mich der Him⸗
der eifernen Stirn;“ das Bud iſt das: „vom
Adel. Das Titellupfer bes lettern iſt merkwuͤr⸗
dig: in ben Lüften fchwebt eine Jungfrau, in der
‚Rechten einen, mit bem ruffifhen Wappen verzierten
Schild tragend; die Linke gehoben, um zahlreiche
Blige zu ſchleudern. Gegenüber eine mächtige Eiche,
an deren Fuße unförmliche Knäblein befhäftigt find,
fie umzureißen. — Nun ift fehr zweifelhaft: ob bie
dreuenden Bliße der Eiche, ober den Knaben, oder
beiden gelten follen? —
mel vor der gefährlichen Jagd nach Beifall! —.
Diefem lieblichen Singvogel aufthun, wenn er
an mein Fenſter pidt, das will ich mit Freu:
den — und wer thäte es nicht gern! — aber in
Schlingen mag ic ihn nicht fangen.”
„Hervor, ihr Zauberbilder meiner frohen Jus
gend! die Erinnerung an euch ift Faum noch mit
meinem Ich verwandt. Hervor! umgaufelt mic,
ihr holden Schatten! — Guter Gott! Taß aus.
dem Meere der Vergangenheit jene füßen Stun⸗
den noch einmal, wie ein dünner Nebel, vor
meinen Bliden emporfleigen! — Da ftehe ich
und. fhaue. den Strom hinab, immer weiter und
weiter führt er meine Blumen, bis fie fern auf
dem Rüden einer Welle noch einmal ſchimmern, |
ehe fie untertauchen und verfchwinden.”
„Haſche diefen Iegten Schimmer! — Sieht
bu ben Knaben, der mit flarrem Auge an dem
Munde feiner Mutter hängt, wenn fie an Wins .
terabenden ihm und feiner Schwelter ein gutes
Buch vorlieftt — Das warft du! — Siehſt du
ihn dort wieder, wie er den Stuhl zum Zifche
macht, und die Fußbank zum Stuhle? wie er
gierig an einem Romane fehmauft, indeffen Ball
und Stedenpferd in Winkeln zerſteut liegen? —
Das warſt du!“ —
„Meine gute Mutter — Dank ſey Gott! fie
lebt noch! fie hört meinen Dank noch! — Meine
gute Mutter entfagte, als eine'noch fehr junge
Witwe, mandem Reitze und manchem Genuſſe
des Lebens, um ſich ganz für die Bildung ihrer
Kinder aufzuopfern. Sie beſaß Gefhmad, Bes
Iefenheit, zartes Gefühl und einen reihen Schaf
duldender Mutterliebe; mit diefen Eigenfchaften
konnte fie ihren Zweck nicht ganz verfehlen.
„Sie hat mir zwei ober drei Hofmeifter ges
halten, Kandidaten ber heiligen Theologie, die,
während fie mit Sehnfucht harrten, daß ein goͤtt⸗
licher Beruf ihnen eine Fleine Heerde anvertraue,
mich ihre Hirtenftäbe weiblich fühlen ließen, und
Feine Mühe fparten, ein Schaaf aus mir zu mas
hen. Der eine war ein phyfiognomifcher — ber ans
dere ein verliebter Theolog; ber eine Eritifirte meine
Nafe, der andere brauchte mich zum Postillon
d’amour. Aber was jene verbarben, wußte meine
Mutter immer wieber gut zumachen. Ein Abend
— 14 —
in ihrem Zimmer, eine Vorleſung von ihr, war u
mehr werth, ald die ganze Pladerei mit Langen
Colloquis und Luther großem und Fleinem
Katechismus. Iene ließen ben Papagay ſch wa⸗
gen, fie lehrte den Knaben fühlen. Sie flößte
mir den Gefhmad am Lefen fafl mit der Mut-
termilch ein. Ich zählte vielleicht Baum fünf oder
ſechs Jahre, als -fchon oft ein Buch mich von
meinem Schaufelpferde lockte.“
„Das Erſte, deſſen ich mich Iebhaft entfinne,
und beffen zahlreiche Bände ich, nach oben be
fehriebner Weife, auf eine Banf gefauert, gelefen
und wiedergelefen habe, waren die Damals belieb-
ten Abendftunden, eine Sammlung Eleiner Er-
zählungen aus verfchiedenen Sprachen, auf deren
Zitelblatt ein fchlafender Hund zu ſchauen ift,
mit der Umfchrift: non omnibus dormio. Ich
weiß nicht, worauf der Schlummer biefes Hun⸗
des ſich bezog, aber das weiß ich, daß ich noch
jetzt an keinem ſchlafenden Hunde voruͤbergehe,
ohne an die Abendſtunden zu denken.“
„Diejenige Erzählung in jener Sammlung,
welche den erften großen Eindruc auf mich mac.
— 15 —
te, mir die erſten Thraͤnen der Ruͤhrung koſtete,
war die Geſchichte von Romeo und Julia,
aus wehher Weiße nachher den Stoff zu feinem
Zrayerfpiele nahm. Sie erfchütterte mich fo tief,
Daß vielleicht damals fchon der erfte Grund zu
meiner Vorliebe für rührende Erzählungen in mir
gelegt wurde. Das zweite, mich anziehende Buch
war Dom Quirotte, der freilich lange nachher
von Herrn Bertuch fehr viel beffer überfegt wor⸗
den ift, mir aber nie wieder fo viele Freude ges
macht hat. Ein Kind bringt zu feiner Lektüre,
"wie zu feinen Spielen, mehr Cmpfänglichkeit,
miehr Reizbarkeit mit; daher glaubt e3 in beiden
- ben Zauber zu fehen, den, wenn ich mich fo aus⸗—
druͤcken darf, nur bie Frifchheit feiner Empfin=
dungen ihnen leiht, fo wie auch ein halbwelkes
Blatt fchön ift, wenn das Norgenroth darauf
glicht. Ho
— „Empfange meinen Dank, ehrlicher Dom
Quixotte! und theile ihn mit Sancho Panfa.
Ihr feyd ein paar gute Gefellfchafter, ich bin gern
"mit euh in den Wirthöhäufern umbergezogen,
bis Robinfon Erufoe mir aufſtieß, dieſer Wun⸗
. — 46 —
dermann, ber mich, wie jeden Knaben, mit uns '
widerſtehlicher Gewalt an ſich riß, den ich geizi⸗
ger verwahrte, ald mein befles Spielzeug; mit
dem. ich oft auf ben fogenannten rothen Gang,
auf die Schwelle des Pferdeflalled floh, um fern
von der Trommel meiner Gefpielen, ungeftört
mit ihm auf die Biegenjagd zu gehn. Die Glocke
zum Vesperbrod tönte, ich hörte fie nicht! Die
Sonne ging unter, ic) las mir in ber Daͤmme⸗
zung die Augen trübe. O! wie fehnlich wünfchte
ich damals, baß mir doch einft dad Gluͤck beſchie⸗
den feyn möchte, auf eine wüfte Infel verſchla⸗
gen zu werden! wie herrlich fehmedten mir im
Geifte die Brodkuchen, die Robinfon in der Erde
buck (badte), und das Ziegenfleifh, das er im
felbft verfertigten Toͤpfen kochte!“ —
„Ich fing an, Jagd auf alle die abentheuer:
lichen Robinfons zu machen, welche die Nachah⸗
mungsfucht in meinem lieben Vaterlande hervor:
brachte; aber wo war einer, der dem Original
an Kraft, Natur umd Intereffe gleich Tam? —
Die Infel Felfenburg galt freilich viel bei
mir; die Erfcheinung des Geiftes, der ſich im
U) 47 ni R
Geſtalt einer Wolke ber das Waſſer wälzt, ers
regte in mir einen angenehmen Schauder: auch
Robert Pierrot erzwang fi meinen Beifall,
befonderö da, wo aus ber Höhle mit Todtenlöpfen
Fanonirt wird; aber ed war doch alled nidyt3 ge:
gen den ehrlichen Robinfon Grufoe, den ich bes
wunderte, und feinen Freitag, ben ich herzlich
lieb hatte, und der mir durch fein Entzüuden,
beim WBieberfinden feines gebundenen Vaters,
füße Thraͤnen entlockte.“
„Inſel, und beſonders wuͤſte Inſel, war
damals ein Zauberwort fuͤr mich, an welches ſich
eine Reihe lieblicher Bilder knuͤpfte. Ich dachte
zuweilen: warum lerne ich decliniren, und conju⸗
giren, und exponiren? Waͤre es nicht beſſer, ich
lernte ein halbes Dutzend Handwerke, damit ich
mir kimftig einmal zu helfen wuͤßte? denn wenn
der Himmel mir meinen brennendſten Wunſch ge⸗
waͤhrt, ſo wirft er mich in einem lecken Schiffe
einſt auf eine Klippe, und laͤßt mir nichts als
ein Wrack, um mir aus den Truͤmmern eine
Hütte zu baum. — Wer hätte geglaubt,
dag ih nad. Verlauf eines Vierteljah—
| 2;
— 18 —
hunderts dieſen Wunſch eben fo bren—
nend erneuern wurde! Ich bin mit ei—⸗
nem liebenden Herzen zur Geſelligkeit
geboren, und folglich iſt es mir Beduͤrf—
niß, die Einſamkeit zu ſuchen; denn ich
will lieber fern von böfen Menfhenle
ben und fie vergeffen, als fie taͤglich
ſehn und haſſen.“ —
Wenn im Verfolg dieſer Mittheilungen der
Leſer zu dem Zeitpunkte kommt, in welchem Ko⸗
tzebue uͤber ſeine Jugend und uͤber ſich ſo redete,
wird es ſich von ſelbſt ergeben, welche boͤſen
Menſchen er hier im Sinne hatte. — Er faͤhrt fort:
„Wenn die Perleninſel und die Inſel Felſen⸗
burg, die ſchwimmende und die fliegende Inſel
meine Phantaſie zu uͤberſpannen drohten, ſo wußte
meine Mutter, in den Abendvorleſungen, meinem
weichen Gehirn mildere Eindruͤcke zu geben. Den
Aeſop las ich gern; mit Gellerts Fabeln und
Liedern wurde ich bald befreundet; viele derſelben
wußte ich auswendig. Haller und Bodmer wa;
ren mir zu hoch; aber Gleim, U; und Hageborn
‚gefielen.mir, denn ich verfland fie. Sehr früh
fing .ih an, dieſen Sängern nachzuzwitſchern.
Ich erinnere mich noch ganz gut meines erften
poetiſchen Verſuchs. Ich mochte vielleicht kaum
ſechs Jahre alt ſeyn; das fchließe ich baraus,
weil ih mein Manufeript hinter dem Spiegel,
neben der Ruthe verwahrte. Es follte ein länd-
liches Gemälde werben, wozu ich die Bilder aus
allen mir bekannten Dichtern zufammengeftohlen
hatte. Folgende zwei Zeilen Tamen barin vor:
Es finget die fleigende Eerhe, |
Es hüpfen die Schäfhen am Berge! — —
„Sie gefielen mir außerorbentlih, weil fie
fo luſtig dahin huͤpften. Ich wußte nicht, daß
ed Daktylen waren, und zwar bie einzigen im
ganzen Gedichte. „Mehrere. Tage lang zerbrach
ich mir den Kopf, um bie folgenden Zeilen eben
fo artig mittanzen zu laffen, aber vergebens!
Alle die übrigen waren und blieben ſchwerfaͤllige
Spondaͤen und ich begriff gar nicht, wie es zur
sing, daß man die Verſe koͤnne nach Gefallen
zu Buße gehn und.galloppiren laſſen.“
„Bald nachber:wagte ich. auch meinen erften
. 2*
— 20 —
dramatiſchen Verſuch. Die. Fabel vom Milch⸗
maͤdchen und den beiden Jaͤgern war mir, ich
weiß nicht wo, in die Haͤnde gefallen; die beliebte
kleine Oper exiſtirte noch nicht, oder war wenig⸗
ſtens mir unbekannt. Ich machte ein Luſtſpiel,
welches gerade eine Octavſeite lang war. Frei⸗
lich fuͤhlte ich nicht, daß es weit laͤnger ſeyn
muͤſſe, um einem Luſtſpiele aͤhnlich zu ſehn; aber
verlohnte mich die Kunſt, den Faden fein lang
zu ſpinnen?“
„Indeſſen hatte die Dichtkunſt auch bei mir
ihre gewoͤhnlichen Wirkungen geaͤußert, das heißt,
ſie hatte mein kleines Herz für die Liebe empfaͤng⸗
lich gemacht. Ich hing mit ganzer Seele an ein
junges, liebenswürbiges, aber völlig erwachfenes
Mädchen, welches nachher meine. Tante wurde.
Am 3ten Mai 1768, alfo an meinem- fiebenten
Geburtötage, ſchrieb ich in ein Zeichenbuch, auf die
Teere Rüdfeite einer Zeichnung, einen enthufiafli=
fihen Liebeshrief, welcher. nicht übel in der afia=
tifchen Banife figurirt haben würde. Sch machte
ihr darin zaͤrtliche Vorwürfe, .. (benn fie war fo
blind, den Oheim dem Neffen :vorzuziehn, )..und
\
— 1 —
bat fie zuletzt um die einzige Gunſt, „„ihre kleine
weiße Hand noch einmal zu Eüffen.”" —
Wie unverkennbar auch das Wohlgefallen feyn
mag, mit welchem H. v. 8. diefen Zug feiner
Kindheit erzählt, fo braucht man doch Fein muͤr⸗
riſch⸗ firafender Sittenrichter zu feyn,. um mit.
dem Gefühle der tiefften Wehmuth bier auf ben
fiebenjährigen Knaben zu bliden, der offenbar
ſchon dem SHeiligthume der Findlichen Unbefan-
genheit entriffen und der Herrfchaft des Gefühls
eines reiferen Alters hingegeben erfcheint. Diefes
über. ihn verhängte Mißgeſchick blieb felbft dem
Manne nur infofern unvergeßlich, als theild im
Verfolg deffelben feiner Eitelkeit gefröhnt, theils
feine Eigenliebe bei diefer frühen Liebſchaft ver-
legt wurde. —
„Meine Mutter wurde biefen Brief gewahr,
‚ fie fand, daß die Ausdrüde und Wendungen deſ⸗
felben die gewöhnlichen Fähigkeiten. meines Al:
ters übertrafen; fie ergößte fi) daran, und konnte
ber kleinen mütterlichen Eitelkeit nicht
widerftehen, bei Befuchen in unferm Haufe,
das Zeichenbuch hervorzuholen, und den Brief n
meiner Gegenwart den Gäften vorzulefen, bie
denn natürlich) immer herzlich darüber. lachten.
Ich fpielte dabei eine Höchft verlegene Rolle, und
es ift die erfte tief marternde Empfindung meiner
Seele, deren ich mich zu erinnern weiß. Sie
ließ einen bleibenden Eindrud bei mir zus
ruͤck; je öfter die Vorlefungen wiederholt wurden,
je höher flieg meine Erbitterung. Ich weinte im
Holzftalle heiße Thränen ber Schaam und des
gefränften Ehrgeizes, nahm enblich das verhaßte
Zeichenbuch aus dem Beinen grünen Eckſchranke,
in welchem es verwahrt wurde, und warf ed ins
Zeuer. Seit jener Begebenheit verlor ih in
Herzendangelegenheiten dad Vertraun zu meiner
Mutter auf lange Zeit, und Aeltern und Erzieher
mögen aus diefem Beifpiele lernen, wie borfichs
tig fie mit zarten Kindern bei ſolchen Gelegen⸗
heiten (2) umgehen müffen, und wie gefährlich
jede Öffentliche Beſchaͤmung ift, wäre fie auch
nur im Scherze gefchehn.”
„Die Liebe, und der Hang zur Religiondfchwäre.
merei, find, wie man weiß, fehr nahe mit einan=
der verwandt. Auch dieſer ergriff mich einft in
U) 23 nn
meinen Kindberjahrenz ich war über alle Maa⸗
Ben fromm, und wäre ich fo fortgefahren, fo
müßte meine Mutter fhon längft die Freude er:
lebt haben, welche einft der Mutter des heiligen
Borromaͤus zu Xheile wurde. Kaum hatte ich
des Morgens mein Lager verlaflen, fo ging ich
auch ſchon, um ganz ungeflört zu beten, an ei:
nen heimlichen Ort, den die Ehrbar—⸗
Feit zu nennen verbietet. Dort ſchloß ich
mich forgfältig ein, Tniete nieder und betete, Feine
auswendig gelernte, fondern aus ber Ziefe bes
Herzens bervorgepreßte, und mit Thraͤnen gefalbte
Stoßfeufzer. Ich weiß noch, welche Mühe ich
mir gab, Variationen in meinen frommen Seuf:
‚zen anzubringen, damit Gott nicht glauben moͤch⸗
te, ich wolle ihm alle Zage dad nämliche aufti⸗
fhen. Aus diefer Urfache waren mir auch Ben⸗
jamin Schmolkens Morgen: und Abendandbachten
trotz ihrer leichten Verfification. fehr zuwider.
Ich mußte ſie oft in dem Zimmer meiner Muts
ter vorlefen, und dachte immer babei: Gebete '
‚aus einem gedrudten Buche’ könnten Gott. nicht
wohlgefällig feyn, weil er doch ſchon alles wüßte,
was darin flieht. Mit geiftlichem Stolze ſah ich
‚zurüd auf meine Betflunden, in welchen Gott,
nad) meiner Meinung, immer etwas Neues ers
‚fuhr. Hu.
„Sol ich ſagen, was dieſen —* zur Froͤm⸗
migkeit in mir erſtickte? — man wird es wohl
fchwerlich errathen: dad Kirchengehn. An
jedem Sonntage, Vormittag und Nachmittag,
trieben die Hofmeifter in Weimar ihre Zöglinge
vor fich her in die Kirche. Dort durften wie '
nicht plaudern, nicht die Köpfe hin⸗ und herbres
ben, nicht mit den gemalten. Engeln am Platfond
liebäugeln, fondern mußten fein flillfigen, emfig
zuhören, und wenigftend die -Pofitionen und bie
Eintheilung ‚einer fchaalen Predigt auffchreiben,
oder im Kopfe behalten. Im Winter gefchah das.
Aufſchreiben mit verfrimmten Fingern, und im
Sommer, wenn die Strahlen der Sonne fo lieb:
Lich durch die Kirchenfenfter fchimmerten, jebnten
wir und hinaus ind Freie.” -
„In der Schloßfirche zu Weimar habe ich dicke
und große Langeweile erlitten. Ich fiel endlich)
auf ein Mittel, mir diefe Trübfal etwas zu ers
nm
— 25 —
leichtern; ſobald ich naͤmlich von der Predigt
dasjenige weggeſchnappt hatte, was ich wieder
erzaͤhlen mußte, ſo ſetzte ich mich in einen Win⸗
kel, nahm das Weimariſche Geſangbuch, und las
die Geſchichte der Belagerung Jeruſalems, welche
in einem Anhange erzaͤhlt wurde, und meiner
Einbildungskraft reiche Nahrung gab. Das Ge⸗
ſchrei des Wahnſinnigen, der auf ben Mauern
Jeruſalems: Wehe! Wehe! ruft, ſchallte jeden
Sonntag in meine Ohren, und do keine andere
Leſebibliothek in der Kirche befindlich war, fo las
ih die Geſchichte fo oft, bis ich fie faſt auswen⸗
dig konnte.“ — |
„Meine eremplarifche Frömmigkeit war nicht
allein verſchwunden, fondern ich fing fogar am
ein Zweifler zu werden; denn ich mochte etwa
neun bis zehn Iahre alt feyn, als mein Tindlicher
Verſtand an dem Begriffe von der Allmacht Got⸗
tes fcheiterte. Ich fragte nämlich einfl meinen
Hofmeifter: ob Gott auch einen andern Gott
hervorbringen koͤnne, der größer und mächtiger
ſey, ald er felbft? und als mir diefe Trage vers
neint wurde, zog ich daraus den Schluß: Gott
ſey nit allmaͤchtig. Das ſchien mir fo Klar,
‚daß ich nicht begreifen Tonnte, warum die Mens
ſchen nicht früher auf diefe einleuchtende Wahrz -
"beit gefallen? und mir nebenher nicht wenig auf
meinen Scharffinn zu gute that. Mehrere Wo⸗
chen hindurch nährte ich dieß ſtolze Gefühl mei:
ner fich entwidelnden Seelenträfte, yerfuchte auch
wohl einige Mal, aber vergebens, Mater meinen
Geſpielen Profelyten zu machen. Der. Eine lachte
mid) aus ; der Andere hörte gar nicht darauf. Ich
wurde es bald müde, mein nagelneues Syſtem
zu predigen; die Lampe verlofh allmählih, da
fie von der Eitelkeit Feine Nahrung empfing, und
ed blieb mir nichts übrig, ald ber angenehme
Eindruck des Bewußtfeyns meines erften Selbft;
denkens.“
„Damals ſtarb in Weimar ein bluͤhendes Maͤd⸗
chen von funfzehn bis ſechszehn Jahren an den
Vocken. Sie war bie einzige Tochter troſtloſer
Aeltern, und ganz im Stillen, denn ſie wußte
ſelbſt nichts davon, die Geliebte eines Knaben,
der zum Juͤnglinge heranreifte. Er war mehrere
— 11 j
Jahre Alter ald ich, aber da wir in einem Haufe
wohnten, und ich. feinen verliebten Entzuͤckungen
ein gefälliges Ohr lieh, fo gab er fich, troß ber
Berfchiedenheit unferd Alters, viel mit mir ab:
Ich begleitete ihn zuweilen des Abends bis unter
die Zenfter feiner kranken Geliebten, wo wir oft
flundenlang und ganz gebuldig befchneien und
beregnen (ef, ob wir gleich nichts, als undeut⸗
i liche Schatten wahrnehmen konnten, über welche
wir uns dann unfere Vermuthungen mittheilten.
Einmal’ — es ift mir noch, wie heute — fahen
wir ziemlich deutlich den Schatten einer Perfon,
die einen Löffel vor fich hertrug, vermuthlic) um
der Kranken Arznei zu reichen. Mein Gefährte -
fing auf der Straße bitterlich an zu weinen; mir
wurbe das Herz weich, ich weinte mit, ohne zu
wiffen: warum? — fehr natürlich, daß dieſe
Scene einen nieverlöfchten Eindrud bei mir zu⸗
rüdließ, und daß mein Gefühl in dieſem Augen-
blicke meinem Törperlichen Wachsſthume um einige
Jahre porauslief. Rauhes Wetter, Nacht, der
‚trübe. Lampenfchein aus der Krankenftube, ber
‚Schatten mit bem Löffel, ber auf bie vorgezogene
— 28 —
Gardine fiel, der ſchluchzende Juͤngling, der Ge:
danke: dort ſtirbt ein huͤbſches Maͤdchen, das du
ſo oft huͤpfen und tanzen ſehen; alles das ſetzte
meine Einbildungskraft in ſtuͤrmiſche Bewegung,
und als das Maͤdchen nun wirklich ſtarb, beweinte
ich ſie trotz ihrem Liebhaber; fand aber bald eine
Quelle des Troſtes in mir, die fuͤr ihn nicht floß.
Ich dichtete naͤmlich eine Elegie, und da kein
erkuͤnſteltes Dichtergefuͤhl, ſondern wahre Empfin⸗
dung mich begeiſterte, ſo gerieth das Produkt
beſſer, als alle meine bisherigen Verſuche. Man
ſprach im Ernſt davon, die Elegie dru—
den zu laſſen. Der bloße Gedanke dar⸗
an brachte mich außer mir vor Entzüs
den, unb hätte es in meiner Madt ge
flanden, das Mädchen ind Leben zurüd:
zurufen, ich weiß nit, ob ich ed auf
Koften meiner Hirngeburt gethan has.
ben würde. Soübtezum erſten Malepie
allgewaltige Schriftftellereitelfeit ihre
Zytannei über mih aus. Die Elegie blieb
indeffen ungedrudt, ich kann mich nicht mehr erin⸗
nern, aud welchen Urfachenz aber meinen Schmerz
wiirde fie getilgt haben, wäre auch das Mädchen
meine eigne Geliebte gewefen.” —
Unmittelbar an diefen erften ‚Vorfall, wo
Schriftftellereitelkeit eine unnatürliche Gewalt über
Kotzebue als Knabe ausübte, der befonders des⸗
halb merkwürdig, weil er wohl der einzige ihm
felbft Elar geworbene ift, knuͤpfte er die Erzählung
ber Ereigniffe, die ihn ſchon in zarter Kindheit
an das -Theater feflelten, und, verbunden mit
feiner zum dramatifchen Dichter mit großem Tas
Iente verfehenen Individualität, dahin wirkten,
daß er nicht allein ein fehr fruchtbarer dramatis
fcher Schriftfteller wurde, fondern daß auch feine
ganze Tendenz fich dahin neigte, das Menfchenz
leben wie eine vielfach zu variirende Theatermaske
zu behandeln und eitled Wohlgefallen zu hegen,
wenn ſolches Faſtnachtsſpiel Beifal erwarb. —
„Der Schaufpieler Abt Fam mit einer herum⸗
ziehenden Gefeufchaft nad Weimar, und fchlug
feine Bühne in der Reitbahn auf. Seit ich ben-
fen konnte, war in Weimar Fein Schaufpiel ges
wefen, und folglich meine Neugier ohne Grenzen,
Mufäus, ber gute vortreffliche Mufäus, der mid
— 32 —
ler, Brandes, Boec und der unſterbliche
Eckhof kamen nach Weimar.
„Eckhof! du großer und guter Mann! ich
ſegne deine Aſche! du haft mein Herz und meis
nen Verſtand gebildet, haft jede edle Empfin⸗
dung in mir gewedt, und durch dein göttliches
Spiel meine Vernunft und meine Phantafie mit
Ideen und Bildern bereichert, welche ohne dieſes
Vehikel mir nie fo anſchaulich geworden wäre.
Oft, wenn ich dich des Vormittags um zehn
Uhr in einem fchlichten Rode, einer ungefämm:
ten Peruͤcke und mit einem gebüdten, höchft an=
ſpruchsloſen Gange nach den Proben wandern
ſah, bewunderte ih im Stillen in bir den unbes
greiflihen Mann, der des Abends, wenn er als
König oder. Minifter auf die Bühne trat, zum.
Herrfhen geboren fchien. Dort waren deine
lebendigen Darftelungen für mich eine Schule
der Weisheit, und noch außer der Bühne lehr⸗
teft du, anfpruchlofer Mann! mich bas Verdienſt
vom aͤußern Prunk ſcheiden. u
„Als Kichard der Dritte und als berzog |
— 33 —
Michel, als Odoardo und als Vater Rode blieb
Eckhof immer gleich groß, unerreichbar! —
Man gab woͤchentlich drei Vorſtellungen, und
die muͤtterliche Erlaubniß, ihnen beizuwohnen,
hing theils von meiner Auffuͤhrung, theils von
meinem Fleiße ab. Eine knoͤcherne' franzöfifche
Gouvernante gebot in jenen Tagen uͤber die
groͤßten Freuden meines Lebens. Wir laſen und
uͤberſetzten bei ihr die Werke der Madam Beau⸗
mont. Taͤglich gab ſie mir einen Zettel mit
| naͤch Hauſe, worauf entweder die Worte: bon
‚ober medioere, oder dad Schreckenswort mal
geſchrieben fland. Im legten Fall war an fein
Schauſpiel zu gedenken; meine Mutter blieb ge:
woͤhnlich unerbittlih. Wie oft habe ih, wenn
Demoifell Louvel die Feder bereitd eingetaucht
- hatte, um jenes fatale Wort nieder zu fchreiben,
wie oft habe ic) ihre fehöne, weiße Hand ergrifs
fen — das ‚Einzige, was an ihr fchön genannt
werden konnte — und mit Küffen und Thränen
fo lange bededt, bis fie das harte Urtheil mil
verte, und das vermaledeite mal wenigftens in
ein mediocre umfchuf.”
3
— 34 —
„Meine Leidenſchaft fuͤr die Buͤhne wuchs
mit jedem Tage. — Ich darf kuͤhn behaupten,
daß ich unter allen Zuſchauern, groß und klein,
immer ber aufmerkſamſte war. Zum Beweife
"mag. der Uniftand dienen, daß ich Leſſings Emi⸗
lia Galotti ‘von einem Ende zum andern aus⸗
wendig wüßte, ohne das Buch jemals in Haͤn⸗
den gehabt zu haben. Ich muß auch zur Ehre
des damals zu Weimar herrfchenden, durch das
Beifpiel einer liebenswuͤrdigen Zürftin gebildeten
Geſchmacks hinzufügen, daß Emilia Galotti ſehr
oft, und immer bei vollem Haufe gegeben würde.
— Auch Engels dankbarer Sohn prägte fich,
ohne Borfag, meinem. Gedachtniffe wörtlich ein,
blos durch die Kraft feiner inneren Vortrefflich⸗
Teit. Ich brachte meine Gefpielen bald dahin,
diefe beiden Stüde, auf einer Bühne von Bett:
ſchirmen, mit mir aufzuführen und übernahm
dann wedhfelöweife alle Rollen.” —
Diieſes willfährige, aber gefahrvolle Ueber⸗
nehmen aller Rollen, zuerſt im Kinderſpiele
verſucht, dann mit dem fortſchreitenden Alter,
als Juͤngling und als Mann fleißig wiederholt,
38 —
ſcheint ein vorwaltender Zug Kotzebue's gewor⸗
den zu ſeyn, daß er ihm ſpaͤterhin, oft ſelbſt
unwillkuͤhrlich, Folge leiſtete; woher es denn er⸗
klaͤrlich wird, daß er bei dem ſchnellen Rollen⸗
wechſel, je weiter er im Leben vorſchritt, die
Haltung der Wahrheit immer mehr verlor. —
„Nichts gleicht der Ehrfurcht, die ich. damals
für jeden, felbft mittelmäßigen Schaufpieler hegte.
Konnte ih mich im gemeinen Leben zu einem
drängen, ihn reden hören, ober gelang es mir
gar, felbft ein Wort mit ihm zu fprechen, fo
glaubte ich mid hochgeehrt. Ich weiß noch, wie
gerne ich ded Sonntags zu einem gewiflen Hen⸗
fel ging, um das Nepertorium ber kuͤnftigen
Woche zu erfahren, denn Komödienzettel waren
ungewöhnlid. Zu Haufe fledte ich alles mit
meiner XTheaterwuth an; einige Gchäferfpiele,
an Geburtötagen aufgeführt, genuͤgten mir nicht;
jedes neue Stud mußte fich gefallen laſſen, uns
ter unfern Streichen zu blüten, und endlich fiel
mir gar einmal Gerſtenbergs Ugolino in bie
- Hände, dieſes vortrefflihe Kunftwerf, das nicht
fo allgemein. befannt ift, ald es zu feyn verbient.
3*
t
Y
— 36 —
Ich war entzuͤckt davon, und weil es nur wenige
Perſonen enthaͤlt, ſo glaubte ich, es ſey recht
fuͤr unſere Privatuͤbungen gemacht, ohne zu be⸗
denken, daß jede dieſer Perſonen einen vollkom⸗
menen Schauſpieler erfordert. Ich uͤbernahm
die Rolle des Anſelmo, den ich mit allem Feuer
meiner jugendlichen Einbildungskraft herperorirte.“
— „Auf die großen pantomimiſchen Ballete
wurden in Weimar anſehnliche Koſten verwen⸗
det. Mit Entzuͤcken erinnere ich mich noch der
glaͤnzenden Darſtellungen von Idris und Ze⸗
nide, Orpheus und Eurydice, Incle und
Jariko, die Amazonen uf. f. (Die Idee
zu dem Lehteren war von Muſaͤus.) Was bie
Schaufpiele auf meine Empfindung, das wirkten
die Ballete auf meine Sinne, und ich dachte
bald auf Mittel, auch diefe nachzuahmen. Zu
dem Ende’fchuf ich mir felbft ein Eleines Thea:
ter, anfangs nur von. Wachs, dann von Papier
und endlich von Holz. Wer malen fonnte mußte
mir Dekorationen pinfeln, Mutter und Zanten
mußten mir feidene Lappen liefern, um meine
Puppen zu kleiden. Sie tanzten ihre Solo’s
— 37 —
und pas de deux am Drahte, die Blitze von
semen lycopodii fuhren aus Federkielen in die
Flamme, und Furz, jedes neue. Ballet, das bie
Herren Koh und Schüß auftifchten, war gewiß
„einige Wochen nachher auf meiner Privatbühne
zu fchauen. Der Gefchmad an diefem Spiel:
werte pflanzte fich unter den weimarifchen Kna⸗
ben fort, in kurzem befaß jeder fein Pleines Thea⸗
tee, und lernte von mir den Gebrauch ber klei⸗
nen Mafchinerien.”
„O ſcheltet nicht, daß ich vielleicht zu lange
bei diefen kindlichen Spielen verweilte! Der
mächtige Einfluß, den fie auf meine Tünftige
Beſtimmung hatten, mag meine geſchwaͤcige Fe⸗
der rechtfertigen.“
„Ich gehe zu der traurigen Epoche uͤber,
wo ein ungluͤcklicher Brand das weimariſche Schloß
und mit ihm den Schauplatz meiner Freuden in
die Aſche legte (im Mai 1774). — Die Ge⸗
ſellſchaft wurde nun verabſchiedet und ging nach
Gotha. Ich weihte ihrer Abreiſe manche Thraͤne.
Ja, ich muß es noch einmal wiederholen, daß
— 38 —
ich jener Epoche den groͤßten Theil mei
ner Bildung verbante.‘
Bei diefer Stelle verweißt K. auf folgenden
Ausſpruch Voltaire's: J’ai toujours reconnw
l’esprit des jeunes gens, au detail qu’il fai-
saient d’une pièce nouvelle, qu’il venaient
_ d’entendre; et j’ai remarque, que tous ceux,
qui s’en acquittaient le mieux, ont été ceux,
qui depuis ont acquis le plus de reputation
dans leurs emplois. Tant il est. vrai, qu'au
fond l’esprit des affaires, et le veritable es-
prit des belles lettres est le m&me; — und
tnüpft, nachdem er fo für die Anerkennung feis
ner Zalente und Verdienſte einen befcheidenen
Zingerzeig gegeben, baran folgende Betrachtuns
gen: „Aus inniger Weberzeugung fordere ich El⸗
tern und Erzieher auf, wenn fie das Glüd ges
nießen, eine gute, gefittete Bühne in ihren Maus
ern zu:befigen, ihre Kinder und Zöglinge, fo
oft als moͤglich, in dieſe Schule zu führen. Ein
gutes Schaufpiel iſt das ſicherſte und ſchnellwir⸗
kendſte Mittel, in zarten Herzen jeden Keim
des Edlen zu wecken, ihnen Abſcheu vor dem
— 39 —.
Laſter und Liebe zur Tugend einzupflanzen. Der
gewoͤhnliche Einwurf, den man zu machen pflegt:
die Kinder werden zu ſehr dadurch zerſtreut —
iſt völlig unbedeutend. Ich habe nie mit
mehrerem Eifer gelernt, nie fehnellere Zortfchritte
gemacht, als ba ich die Hoffnung hatte, meinen
Fleiß am Abend durch ein Schaufpiel belohnt
zu fehben. Ich verfiel gegentheild in eine Art
von Zrägheit, als biefer große Reiz verfchwuns
ben war. — Sollte hier irgend ein Froͤmmling
auffiehen und mit verbrehten Augen ausrufen:
„Welch ein gottlofer Menfch! er warnt vor der
Kirche und preißt dagegen das Schaufpiel an!" —
dem würde ich mit Achfelzuden antworten: Gu⸗
ter Freund! ift eö meine Schuld, daß Predigt
und Schaufpiel, zwei Dinge, bie zu gleichen
Zweden erbacht wurden, nicht. beide ihre Be:
flimmung erfüllen? Was die Sittlichleit des
Menſchen befördert if mir heilig, es heiße, wie
es wolle. Könnt ihr durch eine Predigt bie
nämlichen Wirkungen hervorbringen, fo fol es
mir fehr lieb feyn. Wahr iſt's, ihr gebt eure
Predigten gratis, aber dafuͤr laßt ihr und bie
— 42 —
(Muſaͤus) erzogen und ein wenig verzogen wurde.
Was machten wir dort? — Was anders, als
Plane, um Komödie zu fpielen? — Wir hatten
den gefhäftigen Müpiggänger gewählt,
und ich erinnere mi, daß wir viele Zage mit
Abfchreiben der Rollen zubrachten, ohne zu ahnen,
daß wir ſchon durch die Wahl des Stüdes eine
Satyre auf und felbft machten.‘
„sn Secunda ging ed fehon etwas befler.
Zwar ließ man fih auch dort noch manchen
Zeitverderb zu Schulden kommen, wohin ich uns
ter andern die Stunden rechne, in welchen wir,
wir mochten wollen und Fönnen oder nicht,
Iateinifhe Verſe fehmieden mußten. Der gute
Muſaͤus unterrichtete fehr wider feinen Willen
in diefer Kunft. Dagegen aber lernten wir dort
auch manches Gute, und zwar dad Meifte von
eben dem vortrefflihen Manne, beflen Name fo
eben meine Feder ehrt, Bei ihm übten wie
und im Briefichreiben, und man weiß, daß Mus
faus Briefe zu ſchreiben verftand. Ferner hatten
wir in jeber Woche eine poetifche Stunde, um
beren willen mir der Sonnabend ein lieber Tag
wurde. Muſaͤus hielt es damit folgender Ges
Halt: Sobald er in die Klaſſe trat, erkundigte er
fih, ob etwa einer ber Schüler felbft einen poese
tifchen Auffaß verfertiget habe? denn gezwungen
wurbe, wie billig, niemand dazu. : Gewöhnlich
fanden fich einige ſchuͤchterne Mufenjünger, wel:
che aufftanden, und mit niebergefchlagenen Bliden
anzeigten, daß ihre Pegafus gefattelt ſey. So⸗
glei räumte ihnen Mufäus den Katheder ein,
fie traten auf, und durften von der Zeber. bis
zum Ifop reden, indeſſen Mufdus, die Hände
auf den Rüden gefchlagen, fchweigend auf und
‚nieder ging. Hatte der Dichter geendet, fo wurde
fein Machwert vom Lehrer Feitifirt, doch nie fo
abfchredend, als feine Herren Kollegen in ber
großen Schule der Welt zu thun pflegen. —
Denn keiner mehr da war, der. dad Schulpublis
cum mit eigenen Gebichten zu unterhalten fich
erbot fo traten diejenigen auf, bie frembe Ges
dichte. auswendig gelernt hatten, und fie herſag⸗
ten, um fich in der Deklamation zu üben. Auc)
hier war aller Zwang verbannt. Es fand einem
Jeden frei, zum Behufe biefer Uebung zu wäh
— 4 —
len, was ihn gut duͤnkte, oder auch ſich gar
nicht damit abzugeben. Muſaͤus billigte oder
tadelte die deklamirten Stuͤcke, und gab ſeinen
Schuͤlern Gruͤnde fuͤr beides. Wir waren gluͤck⸗
licher als das Publikum, das ſich ohne Gruͤnde
behelfen muß.“
„Wie ich vormals als Kind mein. frommes
Gebet nur aus dem Herzen holte, ſo wollte ich
auch jetzt als Knabe dem Muſengotte nichts Aus⸗
wendiggelerntes vorplappern; ich gehoͤrte mit zu
der kleinen Anzahl derjenigen, die ihr eigenes
Unkraut auf dem Parnaß ausſaͤten und keine
fremden Blumen brachen. Noch jetzt beſitze ich
einige Kleinigkeiten aus jener Epoche, die gerade
nicht die ſchlechteſten in einem gewoͤhnlichen Mu⸗
ſenalmanache ſeyn wuͤrden. — Damals gingen
die Balladen ſtark im Schwange. Die Alma⸗
nache wimmelten von ſchauerlichen Ritter⸗ und
Geiſtergeſchichten. Es konnte nicht fehlen, daß
. fie meinen Beifall erhielten und meinen Nach
ahmungstrieb weckten. Ich reimte alſo auch
eine Ballade, ganz im Geſchmacke jener Zeit.
Es wurde darin geſchmaußt gemordet, durch ein
— 3 —
Geſpenſt Buße gepredigt, und der verftodte Suͤn⸗
der endlich vom Teufel geholt. — Am naͤchſten
Sonnabend. fonnte ich den Augenblid kaum ers
warten, um mit dieſem Meifterftlide, das übris
gens wirklich leicht werfificirt war, die Rebners
bühne zu betreten. Der wichtige Augenblid ers
fchien, mein Herz klopfte, ich beflamirte mein
Machwert mit zitternder Stimme. Aber wie
fumkelten meine Augen! wie hob fic) meine Bruft!
Ks Muſaͤus, nachdem ich geendigt hatte, fols
gende mir unvergeßliche Worte ſprach: „Out,
recht gut; aus welchem Almanache haben Sie
das genommen? —“ Man vente ih — nein,
man kann ſich das nicht denken! — mit wels
chem freudigen Kigel ich antwortete: Ich babe
ed felbft gemacht. — „Wahrhaftig?“ fagte Mus
ſaͤus, „ei, ei! bravo! fahren Sie fo fort!" —
Sch. war außer mir! ich hätte diefen Augenblid
für kein Königreich verkauft. Mit glühenden
Wangen ging ich wieder nach meinem Sige, und .
da ich fah, daß die Augen aller meiner Mitfchüs
ber auf mich geheftet waren, fo verbarg ich mein
Seficht mit flolzer Befcheidenheit in den blauen
— 46 —
Mantel, den — ſonderbar genug — alle Schuͤ⸗
ler zu tragen verbunden waren. — Von nun
an hielt ich mich fuͤr einen Dichter. Muſaͤus
hatte bravo geſagt, Muſaͤus konnte glauben,
die Ballade ſey aus einem Almanache genommen,
Produkte, fuͤr welche ich damals große Ehrfurcht
trug; wer konnte mir jetzt noch meinen Beruf
zum Dichter ſtreitig machen? — Ich haͤtte nun
fortfahren, und jeden Sonnabend ein neues Mu⸗
ſenkind liefern ſollen, aber es kam mir vor, al®
- .fey meine Ballade unerreichbar, und als: Tönnte
ich doch nichts dem ähnliches wieder hervorbrin⸗
gen. Ich ruhte daher auf meinen Lorbeern aus,
"und begnügte mich, die Ballade immer in der
Zafche zu tragen, um ſie gelegentlich einem Jeden
vorzulefen, der Luft hatte, fie zu hören.“
„Ein Süd für mih, daß Mufäus eben fos
wohl verfiand, Uebermuth zu Dampfen, als Ta⸗
Iente aufzumuntern. Einige. Monate . nachher
nahte das feierliche Eramen heran, wo Lehrer
und Schüler ihr Beftes thaten, um vor einem
. zahlreichen Auditorio zu glänzen. Mufaus wollte
denn auch, zur Recreation der geflrengen Herrn
— 47 —
Eraminatoren, einige Gedichte deklamiren lafſen,
und forderte befonderd diejenigen bazu auf, bie
eigene Arbeiten zu liefern im Stande waren.
Als die Reihe an mich kam, und er mid) fragte:
womit ich aufzutreten gebächte? war ich flugs
mit der Antwort fertig: mit meiner Bals
lade. — „Welche Ballade?“ — Ei, die naͤm⸗
liche, die der Herr Profeflor vor einigen Monas
ten fo fehr lobten! — Ich fprach dies mit einer
Zuverfiht und Selbfigenügfamteit, bie Mufdus
durchaus nicht leiden Eonnte. — „Ah was!
bleibe Er mir mit feiner dummen Ballade vom
Halfe! ich habe das alberne Ding fchon laͤngſt
vergeſſen. Mache Er was Neues, was Ver⸗
‚nünftiges!" — Ich ſtand verſteinert. Das Ge⸗
baͤude meiner Citelkeit ſank in Truͤmmern, bie
Schaam weinte uͤber den Ruinen. Was war zu
thun? ich mußte aufſtehen von meinen welken
Lorbeern, auf denen ich ſo ſanft geſchlummert hatte,
und mie einen friſchen Kranz zu verdienen ſuchen.
Es gelang mir auch. Ich waͤhlte aus Millers
moraliſchen Schilderungen die Geſchichte des uns
natuͤrlichen Sohnes, der ſeinen Vater eingeſperrt
— 48 —
haͤlt. — Dieſe ſchreckliche Geſchichte brachte ich
in Verſe, und erwarb mir abermals den Beifall
meines Lehrers. — Außer den Schulſtunden ge⸗
noß ich ſeinen Unterricht noch in manchen andern
Dingen, und dieſe Privatſtunden hatten einen
großen Vorzug vor jenen; dort war es nur auf
Geiſtesbildung angeſehen, hier lernte ich ſein
gutes Herz kennen, feine haͤusliche Tugend lie⸗
ben, fein vortrefliches Muſter nachahmen. Taͤgr
lich wuchs meine zaͤrtliche Achtung für ihn, ob er.
gleich zuweilen fehr fireng-gegen mich war." — :
Diefe von Kogebue felbft mitgetheikten Züge
feines Knabenlebens laſſen tiefe Blicfe in fein In⸗
neres thun; je aufmerkffamer man ihn auf feiner
weiteren Pilgerfahrt begleitet, um fo öfter wird
man an jene erinnert. Unbezweifelt, war er mit
einem fehr empfänglichen, regfamen Geiſte u
der Natur befchenft; ſchon als Kind entwidelte
er ungewöhnliche Bertigfeiten und Zalente, aber
mit ihrem Aufleimen bemächtigte fich feines ganz
zen Dafeyns die ungemefjenfte- Eitelkeit. Fruͤh
ging ihm die fehönfte Blüthe der Jugend, die
Tindliche Unbefangenheit, die wahre Reinheit des
— 49 —
Gemuͤths verlohren. Nicht die freie Knabenſphaͤre,
mit ihren wilden Spielen, mit ihren unbeſtimmt
ins Leben. hineinſtuͤrmenden Luſtgebilden, befluͤgel⸗
ten ſeinen Geiſt; er lebte nicht in der frohen Ge⸗
genwart, nicht in der anmuthvollen Wirklichkeit
der Kindheit und noch weniger in der reichen Welt
einer ſich idylliſch geſtaltenden Zukunft: das Men⸗
ſchenleben, wie es in guten und ſchlechten Schau⸗
fpielen, in wunderlich verzerrten Abentheuren
und Romanen erſcheint, Liebeleien, mit denen
er. exrwachſene, ibn. nedende, ihn verſpottende
Maͤdchen heimſuchte, Yamilien = Umgebungen,
die an foldhen Naturverirrungen Scherz und
Gefallen fanden, und ein eitles Streben, für
die wildauflodernde Selbfifuht aus diefem ent⸗
weiheten Boden Gewinn zu ziehen — dies waren
04 ſtalten, unter denen Kotzebue zum
Jungling heranreiſte. —
Schon in Secunda erneuerte er feine drama⸗
tiſchen Verſuche. Die Verſchwoͤrung des Catilina
bearbeitete er als Trauerſpiel in fuͤnf Akten, „wel⸗
ches ohngefaͤhr einen halben Bogen lang ſeyn
mochte.” Ein ermachſener Mitſchuͤler, der für
— 4
— 50 U U U}
eilnen ſchoͤnen Geiſt galt, erhielt es zur: Durch⸗
ſicht, und tadelte daran, daß ſich die Perſonen:
Herr nannten und zugleich du tz ten. Durch
ſolchen ſchlechten Vorwurf ſank die hohe Achtung,
die der Verfaſſer fuͤr den ſogenannten ſchoͤnen Geiſt
hegte, bis zum Mitleid herab. — Waͤre Eckhof
noch in Weimar geweſen, gewiß, verſichert Kotze⸗
bue, haͤtte er ihm fein Wert in Demuth üuͤber⸗
reicht, und ihn gebeten, bie Rolle beö Gicero barin
zu übernehmen. —
- Zur Beftdtigung jener Fan vorhin ensgefpro-
chenen Bemerkung, fährt K. dann fort, das Ge⸗
maͤlde feiner Jugend weiter: auszuführen: „In
jenem Alter, wo der Geift, gleich einem jungen
Baͤumchen, fid mit jedem Winde beugt, iſt alles,
was wir hervorbringen, Nachahmung, und ich bin
Aberzeugt, daß Fein originellee Gedanke aus dem
Kopfe eines Menfchen Tommen Tann’, ehe und
bevor er im Stande ift, fein Gefchlecht fortzus
pflanzen. Alles, was ich damals Tchuf, war
immer nur Nachahmung reiner letzten Lectuͤre.
Die Brandesfchen Schaufpiele, zum Exempel, ge:
fielen, denn auf ber oͤden Steppe unferer bra:
+ — BE —
matiſchen Literatur war man froh ein Blümchen
zu finden, wenn es auch nur ein blaſſes Veil⸗
chen war. Ich fchrieb ein Luftfpiel, Enpe-gut,
Alles: gut, ‚welches, wo ich nicht irre, viel
Aehnlichkeit mit dem Grafen von Olsbach hatte;
auch eine Frau Wattel, ganz nah ber Frau
Bandel gebildet, kam barin vor. Goͤthe bes
fuchte damals oft unfer Haus — (wenn. ich ihn
nicht Herr Geheimerath von Goͤthe nenne,
fo gefchieht es aus der naͤmlichen Urfache, die
Herr Schulz in feinen mikrologiſchen Aufſaͤtzen
anfuͤhrt) — er hörte von: meinem Luſtſpiele,
und war fo herablafiend ober. fo höflich, fich das
Ding zum Durchlefen auszubitten. Er machte
meiner Mutter durch dieſen Wunfch eine große
Freude, und bad war auch wohl feine Ab:
fit. Ich: habe :nachher nichts wieber bayon ges
hört und gefehn, .würbe es ihm auch fehr ver
argen, wenn er. feine ‚Zeit bamit verborben bätte.
Indeſſen war. biefer geiftreihe Man in meinem
Kaabenalter doc immer fehr gütig gegen mich.
Er erlaubte: mir,; in feinem Garten Vögel in
Schlingen zu fangen, denn ich war bamals ſchon
| 4*
—1 —
ein leibenfchaftliher Jaͤger. Wenn idy.nun des
Morgens um ſechs Uhr, auch wohl. noch früher,
hinaus wanderte, um zu.:fehen, ob ich einen
Krammtövogel oder cin Rothlehlchen erbeutet hätte,
fo fam er oft zu mir herab, unterhielt ſich freund⸗
lich mit mir, und munterte mich :auf zum. Fleiße.
Er hat daB vermuthlid ſchon laͤngſt vergefien,
ich aber werde es nie. vergeffenz; denn jedes feis
ner: Motte war mir hoͤchſt merkwürdig, "und
machte: einen tiefern Eindrud auf mich, ala. die
ſchulgerechten Ermahnungen meines Conrectors.
— Göthe batte damals fein allerliebſtes klei⸗
ned Stuͤck, die Geſchwiſter, gefhrieben. Es
wurde auf dem Privattheater zu Weimar aufs
gefuͤhrt: er: Jelbſt fpielte den Wilhelm, meine
Schwefter die Marianne, und. mir — mir wurde
die wichtige. Rolle bes Poſtillons zu Theile! Man
vente ſich meine ſtolze Freude, als es mir zum
erſtenmale ‚erlaubt war, vor. einem :großen Pu⸗
blicum die Bühne zu betreten... ch fragte alle
Menfchen, ob ich meine Rolle gut geſpielt haͤt⸗
te? — Die Undanfbaren! ne erinnerten ſich bes
Poſtillons kaum. — —
— 53 —
Haͤtte ſich Kotzebue doch oͤfter dieſes Jugend⸗
vorfalls erinnert; er, der ſo oft Rollen uͤbernahm
und wechſelte, er, der ſelbſtzufrieden umherfragte:
ob er ſeine Rolle gut geſpielt, und dann die,
als Undankbare, verlaͤumdete, welche ſich des
Poſtillons kaum erinnerten, oder die dem Fra⸗
genden das Bekenntniß nicht varenthalten konn⸗
ten, daß er falſch geblaſen und ſchlecht gefahren
habe! —
Bald nachher lad ich auch zum erftenmale
Goͤthe's Werther. Ich habe Feinen Ausprud
fuͤr das tobende Gefühl, welches biefer herrliche,
philofophifche Roman in mir erregte. Es wurde
dadurch in meintm Herzen eine fo ſchwaͤrmeri⸗
ſche Liebe für den Verfajler erzeugt, daß er mich
haͤtte ins Feuer fenden können, um einen verloh⸗
renen Schuhriemen heraus zu holen. — Noch ein
anderer Dichter voll Sturm und Drang ging
bei und öfter aus und ein, Herr Klinger,
ber mit einer fchönen, männlichen Geſtalt ein
gewiſſes rafches, biederes Wefen verband, bas
mich zu ihm Jog. Mit ihm und Muſaͤus habe
ich einft eine Zußreife nach Gotha gemacht, am
— 4 —
die ich, ſo lange ich lebe, mit Bergnuͤgen zu⸗
ruͤckdenken werde*). Es konnte nicht fehlen,
daß in dem fruͤhen Umgange mit ſolchen Maͤn⸗
nern, meine geringen Talente den Grad der
Ausbildung erhalten mußten, denen fie fähig
waren.” —
„Ich war nunmehr nach Prima hinaufges
tut, wo ber verſtorbene gelehtte Heinfe mir
zum erſtenmale Sefchmad an ber Lateinifchen
Sprache einflößte, die in ben untern Klaſſen
blos als Gebächtnißwert und fo handwerksmaͤßig
betrieben wurde, baß es unmöglich war, fie mit
Luft zu ſtudiren. Heinſe aber las in Privatflun-
ben den Terenz mit und, und las ihn fo, daß
der Kern nicht verloren ging. Terenz hat mir
viele Freude gemacht; das war es aber auch)
alles, denn die erbärmliche Logik, die man in
Prima nach einem alten Scholaftifer lehrte, die
trodene Univerfalbiftorie von Zopf, und was
*) Siehe Nachgelafſene Schriften bes Prof. Wufäus,
herausgegeben von X. v. Kotzebue. Leipzig 1791.
Geite 30. Ä "
— 56 —
bergleichen mehr war, erwedte mir ſolchen Edel,
daß ich in den Schulſtunden faft nichts „anderes
that, als unter dem Mantel Romane lefen. —
&o nabte nun endlich die Zeit heran, wo ich
die hohe Schule zu Jena beziehen follte, und
ich war noch ‚nicht völlig ſechszehn Jahre alt als
ich fie wirklich bezog." —
Dier muß der Kogebuefchen Selbſtbiographie
Einiges eingefchaltet werben, um nicht ganz un:
beruͤckſichtigt die. Verhältniffe zu überfpringen,:
unter welchen er, als frühgereift, burch-feine
Mutter von Weimar-weg, nah Jena gebracht .
wurde. — Bei einer: fehr leichten und glüdlichen
daſſungsgabe, bei großer Regfamleit des Geiſtes
und einer Gemüthsart, die in Selbfigefäligkeit,.
ſinnlicher Reizbarkeit und Eitelleit alle. Kbrigen
Charakterzüge verbunlelte, zeigte K. gar bald,
daß er unter bem gefährlichiten Himmelszeichen
geboren war, welches feinen Einfluß: auf einen
zum Sünglinge heranreifenden talentvollen Kna⸗
ben üben kann. Der Stern, welcher Kotzebne's
Leben, ‘von früher Jugend an, Licht verlieh,
war der Wis. - Durch ihn: machte er fich: :bes
die ich, fo lange ich Iebe, mit Vergnügen zu:
ruͤckdenken werbe*). Es konnte nicht. fehlen,
dag in dem frühen Umgange mit folchen Maͤn⸗
nern, meine geringen Talente den ‚Grab ber
Ausbildung erhalten mußten, befien fie fähig
waren. .— |
„Ich war nunmehr nach Prima hinaufges
ruͤckt, wo ber verftorbene gelehrte Heinfe: mir
zum erſtenmale Geſchmack an ber Iateinifchen
Sprache einflößte, die in ben untern Klaffen
blos als Gebächtnißwert und fo handwerksmaͤßig
betrieben wurde, daß es unmöglich war, fie mit
Luft zu ſtudiren. Heinfe aber las in Privatſtun⸗
ben ben Terenz mit und, unb las ihn fo, baß
der Kern nicht verloren ging. Terenz hat mir.
viele Freude gemacht; das war es aber auch
alles, denn die erbärmliche Logik, die man in
Prima nah einem alten Scholaftifer Lehrte, bie
trodene Univerfalbiftorie von Zopf, und was
*) Siehe Rahgelaffene Schriften bes Prof. Mufäus,
herausgegeben von A. v. Kotzebue. Leipzig 1791.
Geite 20. Ä ’
— .55 nnd
dergleichen mehr war,. erwedte mir folchen Edel,
daß ich in: den Schulſtunden faſt nichts anderes
that, als unter :dem :Mantel Romane lefen.. —
So nahte num endlich die Zeit heran, wo ich
die hohe Schule zu Jena beziehen follte, und
ich war noch nicht völlig ſechszehn Jahre alt ale
ich fie wirklich bezog.” —
Hier muß der. Kotzebueſchen Selbſtbiographie
Einiges eingeſchaltet werden, um nicht ganz un⸗
beruͤckſichtigt die. Verhaͤltniſſe zu uͤberſpringen,
unter welchen er, als fruͤhgereift, durch⸗ſeine
Mutter von Beimar-weg, nah Jena gebracht
wurde. — Bei einer: fehr leichten und gluͤcklichen
Faſſungsgabe, bei großer Regſamkeit des Geiſtes
und einer Gemüthsart, die in Selbfigefäligkeit,.
finnlicher Reizbarkeit und. Eitelkeit alle .Kbrigen
Garakterzuͤge verbunfelte, zeigte K. gar bald,
Daß er unter dem gefährlichften Himmelszeichen
geboren war, welches feinen Einfluß: auf einen
zum: Sünglinge heranreifenden talentvollen Kna⸗
ben üben kann. Der Stern, welcher Kotzebne's
‚Leben, von früher Jugend an, Licht verlieh,.
war ber Wit. - Dich, ihn machte er fich bes
— 56 —
merklich und aͤrndete Beifall, durch ihn gereizt,
wurde es ihm unmoͤglich, je in Erlernung irgend
einer Scienz ober Wiſſenſchaft Freude zu finden,
durch ihn buͤßte ex. früh bie fittliche Reinheit ein,
die das Jugendleben verherrlihen muß. : Da er
für immer dem Ernſte des Schulfleißes entzogen,
‚ nie mit dbemfelben vertraut werben, aus demfelben .
Gewinn ziehn konnte, fo wurde er mit feinem jugend»
lihen Muthwillen bald überläftig, ja fogar ver⸗
hast, als man bemerkte, daß er auf Nedereien.
und Spoͤttereien alle feine Fähigkeiten verwens
bete und bei benfelben eine. Bekanntſchaft mit
den Verhältniffen zum ſchoͤnen Gefchlechte offen
barte, bie bei einem Knaben von feinem Alter,
in :offenbase'Yrechheit ausartete. Die Nachſicht,
welche die Seinigen ihm’ angebeihen liegen, fand
eine -befondere Stüge in dem gemuͤthvolleſten
arglofeflen Satyriker, der je in ber Welt gelebt:
hat, »in.. Mufäus, der zu nichts weniger, als
zum; Sugenderzieher gefchaffen war, in Eindlicher
| Unbefangenheit durchs Leben. ging und aus nichts
in ber Welt etwas Arges hatte So. war Kos
gebue aus dem. Kreiſe feines Lebensalters ge>
— 57 —
ſchieden und fand eine Nahrung bes Ehrgeizes
darin, ſich in big. Rreife der Ermwachfenern zu
drangen. : Mehrere Umſtaͤnde trafen zufammen,
daß die jungen Leute beiderlei Gefchlechts ſich
veranlagt ‚fanden, ben unreifen und überreifen
Knaben aus ihrer Mitte zu entfernen, wie denn
gewöhnlich die, welche bie Kinderfchuh eben vers
hoffen haben, am wenigften gern mit benfelben
Kurzweil treiben. — Hierdurh wurde K—s
Eitelkeit auf das tieffle verwundet; er hegte nur
Einen Gedanken — den der Rache; fie ergoß
fi) in einem. Pasquille, welches bie gröbeften
Unfittlichleiten ausſprach, und, um den ernfthafs
teften . Unannehmlicyleiten vorzubeugen, feine
fehnelle ‚Entfernung von Weimar rathfam machte,
— So war Kogebue wirklich im fechözehnten Jahre
frühgereift zu nennen, aber nicht in willen:
fchaftliher Bildung und Kenntniß, fondern in
Selbſtſucht und ſchaamloſen Muthwillen; für
den hoͤheren wiſſenſchaftlichen Unterricht der Uni⸗
perſitaͤt war er noch auf keine Weiſe empfaͤng⸗
ich, weshalb ſeine Mutter den Verſuch machte,
da es mit ihm auf dem Weimarifchen Gymnafio
anf Feine Weiſe gehn wollte, ihm durch Unters
richt- in Jena die noch mangelnden Sprachlenn® -
niffe zu verfchaffen, welche intimer bie Grundlage
aller: wiffenfchaftlihen Studien feyn muͤſſen. -
K. erzählt weiter: „Freilich blieb ich anfangs
auch dort ein halber Schuͤler, und beſuchte noch
nicht die eigentlichen Brodkollegia. Uebung in
todten und lebenden Sprachen war -im erften
Zahre mein Hauptzwed; Seit ich ben Terenz
Bannte, hatte ich eine hohe Idee Yon der lateis
niſchen Sprache gefaßt; in Jena wurde fie noch
vergrößert. Der bamälige Herr Abjunftus Wie:
deburg, jebt Profeffor zu Helmſtaͤdt, las über
den Horaz. Die Stunde glei) nad) dem Mits
tagseffen war freilich unbequem, - befonders in
den Sommermonaten, und'man mußte ganz fo
angenehm unterhalten ‚werben, als es dort ges
ſchah, um nicht zuweilen den Anwandlungen
des Schlafes zu unterliegen. Wiedeburg drang
mit philofophifchem : Geſchmack in den Geiſt des
Dichterd, und wußte eben fo gut die Schönheit
der Sprache, als bie ber: Gedankenfuͤlle auein⸗
ander zu ſetzen.“ |
U % 59 Uusemsul
„Das Sranzöfifche hatte ich zwar ſchon von
Kindheit am getrieben, : aber in Iena wurde ich
zum’ etflen Male vertraut damit. Boulet, der
gute alte Boulet, war fein gemeiner Sprach⸗
meiſter. Belefen in den beften Schriftſtellern
feines Jahrhunderts, aus welchen er bie fchönften
Stellen audgezeichnet hatte, wußte er feinen Uns
terricht mit Wis und. Laune zu würzen, und
fein gluͤckliches Gedaͤchtniß war unerſchoͤpflich.
Ihm verdanke ich die Vorliebe zu der franzoͤſi⸗
ſchen Sprache und den Produkten der Franzoſen;
denn ob ich gleich ein Deutſcher, und zwar ein
deutſcher Schriftſteller bin, folglich dies Be⸗
kenntniß ſeltſam in meinem Munde klingen mag,
ſo muß ich doch freimuͤthig geſtehn, daß wir im
Fache der ſchoͤnen Wiſſenſchaften, und beſonders
in der leichten, faßlichen Art, Geſchichte und Phi⸗
loſophie darzuſtellen, noch immer weit hinter den
Franzoſen zuruͤckbleiben, woran denn freilich auch
unſere ſchwerfaͤllige, uͤbelklingende Sprache zum
Theile Schuld ſeyn mag. — Das Italieniſche
lernte ich von Herrn Valenti, und machte durch
ihn meine erſte Bekanntſchaft mit Arioſt. —
— (60 —
„Auch in Jena blieb meine Liebe für die edle
Schaufpielfunft nicht ohne Nahrung; denn als
ich dort ankam, fand ich bereits ein Liebhabers
theater von Studenten errichtet, und es war
natuͤrlich mein erſtes Beſtreben, als Mitglied
deſſelben aufgenommen zu werden. Die jungen
Damen auf Akademien weigern ſich, guf-folchen
Studententheatern Rollen zu uͤbernehmen, und
ich glaube, ſie thun recht wohl daran. Schlimm
iſt es freilich, daß man dadurch genoͤthigt wird,
Juͤnglinge in Weiberkleidern auftreten zu laſſen;
denn obgleich bartlos, behalten. fie doch: immer
ein linked Anfehen. Meiner Jugend wegen wurbe
ih zu Frauenzimmerrollen beflimmt, und ich
kann nicht ohne Lachen: daran denken, daß ich in
den ſechs Schüffeln bie Frau von Schmerling
im Reifrocke, und außerdem noch ſo manche
andere, zaͤrtliche und naive Madchenrole beſpielt
habe.“ |
„Nebenher fuhr ich fert, Keime zu. ſchmieden,
welche ich Gedichte gu nennen beliebte, „und
ed widerfuhr ‚mir im erſten Sabre: meiner. alades
mifhen Laufbahn eine Demüthigung und
main 641 —
eine Aufmunterung Mit ber erſteren vers
bielt:e8 ſich folgender. Seftalt :'
Ich haste meinem loͤblichen Nachahmungss
triebe zu: Folge, es auch gewagt, Wieland
nathzuahmen; denn weil feine Verſe ſich fo leicht
lefen ließen, fo dachte ich, fie müßten. auch
leicht zu machen ſeyn. Ich: reimte daher in
zwei Zagen ein Wintermährchen zuſammen, ſchrieb
es am ‚dritten Tage fauber ad, und fandte «8
am vierten mit der Poſt gerade an Wieland,
Ich ſchrieb ihm dabei “einen: ſtolz befcheidenen
Brief, und machte für niein Mährchen mit vies
Ver Zuverſicht Anſpruch auf einen: Platz im deut⸗
ſchen Merkur. — Man kann leicht denken, daß
Wieland mehr zu thun hatte, als mir zu ant⸗
worten. Das that mir zwar: wehe, indeß war
ich doch bereit, ihm zu verjeiben, wenn er mein
Machwerk nur wirklich einruͤckte, ein Umſtand,
an dem ich gar nicht zweifelte. Ich wartete da⸗
her zu Ende jedes Monats mit der groͤßten Un⸗
geduld auf das neue Stuͤck vom deutſchen Mer:
Eur, und durchlief mit“ gierigem Auge das In⸗
haltsverzeichniß: In den: erften. Monaten fehle
— 64 —
von ſelbſt aufſpringt, ſo thut er beſſer, den ſors.
den Mufen za entſagen.“ m ER
„In- Duisburg ging meine. erfte Sorge Das
bin, ein Liebhabertheater zu errichten. Ich brachtg
“auch. mit leichter Mühe. einen Haufen junger
Leute zufanimen, bie ſaͤmmtlich Lufl hatten; Haupt⸗
rollen zu fpielen; aber weit ſchwerer hielt ‘es,
einen fchidlichen. Mag zu finden,. um ein Thea⸗
ter aufzufchlagen . Ein dicker Nebel von Bars
urtheilen lag. noch auf dieſer⸗ kleinen Graͤnzſtadt;
die. Wenigen, die Geſchmack beſaßen, hatten keine
Säle zu vermiethen, und wer eirien Saal hatte,
wollte ihn nicht fo ſuͤndlich entweihen laffen. Durch
. wen glaubt man wohl, daß und aus dieſer Noth
geholfen wurde? — durch bie ehrwuͤrdigen Pas
treß des Menonitenofters! 11" — (Hätten ‚bie
ehrwuͤrdigen Patres nicht vernünftiger gehandelt, .
wenn fie der Noth nicht abgeholfen,. ſondern den
Sedanten feft gehalten haͤtten, daß ‘die Juͤng⸗
linge der Univerfität einen’ Höheren Zweck und
Beruf hatten, als mit Theaterpoffen ihre Zeit
zu vergeuben, nuglofen Zerftreuungen ſich hinzu⸗
geben, folchen zu Unfittlichleiten unb Unordnun⸗
65 —
gen führenden Unfug zu betreiben??? *) —
„Sie räumten uns höflih und willig ihren Fans!
gen und. ziemlich breiten Kreuzgang ein, beſuchten
unfere Proben, ergösten fi) an unfern Schwaͤn⸗
den, und erzählten, wie fie felbft ehemals bibli=
ſche Gefchichten aufgeführt hätten. Ueberhaupt
muß ich zur- Steuer der Wahrheit bei
kennen, daß ih unter den Fatholifchen:
Seelenhirten.nie foviel geifllihen Dänz .
tel angetroffen habe, als unter den
Proteſtanten. - Diefe halten fi urploͤtz⸗
lich für höhere Wefen, fobald das Be-
nedicat tibi Dominus! über fie auöges
fproden worden; jene vergeffen nie;
daß fie Menſchen find, und wenn fie in
Blaubendlehren unduldfam ſcheinen, fo
find fie Dagegen tolerant für menſchli⸗
he Schwacheiten Die Hölle iſt freis
lich auchihr Popanz, aber bei ihnen iſt
doch noch Erlöfung zu hoffen, und kurz,
| 5
. *) Diefe drei Zrogezeichen ſtehen hier als Erwiederung
der drei Ausrufungs zeichen, die K. bei ber eben mit⸗
getheilten Gtelle feiner Gelbftbiographie macht. 41
5
— 66 —
wer einmal verdammt iſt, in Pfaffen-
bände zu fallen, der fährt mit einem
Moͤnche doch nod immer beffer, als mit
einem Superintendenten.” —
&o hat Kogebue fein Glaubensbekenntniß
auögeiprochen, den Geſichtspunkt fefigeftellt, nad
dem fein Leben zu würdigen iſt, indem er als
Mann (4796, in feinem fünf und breißigften
Zahre) auf feine Jugend zurüdblidt. In Glau⸗
benölchren mag ber Geiſt der Kirche und der
Keligionslehrer immerhin unduldfam feyn, wenn
nur dagegen bie menfhliden Schwachheiten
Toleranz finden; das heißt: wenn man nur thım
und treiben darf, was jede Sinnesluft Lodendes
darbietet. — Dieſes ift die feine Moral, welche
er unzählige Male in feinen Schaufpielen und
andern Schriften wiederholte, durch die er fich
in allen Ständen, zumal in den fogenannten
höheren, fo viele Freunde, Beſchuͤtzer, Bewunde⸗
zer erwarb, diefed die Moral, mit ber er, er
mochte thun, was ihm gelüftete, immer zufrieden
und led auf dem Theater des Lebens hervors
trat. —....
— 67 —
„Im Kreuzgange des Menonitenkloſters alfo
gaben wir zum Erſtaunen, zur Freude und zum
Skandal des Duisburger Publikums die Neben⸗
buhler. Seit die Welt ſteht, iſt vielleicht nie
ein ſo profanes Stuͤck in einem Moͤnchskloſter
geſpielt worden, und wer den ganzen Kreuzgang
ganz voll Damenkopfzeuge ſah, mußte ſich billig
fragen: wo bin ich? iſt es ein Traum? — Des
kaͤcherlichſte bei der Gefchichte war, dag ich,
aus Mangel an Alteurd, zwei Rollen fpielte —
und weldhe? — Julia und den Junker Als
Ferland!! Wo Julia mit biefem zufammens
fommt, da hatte ich weislich Veränderungen ans
gebracht. Ich fpielte die Geliebte im Amazonens
babit, und Eleidete mich fchnell um, wenn Pog
Kinder und Wiegen! ber tölpelhafte Land⸗
junker auftreten folte. So mußte jede Schwies
tigkeit meiner Theaterwuth weichen.‘ |
„Noch immer war fein Funke von Drigines.
lität in meiner Seele.” (Jedoch mußte fich
ſchon damals 8. für fäbig halten, ober wenigs _
ſtens eine beflimmte Ahnung der bald eintretens
den Fähigkeit, fein Gefchlecht fortzupflauzen, ges
5*
habt haben; denn er betrieb feine Liebſchaften
wieder mit wildem Eifer und bezeigte gar große
Luſt, fich mit einem Srauenzimmer, dem Gegen:
ftande feiner Huldigungen, zu verloben. Doch
diefe Dame, nachher fehr glüdlicy mit einem
alademifchen Lehrer und Geiftlichen verheurathet,
wies den Thörigten mit gebührender Verachtung
zuruͤck. „Ein Roman, ben ich in Duisburg
anfing, glich auf ein’ Haar Sophiens Reifen von
Sachſen nach Memel. Ich kam damit nur bis
auf den vierten Bogen. Ein paar andere Pros
dukte hingegen vollendete ich wirklich, doch leider
nur um zwei neue Demüthigungen zu erfahren,
Das erfte war: der Ring, oder Geig ift eine
Wurzel alles Uebels, ein Luflfpiel in drei
Alten. Auch hier lag ein abgenuster Stoff zum
Grunde. — Ich hatte die Verwegenheit, das
Stüd an Schröder zu fenden, ber ed mir mit
einem höflichen Briefe zuruͤckſchickte, eben als ich
mit mir felbft zu Rathe ging, wie groß das
Honorarium wohl feyn müßte, das ich zu for:
dern gedachte. Ich zürnte auf Schröber, dei
feinen eigenen Vortheil nicht befler verſtand
— 69 —
überwarf mich -auch ein wenig mit der undank⸗
baren bramatifchen Mufe, ließ fie. im Stiche,
- and: ſchrieb einen Roman von acht oder zehn
Bogen, der, nach meiner Meinung, dem Wer⸗
ther in nichts nachſtand; ja die Geſchichte war
noch. weit ſchauerlicher, denn der Held ſtuͤrzte
fih von: einem hohen Berge und. wurde zer⸗
ſchmettert.“
.„Weygand in Leipzig war damals die Heb⸗
- amme aller modifchen Romane. Ihm .fandte ich
mein Produkt, und überließ ihm das Hanorarium
nach Verdienſt zu beflimmen. Zweimal in. ber
Woche eilte ich auf dad Pofthaus, um die erfeufzte
Antwort abzuholen... Sie kam endlich, und da
fie blos in einem dünnen Briefe beftand, mir alfo
: dad Manufeript nicht zurüdgefchidt wurde: . fo
ſchloß ich daraus, ehe ich den Brief erbrach, daß
mein Meifterwerk nothwendig bereit unter ber
Preffe feyn muͤſſe. Aber wie erfchrad ih, als
ich lad: daß Herr Wengand. fchon ‚für einige Meſ⸗
fen mit Verlagsartikeln hinlänglich verfehen fey,
- and. baß mein Manuſcript mir fogleich wieder, zu
- Dienften ſtehe, wenn ich. vorher. die Güte haben
würde, ihm das Poflgeld zu erfegen, denn ich
Hatte, im vollen Vertrauen auf bie Güte meiner
BWoare, fie ihm unfrankixt zugefhidt, und er
glaubte vermuthlich, ich wurde aus väterlicher
Zärtlichkeit nicht ermangelt, mein Kind einzulds
fen. Aber da irrte er ſich — Wie? mem Held
follte nicht allein gratis vom Berge fpringen, und
feine gefunden Gliedmaßen fo jaͤmmerlich zers
fchmettern? fondern ich follte auch noch einbüßen?
— nimmermehr! — Zwar hätte ich mein Manus
ferigt um fo lieber wieder gehabt, weil ich, als
ein echtes Genie, nicht einmal ein Brouillon das
von zuruͤckbehalten, ſondern ben erften Wurf,
wie er aus meiner Feber gefloffen, abgefandt,
ohne mich mit bem pebantifchen Zeilen abzuges
benz: aber — wer jemald Student war, wird
wiſſen, daß der Mufenfohn nie einen Gulden
zuviel. hat, und ich befchloß daher, meinen Scheg
in ven Haͤnden bed Herrn Weygand zu lafien.” —
Alſo ımglüdlidy in ben. Liebfchaften und im
ven Austorfchaften kehrte Kogebue 1779 von Duis⸗
burg. nach Iena zurüd. Die ihren Sohn fe
zaͤrtlich liebende Mutter wurde nachgerabe für
deffen kuͤnftiges Dafeyn beforgt. Hatte fie fruͤ⸗
ber auch auf die Theater⸗ und Dichterfpielereien
des Sohnes nicht ohne mütterliches Wohlgefallen
bingelächelt, fo war fie doch verfländig genug,
mit jedem Augenblide ernſter diefe unlge Ver⸗
geudung der ſchoͤnſten Jugendjahre zu erwägen.
Bas follte aus ihm, der, bei dem gluͤcklichſten,
fo leicht auffaffenden, fi mühlos Alles zu eigen
machendem Kopfe, eigentlih noch gar nichts,
als einige Fertigkeit in der franzoͤfiſchen Spras
die, erworben hatte, ber fih mit nichts au bes
fohäftigen wußte, ald mit Liebeleien, mit Romas
nengebilden und mit Theaterrvllen, was fonnte
aus ihm werben? — Kotzebue hatte die Juris⸗
prubenz zu feinem Bünftigen Berufsſtudio ges
wählt; dieſem fi) num auch ernflich zu widmen,
wuüurde ihm wiederholt und fehr ernſtlich anem⸗
pfohlen. Er liebte feine Mutter, barmm vers
ſprach er Fleiß und Beflerung, er’ liebte aber
noch mehr, feinem Geluͤſte zu fröhnen, darum
kamen alle Ermahnungen und VBerheißungen gar
bald ins Vergeſſen. Es wurden wiffenfchaftliche
und namentlid zum Studio. der Jurisprudenz
gehörige Kollegien angenommen, aber nur wenig
beſucht; an allen Lehrern hatte Kobebue etwas
. auszufegen, jeder ernfte Bortrag edelte ihn an.
„Der alte H—, ber feine Zuhörer durch Zoten
ergögte,” fo erzählt K. „ber trodene S—, der
feit einem Bierteljahrhundert in jedem Semefter
zwei Späßchen vorbrachte, die immer dieſelben
waren, und über die niemand lachte als er felbft;
Der weitfchweifige, : gefhmadlofe W—, und der
biedere, aber ungefittete Sch— waren meine
Lehrer... Gefchichte hörte ich bei dem feligen
Müller, der keine Periode hervorbringen Eonnte,
ohne fie durch die beiden Wörtchen „mit unter‘
zu würzen, fie mochten dahin gehören oder nichts
Logik. und Metaphyſik bei dem Herra Hofrath
Ulrich, der damals noch feinen überlegenen
Gegner gefunden hatte. Ich fegte meine Sprach⸗
‚ Übungen bei Boulet und Valenti fort, und
Yebte in den Nebenftunden mit Her, und Sinn
. für das Liebhabertheater. Damals gebar ich ein
Trauerſpiel: Charlotte Frank, weldes, fo
elend ed auch war, mir in unfern Zagen die
Ehre der Verfolgung zugiehen würde. Kin Fuͤrſt
—
Pam 7
— 73 —
naͤmlich verliebte ſich auf der Jagd in die Toch⸗
ter eines Landpredigers, die Geliebte eines brau⸗
ſenden Juͤnglings, raubte ſie, und wurde von
dem verzweiflenden Liebhaber erſchoſſen. Der
Fuͤrſt hatte auch eine Art von Marinelli um
ſich, eine ſehr verſudelte Kopie, im Koſtume eis
ned Huſarenrittmeiſters; eben fo war ber Predi⸗
ger eine elende Nachahmung des Oboardo. —
Dem fey, wie ihm wolle, es gelang mir, meine
Mitbrüber zu uͤberreden, das Stüd aufzuführen,
und ber verftorbene Kapellmeifter Wolf war fo
‚gefällig, ein allerliebſtes Adagio dazu zu kompo⸗
niren, welches gefpielt wurde, während ber Held
bes Stüudes im Gefängniffe betete, und welches
natürlich das Beſte von der ganzen Vorftellung
war, Ich felbft fpielte den Fürften — aber ach!
als ich am Ende .erfchoffen werben follte, ver:
. fagte. die Piſtole. Mein Mörder hatte fich auch
auf diefen Fall mit einem Dolche bewaffnet, ich
ſtuͤrzte aber beim Abdrüden der Piflole, ehe ich
noch Zeuer ſah, fogleich tobt nieder; der Held
warf fih auf mich, da mich ber Schreden fchon.
getödtet. hatte, und fließ ‚mir. zum. Ueberfluffe,
. mit feinem Dolche, noch einige blaue Flede. Der
. Vorhang fiel und der Beifall war fehr karg. —
Bald nachher wagte ih mich an ein Luftfpiel:
Die Weiber nah der Mode Es gelang
beffer, und hatte, ſoviel ich mich erinnere, einige
wirklich komiſche Züge. Hin und wieder waren
verfchleierte Stadtanekdoͤtchen bineingewebt, ein
Umftand, ber dem Dinge mehr Beifall verfchaffte,
als es verdiente Diefer Beifall kitzelte den
muthwilligen Juͤngling, und erzeugte vielleicht
in ihm jenen unfeligen Hang zur Satyre, dem
er zwar felten, unb wahrlidy! nie aus hämifchen
Abfichten den Zügel ſchießen laſſen, der ihm aber
doch als Mann eine Reihe von Jahren verbittert
bet. Die Satyre ift ein Bienenflachel, der Ges
flochene leidet wenig baranz ber Stechende aber
läßt ihn zuruͤck, und fühlt es fein Leben lang.
Wenn tiefe Schrift auch feinen andern Nugen.
bervorbringt, ald den, daß fie vieleicht hier und
da einen Iüngling von ber „gefährlihen Bahr
abruft, wo zwar fchadenfrohe Zufchauer ihm auf
allen Seiten Beifall zulächeln, aber hinter ihm.
ein Kreuz ſchlagen — fo bin ich belohnt.“ —
— 5 —
Hier haft du, geneigter Xefer, ein Geftänd:
niß und eine Ermahnung von einem Schriftflel:
ler, der in ber Satyre, und befonders im Pass
quille gar viele Verſuche machte, und, unterſtuͤtzt
vom ige, im letzteren eine wahre Birtuofität
gewann. Wenn er fo oft im unzüchtigen Muth
willen und zu kleinlicher Mache achtungswerthe
Menſchen dem Geſpoͤtt Preis gab, ‚Stadtanels
bötchen auf die Bühne bradıte, in Schmähges
dichten verbreitete, Zwietracht in Familien brachte,
das Vertraun gefellfchaftlicher Mittheilung ftörte
and den zum Gegenflanbe feiner : Verfolgung
Auserfehenen wohlerworbene Achtung raubte, ja
felbft durch teufelfche Anfchuldigungen zur Vers
zweiflung brachte — fo leidet nad feinem
Gefühle der -Seflohene bob nur wenig,
das Hauptleiden hat ber Spötter zu
tragen, weil hinter ihm ein Kreuz ges
fdiagen wisd. Wenn man füch des Zeitpunk⸗
tes erinnert, in welchen Kogebue dieſes Ge-
flänbniß ablegt, (ed. war kurz nach der berüchs
tigten Geſchichte des Bahrdt mit der eifers
nen Stirn,) fa. möchte ihm der Vorwurf der
beiten oft im Verlegenheit geſetzt unb zu br
genden Ermahnungen veranlaßtz doch dieſe fru
teten fo wenig, als die nothwendig geworder
Erinnerungen und Zurechtweifungen bes aka
mifchen Senats. Ja diefe mußten bis zu t
Schärfften Drohungen gefteigert werben, - als Koi
bue in einer hoͤchſt obfcönen Parodie eines |
liebten Buͤrgerſchen Gedichtd die achtung
“ wertheften Damen Weimar's an den Pranger
ftellen fih bemühte. Vom Hofrathe Schü
als Genfor, verlangte er für dieſes Machwe
die Erlaubniß zum Druden, und als ihm bie
mit Recht verweigert wurbe, ließ er fein Gebic
anderwärtd druden und verbreitete ed zum Kol
jedes fittlihen Gefühls, der erhaltenen Erma
nung zum Trotze und zur großen Betruͤbniß fü
ner Angehörigen. — Selbſt nach fechözehn Ja
ren hatte ſich das Wohlgefallen über das gelui
gene Schelmſtuͤckchen noch nicht vermindert, w
K—s Worte bezeugen: „Es Fam ein Seiltänz
nah Weimar, ber feine fchöne, herkulifche ©
flalt durch die mannigfaltigſten Biegungen feine
Körpers in das vortheilbaftefte tie zu ſetze
. — I —
wußte. Die Verleumdung ſtreute aus, er habe
das Herz mancher Dame gewonnen, und mir
kam dabei die luſtige Idee in den Sinn, Buͤr⸗
gers Lied: die Weiber von Weinsberg, zu pa⸗
rodiren. Ich muß bekennen, daß ich noch heute,
nach ſechszehn Jahren, dieſe Parodie fuͤr eines
meiner witzigſten Produkte halte; aber um ſo
mehr zog es mir den gerechten Haß der Damen
zu. Ein gewiſſer B—, der auch für einen Dich⸗
ter galt, und ſich nicht wenig darauf zu Gute
that, wurde auf bringended Begehren der Scham:
pion der Damen, unb that mir die Ehre an,
eine Romanze auf mich zu machen, in welcher
mir in effigie gar jämmerlich mitgefpielt wurbe.
Eine billige Züchtigung für den Frevel, das
ganze fchöne Gefchleht anzutaften, wo vielleicht
kaum eine geftrauchelt hatte.“
Er fährt fort: „In meinem achtzehnten Jahre
wurde.ih Mitglied der deutſchen Gefelfchaft in
Jena, welches ich damals für eine große Ehre
hielt, ein Irrthum, von welchem ich Längft zu=
| rüdgelommen bin. Bon den in diefer Verſamm⸗
kung vorgelefenen beiden Auffägen erinnere, ich
— 586 —
mir nur noch, daß einer derſelben eine Verthei⸗
digung des Kaiſers Julian enthielt, und daß
ich ſchon damals die albernen Maͤhrchen und
blutduͤrſtigen Raͤnke der aͤltern und neuern Chri⸗
ſten verabſcheute.“
| „Einige frohverlebte Sommermonate auf dem
Klippſteiniſchen Garten gaben einer kleinen
Sammlung von Gedichten das Daſeyn, welche,
durch Vermittlung meines Freundes Mufäus,
bei W— in E— gedrudt wurden*). Ich nenne
mit Fleiß weder den Verleger, noch den Zitel
diefer Bleinen Broſchuͤre; denn es koͤnnte irgend
einem neugierigen Leſer einfallen, ſich das Ding
kommen zu laſſen, wobei ich traun! nichts ge⸗
winnen wuͤrde. Es machte mir aber damals
unausſprechliche Freude, und ich pflegte ſorgfaͤl⸗
tig jeden Katalog, der mir in die Haͤnde fiel,
nachzuſchlagen, um meine Augen an dem Titel
meines Machwerks zu weiden. Woher mag es
kommen, daß die erſten Schritte auf der ſchrift⸗
+) Der Titel iſt: Er und Sie. Bier somantifche
\ Gedichte. Eifenah 1781. 0
muB 84 —
ftelleriſchen Laufbahn eine fo ſuͤße Selbſtgenuͤg⸗
ſamkeit gewähren? — Um oͤfſentlich zu zeigen,
daß ich meine Zeit nicht bios mit den fchönen
Wiſſenſchaften vertändelt hatte, beſchloß ich, im
neunzehnten Iahre meine afadenifche Laufbahn
mit der Rolle eined Opponenten bei einer Dot:
-torpromotion; ging darauf zuräd nach Weimar,
ſtudirte fleißig die Pandekten, wurde von ber.
. Regierung eraminirt und zum Advokaten ?reirt.
Während ich auf Klienten wartete, fuhr ich felbft
fort, ein eifriger Klient der Mufen zu feyn.
Sch befang die Weimarfchen Schönen, und gab
mir alle Mühe, das Andenken an eine gewiffe
Romanze zu verfilgen, die mir ein oder zwei
Sahr vorher entfchlüpft war." —
Wie er die Schönen befang, beweifen bie
unter dem Zitel: „Erzählungen” gefammelten
Sedichte*), und das Andenken an die famofe
arodie fuchte ee durch neue Satyren zu ver:
drängen, wie denn z. B. bie „die eherne Tafel”
hberfchriebene Erzählung voll beleidigender Ans
*) @eipzig bei Kummer. 1782.
Fa
U 0) 823 )
fpielungen ifl. Merkwuͤrdig bleibt es, daß in den
fämmtlichen Poefien Kogebues, aus feiner fchöns
ſten Jugendperiode auch nicht. eine Spur zu fins
den, nicht eine Ahnung ber fchönen Weiblichkeit,
deren ibeales Bild fonft fo befeligend des gefühlz
vollen Juͤnglings Buſen erfüllt. Schon hier er>
Zennt man bie unaußbleiblichen Folgen früh vers
lorner Unfhuld und Eindlicher Reinheit. Mit
wahrer Behmuth hört man ihn, ſich ausſprechen,
wenn er „an Elvina” fagt:
„Es war einft eine Zeit, in ber ich unbefangen -
Und ungeftraft ein jedes Mädchen fah,
und wo ber Liebe quellendes Verlangen
Mir nie den Bufen hob. Geſchah |
Es ja einmal, daß unfre Schönen mid =
Sn ihre fanften Ketfen zwangen,
So wurden drum nicht bläffer meine Wangen,
Und eine Woche kaum verſtrich,
So war all bas Gefühl vergangen.
Ich war noch flatterhaft und jung,
Und hielt bie Mädchen blos für Schlangen,.
Die unter Blumen uns empfangen,
Nur mit erborgter Tugend prangen,
und bann durch einen Häm’fhen Sprung’
Uns, unfer Gluͤck und unfre Ruhe fan
sent.
emununil 83 mei
:
Den erften Sommer, nach feiner Rüͤckkehr
von Jena, nennt 8. den glüdlichten feines Les
bens. Er genoß den täglichen Umgang des Bies
bermanned, deſſen er mit liebenber Verehrung
öfter und befonderd in dem Auffage gedenkt, ver
„einige Züge aus dem Leben des guten
Mufäus, von ber Hand feines Schülers
entworfen‘ überfchrieben, den nachgelaflenen
Schriften des originellen Verfaſſers der Volks⸗
mährchen, vorgedruckt ſteht. — „Wir fchriftftels
Ierten," erzählt er, „aus einem Dintenfafle: und
‚ich fehe noch das gutmüthige Lächeln um feine
Lippen, den hellen, flarren Blick feines Auges,
wenn fein Geift in Begriff fland einen witigen
- Einfall zu erhafhen. — Was Wunder, daß ich
jest, nachdem ich fchon Wieland und Brans
des, Goͤthe und Hermes nachgeahmt hatte,
auch auf den Einfall gerieth, Muſaͤus zu kopi⸗
ren. Wittekind in Eifenach ging gerade Das
mals mit dem Vorſatze fchwanger, ein bänbereis
ches Werk herauszugeben, eine Sammlung von
Erzählungen und Gedichten, fir welche er, ich
weiß nicht mehr, was für einen, alltäglichen Ti⸗
6*
— 1
gewiſſenloſeſten Serbftfucht wohl mit Recht ges
macht werden. können. Daß. der eined höherem
moralifchen Gefühles Faͤhige, wenn: er feinen
Mitmenfhen durch pasquillantiſche Angriffe bea
‚geifert, und fo böfe Schuld auf ſich geladen
bat, in feinem Innern mehr leidet, ald ber una
ſchuldig Verfolgte und Gebrandmarfte, ift wohl
unbeftreitbar, aber hiervon redet unfer Autor
nicht; er will. nichtd von der fich im Innern era
zeugenden Strafe deö Verbrechens wiſſen, fona
bern er zeigt mit des faden Entfchulbigung: er
babe nie. aud haͤmiſchen -Abfichten ben. Zügel
ſchießen laſſen, nur auf die äußeren Folgen
feiner Handlungsweife und findet diefe ſehr unans
genehm und unbequem; barum warnt er daflır. —
Kobebue machte fih ald Knabe fchon auf
dem Gymnaflo zu Weimar durch. die. Sucht, mit
- feinem Wise petulanten Muthwillen zu treiben;
berüchtigt; dieſes gefährliche Spiel ſetzte er: in
Jena fort. Fruͤh ſchon hatte er ſich zu folchen
fehlechten Späßen mit. einem entarteten ‚jungen
Menſchen verbunden, von’ dem bald noch andere
ſtrafbare Vergehn bekannt wurden, der deshalb,
— 77 —
mit Steckbriefen verfolgt, ſich aus dem Staube
machte und in Amerika ſtarb. —
Einige fuͤr Dichtkunſt Neigung habende Juͤng⸗
linge verbanden ſich in Jena zu einem poetiſchen
Klub; Kogebue war Mitglied deſſelben. Man
kam einige Abende in der Woche zufanımen, um.
einander Eleine, - felbftverfertigte Arbeiten vorzus
lefen und gegenfeitig zu beurtheilen. Der Hof:
rath Schuͤtz uͤbernahm die Leitung der Arbeiten
und den Vorfig in den Verſammlungen. K. ers
Sennt die Verdienfte an, die fich Diefer wuͤrdige
Mann um’ die Eleine Gefellfchaft erwarb; jedoch
nicht ohne'den ausgeſprochenen Dank mit Schniä>
bungen zu verbinden. Er ſagt: „Er, Schüß,
ließ fih zu uns herab, und ftellte und als Res
tenfent ein Mufter auf, nach welchem das Res
tenfentenfreicorps, das er jet kommandirt,
fi) leider nicht gebildet hat." —
Schuͤtz verkannte Kotzebue's Talente, feinen
Witz und die gluͤckliche Leichtigkeit, mit der er
im Verſe und im Dialoge die Sprache behan⸗
delte, nicht, wurde aber durch die Perſonalſatyre
und durch Unſittlichkeit ſeiner eingereichten Ar⸗
— 86 —
neidenswerthe Lage, eine liebende Mutter, ein
Amtsverhaͤltniß, das ihm zu jeder weitern Be⸗
foͤrderung die Hand bot, zu verlaſſen, und uͤber
dieſe wichtige Veraͤnderung ſeines Schickſals ein
gaͤnzliches Stillſchweigen zu beobachten, ihn, der
ſonſt auf ſaine Perſoͤnlichkeit ein ſo ungemeſſe⸗
nes Gewicht legt, und deſſen Weiſe es nicht iſt,
irgend etwas von dem zu verſchweigen, was ihm
zum Lobe gereichen kann? — —
Dieſe Betrachtungen, welche der Biograph
Kotzebue's anſtellt, beantworten ſeine damaligen
Mitbuͤrger und die tadelloſeſten Zeugen, vollkom⸗
men genuͤgend.
Mehrere Ausſchweifungen, Verirrungen übers
triebener Selbſtſucht und zuͤgelloſer Erguͤſſe ſeiner
Satyre, hatten ihn in die unangenehmſten Ver:
hältniffe verfegtz er hatte feine fchweigenden
Feinde wieder aufgewedt und fich viele neue ges
macht, durch Pasquille, in welchen er felbft dem
Hofe, der herzoglichen Familie und beſonders ber
edlen, aber auch ihre fchwachen Seiten habenden
verwitweten Herzogin Hohn fprah. Da Fein
verfuchtes Mittel gegen ben Störenfrieb fruchtete,
— 87 —
keine Ermahnung der bekuͤmmerten Familie etwas
frommte, ſo wurde ein Prozeß gegen ihn einge⸗
leitet, deſſen Reſultat ein auf Landesverweiſung
lautendes Urtheil war. Ob dieſes foͤrmlich voll⸗
zogen iſt, muß bezweifelt werden; gewiß aber iſt,
daß ſein eigener Verwandte, der Kanzler Dr.
Schmidt das Consilium abeundi ihm bekannt
machte und die beſtimmteſte Weiſung ertheilte,
daß Kotzebue in den Weimariſchen Landen nie ir⸗
gend eine Anſtellung fuͤr die Zukunft zu erwarten
habe. Daß man ihn ohne weitere Strafe oder
oͤffentliche Ruͤge von dannen ziehen ließ, verdankte
er der Vermittelung der Freunde ſeiner Familie,
der Achtung in welcher das Andenken ſeines Va⸗
ters ſtand, dem Mitleide das man ſeiner tiefbe⸗
kuͤmmerten zaͤrtlichen Mutter ſchenkte, und den
Vorbitten ſeiner Vaterſchweſter, die als erſte
Kammerfrau der verwitweten Herzogin, deren
ganz beſonderes Zutraun und allgemeine Vereh⸗
rung genoß. — |
Daß kbrigens Kogebue, wenn es irgend mög:
lich gewefen wäre, diefe Vorfälle fo zu flellen,
als ob ihm von feinen Feinden Unrecht widerfah⸗
— BE
zen fen, Gelegenheit gefuht und gefitnden haben
würde, bie ihn treffende Madel von fich zu ent:
fernen und wenigftens eine fcheinbare Vertheidi⸗
gung in bie Lefewelt zu ſchicken, dafür bürgt
feine ganze übrige Lebensweife und fein Schriftz
ſtellercharakter. —
Auguft von KRogebue’s Leben.
3weites Bud.
Sein Aufenthalt in Rußland. — Beine Flucht
nah Paris. — Gefchichte des Bahrdt mit
der eifernen Stirn.
Der edle Staatömann, welcher als Erzieher des
gegenwärtigen Großherzog von Sachſen⸗
Weimar, diefes ſchoͤnen Vorbildes eines in lis
beralen Ideen wirkenden Regenten, bis 1778 zu
Weimar gewohnt und mit Kotzebue's Vater
und Familie nähere Bekanntfchaft gehabt hatte,
der noch jet in Regensburg im hohen Alter les
bende Königl. Preußifhe. Staatdminifter Graf
von Schlig genannt von Goͤrtz *), fland
bamald als Preußifcher Gefandter zu Petersburg.
An ihn war der junge Kogebue, der nun in
*) Eine intereffante Biographie diefes Neſtor's der jest
lebenden Staatsmänner, von 3. von Arnolbi, fins
det man im achten Stücke ber Beitgenoffen (eip—
- zig, bei Brodhaus. 1818).
dem koloſſalen nordifhen Reiche fein eigentliches
Leben beginnen, fich durch Anftellung im öffents
lichen Dienſt ein Verhältniß bilden follte, ems
pfohlen. Das Schidfal, welches die äuffere Lage
der Erdbewohner beftimmt, hatte bis dahin für
den zum Sünglinge berangereiften Kogebue fo
viel gethan, daß er ſchon damald, wie auf feiner
ganzen ferneren Laufbahn, als ein Lieblingäfind
deffelben erfcheint. — Und wenn er dennoch in
nicht beneidenswerthen Verhältniffen aus feiner
Geburtöftadt, aus dem Kreife feiner Samilie und
Freunde, aus feinem Baterlande fcheiden mußte,
ſo durfte er die Urſache dieſes Mißgeſchickes nur
in ſich ſelbſt ſuchen; er war deshalb um 1
ungluͤcklicher. —
Der Minifter Graf von Goͤrtz, gern an ſci⸗
nen fruͤheren, ſo ſegensreichen Wirkungskreis in
Weimar erinnert, nahm ſich des Angekommenen
mit treuer Liebe an; er empfahl ihn an den Ges
- neral: Ingenieur von Bawr, einen redlichen, ein:
ſichtsvollen Mann, der in einem großen Wir⸗
kungskreiſe lebend, Katharina's befondere Gnade
genoß, und mit großer Vorliebe für feine Lands⸗
— 930 —
leute, die Deutſchen, junge, hoffnungsvolle Maͤn⸗
ver dieſer Nation für den ruſſiſchen Dienſt zu
gewinnen, immer befliſſen war. Der junge Ko⸗
tWZebue empfahl ſich dem General von Bawr
durch feine Auffere Bildung, durch die glüdliche
. Leichtigkeit, mit welcher er fchriftlich Gedanken
entwidelte, und durch feine Fertigkeit in der fran⸗
zoͤfiſchen Sprache; er machte. ihn zu feinem Pris
vatſekretair. Diefe Stelle hatte früher der ges
- niale, leider auf halbem Wege eigener Bildung
. verfümmerte J. M. R. Lenz *), deſſen auch Goͤ⸗
the in feinem „aus meinem Leben’ gedenft,
bekleidet; aber nie war er bahin gelangt, zu erken⸗
. nen und an fi) zu bewähren, was Göthe fo
fhön und fo wahr bemerkt: „wie alle Menfchen
guter Art bei zunehmender Bildung empfinden,
baß fie auf der Welt eine Doppelte Rolle zu ſpie⸗
. len haben, eine wirkliche und eeineibeale, und
. ba in dieſem Gefühle der Grund alles Edlen aufs
*) Er ftarb mit zerrüttetem Geifte, in tieffter Armuth
den 24ften Mai 1792 zu Moskau. Siehe das In:
teligenzblatt der allg. Lit. Zeitung. Jahrgang 1792.
:,. Ro. 99.
— HH —
zufinden ſey.“ — Lenz blieb immer fuͤr die wirk⸗
liche Welt des Menſchenlebens voͤllig unbrauchbar
und nutzlos, und konnte doch auch nicht ſeiner
idealen Welt eine harmoniſche Selbſtſtaͤndigkeit
geben; ſo erregte er denn in ſeinem Amtsverhaͤlt⸗
niſſe gar bald die Unzufriedenheit feines nach⸗
ſichtsvollen Principals. Dieſes Vorbild und die
ihm mit auf die Reiſe gegebenen, innigen Era
mahnungen feiner zärtlihen Mutter, gereichten
Kogebue zur Warnung. Er widmete fich mit
aller Anftrengung feinem neuen-Berufe — doch —
wir. wollen ihn felbft erzählen hören:
„Ich nahm mir vor, die Dichtkunft ganz an
den Nagel zu hängen, aber.:naturam si furca
expellas — zwar verging wohl ein halbes Jahr
während ich mir felbft Wort hielt, und meine
Vorgeſetzten wußten nicht einmal, daß ein Dichs
terfunfe in mir glimmte, oder daß fogar ſchon
mein Name in dem Leipziger Meßkatalog erfchies
nen fey. Diefe Befcheidenheit war eigentlich das
Refultat meiner Beobachtungen, denn ich fing an
einzufehen, daB man — und zwar mit allenr
Rechte — in der großen Welt einen fehr gerin:
gen Werth. auf. a Geſchöpf legt, das zu reimen
verſteht.“ —
— Barum nennt K. das, das Reſultat ſei⸗
ner Beobachtungen, mad doch zur Ehre feines
Herzens, in Erwieberung fo großer Zärtlichkeit,
vieleicht nur dad Refultat des wiederholten Files
hens und ber vom tiefen Kummer ausgepreßten
Thranen feiner Mutter war. —
— „Ein Zufall zog meine Eitelkeit unter dem
wohlthaͤtigen Drucke meiner Vernunft hervor.
Der große und biedere General: Ingenieur Bawr
zeiffte nach Riga, befuchte von Ohngefähr. ben
Hartknochſchen Buchladen, und fand dort bie
obenerwähnten Erzählungen. Er ftukte, fragte,
erfuhr, der Verfaffer fey der nämliche Kotzebue,
ber jegt unter feiner Anleitung, bei ganz hetero⸗
genen, Arbeiten ſchwitzte. Er Taufte das Bud,
kam zurüd, und ald wir-bei Zifche faßen, ließ
er fichs unvermuthet bringen. Ich erröthete, und
fein Beifall blied. die Afche von, dem noch immer
glimmenden. Zunten. Nach und nach fing ich
wieber an, meine Nebenflunden, — deren ich.
damals freilich fehr wenige zählte — ben Mufen,
führung beflimmt, und das Städ bereits in als
len Zeitungen angekuͤndigt war, fanbte eines Mors
gens der Oberpolizeimeifter auf das Theater," und
ließ es verbieten. Der beflürzte Fiala lief zum
General Bawr, ber General Bawr fuhr zum
Oberpolizeimeifter, ihn von der Unfchulb des In⸗
halts zu verfiden. Aber — es eriflirte eine
mir unbekannte Ulafe von-Peter.dem Großen,
welche biefen Demetrius ausdruͤcklich für einen
Betrüger erklärte. Wie durfte ich es alfo wagen,
meinen Helden unter dem Zitel: Zaar von Moss
au, vor das Yublitum zu fielen? — Aus
Achtung für den General Bawr gab der Poli:
zeimeifter zwar bie Aufführung enblich nach; aber
er fandte einen Offizier zu mir, mit dem Beben:
ten: mein Stud wenigftend dahin abzuändern,
bag diefer Demetrius Öffentlich vor dem Volke
entlarut, und als ein abgefeimter Betrüger aner-
kannt werde, Vergebens bemonflrirte ich dem
Offizier, daß er eben fo gut dad ganze Trauer⸗
fpiel ins Feuer werfen koͤnne; er befland darauf; -
ich ſolle nur diefen einzigen, Fleinen Umſtand
öndern. Der General legte. ſich abermals ins
i
‚Mittel, und men begnügte fich endlich mit einer
feierlich von mir ausgeſtellten Erklärung: daß ich
für meine Perfon,. ber hohen Ulafe gemäß, voͤl⸗
dig von ber Betrügerei des Demetrius: überzeugt
ey, und daß bie Freiheit, welche ich mir in meis
‚nem Schaufpiele genommen, blos .eine. licentia
poetica gewefen. — So wurbe ed denn wirklich,
trotz aller Hinderniffe, vor einem zahlreichen Pu:
blikum, deflen Neugierde durch jene Verhandlun⸗
.gen. noch mehr gefpannt worben, mit einem Bei⸗
fall: aufgeführt, auf den allein meine. Jugend
Anſpruch machen durfte. — Bald nachher fchrieb ,
ich ein Luflfpiel: Die Nonne und das Kam:
mermäbchen.. Die Aufhebung ber Kloͤſter, die
gerade. damals Joſeph den Zweiten befchäfr
.tigte, und die von: den Englänbern im Texel
biodirte holländifche Flotte, hatten mir den Stoff
dazu geliefert. Da diefe Begebenheiten des Tas
ges damals großes Aufſehn erregten, fo Fonnte
es nicht fehlen,: e8 mußte gefallen. —. -
Fuͤr die Erweiterung feiner: Kenntniß de⸗
Theaters war der damalige Aufenthaltzu Peters
burg ſehr geeignet, und K. benutzte ihn ſehr ei
7 *
tig, in fofern er. die Bühnen der verfchiedenen
Nationen, der Ruffen, der: Sranzofen, und befon:
ders ber. Italiener fleißig beſuchte. Letztere zeich⸗
nete ſich durch einen recht vorzuͤglichen Harlekin
aus und zug ihn daher beſonders an. — „Ich
verfäumte” (fagt er, in der Flucht nach Paris)
„trotz dem Sefpötte meiner Freunde, ſelten das
italieniſche Luſtſpiel, weil man ſich dort immer
recht ſatt lachen konnte, und lachen mußte,
was auch die Vernunft dagegen einwenden mochte,
Die ganze Welt konnte nicht begreifen, wie man
über das abgeſchmackte Zeug lachen koͤnne; aber
die ganze Welt ging hin und lachte. Hinterher
ſchaͤmten ſie fich aber, und, auſſer mir, geſtanden
nur Wenige ein, daß ihnen das Ding wirklich
Spaß mache”. — Dieſes Bebenntniß beftätigt,
Haß die Komid bes: italieniſchen Luſtſpieles K—
fruͤh feſſelte, wie dieſes ‚auch manche ſeiner Dich⸗
tungen beweiſen; jedoch machen letztere es kund,
daß er nie dahin gelangte, eine klare Anſicht von
dem eigenthuͤmlichen Weſen der italieniſchen Mas⸗
ken und beſonders ihres bntin zu Moalten· —
a ſort: — oo.
—
: „Einer, zwar nur mit fehr geringer. Mühe
verbundenen, aber. in Rüdficht des Lokals, wahrs
haft nuͤtzlichen Unternehmung muß ich hier erwaͤh⸗
nen. De naͤmlich von dem großen Schwall
beutfcher Jourmale nur wenige fi) bis nach Pes
tershutg verirrten, und auch biefe wenigen nicht
gelefen wurden, weil fie, einzeln genommen, wes
uig leöbared- enthielten, fo veranflaltete ich zweck⸗
mäßige Auszuͤge aus allen. beutfchen- Journalen,
und gab, .unter dem Zitel: Bibliothef der
JSourn ale, monatlich einen ſtarken Heft heraus.
Mehrere Bände von biefer Schrift, bie nach meis
ner Abreife von einem anbern Unternehmer forts
gefeßt wurde, find erfchienen. Sie .wurbe von
dem beutfchen Publikum in Petersburg, und zum
Theil auch in den Provinzen günftig aufgenom⸗
men, und binlänglich unterflüst. — Im Jahre
4782 entwarfen einige meiner Freunde, bie Eins
"Muß bei Hofe hatten, ‘den Plan, :mir einen ges
- wiffen Poften zu verfchaffen, unb meinten, ich
würde ihnen ihre Bemuͤhungen fehr erleichtern,
wenn ich ein Bändchen Kabeln und Erz aͤh⸗
lungen für junge Zürften fchriebe, und fols
— 102 —.
ches den jungen Sroßfürften widmete. Ich hatte
zwar nie Beruf ober Neigung für. diefe Dichtungs=
art gefühlts da fie aber ein Vehikel: zu meiner
Tünftigen Beförderung werben follte, fo beſchloß
ih den Verſuch zu wagen. Sch theilte biefen
Entfchluß meinem Verleger in Petersburg mit, eis
nem guten Manne, ber. von meinen: geringen
Talenten enthufiaftifc eingenonimen war. Er
verfprady ohne Bedenken dieſe Fabeln mit typoa-
graphiſchem Prunke druden zu lafien, und konnte
die Zeit nicht erwarten, bis er den erften Bogen
in Empfang.nahm. Saft täglich überlief er mic,
riß mir die noch naffen Blätter weg, ließ fie
auf das. ſchoͤnſte Velinpapter drucken, und zu je:
ber Zabel, wenn fie auch nur eine Oktavſeite
einnahm,. einen Kupferflich verfertigen. So wurs
den in der größten Geſchwindigkeit bie erſten vier
Bogen vollendet. die er mir mit einer triumphis.
renden Miene beachte, und bie auch, was ben
äuffern Schmud betraf, einen folhen Triumph,
wohl rechtfertigten. Aber wie erfchrad ich, als
ich meine Fabeln num wieder burchging, und mir
felbft gefichen mußte, daß auch nicht eine einzige
nn 4103 U)
darunter fey, welche mehr ald mittelmäßig ge⸗
nannt zu werben verbiente. Ich fah nun wohl
ein, daß ib für dieſe Gattung von Gedichten
nur. beshalb Teinen Trieb verfpürt hatte, weil
mir bad Zalent dazu .mangelte, und. ich
befhloß daher kurz und gut, dem Verleger alle
feine Koſten zu erfehen, unb bie vier Bogen in
eme ewige Vergeflenheit zu vergraben. — O ihr!
die ihr mich oft aut und verftedt ber Eitelkeit
befchuldigt, mit. meinen Zabeln in der Hand
ſtrafe ich euch Luͤgen. Ihr Ruͤckkauf koſtete mich
einige hundert Rubel, aber meine Eigenliebe kei⸗
nen Seufzer!“ —
So weit er ſelbſt. — Was das Todesurtheil
betrifft, welches er uͤber ſeine Fabeln ausſprach,
ſo iſt es zu bewundern, daß er zur Erkenntniß
ihrer Werthloſigkeit ſo ſpaͤt und doch wiederum
ſo fruͤh kam. Die Ueberzeugung, daß ihm fuͤr
dieſe Dichtungsart alles Talent mangele, muß
ſchnell voruͤbergehend geweſen ſeyn, denn, ſo ſehr
auch alle Welt mit dieſer Behauptung uͤberein⸗
ſtimnite, fo bat doc Kotzebue feinen ſpaͤtern
Schriften häufig Fabeln eingeftreut. — Der res
bendfte Beweis ungemefjener ‚Eitelleit, welche,
‚wie häufig bemerkt, ſein ganzes Daſeyn gefan>
‚gen nahm, liegt unverkennbar in ber. ganzen Art
und Weife, mit ber er hier ſelbſtgefaͤllig, um eis
nen Segenbeweis zu führen, auftritt. —. -
Jene Ausficht zur Erlangung eines gewiffen
Poſtens fcheiterte, und auch die Freude, unter
der Autorität feines Chefs bei der Direktion des
beutfchen Zheaters in Petersburg einen Birkungss
breis zu hahen, bauerte nicht lange. Schon im
Jahre 1783 ftarb der. General Bawr *); da &
nur in deſſen Privatdienften fland, fo wuͤrden
mit diefem Todesfalle feine Ausfichten für eine
fernere Dienftlarriere ſehr verbunfelt feyn, wenn
” Fri Silhelm von Sawr, zu Biber, im ba—
nauſchen, wo ſein Vater Oberfoͤrſter war, 1731 ge⸗
.boreñn, trat 17255 mit guten Schulſtudien ausgeruͤſtet
in Heſſiſche Mititairdienfte,. war im fiebenjährigen
Kriege einige Zeit General » Adjutant bes Herzogs
Gerdinand von Braunſchweig, nahm 1761
‚als Dufaren s Major preußifche Dienfte und privati⸗
firte nad) .dem Zrieden auf feinem Gute zu Boden:
beim bei Frankfturt am Main. 1769 zog ihn Kar
tharina II. in ruffifhe Dienfte, wo er im Felde
den Ruhm eines einfihtsvollen Generals bewährte,
Bawr nicht, ald einen Beweis, daß fich Koges
bue feine Gunſt zu erwerben wußte, in: feinem
Zeftamente feinen bisherigen Sekretair der Gnade
der Kaiferin befonderd empfohlen hätte. Kathas
rina ehrte in diefem Vermaͤchtniſſe die Verbienfte
des Enlſchlafenen und ernannte noch in demſelben
Bahre ben ihrem Schuge Uebergebenen, zum Ti⸗
tularrath, unter Ertheilung des Befehles, ihn in
ber neuerrichteten Revalſchen Statthalters
Thaft anzuftellen. Diefem zufolge ging: Kos
teebue kurze Zeit nachher ald Affeffor bed Öbers
appellationstribunals nach Reval ab.
‚ Amtögefchäfte ‚fcheinen in diefem neuen Vers
bältniffe Kogebue’8 XZhätigleit wenig in Ans
noch größere Werbienfte aber fi duch AR gung mebs
rerer Kandle, Wafferleitungen, Kunſtſtraßen, Häfens
baue und BVerbefferung der Galzwerke erwarb: Die -
Kaiferin Thägte ihn fehr, ehrte ihn beim Leben durch
mehrere Gnadenbezeugungen und Ordensverleihungen,
und ließ zu feinem Ehrengedaͤchtniß, nachdem er den
: ten Febr. 1783 geflorben, ein marmornes Monus
ment errichten. — Gr gab eine treffliche Karte von
der Dioldau in fieben Blättern, und fehr beichrende
M&moires histor. geogr. sur la Valachie (1778)
heraus. —
— 16 —
fpruch genommen zu haben. Er verlebte ben .ers.
fin Sommer größtentheils: auf dem Luſtſchloſſe
Katharinenthal, las mehr als er fchrieb, und: fand
in ben Familien des Efihlänbifchen Adels, als
ein lebendiger junger Dann, als ein heiterer Ges.
fellfchafter die freundlichfie Aufnahme. Sogleich
wie er bie. erften Fäden der Bekanntſchaft in den
gebildeten Zirkeln jenes Landes angelnüpft hatte,
befchäftigte ex fich mit der Bildung eines Privat:
theaters. Die Schaufpielerkunft machte denn auch
feit feinem Aufenthalte in Reval wichtige Fort⸗
ſchritte. Vor der Zeit feiner Ankunft wurden
zuweilen von umbherziebenden, mitunter hoͤchſt
eienden Geſellſchaften, Schaufpiele in Reval, Pers
nau und andern Städten aufgeführt. Unter ben.
Revalern weckte er die Liebe für jene Kunſt und
begrimdete ein Nationaltheater, das ſich auch
noch erhielt, als er ſchon längere Zeit bie Dis
rektion aufgegeben hatte. Er wußte den theatras
lifchen Enthuflafm, der fein eignes Lebenselement
wor, einem Theile des Revalſchen Publitums
mitzutheilen. Die Neuheit einer Erfcheinung, wie
die des Privattheaters, ſprach Viele an, und
— 407 —
der ſchoͤne Sinn ver; Mildthaͤtigkeit, den zur. Schau
getsagen wurde, indem man bie Stuͤcke zum
Beften der Armen gab,. verföhnte ſelbſt manchen
Andersdenkenden. Wie aber das Komödienfpiel
auf. das böusliche Gluͤck fo mancher, Familie eis
nen. böhffhäblichen -Sinflug hatte, wie mande
brave Gattin, manche, flille gute. Tochter zu gas
lanten Damen und Zheaterprinzeffinnen umgebils
bet wurden, erkannten die Beſonnenern erft, als
bie Luft an dieſen Beſchaͤftigungen ſchon recht
weiten. Spielraum gewonnen hatte *).
. Bon mehreren Seiten her ſchien ſich das Gluͤck
zu überbieten,: um Kotzebue's Lage zu verfchds
nem. Er gewann das Herz. eines Mädchens,
deffen Eörperliche und geiflige Reise feine Wüns
ſche feſſelten; er war der Lehrer‘ der Geliebten
| und wußte, ohngeachtet vieles Widerſpruches von
Seiten der Familie des Fraͤuleins, dahin zu ge⸗
langen, daß ihm ihre Hand nicht verſagt werden
2) Siehe: ‚Ueber den neueſten Zuſtand ber Literatur,
Gelehrſamkeit, Kuͤnſte u. ſ. f. in Liefland und Eſth⸗
land von 3. ©. Petri.“ Im allgemeinen liter. Ans
zeigen. 1801. Geite 1034 fi. ff.
A —
Bonnie; Friederike von Eſſen, die reichbegü⸗
Berte Tochter 588 Dberkommandanten, Generals
leutenants 'umd Mitterd von Effen, ber fi: kath
darauf mit dem, ihm anfänglich ‚gar nicht zufas
genden Schwiegerfohne verfähnte, wurde feine _
Sattin (1784). Im Jahre 1785 wurde die eh⸗
renvolle Stelle eines Praͤſidenten des Gouverne⸗
mentsmagiſtrats ber Provinz Eſthland erledigt;
ber Generalgouverneur Graf Bromne*) ſchlug
‚ihn dazu wor; und er erhielt fie mit dem Range
eines Obriftlieutenants. Bon dem Beitpunfte an,
wo Kopebue zu biefer Präfidentenftelle, mit ber
der perfönliche Adel verknüpft ift;- gelangte, ſchrieb
er fih von Kotzebue und. verfhaffte fo feinen
*) George Reihsgraf van, Browne, Generals
Gouverneur von Lief: und Efthland, 1698 in Irland
aus einer ber Alteflen und blühendſten Familien ges
boren, trat, als Katholil daheim von öffentlichen
Aemtern ausgeichloffen, im arten Jahre in Ehurpfäls
ziſche und 1730 in ruffifhe Kriegsdienfte, wo er bis
1762 ruhmvol unter ben norbifchen Kaiferfahnen focht
und dann als General» Gouverneur jener Provinzen
dreißig Jahre hindurch alles Nuͤtliche, Gerechte und
Edle unermübet beförderte. Er farb 94 Jahr alt,
den 18ten Sept. 1792.
ı
%
Nachkommen den Familienadel, ein Ziel wonach
feine Eitelfeit fchon laͤngſt ſtrebte. Um ‚hierzu zu
gelangen, hatte.er. ſich ſchon an das yreußifche
Minifterium gewendet, feine Abftammung von
einer ablihen Familie ber Mark vorgegeben, die
indem. Dorfe Koſſebuh ihren Sitz gehabt haben
fol, und darauf das Geſuch, um Verleihung. oder
Erneuerung des Adels, geflüst *); ex war aber
von dem Miniſter Grafen von Deraberg abs
9 Sn den an fich Haft unbebeutenden theolvgiſchen
Gtreitigkeiten, die auf den Magbeburgifchen Kanzeln
und Schulftuben, aud in mehr als dreifig Fehde⸗
ſchriften, zwiſchen dem Paftor Eramer und dem
Aıktor Eventus, im Anfange des fiebzehnten Jahr⸗
gunderts geführt worben, trat auch für bie Partei
des legten ein Paſtor Kogebue oder Kortzebur
vwius (mahrfheinlih ein Vorfahr unferes K., aber
Sein nobilitirter) auf, beffen ber Alvenslebiſche
Paſtor Schrader in einer Schrift: Fustes Al-
venslebienses b. i. Alvenslebifhe Prü-
. gel unb Knättel auf zwei Pasquillenmas
Herfhe Stadteſel zu magdeburg,“ alfo ges
denkt: „Ich habe zween Pillen gemacht, die ih Kos
gebunio und Evenio in ibre ehrenbiebifhe und ver⸗
ı Iäumberifche Haͤlſe, legitime vd Baal
ſthieben wit hf
als. wenn. Heuchler und Burigendrefcher. an die
Thuͤr klopfen. Die Wälder ‚waren von Raubs
thieren bewohnt, aber die Verlaͤuindung war
nicht Darunter; Kroͤten und Unken Erochen in
den Moraͤſten umher, aber. der. Neid gefellte fi
wicht ga. ihnen. Spaͤt bluͤhte die Ande, noch
fpäter entfaltete ſich die Mofe, aber Unſchuls
und Freude waren perennirende Pflanzen. Karg
gab der Boden feine Fruͤchte, aber die. Wohlthaͤ—
tigkeit bedarf keines Fuͤlhorns; ein Groſchen iſt
eine xeiche Gabe, wenn eine mitleidige Thraͤne
ihn netzt. — Die. Muſen verſchmaͤhten nicht, jene
Waͤlder zu verſchoͤnern. Die. erſten beiden Schaus
fpiele, denen er felbft einigeh Werth beilegt, der
Eremit auf Formentera und Adelheid von: Wul⸗
fingen wurden auf Kiekel (dem eben geſchilderten
Landſitze der Familie Roſen) geſchrieben. Die
Vorſtellung des Eremiten wurde dort fogar ger
geben. — — Zr
Wenn Kopebue an einem Orte feinen Wohn:
ort aufichlug, fo war das Theater fein.! erfter
Gedanke und ein Liebhabexrtheater fein erſtes Strez
benz fo auch zu Reval,u wo es ihm. befonderen
— u43 —
Kummer. veranlaßte, daß ber zahlreiche Abel der
Stadt und der umliegenden Gegend fich, ſelbſt
nah R—8 Verheirathung, gar nicht wollte für
das Liebhaberthenter gewinnen laſſen. Er laͤßt
feinen lebhaften Unwillen barüber „in ber Nachs
zicht von einem theatralifchen Inftitute, welches
der Welt bekannt zu werben verdient” (Siehe
gefammelte kleine Schriften des Hrn. v. 8. Thl. 3)
auf alle Weife aus, und weiß ſich gar nicht bars
ein zu finden, nicht barüber zu 'tröften, daß
‚man den hoben Werth des Liebhabertheaters nicht
anerkennen will, obgleich ber Ueberfchuß der Eins
nahme zur Unterflügung ber Hülföbebürftigen vers
wendet wird; er -flellt officiele Belobungsſchrei⸗
ben über dieſe erworbenen Verbienfte der Milds
thätigkeit zur Schau, und theilt ein Schreiben
an die Mitgliever des Eſthlaͤndiſchen Minifterii
(vom 21 Sanuar 1786) mit, worin er die Herren
Prediger bittet, fie mögten doch „mit der Mutter:
mild) eingefogene Vorurtheile gegen das Liebha⸗
bextheater, um ber bebrängten Witwen und Wai⸗
fen willen bekaͤmpfen.“ „Und wie können wir am
ficherften hoffen,’ fährt er fort, „diefen Wunfch zu
8 4
— ti —
erreichen, als indem wir und an biejenige ehr⸗
wuͤrdige Verſammlung wenden, deren Mitglieder
vermöge der Aemter, die fie tragen, Berather der
Witwen und Väter der Waifen feyn follen und
find. Ihr Beyfpiel wird jeden Zweifler überzeus.
gen, Vorurtheil und Verlaͤumdung werben erſchuͤt⸗
tert zurüdbeben. Wir wagen e8 daher, Sie zu
bitten, unſere gefellfchaftlihe Bühne mit Ihrer
Gegenwart zu beehren. Xheilen Sie mit uns
den Segen der Armen, flößen Sie und durch
Ihre Unterflügung Stolz und Muth ein, und.
rechnen Sie auf unfern innigften, aus der Fülle
unferes Herzens firömenden Dank." — Hierauf
antwortet der Herr Oberpaflor Moier Namens
des Minifterii fehr vernünftig, indem ex die Eins
ladung zur Unterftüßung nicht als eine Aufforde⸗
rung zum Mitfpielen, fondern nur zum Be:
fuchen des Theaters nimmt, daß er nicht
glaube, die perſoͤnliche Gegenwart der Prediger
im Schaufpielhaufe koͤnne etwannige Vorurtheile
befehwichtigen; übrigens ſtehe es ia jebem Geiſt⸗
lichen, der es gerathen finde, frei, das Liebhaber⸗
theater zu beſuchen, ohne deshalb von Seiten des
— 145 —.
Minifterii Tadel befürchten zu dürfen. — „Wie
oft Ernft und Scherz angewandt worden,“ fagt
v. K. weiter, „bie Feinde unferer Bühne zu bes
tehren, mag auch das Nachfpiel beweifen, wels
ches am achten December 1786 auf dem Liebhas
bertheater zu Reval aufgeführt iſt.“ — Es ift
üiberfchrieben: Das Liebhabertheater vor bem Pars
lament, ein Nachfpiel mit Sefang, und hat ganz
ben Charakter eined Perfonal = Pasquills auf die
Widerſacher der Liebhabertheaterfreube; Die Gegs
ner derfelben heißen der Präfident von Guͤlden⸗
Falb, die Parlamentördthe Weibermund, Jaja,
. Dlim und Klatfchfieb, die Vertheidiger dagegen
Selten und Herz. Das ganze Publitum wußte
damals in Reval, wer unter jedem Namen ges
meint ſey. — \
Bon Kobebue hegte das Verlangen, nad
fo fchnell in Rußland gemachten Fortfchritten auf
der Stufenleiter der Ehrenftellen, Deutfchland
wieberzufehnz auch dieſer Wunſch wurde ihm
gewährt, indem er zu einer folchen Reife den err
betenen Urlaub erhielt. Er fegte mit derfelben
ernſtere literarifhe Zwecke in Verbindung , - indem
8 Ä
— 116 —.
er theils fuͤr die Ausfuͤhrung der Idee einer Ge⸗
ſchichte Heinrichs des Loͤwen Manches ſammelte,
theils ein Werk vorbereitete, das er uͤber Ehre
und Schande, Ruhm und Nachruhm, aller Voͤl⸗
ker, aller Jahrhunderte zu ſchreiben gedachte.
Zwar kamen beide nicht zu Stande; jedoch rech⸗
nete er es ſich immer zum Verdienſte an, den
Plan des zuletztgenannten Unternehmens, deſſen
Ausfuͤhrung ſeine Kraͤfte uͤberſtieg, gefaßt zu ha⸗
ben. . Er verfichert ſpaͤterhin, daß ihm das Uns
ternehmen in anderer Rüdficht fehr nüglich gewor⸗
den, denn er habe feine Kräfte daran geübt, meh⸗
rere hundert philoſophiſche und hiſtoriſche Werke
zu dieſem Behufe geleſen, mehrere Alphabete von
Kollektaneen geſammelt. Nie bereuete er den
eiſernen Fleiß, mit welchem er uͤber dieſe Idee
bruͤtete, die unzaͤhligen Stunden die er darauf
verwandte, und das Einzige was ihm Reue aus⸗
preßte, war das Bruchſtuͤck diefes Werkes, über
den Abel, was er lange nachher aber nicht in
. feiner urfprünglichen Geftalt dDruden ließ. (Süngfte
Kinder meiner Laune. Thl. 5. ©. 222).
Unter dieſen Beſchaͤftigungen, von. welchen
—
— 17 —
befonders die Leitung- des Revalſchen Privatthea-
ters fehr.zeitraubenb war, unter ven Gentffen
eines auf dufferen Wohlſtand gegründeten gefelli-
gen Lebens, mangelte ihm dennoch die Zeit nicht,
die ‚fchriftftellerifhe Laufbahn mit einer Ruͤſtig⸗
feit zu verfolgen, bie mit feinen reifern Jahren
immer zunahm. Im gegenwärtigen Zeitraume
beendete er feinen Roman, die Leiden der
Ortenbergſchen Familie, begann eine Zeits
ſchrift, für Geift und Herz, die aber wenig
Beifall fand, und entwarf die bramatifchen und
Unterhaltungsauffäge, bie er bald darauf unter
dem Zitel: kleine gefammelte Schriften.
in vier Bändchen herausgab. Wie veihbar er
auch gegen jeden Zabel: war, ber gegen feine
Produktionen ausgefprochen wurde, fo fühlte er
fi doch für denfelben reichlich entſchaͤdigt, durch
den Beifall, ven er fich in der Theater⸗ und Lefewelt
zu verſchaffen wußte, Durch lebendige Darftellung,
glüdlihe Benugung der Kontrafte, leichtes und
gewandtes Zufammenreihen der Scenen in der
Erzählung, wieim Dialog, durch eine fich fchon
klar zeigende, fehr genaue Kenntniß des Effektes
Te 4118 —
auf der Bühne, durch frappantes Sentenzenfpiel
wie durch Wis, Mutbhwillen und Laune. —
| Wenn man fo von S—8 Lage und Verhaͤlt⸗
niffe überfieht und das Reitzende derſelben für
den jungen, noch nicht dreißig Iahr alten Mann.
erwägt, fo muß man fie beneidenswerth finden,
und wirklich mochten auch Neider genug zu ihm
binbliden, wirklich mochten fie mandyen Stein
bes Anftoßes ihm in den blumenbeftreuten Pfad
werfen. Doch es beftätigt fich immer von Neuem
bei näherer Beobachtung des Menfchenlebens, daß
die hoͤchſte Stufe gewährter Wünfche nur zum
Mißmuthe jühren, wenn nicht innere Wahrheit
des Charafterd und moralifhe Selbftftändigkeit
bes Gefühl des Mannes Zufriedenheit fichern,
gegen verzärtelte Reitbarkeit, gegen den Ueberdruß
des Gluͤckes und gegen die Unfähigkeit, Misge⸗
ſchickk zu tragen. — Im Herbſte 1787 verfiel
v. K—, ohne daß eine bedeutende aͤußere Veran⸗
laſſung nachgewieſen werden konnte, in einen
Truͤbſinn, der bald zur Gemuͤthskrankheit und
Melancholie wurde. Alle die gluͤcklichen Verhaͤlt⸗
niſſe, die ihm bisher fo reizvoll erſchienen, zeig⸗
— 119 —
ten ſich ihm jetzt unter ben duͤſterſten Farben;
das noͤrdlichere Klima, mit feiner fchweren Luft,
feinem längeren Winter und feinen drüdenden Ne⸗
bein mochte wirkliches Eörperliches Uebel, wie es
Häufig zu geben pflegt, mit feiner eingebilveten,
geiftigen Krankheit! in Verbindung feßen; es war
leßterer, ald vorwaltender, um fo fchwieriger beis
zukommen, da von K— nie bahingelangte, gets
ſtig über fein, nur auf Gefühlen beruhendes Bes
wußtfeyn die geringfie Gewalt auszuüben, ba
ihm die moralifche Selbftftändigkeit der Religio⸗
fität immer fremb blieb. — Was er felbft, was
feine Haudgenofien und befonders feine Gattin,
in diefer Zeit follen gelitten haben, durch ihn,
ber fih damals aus den gefellfchaftlichen Verbins
dungen zuruͤckzog, koͤnnen die Augenzeugen und
er ſelbſt nicht jammervoll genug fehildern. In
dieſem Zuſtande empfand er heftigen Widerwillen
gegen jede Art von Thaͤtigkeit; nur die Vorliebe
fuͤr das Theater uͤbte noch ihre gewohnte Herr⸗
ſchaft. Er ſchrieb eine ganze Reihe von Schau⸗
ſpielen, unter welchen die beiden genannt zu wer⸗
den verdienen, welche, bei den unleugbarſten Spu⸗
— 1219 —
ren von Ueberſpannung, v. Kotzebue's Ruf
ſehr erweiterten, Menſchenhaß und Reue,
: und das Kind der Liebe; aufferdem die Ins
dianer in England, die Sonnenjungfrau,
Bruder Morig der Sonderling, die edle
Lüge, u. f. f. — Das zuerft namhaft gemachte
Stud, vielleicht das charakteriftifchfte von den
zahllofen Schaufpielen, die er lieferte, fchuf er
auf der höchften Staffel feines Truͤbſinnes. „Nie -
fagt er, „weder vors noch nachher, ift mir wieder
eine folche Fuͤlle von Gedanken und Bildern zus
geftrömt, und ich glaube, daß es unleugbar Gats
tungen von Krankheiten giebt, (worunter wohl
befonders diejenigen gehören, ‚welche die Reizbars
keit der Nerven vermehren) die die Geifteökräfte
höher, als gewöhnlich fpannen, fo wie der Sage
nach, die Franke Mufchel eine Perle anſetzt.“ —
Der große, fchnell verbreitete Beifall, dem
v. K. aufder Bühne, wie in der Lefewelt erhielt,
Tonnte, fo fehr auch feine Eitelkeit Dadurch ges
fchmeichelt wurde, feine Gemuͤthsſtimmung nicht
erheitern; denn jenem Preife ftellten fich zahlreiche
Kritiken entgegen, bie gewöhnlich auf Anerken⸗
nung feines Zalentes, aber auf völlige Misbilli⸗
gung des davon gemachten Gebrauches hinaus:
liefen. Vorzuͤglich machten fie darauf aufmerf:
fam, daß er ald Dichter immer bei verführten
und gefallenen Mädchen und Weibern verweilte,
- daß er um neu und originell zu fcheinen, was
bie Hanblung betrifft, Unwahrfcheinlichkeiten und
Bizarrerien, in Hinſicht des Wortes aber hochtd-
nende, unlautere Moral prebigende Sentenzen
haͤuft, und feinen Beruf darin fegt, dem Eon:
ventionellen Leben und dem fittlichen Anſtande
Hohn zu fprechen. Je lauter ſolcher Zabel an:
geftimmt wurde, je öfter man mit bemfelben dar⸗
auf hindeutete, daß durch diefe Mängel von Koge:
bue'& eigenthümliches Zalent für die Bühne der
befjeren Frucht beraubt werde, um fo mehr wurde
er verwundet; jede Misbilligung erſchien ihm
als jämmerlicher Neid, als fchändliche Verfol⸗
gungsſucht. Wer ihn nicht bewunderte und pries,
gegen ben bildete er fogleich eine fchroffe Oppo⸗
fition, und fo begann er eine Fehde mit der ge
ſammten Recenfentenwelt, die er bis zu feinem
Tode mit nie erlöfchendem Ingrimm fortfegte.
Eine Fritifhe Würdigung ber für die Gefchichte
der Literatur nicht unwichtigen fämmtlichen Werke
Kotzebue's ift eine befondere Aufgabe, welche mit
diefer Darftelung feines Lebens nicht verbunden
werben konnte; Vieles dazu ift bereits in zahl⸗
reihen einzelnen Auffägen beigebracht, Wieles,
in der Stimme des Publitums über ihn aufbe>
wahre. — Nur Eines mag bier, mit näherer
Beziehung auf feinen Charakter und auf feine
Lebenögefchichte, bemerklich gemacht werden, das
mit man fich deſſen ununterbrochen erinnere: von
Kobebue, der Menfch, ver Schriftfteller, der Dicha
ter erfcheint als ein Schooskind des Glüded, in
forgenfreieer Muße, in erwünfchten häuslichen
und freundfchaftlihen BVerhältniffen, in’ auöges
breitetem Rufe und großem Beifalle des Publis
kums — aber dies alles genügte ihm nicht, konnte
ihm keine Zufriedenheit verleihen; in.ihm lebte
die Ahnung eines höheren Gute und das ver-
gebliche Streben nad) diefem unerreichbaren Et:
was, wurde bie Geiffel feines Lebens. — Es
war Ahtung, wahre, auf moralifchen Werth
‚gegründete Achtung, die er fo fehnfuchtövol zu
— 123 —
erlangen wuͤnſchte, die aber nach den durch Feine
Zruggeftalt zu beflechenden Gefegen ber ewigen
Gerechtigkeit immer von ihm floh; wie er auch
ſeine Role wechſeln oder fefthalten mogte: die
Achtung feines Zeitalters erreichte er
nie — -
Zur Wiederherftellung feiner noch immer lei⸗
denden Gefundheit, erhielt er, in Mitwirkung
des von der großen Kaiferin perföulich fo hoch⸗
geſchaͤtzten Bimmermann’s zu Hannover, dem
9. K. auf feiner erſten Reife nach Pyrmont näher
bekannt geworben war, einen einjährigen Urlaub,
den er benußte, um Deutfchland wieder zu ſehen
und im Sommer 1790, ‚unter Zimmermanns
ärztlicher Leitung die Heilquellen Pyrmonts wie:
der zu gebrauhen. DB. 8. erzählt in ber
SFlucht nah Paris, ©. 43: „Ich diene der
Kaiferin von Rußland. Diefe große und gute
Frau gedachte mitten im Gewimmel ihrer Siege und
Schlachten eines einzelnen kranken Dienerd, deffen
Geſundheit ſchon feit Sahren litt, und den bie
feuchte Falte Luft des baltifchen Meeres zu tödten
#
drohte. Sie ſchenkte mir ein Jahr, um mid) zu
erholen. — |
Seine Sattin, in naher Hoffnung neuer Mut:
terfreuden, begleitete ihn bi Weimar, zu iht
fehrte er nach Beendung der Kur mit dem Ans
fange des Septembers zurüd, und bort ik feiner
Vaterſtadt traf ihn das harte Schidfal, dieſe
Gattin an ben Folgen einer fonft glädlichen und
ſchnellen Entbindung, in ben legten Tagen des
Novembers durch den Tod zu verlieren, nachdem
fie ihn zum Vater einer gefunden Zochter gemacht
hatte. Daß dieſe ſchmerzliche Kataftrophe auf
ihn, den nervenfchwachen, höchftreizbaren, kaum⸗
genefenen Dann einen heftigen Einbrud machte,
war fehr natürlich, und wedte das Mitleid jedes
gefühlvolen Herzens, aber die Art und Weiſe
wie er in der eben genannten Schrift feine Liebe
zur. Verflorbenen und feinen Schmerz über ihren
Verluft ausfprach, ließen an der Lauterfeit und
Wahrheit beider zweifeln, fo großen Gefallen auch
mitunter empfindfame und hyſteriſche Damen an
dieſem literarifchen Zodtenopfer fanden. Wenn
man durch die Lektüre. des Buches zu zweifeln
— 4135 —
‚beginnt, ob v. K. die Darftellung feiner Empfins
dungen bei dem Krankenbette feiner Gattin und
auf der nach ihrem Tode porgenommenen fchnellen
Reiſe nach Paris mit Wahrheitsliebe entworfen,
ober wie die gewählte Rolle eines Schaufpiels
behandelt habe, ob er überall einer wahren Liebe
- fähig gewefen fey und ob er diefe für feine vers
fiorbene Gattin empfunden habe — fo find e8
gerabehin feine eigenen Worte, die foldye Zweifel
erweden. So erzählt er ſchon in der Vorrede:
„Noch ift es Fein Jahr, ald ich mir den Scherz
‚erlaubte, ihre (feiner Gattin) am erften April
einen kritzlichen, unleferlihen Brief zu fchreiben,
als komme er von einer armen Witwe, bie mit
‚ein paar halbnackten Kindern, in einer ziemlich
„weiten Entfernung von der Stadt, auf einem
Falten Boden verfchmachte, und ihre Hülfe anflehe.
Es war ein Falter, windiger Tag, meine
‚gute Friederike war bamald nicht einmal
‚ganz gefund, aber fie fuchte in Eile alte Wa
ſche und Kleider zufammen, und ließ anfpannen,
Ich lief voraus an den bezeichneten Ort, ich fah
den Wagen. von Weitem kommen, er hielt ſtill
— 116 —
vor einem Haufe am Ende der Vorſtadt. Ih
erſchrack und glaubte. meinen Scherz verrathen.
Ach nein!fte war ausgefliegen, um Semmeln zu
kaufen für die hungrigen Kinder, welche fie ans
zutreffen glaubte. So trat fie in das ihr bezeichs
nete Haud, einem Schnupftuh voll Semmeln,
und zwei Rubel zwifchen den Fingern, halb ers
froren, und doch weniger unwillig über meis
nen graufamen Muthwillen, als darlıber,
daß fie wieder wegfahren follte, ohne eine gute
hat ‚vollbracht zu haben. In Gottes Augen
war fie vollbracht! Nie wird der erfle April wies
berfehren, ohne Zhränen in meinem Auge zu fins
den! Nur diefen einen Zug gab ich euch untes
taufenden. Sol ein Weib habe ich befeilen —
und verloren! Ach! darum fcheltet nicht, dag ich
von ihr rede und nichtö anders reden möchte!” —
Iſt ein Mann, der mit den heiligften Gefühs
len, mit bem fehönen Sinne des Mitleids eines
geliebten Weibes, mit Daranfegung des Verlu⸗
fleö ihrer Gefundheit und ihrer Achtung, einen
„graufamen Muthwillen" treiben, jene durch
s
— 117 —
Aprilnarrenſtreiche entweihen Tann, iſt der fähig
je zu lieben oder geliebt zu werben? —
Dann erzählt v. K — bie an ſich in Feiner
Hinfiht merkwürdige. Krankheitögefchichte feiner
Frau mit einer technifchen Genauigkeit, die ganz
zwecklos fo oft das fittliche Gefühl beleidigt und
Edel erregt. Man höre ihn (S. 11. ff.) „Herr
Hofrath Star? war fo gütig, gleich mit mir
zu kommen, in fünf Stunden war ich hin und
ber (von Weimar nach Iena) gefahren. Er fand
" meine Frau fehr Frank, aber noch lange nicht ohne
alle Hoffnung, und ich holte zum erftenmale
wieder freien Athem. Ausleerende und ſchweiß⸗
treibende Mittel wurden vereinigt. Mein armes
krankes Weibchen war jebt fehr eigenfinnig und
muͤrriſch. Sie wollte fih, zum Beifpiel, die La⸗
vements, die man ihr verorbnet hatte, von Nies
manden fonft beibringen laffen, ald von mir; ich
that es alfo zum erflenmale in meinem Leben
mit zitternden Händen, Hofrath Stark gab mir
einige Anweifung dazu, die Liebe that das Uebrige
ed ging recht gut, meine Frau kuͤßte mich daflır.
Seitdem that ich es immer. D wie leicht wird
der Liebe alles! Ich hoffe nicht, daß je jemand bei
dieſer Stelle ſpotten wird. Wer anders als gut⸗
muͤthig daruͤber laͤcheln koͤnnte, den wuͤrde ich
bitter beladen, und für ihn wurden biefe
Blätter nicht geſchrieben. — In gleichem Zone
redet er Seite 28 und 29 wo „eine freiwillige
ſtarke Ausleerung eine Hauptſtuͤtze ſeiner wieder⸗
kehrenden Hoffnung iſt,“ und er dennoch, nach
dem Rathe der Aerzte, von Neuem „Lavements
bereiten laͤßt und bereits am Bette ſteht, ſein
neues Amt: zu verwalten.” —
Gutmuͤthig laͤcheln, nicht bitter belas
chen, darf man, wenn v. 8. am Kranfenbett
(S. 9.) ausruft: „O ſeliger Augenblick! Ich las
ihr eine Scene aus meinem Schauſpiele vor, das
ich eben unter der Feder hatte, denn ihr Lob
oder Tadel, ihr unverborbenes Gefühl war immer
der Prüfftein meiner Arbeiten. Was ihrem
Auge Feine Thräne entlo.dte, das ſtrich
ich weg. Ach! weflen Gefühl wird in Zukunft
mich leiten! Mein Genius hat mich verlaf:
fen und mein Feuer ift erlofhen! — „Oder
wenn ee (5. 19.) vom Krankenbett ein wenig
hinaus ins Freie geht und verfichert: „koͤnnte ich
alles befehreiben, was ich auf diefem Wege gebacht,
aapfunden, gebetet, geflwchtet und gehofft habe,
es müßte ein bided Buch werden.” —
„Bon Kogebue’8 Gattin liegt im ben letzten
Zügen, und num — werben wir durch eine Scene
hberrafcht, die einen Beweis giebt, daß Manches
im wirklichen Lehen wahr ift, was in ber poeti=
tiſchen für ungereimt gelten würde. Führte ein
Romanenfchreiber einen Mann auf, ber feine Gattin
zärtlich, ja ſchwaͤrmeriſch zu lieben verfichert,
und doch in: dem Augenblide des beginnenden
Todeskampfes, in: die Kutfche fich febte, und
ſchleunigſt nach Paris führe, um dort die grands
et petits Spectacles ber Reihe nach zu befuchen,
fo wuͤrde jeber dieſes für- unfinnig, charakterlod
und unnatürlich halten *) — und doch berichtet
v. x. — fo und nicht anders von fich ſelbſt.
Vielleicht mindert, vielleicht vergrößert dieſe auf⸗
'
®) Eben diefe Anſicht ſprach ſchon die Eiteratur « Fels
tung aus, bei ber Recenfion der Flucht nad Par
sie. 1792. Gthd go. Seite 222 ff.
9
— 130 70 —
fallende Charafterfonderbarkeit noch folgende Nach⸗
riht (©. 33): „Ich hatte‘ ſchon feit länger als.
acht. Zagen einem alten treuen Freunde auf einem.
Spapiergange gefagt, daß ich alle meine Beſin⸗
nung verlieren würde, im Falle das Schickſal
Das größte Unglüd, den Berluft meines theuren
Weibes uͤber mich verhängen würde; ich hatte
ihn gebeten, auf diefen Sal für mich zu denfen
und zu handeln, um wenigflend meinen unmüns
digen, mutterlofen Kindern einen Vater zu erhal
ten, der felbft feit drei Jahren fein Grab immer
offen zu fehen glaubte; ich‘ hafte ihn gebeten, fo=:
bald dad Leben meiner Frau ohne Rettung vers
Ioren ſey, in höchfter Eile eine Poftchaife anfpans
nen zu lafien, und mit mir in die weite Welt
gu fahren, wohin ex wolle, nur fo weit weg al8
Möglich von dem Orte, wo alle meine Freuden
farben und die Ruhe meines Lebens begraben
hiegt. Er verfprach ed, und hielt Wort, in dies
fer fchredlihen Stunte. Er ging felbfl, meine
| Frau noch einmal zu fehn, er fah ihren legten To⸗
deskampf, kam eilig zuruͤck, hoffnungslos zu dem
Hoffnungstofen, und fchidte nach der Poſt.“ —
— I —
So nimmt der Scheidende (S. 52.) auf ewig
Abſchied von der Vaterſtadt, Die die Freuden des
"Knaben und die Leiden des Mannes fah, und
zuft aus: „In bie erhielt ich das Dafeyn — in
dir verlor ich ed wieder! Hoffnung und Fröhlich-
keit geleiteten mich in beine Shore, ‚ die Verzweif⸗
lung trieb mich hinaus!" —
. Dann erhält der Leſer gar fluͤchtige— Reiſe⸗
bemerkungen, bie, der Titel: „Flucht nach Pa⸗
ris“ zu. rechtfertigen ſcheint, kurze Nachrichten
von den Wegen, von den Diligenzen, von den
Reiſegeſellſchaften, von den Gaſthoͤfen — und
vorzuͤglich von den Theatern, auf recht ſonderbare
Weiſe durchwebt mit Exklamationen an ſeine Frie⸗
derike, bald wirklich Gefühl zeigend, bald wider⸗
waͤrtig ſtoͤrend, bald in bombaſtiſche Uebertreibun⸗
gen ſich verlierend, oder durch Verletzung des kon⸗
ventionellen Wohlſtandes beleidigend, oder nicht
ſelten fauniſche Luͤſternheit kundgebend. Den
Zoſten November war er in Mainz, ben 13ten
December in Straßburg und ben 18ten in
Paris. Hier einige Stellen, die charakteriftifch
find: . „Man fandte mir heute (zu Mannhoeim,
9*r
ben 9ten Nov.) ein Gedicht von umbekanntker
Hand, auf die geſtrige Vorſtellung des Kindes
der Liebe, des Inhalts: die Kunſt habe die Na⸗
tur auf ein Meiſterſtuͤck eingeladen, und die Na⸗
tue habe geantwortet: das müffe von mir ver
fertigt, und von Iffland, Bed und ber Witchöft
gefpielt werden. Dergleichen geobe Schmeicheleien
find unausflehlih eckelhaft. Ueberhaupt iſt es
fonderbar, daß jeder, ber meine Bekanntfchaft
macht, gleich meint, er müfle mit einem Lobe
meiner Stüde gegen mic) vebütiren. Muß man
fi) denn einem Dichter immer mit vollem
Maule näheren, wie ben morgenländifchen Koͤ⸗
nigen mit vollen Händen? Wenn die Leute nur
wüßten, wie einem babei zu Muthe, und wie
jämmerlich verlegen man ift, immer die gewöhns
lichen Gemeinfprüche berftottern zu müfjen: „ich
bitte gehorfamft! Sie erzeigen mir viel Ehre!
- Ihr Beifall ift mir eine Aufmunterung u. f. w.“
Man glaube indeſſen ja nicht (— Wem wäre bies
wohl je eingefallen —) daß mir bie Achtung ber
Menfchen gleichgültig ſey; nur mit ihren Hof
worten follen fie mich verfchonen” — (Seite 63).
„Der Buchhändler Amand König zu Straßs
burg läßt jetzt eine Ueberfegung meiner Adelheid
son Wulfingen bruden, beten Berfaflerin eine
gewiffe Mabame de Rome in Paris iſt. Diefe
Ueberfegung gab er. mir mit nach Haufe, um fie
durchzublaͤttern, ünd die Lektüre der franzöfifchen
Adele de Wulfing bat mir viel Spaß ges
macht. Es ift alles franzöfirt" — (Seite 80).
„Diefe Art Gefangenfchaft (im verfchloffes
wen Wagen der Diligenze) hat mir manche Her⸗
zensbeklemmung verurfacht, denn ich kann nichts
"weniger leiden, als fo eingefperrt zu fen. Will
man einmal p—fjen, fo ift das eine fchredliche
Weitläufigkeit, ehe der Kondukteur (der den Was
gen auffchließt,) gerufen wird; che er bie Huͤlfe⸗
tufende Stimme vernimmt; ehe er dem Poflillion
den Befehl, flille zu halten, ertheilt; ehe er von
feinem hohen Site berabfteigt, die Xhür zu oͤff⸗
nen; ehe die fämmtlichen Gepreßten fich auf eis
nige Augenblide noch harter zufammenprejien, um
ben einen Nothleidenden binauszulaffen, wobei
fie natuͤrlich oft fchiefe Gefichter ziehen; che die
Bank aufgehoben wird, welche den Eingang vers
— 4344 —
bollwerkt; ehe der Tritt heruntergelaſſen wird,
auf welchem man zur Erde hinabſteigt: — nein,
lieber haͤlt man fein bischen Waſſer drei Stunden
länger an ſich, und wagt alles, ehe man fich
entfchließt, einen fo gewaltigen Aufruhr zu erres
gen’ — (Seite 55). |
„Man findet (in den franzöfifhen Gaſthaͤu⸗
fern) nirgends Defen, nirgends geheigte Zimmer.
Man wird ſogleich in die Kuͤche geführt, wo
ein gutes Kaminfeuer brennt. Wer glüdlicher
Meife unter den erften Eintretenben ift, und ſich
überhaupt auf das Herzudrängen verfteht, nun
ber kann das Vergnügen genießen, feinen H—
oder fein Vordertheil zu wärmen, denn beides
auf einmal ift nicht möglich, und das iſt wieder
ein neuer Vortheil für den Schnupfenliebhaber,
fo wie auch der Fußboden dieſen feltfamen Leu⸗
ten nicht wenig zu flatten kommt, da er nirgends
gedielt, fondern überall mit Badfteinen auögelegt
ift, welche eine kalte Näffe ſchwitzen. Dieſer
Schweiß ift es jedoch nicht allein, der die Fuß⸗
boden negt, fondern man findet in jeder Küche
noch fo viel nebenher gegoffen, gefprüst, ges
ſpuckt, von Hunden gep—t, daß man feines Gleich⸗
gewichts ziemlich gewiß feyn, oder das Schlitts
fhubfahren gut verfiehn muß, um ficher darauf
zu wandeln — (Seite 88). Am fchlimmften ift
ein armer, mit feiner Gefunbheit entzwe:ter Menfch
daran, der ſich etwa gewöhnt hat, gewiſſen uns
terirdifchen Gottheiten, die einft bei Den Römern
in großem Anſehn flanden, jeden Morgen jein
Opfer zu bringen. Das ewige Rütteln des Fuhr⸗
werds wird ihm Verflopfungen verurfachen; ift er
etwa gewohnt, diefe durch eine Zaffe Kaffee und
eine Morgenpfeife zu bekämpfen, fo wird ihm
‚entweder gar feine Zeit dazu gejtattet, oder, ges
fest auch, er bricht fi von feiner nächtlichen
Ruhe eine Stunde ab, flebt eine Stunde früher
auf, als alle andere, um diefes große Bebürfnig
zu:befriedigen, deſſen Bernachläffigung, wie Mons
taigne fagt, einen. Seneca zum Narren machen
Tann, wo foll er Kaffee hernehmen?“ — |
„Wäre ich nicht im Mittelpunfte aller 3er:
flreuungen (in Paris), fo würde ver heutige Tag
mir fehr traurig verfließen, denn es ift der
Stiftungstag unfers Liebhabertheaters.
[
‚Heute ift in Reval Iubel und Freude, heute vor
« einem Jahre wurde meine Sonnenjungfrau zum
erftienmale dort ‚geipickt. Meine theure Friederike
machte die Amazili, der Kranz im Haare
ſtand ihr ſo gut — o Gott! welch eine ſchmerz⸗
liche Ruͤckerinnerung!“ — (S. 105).
„In den Logen (des Theaters, denn dies iſt
Hrn. v. KAs Flut > Biel) rings umher glaͤnz⸗
ten viele, fehr viele, größtentheild kuͤnſtlich
ſchoͤne Gefihter. Ach! nirgends eine Friederike!
nirgends ein Geſicht, das den vollen Ausbrud
der Güte, fo in jedem Zuge trug, ald das Ih⸗
tige!" — (Seite 115).
„Pſyche (ein Ballet) an ber Zoilette, wo
die Liebeögätterchen allenthalben gleichfam hervor:
wuchſen; Pfyche als Schülerin der Zerpfichore
das alled hat theild ſtark, theild fanft auf meine
Sinne gewirkt, die Tänzerin, welche Pſyche dar⸗
flellte, war ein reizendes Gefchöpf, und konnte fo
viel Unfchuld beucheln, als fey fie in ihrem Les
ben nidyt Tänzerin ber ‚großen Oper in Paris
geweſen“ — (S. 117).
„In bie Loge, welche wir eingenommen hatten, .
(lichen fi) au ein paar Zreudenmäbchen ein,
. Da ich diefer Klafje von Dirnen einmal erwähne,
fo muß ich bei ber Gelegenheit fagen, daß ich
auch noch nicht eine gefehen Yabe, die fähig wäre
einen Mann von nur: etwas zartem Sefchmade
zu reigen. Die Zrechheit hat jedes Geficht ges
ftempelt, und der Pla im Auge, den vielleicht
einft, in früheren Jahren der Unfchuld, Liebes.
götter bewohnten, dient jegt der Siechheit zum
Krankenbette. Dicke Schminke dedt die fahle
Bläffe, ſchwaͤrzlich blaue Saͤcke hängen unter
den matten Augen. Das if das treue Bild derer
die ich bis jegt fah, und ich babe viele gefehen,
denn im Palais royal fchwärmen fie Haufenweife
herum. Uns gegenüber, in einer Loge, faß heute
auch eine, die Mannskleider angezogen, aber e8 -.
weiölich fo eingerichtet hatte, daß man fie augens
blidlich für das, was fie war, erkennen mußte.
Sie hatte Recht, denn ihre Alltagögeficht wurde
Durch den blauen Frack mit rothem Kragen ſehr
gehoben. — Wieder aufunfere Nachbarinnen in
der Loge zu kommen, denn die guten Kinder
hatten ein Auge auf und geworfen. Sie faßen
— isgss —
vorher in der Loge neben uns, mochten aber
woͤhl gehoͤrt haben, daß wir deutſch mit einander
ſprachen, mochten uns für ein paar fremde Ni-
| gauds halten, unk geſellten ſich daher zu uns.
Stoff zum Geſpraͤch fand ſich bald. Die Eine
frug, ob wir Englaͤnder waͤren? — Ja, antwor⸗
tete mein Gefaͤhrte. Ich bemerkte darauf, daß
die Fragerin zwar ſehr gut franzoͤſiſch ſprach,
aber es fehr langſam zu ſprechen affektirte. Ich
frug fie um die Urſach. — Monsieur, ſagte fie,
je ne suis pas francgaise, je suis allemande. —
Aus welcher Gegend Deutfchlands? — de Vien-
ne, war die Antwort. ine drollige Lüge, denn
wir plauderten immerfort deutfch unter einander
und fie nahm es ganz treuherzig für engliſch.
Ich mußte mich auf die Zunge beißen, um ihr
nicht ind Geſicht zu lachen. Vermuthlich glaubte
ſie unfer Zutiauen zu vermehren, inden fie ſich
fetbft-für eine Sremde gab. Wenn wir ftill ſchwie⸗
den, fo hörte ich fie unter einander reden, von
Diefem und jenem Zraiteur und NReflaurateur, wo
man des Abends vortreffli foupire.. Das war.
ein Avis au lecieur. Sch fuhr aber nach Haufe
— 1139 —
und aß mein einfaches Aepfel⸗Kompot“ —
(Seite 128 ff.)
Eine Menge Freudendirnen zierten abermals
dieſes Spektakel, und waren zum Theil fehr zus
dringlich. Cine davon ftedte meinem Gefährten
ihre Addreffe in die Hand, die ich zum Scherz
genau kopiren will: Mille Adelaide, au palais
royal Nro. 88 par le derriere. — Wer Luft hat
fie zu befuchen, der mag es thun“ — (Seite 134).
„Die Unverfchämtheit der Zreudenmädchen
‚lernte ich an dieſem Abend erft recht fennen. Sie
waren heute alle außerorbentlich geputzt; man
hätte die geringfte unter ihnen für eine Dame
genommen. Zwei junge hübfche Dinger, welche
Arm in Arm gingen, verfolgten uns unaufhoͤrlich,
und fchlugen und eine partie quarree vor. Um
. fie los zu werben, fagte ich der einen, ihre Ge:
fährtin fey nicht hübfch genug. — Mais, fagte
fie, elle est tr&s bien composce. — Während ‘
diefes Gefpräches drängte ſich eine dritte zwifchen -
uns, und raunte mir fehr fehnell ins Ohr: vou-
lez vous venir, me voir? — Das nahmen .die '
andern beiden, die ſchon lange auf und Jagd ges
macht hatten, ſehr übel. Comment Madame!
fagten fie der Neubinzugelommenens vous. nous
enlevez nos hommes? — Um ihrem Streite
bie Realität zu benebmen, ließen wir fie alle drei
fiehn, und nerfchwanden im Gebrange, Eine
Bierte hatte und vermuthlich deutfch reden hören,
und drängte fi) nun beftändig an und heran,
indem fie das Wort deutfch! deutſch! in einem
Sehe Eomifchen Accente ausfprach, welches fie ira
gendwo aufgefchnappt haben mochte. Eine fünfte
endlih, welche mein Gefährte im Schauſpiele
hatte kennen lernen, ein niebliches, kleines Ding
von kaum ſechzehn Jahren, drollig und lebhaft,
lud uns mit ſo ausgelaſſener Luſtigkeit zum Sou⸗
per ein (verſteht ſich auf unfere Koſten) daß
wir uns entſchloſſen, mit ihr zu gehn, um doch
einmal zu ſehn, wie es bei einem ſolchen Maͤd⸗
chen ausſehe und auf welchem Fuß fie lebe.“ —
Doch genug und vielleicht ſchon bis zum hoͤch⸗
ſten Widerwillen zuviel, von der Art und Weiſe
wie der Hr. v. K., der uͤber den Tod ſeiner
Gattin im tiefſten Seelenſchmerz verſunkne Wit⸗
wer, ſich mit den Freudenmaͤdchen zu unterhal⸗
— 444 —
ten und wo es ihm etwa rathſam dumkt, feinen
Begleiter ald Suͤndentraͤger vorzufchieben weiß.
Aber Rogebue’s moralifche Seelenftärke kann mit
Leichtigkeit folche Ertreme vereinigen und fich vor
Ach felbft, wie vor bem gleichgefinnten Leſer rechts
fertigen: „Ich,“ fagt er, „einem Freudenmaͤdchen
gegenüber! Einem hübfchen närrifchen Mädchen
bas um uns her gaufelte, und durch jebe ihrer
Bewegungen Begierden zu weden ſuchte — —
Ach! wer fo geliebt hat, al& ich, ber barf fi
Bahn unter Lais und Phrynen wagen. Ein
Gedanke an meine Friederike — o wie Elein
und albern, wie edelhaft und langweilig kam
mie alleö rings umber vor. Ein Gedanke an
dich! vielleicht bat bein Geift mich umfchwebt!
wohl mir! ich darf deine Gegenwart nicht fcheuen,
ſelbſt bei einem Freudenmaͤdchen. — — D id
Kann das nicht befchreiben, wie mir zu Muthe
ik; aber meine Empfindungen find wahrlich
edel! und fo verachte ich den, der vielleicht dem
Bund fpöttifch verzieht, wenn er lieft, daß ich
bei einem Freudenmaͤdchen war — — (Seite .
4182 ff ff.). De findet man dann ben pfycholos
— 4422 —
giſchen Schluͤſſel zu dem ſchnellen Wechſel ber
Empfindungen, wovon Ein, in ber großen Oper
verlebter Abend ‚wieder ein recht :auffallendes Bei⸗
ſpiel giebt. Zuerſt wird Gluck's Alceſte ges
geben, da arbeitet feine. kranke Phantafie Aehn⸗
lichkeiten und Beziehungen zu fuchen. — „Sa, e8
ift vielleicht Lächerlich, aber nicht lachens⸗
würdig: ich fah im Admet mich felbft! Admet
trank, ich auch; fein Weib opfert das Leben. für
das Seinige: ich reife, um meine Gefundheit wies
“Ver berzuftelen, meine Frau begleitet mich aus
Liebe, und — verliert. ihr Leben auf diefer-Reife)
Hat fie fih. nicht auch Fir mid geopfert?” —
(Seite:217). — Aber bei dem: Ballete, Zele-
mach und. .Pfyche, welhes man ald Nachfpiel
giebt, verweilt. die Franke. Phantafie," bei ganz
andern Aehnlichkeiten und Beziehungen. „Tele⸗
mach erhält, wie Piyche,. alle Sinne in einer
lieblichen fröhlichen Spannung. Wie die huͤbſchen
Mädchen umherwimmeln, wie göttlich fie tanzen,
‚wie wollüftig, und doch grazienvoll jede ihrer
Bewegungen, welcher füge Wirwar, welche Grup⸗
ven! — Für ein Raffinement. von Koketterie
— 11 —
halte ich es, daß die Unterhofen der Damen von
fleeiſchfarbener Seide gemacht find‘ (Seite 220).
Darf man von v. K— dad rühmen, was er an
einer reisenden Schaufpielerin, „die Eleine, liebe,
unſchuldige Rofe Renaud“ preil’t? — Er fagt:
„Wenigſtens hat fie die Uniform der Zugend, -
die Sittfamfeit noch nicht abgelegt, und fo
lange fie die Uniform trägt, fo lange glaube ich
und will ed durchaus glauben, fie fey im Dienfte
ber. Tugend“ — (Seite 239).
Nachdem der Leidtragende fo bis zum Item
Sanuar 1791 fein Tagebuch fortgeführt hat, vers
zeichnet er mit einemmale, „daß er nicht Längen
in. Paris bleiben mag’ und giebt zwölf Urfachen
an, bie ihm den Aufenthalt verleiden. Wer bie
erſte und die legte hört, kann die dazwifchen lies
genden, als gleichartig, leicht: errathen. „Wenn
ich,” erzählt er, „auch ein Sahr lang hier wohnte,
fo würde ich doch nie zu Haufe feyn, und mo
ich nicht zu Haufe bin, da gefällt es mir nicht.
Eine Menge Kleinigkeiten, deren jede einzeln gen
nommen, nichts bedeutend ift, machen im Ganzen:
mir. den Aufenthalt unbehaglich. — Ich. pflege.
a —
bes Morgens vor ſechs Uhr aufzuftehen. In
Deutfchland Tann ich mein Fruͤhſtuͤck zu jeder
Stunde haben, hier muß ich warten, bis eö dem
Garçon auf dem Kaffeehaufe gefällig if, aufzu⸗
ftehen, und an mich zu denken, und das gefchieht
nie vor halb neun Uhr, alfo drei Stunden fiße
ich nüchtern, und weil ich das nicht gewohnt bin,
fo macht mird unangenehme Empfindungen. —
— — „Und enblih zwölftens: man mag ſich
noch fo fehr vorfehen, fo wird man hier und bort
and. überall um fein Geld geprellt, und fo geob,
ſo Sewifien= und Schaamlos geprelt, daß bie
tiefe Verachtung, welche man für ſolche Menſchen
fühlen muß, endlich zur läfligften und drüdends
fien Empfindung wird.
So giebt v. K. in feiner Flucht nad Varis
von Seite 285 bis 292 (erſchienen 1791) die
Veranlaſſung feiner ſchnellen Abreiſe an; in ſei⸗
nem literariſchen Lebenslaufe, den er im fuͤnften
Bande der juͤngſten Kinder ſeiner Laune, fuͤnf
Jahre ſpaͤter, 1796, mittheilte, erfaͤhrt man eine
ganz neue Veranlaſſung der Ruͤckreiſe, nach der
jene zwoͤlf Urſachen als unwahres Geſchwaͤtz
— ME —
erfcheinen. Er ſagt (Seite 227.): „Der Kummer
über den Tod meines guten Weibes trieb mid
in die weite Welt. Sch floh nah Paris, und
ohne einen Win! unferes Gefandten,
würde ich mich ein halbes Jahr lang in
die Wellen dieſer Hauptſtadt begraben
haben." —
Den Aten Januar um 6 Uhr fährt v. K.
mit der famofen Diligence von Paris ab, wun⸗
dert fih an den Ufern der Marne, „daß jenes
Land nicht Schaaren von Idyllendichtern hervors
bringt,” und gelangt den 12ten nah Mainz,
fürs .erfte das Ziel feiner Reife. Das Klima ift
dort fanft und mild, die Gegend rings umher
göttlich ſchoͤn, und der Umgang, für den er gern
“allein lebt, fehr angenehm. „Die Herren Koch,
Chrift und Porfd find die Vertraute und Liebs
linge ihrer Kunfl. Den Erfteren fieht man nur
zu felten, weil man ihn immer zu fehn wuͤnſcht.
Die Sanfte Madam Porfch, die fchalthafte
Madam Mende und Madam Eunite, die ges
borne Gurli, find Zierden diefer Bühne. Webers
haupt wird. man felten auf einem Theater fo viele
10.
weil ed eine nicht wohl abzuleugnende Sache iſt;
aber er troͤſtet ſich mit dem Gedanken, daß er
wenigſtens bie naͤmliche Perfeftibilität beſitze,
und daß jener nur, entweder durch eine koſtbare
Erziehung, oder durch gluͤckliche Situationen, ihm
den Vorſprung abgewonnen; er fuͤhlt ſich daher
geneigter, die Gaben des Zufalls zu verzeihen.
Das Gefühl hingegen, dieſes Geſchenk der
Natur, kann er, ohne ſich ſelbſt zu demuͤthigen,
keinem dritten in einem höheren Grabe zugeſtehn.
Wenn ihm alfo eine Erfcheinung: aufftößt, die er
mit feinem bischen Gefühle nicht: umfpannen
kann, fo nennt er fie ohne Umflände Erdich⸗
tung, und rettet feine Eigenliebe durch ein Ach»
felzuden. Alles das hätte ich früher bebenten,
und mein. überftrömendes Gefühl in meine Bruft
einkerkern follen. — Eine andere Gattung von
Menſchen leugnet die Wahrheit ſolcher Empfin-
dungen aus Bosheitz fie fühlt, daß die tiefe
Trauer eines Gatten ihm Mitleid und Liebe er-
. wirbt, Schäge, welche die Misgunft einem ver:
haßten Feinde fo gern rauben mögte. Daher
die fcheelfüchtigen Recenfionen dieſes Buches, das,
— 449 —
man mag ſagen, was man wolle, eines der We:
nigen ift, die allein dad Herz biktiet hat, Dies
{en Stempel trägt es an der Stimm, und ich forz
dere unfere.erften Dichter heraus, etwas Aehn⸗
diched zu fohreiben, wenn fie nicht in einer aͤhn⸗
lichen enge Am. Nu
- Sn ben fo eben bezeichneten Zeitpunkt bes
9. Kotzebueſchen Lebens fallt die Erſcheinung eis
ner Zlugfchrift, die für Kogebue, für die Entwis
delung feines. öffentlichen Charakters, für das
Urtheil feiner Zeitgenoffen über ihn, von größter
Wichtigkeit ift, und ald ein Wendepunkt feines
Lebens fchon deshalb für ihn fehr folgereich wurde,
weil von hier an alle feine Bemühungen, eine
auf Anerkennung des fittlihen Werthed gegrün=
dete Achtung zu erlangen, fcheiterten. Da bie
Aufmerkfamteit des Publitumd auf diefed Libell
und feinen Urheber, ald ein herrliches Zeugniß,
wie die Stimme des Volkes und die ewige Ge:
rechtigkeit moralifhe Verbrechen beftrafen, nicht
allein in dem Augenblide feiner Erfcheinung, fon:
— 1600 —
bern mehrere Jahre hindurch fixirt war, ba durch
diefe Schrift die Ehre und bas Gluͤck fo vieler
Männer geflört und felbft manches Leben verkürzt
wurde, da fpäter diefe Erfcheinung oft in Erin:
nerung gebracht, aber nie im Zuſammenhange er⸗
zählt ift, da mehrere hierher gehörige Dokumente
zu literarifchen Seltenheiten geworben find, da
Kogebue, in den Tagen feines Glanzed jeden
Hinblick auf dieſe Geſchichte fo forgfältig zu vers
wirren ſich bemühte, fo fol hier eine vollftändige
Darftellung derfelben, ald ein Beitrag zur Liter
targefchichte des achtzehuten Jahrhunderts, ver⸗
ſucht werden. —
Geſchichte ber Schrift:
Doftor Bahrdt
mit |
ber eifernen Stirn.
An Ende des Jahres 1790 wurde, ohne Nam⸗
haftmachung des Verſenders, durch die deutſchen
Buchhandlungen eine Drudfchrift verbreitet, die
den Titel führt:
Doftor Bahrdt mit der eifernen
Stirn, oder die deutſche Union ge:
gen Bimmermann. Ein Schaufpiel
in vier Aufzügen von. Freyheren
von Knigge. 1790.
Die Zitelvignette (wodurch die felten gewors
dene, und jest in Auktionen oft mit mehreren
Zhalern bezahlt werdende Originalausgabe, fich
— 110 —
von den mehrmals veranſtalteten Nachdruͤcken un⸗
terfcheidet,) zeigt eine Geierkralle und eine Loͤ⸗
wentage, die von entgegengefeßten Seiten aus
Wolken kommend, in einander greifen, und bie
Ueberfchrift haben: Vis unita fortior. Nach dem
Zitelbigtte folgt eine „Zueignungsepiftelan
den Herrn Schaufpieldireftor Groß>
mann, die ſchon vorläufig den Zwed Unterneh:
merd, den Ritter von Zimmermann *) zu Hans
‘
*) Sohann Georg von Zimmermann geb. zu Brugg,
im beutfhen Theile des Kantons Bern, ben sten
Dec. 1728, erhielt eine großartige wiſſenſchaftliche
Bildung zu Goͤttingen, unter der Leitung feines uns
fterblihen Landsmannes Albreht von Dallers. Er
wählte ben Beruf bes Arztes, und erlangte ale fols
her gar bald vielen Ruhm, wie er benn zugleid
als Schriftfieler durch feine Werke, über die Reitz⸗
barkeit; von ber Erfahrung in der Arzneis
tunde; vom Nationalſtolz, wie dusch feinen
erſten Berfuh, über die Einſamkeit, allgemeine
Aufmerffamkfeit und Bewunderung erregte. 1768
ward er als Lönigl. Leibarzt und Hofrath nad Han:
nover berufen, Viele Regenten und Zürften gaben
ibm Beweife der Hochachtung und Katharina, li
ernannte ihn, mit dem fie einen lebhaften Briefwed-
fel unterhielt, zum Ritter des Wladimir Ordens,
— 153 —
nover an feinen vielen literarifchen Gegnern zu
rächen, andeutet, und als ber einzige, nicht mit
den frecheften Boten durchwebte Theil des Pas⸗
quils, hier flehen mag; fie lautet:
— „Gott zum Gruß! mein lieber Großmann!
wenn Gott anders mit und beiden etwas’ zu thun
haben wid. Ich bin fehr ſchwach und krank,
mein letztes Stündlein naht, und da geht es mir,
damals für. einen Gelehrten eine große Auszeich⸗
nung; indeß genoß er wenig Lebensfreude, denn
manche Eörperliche Uebel, ein lokaler Schaden, uns
gewöhnliche Reitzbarkeit feiner Nerven, Familienlei⸗
den und immer mehr überhandnehmende Hppochonbrie
förten den Frieden feines Daſeyns. Mit feiner Ce⸗
leberität, die noch baburh wuchs, daß Friedrich
der Einzige, ihn an fein Krankenbette berief,
wuchs feine Eitelkeit und ber Unwille feiner Neider
und Gegner; beiden gab er felbft die Waffen in die
Hand, durch die berächtigt gewordenen Fragmente
über Friedrich II, wo er fi beſonders dem entgegen
ftellte, was man bamals Aufklaͤrung nannte. Ueberall
ſah er nur Zeichen der Vernichtung der chriſtlichen
Religion und ber Fuͤrſtengewalt. — Fruͤher, als.
ſein Koͤrper, erlag ſein Geiſt den duͤſteren Gebilden,
die ihm die Wirklichkeit und die Phantaſie zeigten.
"Die Erſcheinung bes Bahrdt m. d. e. St. vollen⸗
dete fein Ungläd, — Er flach 1795 zu Hamover. —
— 44 —
wie es unſeres Gleichen. gewöhnlich zu gehen
pflegt:. das Bischen Gewiſſen rührt fih. ‚Alle
die alten Gefchichten, zum Beifpiel die Eheteus
feleien in Göttingen (und wer vermag die Sterne
am Himmel zu zählen?) ſtehen rabenſchwarz vor
meiner Seele.“ |
„Unter andern, mein lieber Großmann! — er
weiß wohl — haben wir uns ſchwer an dem
braven Zimmermann verſuͤndigt, wenn wir uns
des Abends, nach dem Eſſen mit einander hin⸗
ſetzten, und mit dem Viertelpfunde Witz, welches
uns Gott verliehen hat, einen unerlaubten Wu⸗
cher trieben. — Da habe ich nun alle meine
Kraͤfte zuſammengerafft, um wieder gut zu ma⸗
chen, ſo viel ich kann, und hoffe, da Zimmer⸗
manns Großmuth mir aus tauſend Beiſpielen
bekannt iſt, er werde mir alle meine Thorheiten
verzeihen, auf daß ich ruhig ſterben koͤnne. —
Die heilige Lavaterſche Salbung, welche hier in
Bremen herrſcht, wo ich ſeit kurzem Droſt ge⸗
worden bin, bat viel zu meiner Belehrung bei:
getragen. Ihm, lieber Zreund! rathe ich, fobald
er morgenfruůb aus dem Bette auffieht, fich des
— 15. —
muͤthiglich in Zimmermanns Behaufung zu ver⸗
fügen, damit dieſer wahrhaft ‚große und gute
Mann, die Hand auf feine Fahle Glabe lege, und
ihm alle feine winzigen Albernheiten verzeihe. Nur
unter diefer Bedingung, und da wir immer alte
Freunde und Spieögefellen gewefen, babe ich ihn
in diefer Iufligen Komedia nicht felbft mit aufs
treten lafien, wie ed ſich doch gar eigentlich ges
bührt hätte. Nehme er fich in Zukunft aber wohl
in Acht, und fey er Feine von den fchmußigen
Sliegen, die fich nicht entblöden, ihr Häuflein
auf. einen blanten Spiegel zu feßen. — — Ge:
febrieben zu Bremen. Am Tage des Erzengels
Michael, 1790, von dem. Erzfchald Knigge.”
‚Die dann verzeichneten fpielenden Perfonen
finds Doktor Bahrdt, mit der eifernen Stirn,
der. gute Biefter, ber wohlgezogene Gedike,
der:iunge Büfching, der uneigennübige Cams
pe, der feinlachende Trapp, ber Achfelträger
Boje, der artige Klodenbring, der Meine _
geile MondEorrefpondent Lichtenberg, ber blinde
Ebeling, der Heerflihrer Nicolai, der Eeufche
Käftner, ber arme Teufel Quittenbaum, bet
— 156 —
Leipziger Magiſter, Aſſiſtent des Vorigen, Mom-
sieur Liserin, der Sopfprediger Schulze, der
Heine, tapfere Mauvillon, der verkfappte
Blantenburg, Doktor. Luthers Geiſt, Gold⸗
hagens Geift, Ritter .von Zimmermann,
Heinrich, deſſen Bedienter, Chor von Zeitungss
fpreibern unter Anführung ded unbedeutenden
Ettingers, bie Schulräthe Stuve und Heu-
finger, der Marionettenprincipal Schinf u. f.
w. Aufwärter, Huren, Hinmlifhe Heer:
fhaaren u. f. w. |
Sm erften Aufzuge finden fich Die genannten
Perſonen einzeln auf Bahrdes Weinberge ein
und vereinigen fih, von Neid und Misgunſt
Durchdrungen, gegen Zimmermann gemein:
ſchaftliche Sache zu machen; im zweiten wird dad
Buͤndniß durch einen feierlichen Schwur befiegelt,
im dritten rühmt jeber der Verfchworenen, "was
er gegen Zimmermann thun, wie er ihn in feinen
Schriften angreifen will, und im legten, dem
vierten Aufzuge, uͤberſchrieben: „Apotheoſe des
Dr. Bahrdt mit der eiſernen Stirn und ſeiner
Mitverfchwornen” erhält. Zimmermann bie gegen
— 1597 —
ihn gerichteten Schmähfchriften und — fendet fie
auf den Abtritt. Ein Epilogus beſchließt das
Ganze. Hier die lebten Reime:
„Friſch auf! ihr beiffiges Geſindel !
Packe nun jeder fen Bündel,
und kehre wohlgemuth nad) Haus,
- Denn die luſtige Farce iſt aus.
Die Peitſche wird hier an ben Nagel gehängt,
Und zuweilen mit Del ein wenig eingefprengt,
Damit fie fein geſchmeidig bleibt, .
Wenn euch der Kigel noch einmal treibt.
Dann holen wir fie wieder herunter,
Und ſchwingen fie luſtig, tapfer und munter.‘
Daß diefer an ſich höchft dürftigen Fiktion in
fofern Teine Wahrheit zum Grunde legt, als
wie jeder mit der Piterargefchichte jener Tage
einigermaaßen Bekannte weiß, nie eine Verbrüs
derung ober Union flatt gefunden haft, um Zim⸗
mermannd Ruhm zu vernichten, daß vielmehr
jene Schriftfteller, die ihn angriffen, jeder für
ſich, nad) ganz verfchiebenen Veranlaffungen ges
gen Zimmermann - auftraten und daß feine vielen
‚Gegner unter fich zum Theil fehr feindfelig gegen
einander dachten, iſt entſchieden; eben fa wenig
— di —
kann auf der andern Seite geleugnet werden, daß
weder vor⸗ noch nachher in beutfcher Sprache
jemals irgend etwas gefchrieben und gebrudt ifl;
wo bie größte fittliche Verworfenheit fo zur Schau
getragen ift, als im Bahrdt mit ber eifernen
Stirn. Der verabfcheuungswärdigfte Schmug
ber verworfenften Bordellfcenen, die gräßlichften
Boten, die Gräuel, welche der Entartefte zu vers
beden fi bemüht, find hier zufammengehäuft
und offen mit frehem Wohlgefallen dargelegt,
auf eine Weife, die um fo mehr allen Glauben
überfteigt, ba die als fpielende Perfonen genanns
ten Schriffteller mit einer genauen Kenntniß ihrer
Perſonalitaͤt dargeftellt find. —
Wenn fih fo der Verfaſſer diefer Schand:
ſchrift — es wird nicht zu viel behauptet —
als ein, jedes fittlichen Gefühl Berlorenhabender
fund giebt, fo darf man doc) nicht verkennen,
daß er fo viel Wig zeigt, eine fo entſchiedene
Fertigkeit durch charakteriftifche Züge feine Perfon
zu vergegenwärtigen, eine Leichtigkeit in der Kari⸗
Fatur= Zeichnung und ein Talent für die ſchmutzig⸗
fe, jede Schranke verfchmähende Satyre — und
\
— 19 —
daß man, wider Willen, oft an Xriftophan«s
kecke Manieren erinnert wird. &chon die bezeichs
nenden Beiworte der fpielenden Perſonen find
unübertreffbar gewählt. Das große Auffehn,
welches die Farce erregte, fand zum Xheil feinen
Grund in dem beleidigten fittlichen Gefühle jedes
Leſers, in der tiefen Verachtung eines Verbrechens,
bad den Menfchen zum Auswurf der Schöpfung
macht; es flieg jenes Auffehn noch ‚dadurch, daß
mit dem DBorwurfe- der fchändlichften Laſter hier
eine Menge von Männern Öffentlich gebrandmarkt
wurden, die als Gchriftfteller vielen Ruhm in
Kunft und Wiffenfchaft erlangt hatten. Wie jes
bed Blatt der Schandfchrift Infamien häufte, fo
ſprach auch ſchon der Titel eine der größten auß,
indem hier Knigge, ein Mann von vielfeitigen
Verdienſten, ald Schriftfteller geliebt, als Staats⸗
bürger auf einem bedeutenden Ehrenpoften ftehend,
ald der Berfaffer genannt wurde. Knigge
lebte, dies war bekannt, mit Zimmermann in
nichtö weniger alö freundfchaftlichen Verhältnifien,
er hatte mit letzterem literarifche Streitigkeiten,
die, veranlaßt durch angefchulbigte politifche Meis
nungen, fogar bis zum Injurienprozeffe gebiehen.
Hiernach ſchien ed zwar unerflärlich, daß er auf
eine folde Weife, um Zimmermannd. Gegner zu
züchtigen, die Feder ergreifen ſollte! jedoch fagten
andere dagegen: Sinigge hat- fi bereits durch
mehrere humoriftifch = fatyrifche Schriften befannt
- gemacht, fein Muthwille hat ihn ſchon zu mans
chem literarifchen Schwante verleitet, er hat hier
bie Miene eines Verehrers Zimmermanns anges
nommen, um ihm auf biefem Wege bie boshafs
teften Schläge zu verſetzen; eine fo hingefprochene
Bermuthung war in jenen Tagen der aufgeregten
Gemüther hinreichendy im den Augen Mancher
das verläumbderifche Vorgeben biefer neuen, aufs
gedrungenen Unterfchrift zu beftätigen. —
Indeß die allgemeine Stimme die Ausmittes
Iung, und Beflrafung des Urheber dieſes Fres
vels forderte, und bie polizeilichen Beflimmungen
vieler Länder die weitere Verbreitung des drama⸗
tifhen Schandgemäldes zu verhindern fi bemuͤh⸗
ten, fand die Churfuͤrſtlich Hannöverfche Regies
rung zuerft eine nähere Veranlaſſung in jener
Dinfiht. ernflliche Schritte zu thun.
— 161 —
Unter die mit den ruchloſeſten Schmaͤhungen
und Beſchuldigungen beſudelten Perſonen des
Bahrdts mit der eiſernen Stirn gehoͤrte
Klockenbring, ein Mann der zu Hannover in
geachteten, glüdlichen Verhältniffen lebte, mit
bes Zufriedenheit feiner Vorgeſetzten im» öffents
lichen Amte die Polizei der Stadt verwaltete,
mit Zimmermann in gutem Vernehmen fland
and nie etwas wiber ihn gefchrieben hatte. Dies
- fer Dann — man erfuhr nie, auf welche Vers
enlaffung — war bier unter die Feinde Zims
mermanns geftellt, und mit der verabſcheuungs⸗
wuͤrdigſten Bosheit ald Menfch und als Officiant
der gräuelvollften Lafter beſchuldigt. Solches
Unglüd erfchütterte ihn fo, daß er auch bald
barauf in eine völlige Verflandeszerrüttung vers
fiel und flarb; er zeigte ber hannöverfchen Res
gierung das Dafeyn des firafwürdigen Pasquills
beshalb officiell an, weil in bemfelben viele vers
diente unbefcholtene Männer, von benen befons
ders mehrere unter dem Schube ber Hannövers
ſchen Regierung lebten, pasquillantiſch angegrifs
fen waren, weil e& ihm befonders in bem Ber
11
— 41 —
hältniffe zu feinem Amte die größten Verbrechen
andichte und endlich, weil die ihm gemachten Be-
ſchuldigungen von der Art wären, daß felbfl' bie
churfuͤrſtliche Regierung dadurch in ein ſehr boͤ⸗
ſes Licht geſtellt ſey.
Sofort warb von der Regierung bes Juſtitz⸗
Sanzelei aufgegeben, Alles aufzubieten, um auf
dem Wege gerichtlicher Unterfuchung ben Verfaſ⸗
fer berauszubringen. Im Publiftum trug man
ſich mit verfchiedenen Vermuthungen; mande
hielten Zimmermann felbft fähig, der Verfaſſer
des Pasquills zu ſeyn; doch ſprach zu feiner .
Vertheidigung die von ihm nie verleugnete Ach⸗
tung für Anſtand und fittlichen Werth, andere
Glaubten, daß denn doch wohl Knigge der Vers
faffer ſeyn Eönne, wenn auch ber Drud ohne
feine Mitwirkung erfolgt ſeh, noch andere richte
ten ihren Verdacht auf Dr. Bahrdt, auf Maus
villon zu Braunfchweig, auf den damals fehr
_ beliebten Schriftfteller Friedrich Schulz zu Mi⸗
tau, den Berfafler des Moris und ber Leopol⸗
Dine, und auf andere. : Auf den wahren Ver:
fafler dachte niemand; viele unfhuldige Menſchen
— 163 —
wurden in biefe Geſchichte gemifcht, in gerichtliche
Unterfuchungen gewickelt, und um bie Ruhe ihres
Lebens gebradit:
Der Ohrifllieutenant Mauvillon zu Braun⸗
ſchweig, bekannt durch ſeine literariſche Verbin⸗
dung mit Mirabeau, hatte ziemlich laut geaͤu⸗
fert: „er fey für fi), nach perſoͤnlicher Ueberzeü⸗
sung, über ven Verfaffer des „Bahrdt“ gar
nicht in Zweifel," dieſes wieberholte er auch ak⸗
tenmäßig, als er auf Requifition der Hannoͤver⸗
ſchen Regierung von ben Braunfchweigfchen Mis
litaie = Gerichten, den 19ten Iahuar 1791 vers
nommen wurde. - Er erklärte hier: „Vor dem
Publilg, dem eigentlichen und einzigen Richter
ber gelehrten Streitigkeiten geffaue ich mich den
Verfaſſer der bemeldeten Schrift fo deutlich zu
erweifen, daß alle diejenigen, die gewohnt find,
Schriften zu unterfuchen, fogleich fagen werden: Ja!
er iſts! — Ich getraue mich eben da, diefe höchft
gründlichen Bermuthungen, durch Data zu verflärs
ten, die diefelben zu einem folchen moralifchen
Beweiſe erheben würden, bei bem ein jebes Ge:
muͤth fich felbft in einer fehr wichtigen Angeles
41*
— 44 —
genheit, voͤllig beruhigen wuͤrde. Aber derglei⸗
chen vor Gerichte vorzutragen, ; empfinde ich
einen unuͤberwindlichen Wiberwillen *)." — Auf
diefe zwar ablehnende, jedoch die Aufmerkfamteit
in der That erfi recht. fpannende Audfage, erfolgte
von Hannover eine neue Requifition, wonach
Mauvillon angehalten wurde, feine gründlichen
Vermuthungen und gefammelten Data über den
Urheber jener Schrift, wie ex es mittelft koͤrper⸗
lichen Eides zu befräftigen ſich getraue, anzuge-
ben; worauf denn M. zu ben Alten gab:
„Des Obrifilieutenants Maupillon’s
gründliche Bermuthung und gefammelte
Data, nah weldhen er feſt überzeugt ift,
daß der VBerfaffer der Schrift: Bahrdt
mit ber eifernen Stirn, ober bie beut-
[de Union gegen Zimmermann, kein an-
9 Siehe: des Herzoglich Braunſchweigſchen
Ingenieur⸗Obriſtlientenante Mauvillon
8gerichtliche Berhoͤre und Ausfagen, den
Berfaffer der Schrift, Bahrdt mit ber
eifernen: Stirn besseffent, Bruimfäneig
3793. Geite 10. | J
— 5 —
derer Menſch iſt, als der Herf Hofrath,
Leibarzt und Kitter von gimmermann
ſeibſt,
auch gleich darauf, in der eben genannten Schrift
dieſe Deduktion ſeiner Vermuthung dem Publiko
vorlegte! Geht man die Gruͤnde der Vermuthung
‘und die gefammelten Data durch, ſo laͤßt fi: im
der Entwidelung und Zufammenftellung verfelben
ein gewiſſer Scharfiinn, aber auch ein wider
Zimmermann fehr gereiztes Gemüth nicht verken⸗
"gen. Manche leidenfchaftlihe Schritte: die jener
"gegen feine: Widerfacher gethan, Gleichheit der
Ausdruͤcke in de’ Zimmermannſchen Schriften unb
in dem Pasquille, bie fhon von 3. vorgetragene
Idee von einer Verbrüderung, welche gegen ihn
geſchloſſen fey, mehrere. Zehlfchritte, zu denen 8.
duch ungemeſſene Eitelteit und Eigenliebe vers
"leitet war, eine genaue Kenntniß von allem, was
je gegen Zimmermann gefchrieben, wie der Urs
heber deffelben u, f. f. waren die Wahrfcheinlich
keitsgruͤnde die Mauvillon aufftellte, und bie er
dahin mit einem Eide zu bebräftigen fich bereit
erklärte, daß er fie für entfcheibend halte, um
vermittelft derfelden zu der moralifchen Ueberzen⸗
gung ber auögefprochenen Behauptung zu- gelan:
gen. Er fügte hinzu (S. 106): „Es ift aber
Fein juriftifher Beweis. Es bleibt. immer moͤg⸗
lich, daß ein Anderer: der Verfaſſer ſey.Ich habe
indeß auch. feinen juriftifchen Beweis verfprochen,
und ber hat auch von mir nicht.geforbert werden
Eönnen. Ich habe mich anheiſchig gemacht, den
Verfaffer: vor dem Publiko fo deutlich zu erwei:
‚fen, daß Ieder, der gewohnt iſt, Schriften zu
prüfen, fagenfol: Ja! er iſts! — und das glaube
ich gethan zu haben. Ich berufe mich desfalls
Iebiglich auf das Zeugniß bed Publikums.” —
. . ‚Hiergegen erklärte Herr von Zimmermann,
im 45flen Stüde des Hamburger unpart. Korves
fpondenten 1791: — „ohne mein Vorwiſſen er:
fhien Bahrdt m. db. e. St. — Ganz Hannover
hatte. diefe Schrift ſchon gelefen, als ich diefelbe
zum erftenmale ſah, und mit Schreden und Bes
trübniß. ihren Inhalt erfuhr. Man wünfchte diefe
Schrift unter Henkers Hände zu bringen. In
— 167 —
öffentlichen Blättern behandelte man den Verfaſſer
als den ſchaͤndlichſten Buben, ber je gekebt habe;
man fagte, bie geringfte Strafe bie .er-.verbiene,
ſey Staupenfhlag und Brandmark. Diefe jour
naliſtiſchen Rechtsſpruͤche waren ergangen und
allgemein bekannt; und nun ſchrieb Herr D. L.
Mauvillon ein Buch, um zu beweiſen: ich ſey
der Berfaſſer bes Bahrdt ıc. — Auf eine
ſolche Beſchuldigung muß ich antworten, da ein
Dffisier fie deuden läßt, da ein Officier vor ei⸗
nem Kriegögerichte fie auszufpredhen wagt! Meine
ganze, fehr Eurze, völlig hinreichende Antwort:
gab ich heute, unaufgefordert der koͤnigl. Juſtitz⸗
Kanzelei zu Hannover mit diefen Worten: 34h
bin willig unb bereit, den-fhauderhafz
teften Eid zu fhwören, daß ich weder
mittelbar, noch unmittelbar den aller
geringften Antheil an der Schrift des
Bahrdt mit der eifernen Stirn habe,
und daß ich von dem ganzen Inhalte die:
fer Schrift nichts wußte, bis ich dieſel—⸗
be gebrudt in meinen Händen ſah.“ —
Indeß fo dem in diefer Sache unfchuldigen
— 168 —
Zimmermann auf das Uebelſte mitgeſpielt wurde
hatte die hannoͤverſche Juſtiz⸗Kanzelei erfahren,
daß die Schmähfchrift bei Henning in Graitz
im Boigtlande gebrudt war, daß die vorhin naͤ⸗
ber bezeichnete Titelvignette son dem ſich damals:
in Weiner aufhaltenden Kupferfiecher Lips ge⸗
fiohen, ımb bei. ibm vom Rath Friedrich
Schulz aus Mitau beftellt fey. Da biefe That⸗
fachen unmittelbar auf bie Entdeckung des Ver⸗
faffers des Pasquilles führen mußten, fo wurde:
Herrvon Kogebue, in befien Auftrage Schulz
die Berfertigung jener Vignette beforgt hatte, ban⸗
ge, man mögte hinter das verübte Schelmftüd und
feinen Urheber kommen, er bot alle Schleichwege
bed Betruged auf, um die Sache zu verwirren
und fo unentdeckt dDurcchzufchlüpfen. — Kogebue
fürchtete eine gerichtliche Reauifition nad) Mitau
zu Schulz Vernehmung, die auch bald nachher
wirklich erfolgte. In biefer Angft des böfen Ges
wiſſens fchrieb er an legtern, er möchte, wenn er
gerichtlich befragt würde, nicht die Wahrheit fagen,
fondern vorgeben, er habe den Auftrag an Lips
von einem Buchhändler Gauger in Dorpat bes
kommen. Er, v. K., wolle Ham Schulz eis
nen falichen antebatirten Brief von Gauger
verfchaffen, worin der Auftrag zur Beforgung
der Vignette enthalten fey, und biefen Brief
möchte er vor Gericht probuchren. — Hierbei
blieb Herr. von Kotzebue noch nicht ſtehn; er bes
wog einen ganz unbekannten Menfchen in Reval,
Schlegel mit’ Namen, bervorzutreten, fich fuͤr
den VBerfaffer des Bahrdt mit der eifernen Stirn
‚amdzugeben, und dieſes falſche Geſtaͤndniß durch
eine Revalfche Notariats⸗ Urkunde zu bekraͤftigen.
Diefer Traugott Friedrich Lebrecht
Säleget zu Reval gab ſofort bei Nicolovius
zu Königsberg (1794) eine Erklärung: des
Verfaffers der Schrift: De. Bahrdt mit
Der. eifernen Stirn, heraus, die, wer Kobes
bue's Redeweiſe einigermaaßen kennt, unmits
telbar zu der Vermuthung fuͤhrt, daß ſie aus
R—8 Feder gefloſſen ſey, wie denn auch, der
Lage der Sache. nad), diefer Verdacht ganz liegt.
— Hier läßt denn: Herr von Kogebue ben
Schlegel erklären, dag er um Zimmermann,
ber fein Lieblingsſchriftſteller ſey, an feinen Geg⸗
nern zu rächen, in- einserfeöhlichen Stunde ben
Bahrdt'zc. gefchrieben und durch Vermittelung
feiner Freunde zum Druck befoͤrdert habe; „aufs
fer ihm, dem Endesunterſchriebenen,
babe Feine Ehriften =. oder; Deiftenfeele,
fein Schaufpielbihter und fein Hanna
veranereine Sylbe an erwaͤhnter Schrift
geſchrieben oder eingefhaltet.” — Wenn
der Schmutz des Pasquilles ſelbſt allen Glauben
uͤberſteigt, ſo uͤherbietet die Frechheit, mit der
Kotzebue Schlegeln die erlogene Autorſchaft
behaupten laͤßt, jede Vorſtellung. Er ſchließt:
Ich. erwarte daher ruhig und geduldig mein
Schickſal. Werde ich geflraft, fo ſtrafe ich wie⸗
der; das beißt: ich: ſchreibe eine neue Komedie
in der es noch weit Infliger hergeben foll, als in
der erſten; benn wahrlich! man bat mir. indeflen
ſchon wieder Stoff genug zum Lachen . gegeben:
Was die fchriftftellerifchen Züchtigungen- betrifft,
fo achte ich deren nicht, denn ich bezahle auch
mit gleicher Münze, und danke Gott, ber mir
Waffen in die Hände gegeben. hat, eben fo ſpi⸗
— 474 —
$ig,.gld die ber Herren zu Braunfchweig,: Göte
fingen, Hannover uf hr). > |
. , &p glaubte. fi, von. Kogebue wohl. verwahrt
zu haben, und ſich im weislich bereiteten Verſteck
des :verubten Muthwillens erfreuen, zu Tünnen,
doch des Verbrechens Sicherheit, = wirb- fo oft
sine Klippe, an ber Das Raubſchiff ſcheitert. —
Indeß von. mehreren Seiten darauf hingewiefgg
wurde, daß _ Schlegel gar nicht ber Mann ſey,
der xin ſolches den frevelften Wie, viele Bekannt:
ſchaft mit der neueſten Kiteratun, genaue Font
„' . 3
> Schon unterm zıten Nov. 1792 warb bei Anzeige
dieſer Erklärung im 93. Gtüde ber Königsberger
BZeitung, fowohl’bie Frechheit des H. Schlegel,
‚2 18 bie Unwahrſcheinlichkeit feines. Grfäntniffes be⸗
merklich. gemacht, und darauf hingewieſen, daß mit
»dem beigebrachten Notariats⸗ Inſtrumente im Grunde
nichts bewieſen ſey, als daß Schlegel ſich als Ver⸗
. feſſer des Manuſcripts dieſer Erklaͤrung bekannt habe.
-, „Mas aber die Autorſchaft des Bahrdt m. db... St.
4, betrifft, fo wirb mit Recht erwähnt, daß bie: Bermus
thung des Gegentheils (Schlegel fen nicht. Berfaffer
befielben) auf ſtaͤrkeren Zeugniſſen beruhe, als auf
. ein Notariatsinftrument, das zwar bad, was ein
andbderer ausfagt, aber nicht die innere Wahrheit der
Ausfoge bezeugen kann. —
niß der Perſonal“⸗ Verhältnilfe der beutfchen
Schriftfleller beweiſendes Pasquill fchreiben konnte,
indeß Schulz erfuhr, daß Kotzebue, wad dies
ſer aber ableugnete, alles aufbiete, jeden noch
übrigen Verdacht der Autorſchaft auf ihn: zu:fchies
ben, wies Schulz den ihm gemachten Antrag,
eiu falſches Zeugniß abzulegen, mit Abſcheu zie
ruͤck; er fchidte den dazu aufforbernben Brief des
Herin von Kogebue nad -Deutfchland mit der
Bitte, ihn jedermann, ber daran Intereſſe finde,
leſen zu Taffeh, nur bat er, davon keinen Gebrauch
vor Gerichte zu machen *). —
Ko gebtte'war in dem felbſtgeſtrickten Nege
gefangen; die ganze Schmach ber ſchaͤndlichen
Pasquilicreiberen, die daran gereihten Vergehen
und bie‘ Strafen der Geretigei mußten ihn
” Im "zooften Stk: bes bemb. aorreſ⸗, meauese,
vom ı6ten Dec. 1791 heißt es: „Es kann ihm er⸗
wiefen werben (dem Auguft v. Kogebue) baß er felbft
der Berfaſſer jenes ſchmutigen Produktes iſt — er:
wieſen durch geinen eigenhaͤndigen Brief, in Pyrmont
Geſchrieben. Auf eben ſolche Weiſe kann ihm auch
erwieſen werben, daß er ſchon vor fleben Monaten
die Abfiche hatte, welde ex -jege ausführt, einen
— 13 —
treffen, da verfuchte es durch neue Winkelzlige
fi rein zu brennen, wenigſtens in Privatmittheis
Jungen. In einem Schreiben an feine Mutter,
die verwitwete Legationdräthin Kotzebue zu
Weimar, welches im Intelligenzblattg der allges
meinen Literatur » Zeitung abgebrudt wurde, ließ
er fih, alfo vernehmen:
„Ihre Heftigkeit, lichte Mutter! bei Gelegen⸗
heit der fasalen Schrift: Bahrdt mit der eis
fernen Stirn, hat mich empfinblich gekraͤnkt.
Alles was ich Ihnen ſchon im Monate April,
von Mainz aus, über die Sache fchrieb, iſt buch⸗
ſtaͤblich wahr, und ich wieberhole Ihnen hier den
feierlichfien Schwur, bei Gott, Ehre und Ges
wiflen, daß von allem, was in jener verhaßten
Schrift den moraliſchen Charakter eines Menſchen
unbedeutenden Menſchen zu bewegen, ſtatt feiner bie
Schande jener ſchimpflichen Autorfhaft auf ſich zu las
den. Diefe Umftände find nun gerichtlich zur Sprache
. gekommen; bie Inquifition gegen ihn wird fortges
fegt, und bis bie Aeſultate derſelben Öffentlich bekannt
werben, hält man es für Pflicht, dies bem Publiko
vorläufig anzuzeigen.” (Dee Ginfender nennt fi
nicht, weißt aber nach, wo er zu erfragen If).
genheit, . völlig beruhigen würbe. Aber bergleis
den vor Gerichte vorzutragen, empfinde ich
einen unüberwindlichen Widerwillen *).” — Auf
diefe zwar ablehnende, jeboch die Aufmerkfamteit
in der That erſt recht: ſpannende Ausfage, erfolgte
von Hannover eine neue Requiſition, wonach
Mauvillon angehalten wurde, feine gründlichen
Bermuthungen und gefammelten Data über ben
Urheber jener Schrift, wie er es mittelſt Eörper-
lichen Eides zu befräftigen ſich getraue, anzuge⸗
ben; worauf denn M. zu den Akten gab:
„Des Obrifllieutenants Mauvillon's
gründliche Bermuthung und gefammelte
Data, nad welchen er feſt überzeugt iſt,
daß der VBerfaffer der Schrift: Bahrdt
: wit der eifernen Stirn, ober die beut-
[de Union gegen Zimmermann, fein an-
2) Giche: bes Herzoglih Braunſchweigſchen
Ingenieur⸗Obriſtlientenante Mauvillon
gerichtliche Berhͤre und Ausfagen, den
Berfaffer ber Schrift, Bahrbt mit ber
eifernen Stirn betreffend. Brammfhweig
2795. Geite 10. '
1
derer Menſch iſt, als der Herr Hofrath,
Leibarzt und Kitter von gimmermann
ſelbſt,“
auch gleich berauf in ber eben genahitten Schrift
dieſe Deduktion feiner Bermuthung dem Publiko
vorlegte: Geht man bie Grimde der Vermuthung
‘und die gefammelten Data durch, ſo laͤßt fi: im
"der Entwidelung und Zufammenftellung berfelben
ein gewiſſer Scharffinn, aber : auch: ein: wider
Zimmermann -fehr gereiztes Gemüth nicht verken⸗
nen. Manche leidenfchaftliche Schritte: die-jener
‚gegen feine: Widerfacher gethan, Gleichheit der
Ausdruͤcke in dei Zimmermannſchen Schriften unb
in dem Pasquille, die fhon von 3. vorgetragene
Idee von einer Berbrüberung, welche gegen ihn
geſchloſſen ſey, mehrere. Fehlſchritte, zu denen 8.
‘durch ungemeſſene Eitelfeit und Eigenliebe vers
leitet war, eine genaue Kenntniß von allem, was
je gegen: Zimmermann gefchrieben, wie. ber Urs
heber deffelben u. f. f. waren die Wahrfcheinlich-
Teitögrände die Mauvillon aufftellte, und bie er
dahin mit einem Eibe zu befräftigen fich bereit
erklärte, daß er fie für entſcheidend halte, . um
vermittelft derfelben zu der moralifchen Ueberzen⸗
gung ber auögefprochenen Behauptung zu gelan:
gen. Er fügte hinzu (S. 106): „Es ift aber
Fein juriflifcher Beweis. Es bleibt. immer mög:
lich, daß ein Anderer: der Verfafler ſey. Ich habe
indeß auch feinen juriflifchen Beweis verfprochen,
und ber hat auch von mir nicht.gefütbert werben
tönnen: Ich habe mich anheifchig "gemacht, den
Verfaſfer vor dem Publiko fo dentlich zu erwei⸗
fen, daß Jeder, der gewohnt iſt, Schriften zu
prüfen, fagenfoll: Ia! er iſts! — und das glaube
ich gethban zu haben. Ich berufe mich desfalls
Iebiglich auf das Zeugniß des Publikums.” —
. En . ..$
BGBiergegen erklärte Herr von Bimmermonn,
im 45ften Stüde bes Hamburger unpart. Korves
fpondenten 1791: — „Ohne mein Borwiflen er:
fhien Bahrbt m. d. e. St. — Ganz Hannover
hatte. diefe Schrift ſchon gelefen, als ich diefelbe
zum erftenmale ſah, und mit Schreden und Bes
trübniß. ihren Inhalt erfuhr. Man wünfchte diefe
Schrift unter Henkers Hände zu bringen. Im
— 167 —
Öffentlichen Blättern behandelte man.ben Verfafler
als den ſchaͤndlichſten Buben, ber je getebt habe;
man fagte, bie geringfte Strafe bie .er-.verbiene,
fey Stauyenſchlag und Brandmark. Diefe jour
naliſtiſchen Rechtsſpruͤche waren- ergangen und.
allgemein befannt; und nun fchrieb ‚Herr O. L.
Mauvillon ein Buch, um zu beweifen: ich. fey.
ber VBerfaffer bed Bahrdt ıc — Auf eine
ſolche Befchuldigung muß ich antworten, ba ein
Dfficier fie drucken läßt, da ein Officier vor ei⸗
nem Kriegsgerichte fie auszuſprechen wagt! Meine
ganze, ſehr kurze, voͤllig hinreichende Antwort:
gab ich heute, unaufgefordert der koͤnigl. Juſtitz⸗
Kanzelei zu Hannover mit diefen Worten: Ich
bin willig und bereit, den ſchauderhaf—
teſten Eid zu ſchwoͤren, daß ich weder
mittelbar, noch unmittelbar den aller⸗
geringſten Antheil an der Schrift des
Bahrdt mit der eiſernen Stirn habe,
und daß ih von dem ganzen Inhalte die:
fer Schrift nichts wußte, bis ich dieſel⸗
be gebrudt in meinen Händen ſah.“ —
Indeß fo dem in diefer Sache unfchuldigen
Simmermann auf dad Uebelſte mitgefpielt wurde
hatte die hannöverfche Iufliz = Kanzelei erfahren,
baß bie Schmaͤhſchrift bei Henning in Graitz
im Voigtlande gedruckt war, daß die vorhin naͤ⸗
her bezeichnete Titelvignette von dem ſich damals
in Weimar aufhaltenden Kupferſtecher Lips ge⸗
ſtochen, und bei. ibm von Rath Friedrich
Schulz aus Mitau beftellt fey. Da diefe That:
fachen unmittelbar auf die Entbedung des Vers
faffers des Pasquilles führen mußten, fo wurde
Herrvon Kogebue, in beffen Auftrage Schulz-
die Berfertigung jener Vignette beforgt hatte, ban⸗
‚ge, man mögte "hinter das verübte Schelmflüd und
feinen Urheber kommen, er bot alle Schleichwege
des Betruges auf, um die Sache zu verwirren
und fo unentdeckt durchzufchlüpfen. — Kogebue
fürchtete eine gerichtliche Reauifition nach Mitau
zu Schulz Vernehmung, bie auch bald nachher
wirklich erfolgte. In diefer Angft des böfen Ge⸗
wiffens fchrieb er an letztern, er möchte, wenn er
gerichtlich befragt würde, nicht die Wahrheit fagen,
fondern vorgeben, er habe den Auftrag an Lips
von einem Buchhändler Gauger in Dorpat bes
— 1469 —
Iommen. Er, v. RR, wolle Ham Schul; es
nen falſchen autedatirten Brief von Gauger
verfchaffen, worin der Auftrag zur Beforgung
der Vignette enthalten fey, und biefen Brief
möchte er vot Gericht produciren. — Hierbei
blieb Herr von Kotzebue noch nicht ſtehn; er bes
wog einem ganz unbelannten Menfchen in Reval,
Schlegel mit Namen, bervorzutreten, fich für
den Verfaſſer des Bahrbt mit der eifernen Stirn
auszugeben, und dieſes falfche Geſtaͤndniß burch
eine Revalfche Rotariatös Urkunde zu bekraͤftigen.
Diefee Traugott Friedrich Lebrecht
Sqhlegel zu Reval gab ſofort bei Nicolovius
zu Koͤnigsberg (1791) eine Erklaͤrung des
Verfaſſers der Schrift: Dr. Bahrdt mit
der eiſernen Stirn, heraus, die, wer Kotze⸗
bue's Redeweiſe einigermaaßen kennt, unmit⸗
telbar zu der Vermuthung fuͤhrt, daß ſie aus
K— Feder gefloſſen ſey, wie denn auch, ber
Lage der Sache nach, dieſer Verdacht ganz liegt.
— Hier laͤßt denn Herr von Kotzebue den
Schlegel erklaͤren, daß er um Zimmermann,
ber fein: Lieblingsſchriftſteller ſey, an feinen Geg⸗
nern zu rächen, in eineerfröblichen Stunde ben
Bahrdt ꝛc. geſchrieben und durch Vermittelung
feiner Freunde zum Druck befoͤrdert habe; „aufs
fer ihm, dem Endesunterſchriebenen,
babe Feine Chriſten- oder Deiftenfeele,;
fein Schaufpieldihter und fein Hanna
veraner eine Sylbeanerwähnter Schrift
gefhrieben oder eingefhaltet.” — Wenn
der Schmutz des Pasquilles ſelbſt allen Glauben
überfteigt, fo uͤherbietet die Frechheit, mit ven
Kogebue Schlegeln bie erlogene Autorfchaft
behaupten läßt, jede Vorftellung. Er fchließt:
„Sch erwarte daher ruhig und; gebuldig mein
Schickſal. Werde ich geftraft, fo ſtrafe ich wies
ber; dad beißt: ich fihreibe eine neue Komebie
in der es noch weit Iufliger hergeben fol, als in
der erſten; benn wahrlih! man hat mir indeſſen
fhon wieder Stoff genug ‚zum Lachen gegeben:
Bas die fchriftftelleriihen Züchtigungen betrifft,
fo achte ich deren nicht, benn..ich bezahle auch
mit gleiher Münze, und danke Gott, ber mir
Waffen in die Hände gegeben. hat, eben fo pi:
— 474 —
tdig, als die ber. Herren zu Amer Goͤt⸗
tingen, Hannover u. ſ. 9). — | |
. Sp glaubte fi, von Kogebue — verwahrt
zu haben, und ſich im weislich bereiteten Verſteck
bes veruͤbten Muthwillens erfreuen; zu koͤnnen,
doch des Verbrechens Sicherheit, = wird fo oft
sine Klippe, ‚an der dad Raubſchiff fcheitert. —
Indeß von. mehreren. Seiten darauf: hingewieſer
seurbe, daß Schlegel gar nicht der Mann ſey,
bey:tin: ſolches den frevelften Wig, viele Belannt-
Sshaft mit der neueſten kiteratur genaue Kenntr
395 —F
BE Schon unterm zıten oo. —* ward bei Anzeige
ieſer Erkidrung im 93. Stuͤcke der Koͤnigsberger
Zeitung, fowohl”die Frechheit des H. Schlegel,
ols die Unwahrſcheinlichkeit feines: Srfkäntniffes be⸗
merklich gemacht, und darauf hingewieſen, daß mit
dem beigebrachten Notariats⸗ Inſtrumente im Grunde
nichts bewieſen ſey, als daß Schlegel ſich als Ver⸗
.. x. fager des Manuſcripts dieſer Erklärung bekannt habe.
-. Mas aber bie Autorfchaft des Bahrbt m. b..e. St.
i-. betrifft, fo wirb mit Necht erwähnt, daß bie: Bermu:
thung des Gegentheild (Schlegel fen nicht. Berfaffer
deffelben) auf ſtaͤrkeren Beugniffen beruhe, als auf
ein Rotariatsinftrument, das zwar bad, was ein
anderer ausfagt, aber nicht die innere Vahrheit der
Ausfage bezeugen Fans, —
niß - ber: Perfonal’= Verhältniffe der deutſchen
Schriftfteller beweiſendes Pasquill fchreiben konnte,
indeß Schulz erfuhr, DaB Kotzebue, wad die:
fer aber ableugnete, alles aufbiete, jeden noch
uͤbrigen Verdacht der Autorſchaft auf ihn zu ſchie⸗
ben, wies Schulz den ihm gemachten Antrag,
eiu falſches Zeugniß abzulegen, mit Abſcheu zu⸗
ruͤck; er ſchickte den dazu auffordernden Brief des
Herrn von Kotz ebue nad) Deutſchland mit ber
Bitte, ihn jedermann, ber daran Intereſſe finde,
leſen zu kaſſen, nur bat er, davon keinen Gebrauch
vor Gerichte zu machen *). —
Koſtz ebne war ‘in beni felbſtgeſtrickten Netze
gefangen; die ganze Schmach der ſchaͤndlichen
Vas quiuſchreiberey, die daran gereihten Vergehen
und die Strafen der Gerechtigkeit van ihn
*) Im "ooften Sie: bes Hamb. Korrefp., Beilage,
som ıöten Dec. 1791 heißt es: „Es Bann ihm er:
wieſen werben (dem Auguſt v. Kogebue) daß er felbft
der Berfaſſer jenes ſchmutigen Produktes iſt — er:
wieſen durch feinen eigenhänbigen Vrief, in Pyrmont
8geſchrieben. Auf eben ſolche Weiſe Tamm ihm auch
erwieſen werden, daß er ſchon vor ſieben Monaten
die Abſicht hatte, welche ex jege. ausführt, einen
— 13 —
treffen, da verfuchte er durch neue Winkelzuͤge
fi rein zu brennen, wenigftens in Privatmittheis
lungen. In einem Schreiben an feine Mutter,
die verwitwete Legationsräthin Kotz ebue zu
Weimar, welches im Intelligenzblatte der allges
meinen Literatur = Zeitung abgedrudt wurde, ließ
er ſich alfo vernehmen: |
„Ihre Heftigkeit, liebſte Mutter! bei Belegen.
heit ber fatalen Schrift: Bahrdt mit ber ei:
fernen Stirn, hat mich empfinblich gekraͤnkt.
Alles was ich Ihnen ſchon im Monate April,
von Mainz aus, über bie Sache fchrieb, iſt buch⸗
ſtaͤblich wahr, und ich wieberhole Ihnen hier den
feierlichfien Schwur, bei Gott, Ehre und Ges
voiffen, daß von allem, was in jener verhaßten
Schrift den moraliſchen Eharakter eines Menſchen
unbebeutenden Menfhen zu bewegen, flatt feiner bie
Schande jener fchimpflichen Autorſchaft auf ſich zu la⸗
den. Diefe umſtaͤnde find nun gerihtii zur Sprade
gekommen; bie Inquiſition gegen Ihn wird fortges
fegt, und bis die Keſultate berfelben Öffentlich bekannt
werben, hält man es für Pflicht, dies dem Publiko
vorläufig anzuzeigen.” (Der Ginfender nennt ſich
nicht, weißt aber nad, wo er zu erfragen If).
— 4174 —
antaſtet, kurz, von allem, was die hannoͤverſche
Requifition veranlaßte, nichts aus meiner Feder
gefloſſen und nicht flieſſen konnte. Ich habe den
‚Hrn. Kl— (Klockenbring) damals (wennehr?)
zum erſtenmale nennen hoͤren: ich habe nicht in
Goͤttingen ſtudirt, und mein zehnjaͤhriger Aufent⸗
halt in Rußland hat mich überhaupt fo auſſer aller
Verbindung gebracht, daß ich von bein Privatle-
ben aller jener Gelehrten, Bahrbt ausgenommen,
welchen Pott geſchildert hatte, überhaupt nichts,
am: wenigften jemals flandalofe Anekdoten erfahs
ten habe. Auch wiffen Sie bag eine folche Anek⸗
botenjdgerei nie meine Liebhaberei gewefen. —
Ya, werben Sie fagen, man hat dir aber die
Materialien geliefert, und du haft fte eingekleidet?
— Auch das nicht. Ich kann feierlich beſchwoͤ⸗
ten, daß ich an den mir überfandten Manuferip:
ten, bie ich noch verwahre, nicht geändert,
wie ber. Augenfchein noch täglich beweifen koͤnnte,
wenn ich einen unmwürdigen Gebrauch von dem
in mich gefegten Vertrauen zu machen fähig waͤre.
Hatte ich denn alfo wohl Unrecht, zu hoffen,
man werde nicht mir jene gehäffigen Dinge zur
— i5 —
Ekaſt legen? — Aber ich hätte freilich gar keinen
Theil nehmen, auch nicht mit den unſchuldi⸗
gen, hödiftens muthwilligen Poffen mich befaffen,
ih Hätte nie fuchen follen, es zum Drude zu
befördern. Sie haben Recht, und ich habe es
fchon taufendmal bereut, ohngeachtet ich den Bes
wegungögrund, der mich dazu vermochte, nie bes
zeuen kann und werde; dem ed war die reinfte
Freundſchaft nad Dankbarkeit. Auch bin ich
wohl hart genug beftraft durch Ihren Zorn, durch
alle die Verlaͤumdungen, ‚die ich uͤber mich erge=
ben laſſen muß, durch das falfche Licht, in wels
chem iich bei vielen meiner Freunde erſcheine, durch
den Verluſt der Liebe des Publikums, und durch
den natuͤrlich daraus entſpringenden Mangel an
Luſt, etwas zu arbeiten. Glauben Sie mir, liebe
Mutter! Rouſſeau hat wohl ganz recht, irgend
wo zu ſagen: daß vom Publiko gekannt
ſeyn, eine ſchwere Buͤrde iſt. Heute ſteigen wir
wie eine Rakete in die Luft, und morgen traͤmpelt
die ganze Welt mit Füßen auf uns herum. Wie
oft habe ich als Juͤngling nah Ruhm gehaſcht!
Ich Thor! ich verkaufe Ihnen heute mein ganzes
Bishen Ruhm für ein Dugend Stuͤck milchende
Kühe, die ich eben jegt auf meinem Landgute nöthig
habe. Das Publitum hat mich undankbar behan⸗
delt. Es verdankt mir manchen Genuß, vieleicht
auch manche Befferung bed Herzens; denn ich war
immer bemüht, die Tugend liebenswürbdig zu fchils
bern, und felbft der übrigens gerechte Vorwurf:
ich habe manches zu beftreiten geſucht, was nicht
immer Vorurtheil fey; trifft wenigſtens nicht mein
Herz, fondern höchfiend eine.noch zu jugenblich
raſche Einbildungsfraft. Kaum aber erfährt dieſes
Yublitum, welchen Antheil eine vielleicht ſchwaͤr⸗
merifche Freundſchaft an jener verhaßten Schrift ge-
nommen, ald es nicht Worte, nicht Zeitungen, nicht
Journale genug finden kann, um mich zu verläftern,
Geduld! die Liebe des Publikums war mir fehr
werth, hat mich aber nie eitel gemacht; von ihm
verkannt zu feyn, fhmerzt mich fehr,
wird mich aber nie ganz niederdruͤcken. Ich fühle,
welchen Werth ich in mir ſelbſt trage; und trog
allem, was fchon über mic) ergangen ift, und ver⸗
muthlich noch ergehen wird, werden Sie mich nie:
mals vermögen, als Angeber aufzutreten; die Rolle
— 17T —
iſt zat zu.bäßlich, .. Lieber möge man mich noch laͤn⸗
ger in ganz Deutfehland zerreißen. Wer mich ges
am dennt, weiß doch, was sr zu glauben: hat, und
daß ich wohl einmal einer leichtfinnigen, aber Feiner
ſchlechten Handlung fähig war. Erlauben Sie mir,
in Zukunft über-diefe unangenehme Mates
sie ganz zu fhweigen. Nur dies eins muß ich
noch hinzuſetzen: auch Sie fcheinen zu glauben,
Zimmermann, felbflihabe um die Sache gewußt?
Kher.ich. ſchmoͤre Ihnen bei allem, was mir heilig
ik, und fo.wahr ich an das Dafeyn eines Gotteä
glaube, daß Z. vor dem Drude ber Schrift nicht
die geringfte Vernuthung davon hat Haben: koͤnnen.
Im Gegentheile werben Sie diefen wahrhaft edlen
Mann bewundern, wenn ich Ihnen ſage, daß ein
ziemlich witziges Produkt, weiches im vorigen Fruͤh⸗
ihre zu. feinen: Vertheidigung gefchrieben: wurde;
yad.iı Frankreich gedruckt werden ſollte, wogu bes
witd ‚alle Anftalten getroffen'waren, nur allein
durch ihn. unterbrüdt wurde" —
1:80 fehrieb der Sohn der Mutters vie: bekuͤm⸗
merte Mutter — wie lricht ift ein liebendes Muttets
herz zu taͤuſchen! — glaubte in dieſem Briefe des
12
Sohnes Entſchuldigung zu finden, ;ließ ohne deſſen
Wiſſen, dieſen Brief abdrucken und geichnete fo. bem
ſchon fo manches Verbrechens in dieſer Sache ſchul
digen, als einen ruchloſen Heuch ber. Wie
gefliſſentlich dort alles unter einander geworfen,
Vieles zweideutig geſtellt und auf Entſchuldigungs⸗
gründe provocirt iſt, die niemand anerkennt, liegt
am Tage; die groͤßte Schande aber erwuchs v. K.
aus der oͤffentlichen Bekanntwerbung des kindlichen
Sendſchreibens, bie er in feiner weiten Entfernung
ſich gar nicht ald möglich. bachte. Gerade in dem
Zeitpunkte, wo er diefen Brief an die Mutter ſandte
(ob wenige Zage vors ober nachher, laͤßt fich nicht
angeben, da er ohne Angabe des Datums im 14ten
Stud des Intelligenzblattes ber allg. Lit. Zeitung
1792, Seite 120 bid 112 abgedrudt ſteht,) nöthigs
ten Schritte, gu welchen Friebrih Schulz zu
Mitau in Berfolg ber gerichtlichen Unterfuchung
ſich veranlaßt fand, den Hrn. v. Kogebue das
Bekenntniß in die Welt zu fhiden: Er, Auguft
vonKogebue, und Fein Anderer fey wirt;
licher und wahrer Berfaffer bes Bahrdt
mis der eifernen Stirn. — Aber er hätte
— 11 —
wicht der ſeyn möüflen, für welchen er fih immer
und gab, werm er felbft dieſes Geftändniß fo ganz
einfach follte abgelegt haben, ohne wieber jemand
vorzufchieben, Bar Kie Schuld mittragen mußte. Er
fagt naͤmlich: „daß alled, was jene verhaßte Schrift
anPerfiflage; Scherz. und hin und wieder an Muth⸗
willen enthält, mir zugebört, bekenne ich. — Alles
hingegen, was jene Schrift an ehrenrührigen Anek⸗
doten enthaͤltz Alles was den moralifchen Eharaks
ter der darin auftretenden, Perfonen antaſtet; Als
led was bie Herrn Klodenbring, Lichtenberg,
Kaͤſtner, Mauvillon, Campe, Trapp, Ebe⸗
ling u. f.f. betrifft, Fury Alles, was die Requifi
tion Hannoͤverſcher Seits bewirkt hat, ruͤhrt wörts
lich von einem Manne her, ber mein Freund war,
und dem es Gott verzeihen möge, daß er mich in
diefe unangenehme Gefchichte verwidelt hat, — Er
allein mag verantworten, was er ſchrieb, und wenn
ex jet zu feiner Entfchuldigung anflhrt, er habe
bie Schrift vor bem Drude nicht wiedergefehen, fo
hebt Dies doch die Thatfache nicht auf, daß ex, was
er ſchrieb, wirklich zum Druck beſtimmt hatte *).“
*) Siehe aus. deutſche Bibl. Band 112. Seite 219.
12*
Nun fordert Schlüßlich Herr. von Kotzebue biefen
Mann auf, ſich zu nennen, weil er ihn fonft ſelbſt
Sffentlih: namhaft machen wuͤrde; dieſe Auf⸗
forderung erließ. ber. Marin; Ger fo eben.an feine
Mutter gefchrieben hatte: nichts könnte ihn bewegen
die gar zu haͤßliche Rolle eines Angebersizu
übernehmen.. Bon ſolchem Vorwurfe befreite ihn
denn ber. hier‘ Angeklagte und Herausgeforberte
ſcheinbar 3 es war ber Leibme dikus Markarb:
in Oldenburg; aber er. zuͤchtigte den Herausfor⸗
berer dagegen bed Verbrechens der. Berläumbung,
indem er inden Zeitungen ımter feinem Namen: ber.
kannte, mehrere fcanbalofe Auekdoten Herrn v. Bor
tzebue mitgetheilt zu. haben, indeß ſey zwiſchen
ihm und K. kein beſtimmter Gebrauch verabredet.
Nie habe er geahnet: man koͤnne ſo roh hingewor⸗
fene Dinge in Druck geben; der Misbrauch, wel⸗
cher durch denſelben entſtanden, falle einzig und al⸗
kein Kotzebue zur Laſt, von weichem ber. ganze Plan
des Pasquills, die Ausführufig deffelben, das Zo⸗
tenhafte und auch. befonderd der Einfall herrühre,
einen fremden Verfaſſer⸗Namen (Knigge's) auf ben
Zitel gefegt zu haben. — . | a
“
— 181 —
So lag dieſe ſeit Jahr und Tag die deutſche ge⸗
lehrte Belt in Allarm geſetzt habende Angelegenheit,
und Kotz ebue uͤberzeugte ſich endlich, daß zur Vers
minderung der ihn treffenden perſoͤnlichen Schande,
die ſich mit jedem neuen Winkelzuge vergrößerte,
mit jeber neuen Züge die Berworfenheit feines Cha⸗
rakters und feiner Hanblungöweife beutlicher.an das
Licht ftellte, für den Augenblid nichts richtiger fey,
als eine Begnadigung von der Strafe zu erlangen,
bie ihn unfehlbar, nach dem .Antragerber hannoͤ⸗
verfchen Reauifition, am Schluffe der zu Keval
begonnenen Unterfuchung, treffen mußte. Er reif’te
alfo ſchnell nach Peteröburg, er bot alle nur zu ‚ers
langende Fürfprachen und Empfehlungen auf, und
warf fich, um Begnabigung flehend, in einem güns
ftigen Xugenblide zu den Füßen der Kaiferin. Ka⸗
tharina IL ſprach ihn; er fpielte feine Rolle gut
und erlangte bie Gewährung feiner Bitten. um ſo
leichter, da die Kaiferin, ‘wie befannt, perſoͤnlich
fo große Achtung und entfchiebenes Wohlwollen für
Bimmermann hegte, da K— die an Zimmers
mann verübten literarifchen Frevel mit den ſchwaͤr⸗
zeften Farben zu malen, und hie Herauögabe des
— ji —
ber ber Schandfchrift machten, ift wohl:. vomA—8
Aufmerkſamkeit ward burch daS für. habende Ins
terefie, auf deſſen Widerſacher gerichtet; er er⸗
Sannte die ſchwachen Seiten -berfelben und bekam,
durch die ihm mitgetheilten. ſtandaloſen Anekdoten
aus dem Privatleben jener Mäyner, Anregung der
inuner hegenden Luſt an Perfanalfatyre,. dem Kigel
ungezligelter Frechheit zu genügen; es hatte auſſer⸗
dem Kotzebue in der Schriftftellerwelt, "während
fein Publitum ihm Beifall fchenkte, fo. manche feine
Eitelkeit bart verleende Strafe erbulden muͤſſen;
fo trieb eö ihn denn, auch einmal den beruhmteften
Schriftſtellern einen rechten Streich. verfeßen zu
koͤnnen. So entftanb das Pasquill, fo brachte er
ed ind Publikum, fo fuchte er fih aus dem Vor⸗
wurfe verübter Schlechtheit, durch neue Schlecht:
heiten zu retten. Er.bewährte in dieſer Gefchichte
eine Perfönlichkeit, die mit feinem übrigen Leben in
völliger. Webereinftimmung fleht. Befriedigung ber
Eitelkeit und Selbftfucht machte er zum einzigen
Zweck feines Daſeyns, und zu Diefem einen Zwecke
war ihm jedes Mittel willlommen und geheiligt —
alle feine Schriften geben davon zahllofe Beweife —
Er ſelbſt wurde "ein Opfer folder: fittlihen Vers
ferung. — Wie der Menfch ohne moraliſchen Werth
fi in den Irrgewinden bed Wiberfpruches verliert,
bald fo unklug fein’ eigenes Berderben bereitet, bald
recht pfiffig und liſtig ſeine Abficht, auf krummen
ober geraden Begen.zu erlangen weiß, davon giebt
es auch hier gar lehrreiche Beifpiele.
Schon ift von den Briefen an Friedrich
Esel) ind an die Mutter Kotze bu ocin diefer
Hifiht berichtet; befonders der letztere macht wir:
N eine folche Erbärmlichkeit kund, daß man an
dem welterfahrenen Autor ganz irre. werben muß.
Doc folche unglaubliche Zeugniffe feines Mangels
an Veberlegung findet man mehrere in ben verfchies
denen Erklärungen, die er über diefe Sache in den
Zeitungen gab, ehe er noch die eigentliche
Autorfhaft auf fihb nahm. Da wundert er
fi denn immer darüber; daß man fo einfältig fey,
das ſchaͤndliche Pasquill für etwas mehr, als für
eine unfchuldige Hoffe zu nehmen, und er begreift
gar nicht, warum man ihm nicht den Gefallen thun
will, das Schelmſtückchen in den erſten vier
Wochen zu vergeffen; —. er hat die Beſin⸗
— 184 —
ber ber Schandſchrift machten, iſt wohl: von K—s
Aufmerkſamkeit ward durch das fuͤr Z. habende Ins
tereſſe, auf deſſen Widerſacher gerichtet; er er⸗
kannte die ſchwachen Seiten derſelben und bekam,
durch die ihm mitgetheilten ſtandaloſen Anekdoten
aus dem Privatleben jener Männer, Anregung der
immer hegenden Luft an Perfonalfatyre; dem Kigel
ungezügelter Frechheit zu genuͤgen; es hatte auffers
dem Kotzebue in ber Schriftftellerwelt, "während
fein Publikum ihm Beifall fchenkte, fo. manqhe feine
Eitelkeit hart verletzende Straſe er
ſo trieb es ihn denn, «a
— 15 —
Er ſelbſt wurde ein Opfer ſolcher fittlihen Ber:
irrung. — Wie der Menſch ohne moralifhen Werth
fich in den Irrgewinden des Wiberfpruches verlierz,
bald fo unklug fein eigenes Verderben bereitet, bald
seht pfiffig und Kiftig feine Abfiht, auf krummen
ober geraben Wegen zu erlangen weiß, bavon giebt
es auch hier gar lehrreiche Beifpiele.
Schon ift von ben Briefen an Friedrich
Schulz und an bie Mutter Kogebue in biefe
Hinficht berichtet; beſonders ber Iegtere macht wer!
lich eine * Erbaͤrmlichkeit kund, bog mar =
. nen Autor ganz irre ——
— 186 ums
nungskraft fo. weit verloren, daß er nicht erwägt,
wie folche wieberholte Aeuſſerungen, ihn felbft .erft
recht verdächtig machen, und. die Aufmerkſamkeit
der Prüfenden auf dad Corpus delicti zurückſuhe
rn. — Man hoͤre ihn N: .
„Es if wahr, daß ich das Manuffript nach
Leipzig gebracht, und mir vergebens viel Mühe
gegeben, einen Verleger dafür zu finden. Es ift
fhon manche Pofle in der Welt gebrudt worden;
ich ſehe gar niit ein, warum man gerabe diefe
Poſſe für etmas wichtiges zu halten beliebt. —
Es ift wahr, daß ein: befannter Gelehrter aus
Mitau, auſſer der Beſtellung der Vignette, kei⸗
nen Theil an ber Sache hat; es ift wahr, daß
ih ihm gefchrieben, er folle, wenn er befragt
werde, den wahren Zufammenhang der Sache
nicht entdecken; denn ich fehe gar nicht ein, wars
um man jedem m unbefngten dreger **) Rebe fehen
*) Hamburger unpartheilfcer. Rorzefponbent Re. 202.
Beilage, vom 20ſten December 1791.
s*) Alſo bie kaiſerlich⸗ ruſſiſchen Iuftigbehörben waren
ihm, dem kaiſerlich⸗-rufſiſchen Staatsbiener, unbe⸗
fugte Sragert31 —
_— 487 —
ſollte? Es ift endlich wahr, daß die Leute fi
laͤch erlich machen, wenn fie noch länger vom
einer. Pofle ſchwatzen, bie, eben weil fie eine ofs
fenbare Poſſe it, wohl Thorheiten zurhtis
gen, aber Feines Menſchen Ehre antaften
konnte, und folglich in den erfien vier Wochen
vergefien ſeyn ſollte.“ |
u . (Unter. A. v. Kotzebue).
" Rein! find Thorheiten gezüchtigt, fo ift es,
Der Zucht wegen, moraliſch nothwendig, daß
die Züchtigung nicht in den erften vier Wochen
vergeſſen werde. — Und noch eins: man ers
kenne die Krechheit, für welche die Sprache Feine
Bezeihnung bat, mit ber v. K. noch am Jahres⸗
fehluffe 1794, auf der Zeitungsbühne bintreten
umb verkünden ann: „Die Poffe, — fo nennt
er bie Schandthat, — habe Feines Menſchen
Ehre angetaftet. — Daß doch bad Publitum
biefesmal fo verflodt war, feinem Lieblinge nicht
zu glauben, feinen Weiſungen und Ermahnungen
nicht Folge zu leiften! — /
Doc, wer fih dem Böfen einmal verfchries
ben hat, dem erfcheint er, wenn auch ſpaͤt und
unter Schwefelgeflank, doc) endlich. — Bon Kos
gebue’8 Rettung — nicht die Chrenrettäng,
fondern jene, die nichts mehr iſt, als Befreiung
von der Strafe bes pofitiven Geſetzes — beru⸗
hete auf die zu erlangende Begnabigung der Kais
ferin; biefe zu bewirken, . durfte Fein Mittel uns
verfucht gelaffen werben. Es war bamals, man
erinnere ſich der Zeitgefchichte, die Epoche der
feanzöfifchen Revolution, wo alle Regenten, be:
fonders die despotiſch⸗ monarchifchen,: einen wilden
Sturm ber Leidenschaft gegen: fi) anbringen fa=
ben, ber zugleich die damalige Stellung bed: Adels
zum Volke zu ergreifen drohte." Katharina,
die kluge Helbfiherrfcherin, Bannte an den throns
erfchuͤtternden Lieblingsideen von Freiheit‘ und
Sleichheit Feinen Gefallen finden; aber fie bethaͤ⸗
tigte immer, baß fie großes Wohlgefallen "habe
an der preifenden Verherrlichung vielgelefener
Schriftfteler. — Kotz ebue, ihr Unterthan und
Beamter, auf dem deutſchen Theater beliebt und
als Schriftſteller vielgeleſen, war, nach ſeinen
politiſchen Meinungen, ſehr verdaͤchtig: denn,
wenn er in feinen Schauſpielen Fuͤrſten auf bie
— 111 —
das Sieges geſchrei ihrer Krieger. — Siehe dal
ich wollte nicht loben, und mein Herz hat mich
hdingeriſſen. Da Wahrheit macht ſich Luft, Nas
Konen = Dank läßt fich nicht einkerlern.. Millionen
ſprechen durch meine Stimme! ich bin felbft groß
indem ich KRatharinens Größe verkündigel" —
- .&o fchrieb Kogebue, uͤberſandte fein Werk
der Kaiferin, erſchien dann felbfi, flehte um Gna⸗
. Be; und warb, wie fchon berichtet iſt, — begnas
digt. — In diefer Hinficht war alfo der Verfaffer
des Bahrdt mit ber eifernen Stirn gluͤcklich durchge⸗
kommen; Dagegen übte das beutfche Publikum eine
gerechte Strenge gegen’ ihn; wenn man fichs auch
ganz. gern gefallen ließ, daß er in feinen Stüden
auf der Bühne Kurzweil trieb, fo warb doch bei
jeher Selegenheit feirt Name nie anders, ald mit
Der größten Verachtung genannt, und dieſes wirkte
Denn doch auch auf dert: bisher gehabten Beifall,
aufiwelchen wohlgefällig: hinweiſend, er fi oft
die Miene gegeben, als ſey ihm Schriftſteller⸗
und Kecenfentens Lob oder Zabel völlig gleiche
gültig. Diefe ihm, als berüchtigten Ver⸗
faffer des Bahrdts mit ber eifernen
daß die Kriechexei wieler Schriftfieller und Wort⸗
führer in. feinem Zeitpunkte, bei Teinem Volke
ben Grab der Vollendung erhalten Babe, als bei
ven Franzofen unter Bonapartes Regimente
aber man geftehe, geirrt zu haben, ober beweife
daß Kotzebue "übertroffen morden::fey. — Bon
mehreren. hierher gehörigen Stellen, nur eine;
er ſagt Seite 44 und 45: 2.
. „Unfete große Kaiferin — deren Ramen- ehe
meine ſchwache Feder zu: erhaben ift, und deren
Lob aus dem Munbe eines gluͤcklichen Untertha⸗
nen, wie Schmeichelei Hingen würde — hat dem
Adel alle feine Vorrechte beftdtigti: unb größere
verliehen. Sie Hat den ruſſiſchen Staat in- eine.
Monarchie verwandelt, ben Adel dem Throne
näher gehoben, und die Herzen durch Gnade ge:
feffelt.. Ihr Herz iſt immer offen, wohlzuthm,
und ihre Hand hat verlernt, zu- firafen. Geben
if ihre Freude, Unterthanen⸗ Gluͤck ihr Reichthum.
Liebe und Ruhm ſind im Streite, welche von
beiden ihren Triumphwagen ziehen ſoll; aber Liebe
iſt ſtaͤrker als Ruhm, und der Segen gluͤcklicher
Menſchen ſteigt ſchneller zum Himmel empor, als
„An das Publitum von Auguft von
Kogebue (Diefes Blatt wird in allen Buch+
handlungen Deutfchlands gratis ausgegeben). —
„Es ift kühn, den höchften Richter, das Pu⸗
blikum, noch einmal mit einer Sache zu behelligen,
von welcher vor zwei Jahren fo manche gelehrte
und ungelehrte Zeitung ſprach, und über welche
im großen und kleinen Städten, in großen und
Beinen Geſellſchaften einflimmig geurtheilt wurde:
ich meine die berufene Gefchichte der unglüdlichen
Broſchuͤre: Doktor Bahrdt mit der eifer-
nen Stirn. Doch erwarte ich von jedem ehr:
lichen deutſchen Manne, er werde mir willig fein
Dhr auf eine Viertelftunde leihen, wenn ich ihm
fage, daß ed für die Ruhe meined Lebend noth>
wendig ift, mein “Herz Über biefe für mich fo
traurige Begebenheit *) zu erleichtern.”
„Manche werden dies Blatt aus Neugierde in
die Hand nehmen; Manche, und die Meiften, mit
*) So lange, als bie Begebenheit im Gange war, hielt
es Kotzebue für nichts als eine Poſſe; jetzt, ba fie
gefchloffen ift, heißt fie ihm: eine traurige Be⸗
gebenheit.
13
— 194 —
Vorurtheilen gegen mich*); beide Gattungen von
Leſern werden nicht finden was ſie ſuchen. Mein
Zweck iſt einfach redlich, und moͤchte meine Hand
vertrocknen, und nie wieder ein ehrlicher Mann
Freund zu mir ſagen, wenn irgend eine unred⸗
liche Nebenabſicht meine Schrift Teitet **).
„Als ich im Jahre 1790 in Pyrmont war, fiel
mir die häßliche Brofchüre „Bahrdt an Zim-
mermann, beutfch gefprocen” in die Hän-
de “r). Schon lange hatte ich im Stillen gefeufzt,
*) Sollte ein generelles Mißtraun gegen Kobebue
wohl Borurtheil zu nennen ſeyn?
++) Diefe Art, ſich zu vermeſſen und durch Herbeirufung
von Strafen, bie ihn treffen follen, feinen Worten
Bürgfhaft zu geben, kennt der Lefer fchon aus den
vorhetgemachten Mirtheilungen.
ræes) Der eigentliche Titel iſt: „Mit dem Herrn [von]
Zimmermann, Ritter ac. ıc. beutfhgefpro-
den von D. @. 3. Bahrdt, auf Teiner ber
dDeutfhen Univerfitäten weder ordent—⸗
lihen noch aufferosbentliden Profeffor,
Leines Hofes Rath, keines Ordens Rit—⸗
ter x. 2c. (118 Seiten); diefe Schrift iſt derb,
. ja gar grob, aber es find Beine Unflätereien, Feine
Bordellſcenen barin. Auch ſtellt fih Bahrdt, der
von Zimmermann angegriffen war. mit feinem Na⸗
men, als Mann gegen den Mann.
— 195 7 —
über alle bie Hämifchen Angriffe, auf einen Dann,
ber den gebildetſten Geiſt mit ber fchönften Seele
verbindet, einen Mann, den ich meinen Freund
nennen darf. - So ‚grob und ungefchliffen war er
noch von feinem gelehrten Streiter behaudelt
worben, als jest von dem. verfiorbenen Doktor
Bahrdt *). Wer einen Freund, der noch übers
dies gerechte Anfprüche auf Dankbarkeit machen
darf, geduldig mißhandeln. fieht und fchiweigt,
der verdient feinen Freund zu haben **).
„Noch ehe ich Zimmermann Tannte, liebte ich
Ihn, um ber froben Stunden willen, bie feine
*) Dr. Bahrdt flarb zu Hulle ben 23ften April 1792.
ee) Hier tft, wohl zu merken, nicht von koͤrperlichen
Mißhandlungen, onbern von. literarifhen Zaͤnkereien
die Rede, bie 3. buch feine Fragmente über
Friedrich ben Zweiten größtentheils ſelbſt ver⸗
anlaßt hatte; es ſtand hier ber Schriftftellee gegen
den Schriftſteller und es war am vernünftigften, in
fofern Leine guͤtliche Vermittlung moͤglich ſchien, bie
Etreitenden es unter fih ausmaden zu laffen,
ohne daß durch Ginmifchung eines unbefugten Dritten.
ber Unfug no unnüg vermehrt wurde. Die von
v. 8. in Anfprud genommenen Berdienſte res
ger Freundfdhaft, find Alſo wieder bei Lichte bes
Sehen, — eine Schalksmaske.
| 13*
— LOG —
Schriften meinem -Geifte gewährt hatten. Als ich
ihm felbft kennen Iernte, Trank und muthlos, da
nahm er fih meiner wankenden Gefundheit fo
freundlich und uneigennüßig an, und verfchaffte
mir zweimal, durch die verdiente Gunft, mit wel⸗
cher meine Monarchin ihn beehrte, Zeit und Ruhe,
Leib und Seele zu pflegen, daß ich ein Ungeheuer
feyn müßte, wenn ich es je vergeſſen Tönnte,
Seinem Rathe ald Arzt verbante ich meine wie
derkehrende Gefundheit, feinem” Freundestrofte
Geduld und Muth. Nie werde ich daher bereuen,
was ih fuͤr ihn thun wollte*), wohl aber das,
was ich that. “
Gerade in dem Zeitpunkte, als ich meine Ver⸗
bindlichkeit gegen ihn am ſtaͤrkſten fuͤhlte; gerade
in dem Zeitpunkte, als mein ganzes Weſen ſanft
erſchuͤttert wurde, wenn ith nur ſeinen Namen
ausſprechen hoͤrte, erſchien Bahrdts grober An⸗
4) Wenn dieſes Wollen darin beſtand, uͤber Zimmers
manns literariſche Gegner herzufallen, ſo war dies,
es mochte ausgefuͤhrt werden auf jede beliebige Weiſe,
immer eine Narrheit, oder tine Schlech t⸗
heit, ober" beibes.
— 59 —
griff, wurde von allen Badegaͤſten verſchlungen,
von Manchem mit Wohlgefallen belaͤchelt, —
und, ich knirſchte. Der Gedanke flog durch
meine Seele: tritt auf und raͤche deinen Freund!
Der Gedanke reifte ſchnell zum Entſchluß. Bis
hierher habe ich mir nichts Tadelswerthes vorzu⸗
werfen; ich wuͤrde mir Vorwuͤrfe machen, wenn
ich anders gedacht und empfunden haͤtte *).“
Aber jetzt ſtehe ich vor dem Steine des Anſto⸗
Bes: die Art und Weiſe, wie ich meinen Entſchluß
ausführte, kann und mag ich durch nicht befch oͤ⸗
nigen. Ich Elage niemand an, ald mich felbft;
eine unglüdliche Verfettung von Umftänden; aͤhn⸗
Yicher Eifer und mißverftandene Gefätligkeit von
einer Seite, ein unbefonnener Gebrauch berfelben
von der andern; die Eränkliche Reitbarfeit meiner
Nerven, die mir oft eine grüne Brille auf bie
Nafe fehte; das zuweilen überfprudelnde Juͤng⸗
lingsalter, das nur zu oft meine gefunde Urtheils⸗
*) Das Publikum, weldhes als Schiedsrichter aufgerus
fen war, entſchied auf ganz entgegengefegte Weile,
aus Gründen bie &. 195 Anmerkung 2. bereits ange:
geben find. |
— IE —
fraft gefangen nahm — Alles das kann mich
nicht entfchuldigen, ich weiß ed; auch iſt Ent⸗
fhuldigung weahrlid nicht bie Abſicht diefes
Blattes *).“
„Ich reifte von Pyrmont ab mit haͤßlichen
Materialien beladen, und das gluͤhende Dankge⸗
fühl für meinen Freund ließ mir keine Zeit, fie
Baltblütig auf der Wage ber Gerechtigkeit und
Menfchenliebe zu wiegen. Im acht Tagen war
die unglüdliche Brofchüre fertig **). Zimmermann
6) Wenn nicht zur Beſchoͤnigung und Entſchuldigung,
warum ift denn biejes alles mit feinen räthfelhaften
Anfpielungen gefagt? — Und was haben biefe Worte
wenn man fie auch als Entſchuldigung gelten Laffen
möchte, mit den fchändlichften Bordellſcenen mit dem
Graͤuel unnennbarer Voͤllerei und mit ben durch vier
Alte fortgeführten Gemälden der Unzucht und Boten
zu thun? —
%) Die Eurze Gebährzeit fol wieder entſchuldigen und
klagt hart an; benn ein nicht in der fittlichen Ver⸗
worfenheit zu Haufe feyender Mann, Eönnte bie ges
nannte Zahl von Jahren zubringen, er würbe Teinen
ähnlichen Kreis von Laftergemälden zufammen zu ftels
len im Stande ſeyn. Die perfönliche Schande des
Verfaffers liegt nicht in den eingewebten,, flandalofen
Anekdoten, fondern in freierbacdhten Situationen und
in ber ſchmutzigen Art ber Ausmalung berfelben.
’ — 49 —
"wußte nichts darum. Auſſer Weimar hat fie vor
bem Drude niemand gefehen. Aber in Weimar
fah und las fie ein Mann, der nachher oͤffentlich
behauptete, fie nicht gefehen und gelefen zu haben,
und ber doch damals felbft hülfreiche Hand lei⸗
ſtete, ſelbſt fogar einen Einfall dazu herlieh, der,
wie ich glaube, der fchlechtefte in der ganzen
Brofchüre if. Hätte diefer Mann, den ich das
mals für meinen Freund hielt, und für deſſen
Talente ich Achtung hegte, mich nur mit einem
Worte auf die Folgen meiner Handlung aufmerf:
fam gemacht — ich wage e& zu behaupten, fie
wäre unterblieben, oder boch auf eine ganz ans
dere, weit unfchuldigere Art vollzogen worden.
Aber freilich: hatte er Leine. Verbindlichkeit dazu,
und ich werfe ihm auch nichts weiter vor, als
fein nachheriges zweideutiges Benehmen, wozu
feine Roth ihn drang. Denn daß ich jemals ge:
gen irgend Jemand ihn für den Verfafler ausge:
geben haben follte, ift eine Fable Unwahrheit, durch
welche er fein liebloſes Verfahren nur zu befchö-
nigen fucht *). Doch genug davon.”
*) Diefe Stelle geht auf den Rath Friedrich Schul
— 20 —
„Die verhaßte Broſchuͤre Wwar'nun einmal ges
Tchrieben und zum Drud-weggefandt. Noch das
mals, in den erften Tagen ihrer Exiſtenz, als
noch wenige Eremplare im Umlduf waren, und
als ich Gelegenheit hatte, das Urtheil einiger ach»
tungswuͤrdigen Männer über. die Erſcheinung ders
felben zu hören; noch damals hätte ich viel—
leicht Zeit und gewiß guten Willen genug
gehabt, die Verbreitung der Broſchuͤre zu unters
druͤckken ); aber das Schidfal hatte befchloffen,
die ungluͤcklichſten Begebenheiten meines Lebens
zu.Mitau, ber, wie fchon erwähnt ift, bei feinem
Aufenthalte zu Weimar, bie Titelvignette zu dem
Bahrdt ac. bei Lips beftellte- — Er beſchuidigte
Kogebue’n, biefer habe ihn als Verfaſſer des Pass
quills genannt; Kogebueleugnetdies: aber Schulz's
Behauptung hat mehr biftorifche Wahrſcheinlichkeits⸗
gruͤnde fuͤr ſich, als die Kotzebueſche Verneinung, denn
. Kogebue hat ſich in dieſer Geſchichte viele ſonnen⸗
klar bewieſene, und zuletzt ſelbſt eingeſtandene Luͤ⸗
gen zu Schulden kommen laſſen; von Schulz find
bergleihen Schaͤndlichkeiten nicht bekannt: er zeigte
vielmehr gegen die ihm von v. K. angefonnenen Bes
trügereten reblichen Abſcheu.
%) Da Herr v. X. feinen böfen Willen durch Vers
fertigung und Verbreitung ber Schandſchrift bethäs
l
— NG —
$ dem Jahre #790 an einander zu reihen.
. Meine geliebte unvergeßliche Gattin flarb den
Tag nachher, als ich das erſte gebrudte Exem⸗
Hlar empfangen hatte Der gerechte Kummer
raubte mir jede Kraft der Befinnung für fremde
Dinge Ich floh nad Frankreich, und kam erſt
einige Monate nachher in mein Vaterland zuruͤck.“
„Das Uebel war gefhehen. Ich fing an zu
fühlen, was ich gethan hatte, und feufzte ver-
gebens mit jemem alten Dichter:
O Qupiteri being mir bie entflohenen Zeiten zuruͤck!“
„Die heftigfte Verfolgung begann nunmehr.
Man begnügte fih nicht, in taufend Schriften
den Verfafler als ein Ungeheuer darzuftellen, fon:
dern man machte auch die Sache an hundert Dr:
ten zugleich gerichtlich anhängig. Ich table dies
Verfahren nicht, und befenne, daß ich unfchuldig
beleidigt, vielleicht das Nämliche gethan hätte,
Aber ich hoffe man wird es auch nicht unbil-
tigte, fo ift es ein vorgebliches Bemuͤhn, Vertraun
erwecken zu wollen, zu ben Verheißungen feines gu⸗
ten Willens, ben er nicht bethätigte.
— MM —
lig finden, daß ich, ald es ben Verfolgern end:
lich gelang, auf einem ungefeßmäßigen Wege,
fogar bis. zum Throne meiner Monarchin durch:
zudringen, alles aufbot mich, zu retten. So find
einige Verſuche, durch welche ich meine Verfolger
zu täufchen hoffte, hinlaͤnglich durch die
Nothwehr entſchuldigt *).“
*) Hier erſcheint bie Dialektik bes Hrn. v. K. in ihrer
ganzen Eigenthümlichkeit. -Die, nad einem vernünfs
tigen Gefchäftögange, ven der hanndverfchen Regie⸗
rung an-mehrere auswärtige Behörden erlaffenen Re⸗
quifitionen, zur Mitwirkung bei ber Ausmittlung
bes Pasquillanten, find ihm bie heftigften Ver:
folgungen; biernady fol man es night unbillig
finden, daß er, als auch die ruſſiſchen Behoͤrden
von der Kaiferin befehligt wurden, die Nachforſchun⸗
gen gerichtlich zu betreiben, (dies beliebt er, einen
. angefegmäßigen Weg, zu nennen) Alles auf:
bot, fih zu retten, das heißt Betrug auf Betrug
bäufte, und biefes Gewebe von Schändlichkeiten ftellt
er in bie Kategorie der hinlaͤnglich entfhul:
bigten Rothwehr. — Griftirte hier ein Angriff
gegen Hrn. dv. Kogebue? Wer griff ihn an? Gegen
wen hatte er Nothwehr zu üben? — Ein ſchaͤndliches
Verbrechen war begangen, er hatte ben Verdacht ges
gen ſich, die gejeglich » gerichtliche Unterfuhung ließ
die Entdedung des Verbrechers nicht mehr bezweifeln,
— 20 —
„Ich war endlich fo gluͤcklich, der Monarchin
ſelbſt die wahren Umſtaͤnde der Sache ohne Huͤl⸗
le (2) vorzutragen. Sie unterſchied den guten.
Willen von dem böfen Erfolge, den untadelhaften
Zwed*) von ber tabelnswürbigen Ausführung
besfelben, und verzieh, indem fie befahl, daß in
ihrem Reiche nie wieder gerichtüich davon die
Rede ſeyn ſolle.“ |
„Anderthalb Jahre find nun verflofien, feit
ich von biefer Seite völlig beruhigt bin, und
feine gerichtliche Procedur mir ferner droht. Es
war nöthig dieſe Zeit verflieffen zu laſſen, damit
es nicht fcheinen möchte, als thäte ich aus Furcht
einen Schritt, ben ich heute blos auf Antrieb
meines Herzens thue. Aber Gott ift mein Zeus:
ge**), und mehrere meiner Freunde wiflen es
und num will ber Verbrecher Nothweehr geübt Has
ben, indem er durch neue Verbrechen bie Ent
deckung bes fräher begangenen Verbrechens unmöglich
zu machen, fid) bemüht. Wurbe nicht die perfönliche
Schuld, wie die gefeglihe Strafe bes erften Verge⸗
bens, durch die barangereihten entfchieben vergrößert ?
H Siehe Seite 195 Anmerkung 2.
**) Da v. K. zum Beifpiel in dem Briefe an feine Muts
aus meinem Munde, daß ich gleich damals, von
meinem Unrechte überzeugt, den Vorſatz faßte,
ben Beleidigten Genugthuung zu geben, fo viel
in. meinen Kräften ſtuͤnde.“ |
„Sch habe wegen diefer Begebenheit, der ums
gluͤcklichſten meines Lebens, fo viel gelitten, als
je ein Sterblicher leiden kann; ich habe geprüfte
Freunde verloren, und bie Liebe des Publikums
eingebüßtz ich habe taufend heimliche Nadenfchläge
empfangen *), und taufend hämifche Anekdoͤtchen
ter,.auf das Zeugniß Gottes prodocirte, um feinen
Lügen ein vhetorifches Gewicht zu geben, fo Tann
. bier biefer Redeform Keine größere Bedeutung beige⸗
meffen werben, als wenn v. Koßebue cine Verfis
derung durch feine Eavalier = Parole beftätigt hätte.
— Das nadfolgende Gelübbe, ben Beleidigten Ge:
nugthuung zu geben, ift offenbar lächerlich), weil die⸗
ſes fo wenig in feinen Kräften fland, als es in ben
Kräften eines Mörders fteht, den Ermordeten wieder
ins Leben zuruͤckzurufen. | N
*) Die taufend heimlichen Nadenfhläge erhielt v. R 7
wenn er fie wirklich empfing, in Ermwieberung ber
taufend heimlichen Nackenſchlaͤge die er ausgetheilt
hatte und in ſeinem ferneren Leben auszutheilen be⸗
fliſſen war. Was die haͤmiſchen, auf ſeine Rechnung
erfundenen Anekdoͤtchen betrifft, ſo iſt es hoͤchſt eigen
— 105 —
find auf meine Rechnung erfimden. worden. Man
bat ſich durch Iächerliche Recenfionen an meinen
Schriften geräht, andere haben meinen moraliz
fchen Charakter, nicht ohne Schein, verunglimpft.
Die Edleren haben gefchwiegen, und ihr Schwei-
gen ift mir druͤckender geweſen, ald das Wüthen
der Heinen Geifter. Niemand hat die fchlaflofen
Nächte gezählt, in denen meine eigenen Borwürfe
mich peinigten, und niemand hat die bittere Em;
pfindung gemeffen, welche mir oft jede. Freude
vergällte. Genug! ich bin überzeugt, daß ich
feinem ald mir felbft Schaden zuges
fügt *), und daß noch nie, feit die. Welt fleht,
eine literariſche Unbefonnenpeit © r hart ges
buͤßt iſt.“
„Nicht um wieder zu gewinnen, was ich ver⸗
lor; nicht um Recenſenten mit mir auszuſoͤhnen,
daß bei der ganzen Geſchichte immer, beim Lichte bes
ſehen, die Wirklichkeit ſchaͤndlicher war, als bie
hamifcherfundenen Anekdoͤtchen. —
E So fuͤhlt der Selbſtling nur das eigene Mißbehagen
begangenen Frevels; vor dem, ſeinem Mitmenſchen
zugefuͤgten Ungluͤcke verſchließt er geſunentuich die
Ausen. — ern ge
die unverföhnbar find, und beren uneble Rache
ich verachtes; nein! blos um die Ruhe meines
Herzens zu befördern, und meine eigene Achtung
vor mir felbft wieder herzuftellen, trete ic) jegt
Öffentlich auf, und wende mich an Euch, Ihr
alle, bieich unfchuldig beleidigt habe, verzeiht
mir! Der Süngling konnte fehlen, aber er mug
fich nicht fchämen, zu befennen, daß. er gefehlt
bat. Wohlan! ich fchäme mich deffen nicht, wie
auch Haß und Schadenfreude. fchief und haͤmiſch
barüber urtheilen mögen. Es iſt traurig in bie
Verlegenheit zu gerathen, einen ſolchen Schritt
thun zu müflen; aber es wäre noch weit trautis
ger, ihm nicht raſch und ohne Rüdfiht auf Ver:
bältnifje zu thun. Hier in meiner ländlichen Eins
famteit, wo nur Gottes Auge mid) fieht, mein
Herz mein Verfahren billigt, und einige geprüfte
Freunde mir Beifall lächeln; hier fol nichts mid)
abhalten, mein Unrecht freimüthig zu bekennen.
Und reicht auch Feiner ber Beleidigten mir die
Hand, wendet auch Bein Herz fich wieder zu mir
fo babe ich doc gethan, was ich thun mußte.
Vergeffen werde ich dieſe unglüdliche Begeben⸗
— 107 —
beit nie! Doch von heute an mit minderer Bit:
serkeit daran zuruͤkdenken.“ —
„Gefchrieben zu Jewe, unweit Narva,
den Arten Auguft 1793."
Den Schluß diefer Darftelung made eine Be-
merfung, die Herr von Koßebue im zweiten
Theile des merfwürdigiien Jahres feines
Lebens, Seite 231 ausſpricht; in diefen Worten
ift nichts verändert, als ber Name des, gegen
den fie gerichtet find: dort wurden fie gebraucht
damit fie einem glüdlichen Abentheurer und Bal-
Iettänzer Chevalier und feines Gleichen zur
Lehre dienen; hier, damit fie in gleichem Sinne
den Geſichtspunkt feftftellen, nach welchem porſte⸗
hende vollftändige Erzählung ber Gefchichte bes
Bahrdt mit der eifernen Stirn durch fich felbft
gerechtfertigt wird: „Kalt, wie es ſich ges
bübrt, habe ih das Strafamt der Pu—
blicität verwaltet. Der gefeglichen Be-
— 208 —
firafung Tonnte eine glüdlihe Kombis
"nation der Umftände den Herrn von Ko—⸗
- gebue (im Originale flieht Herrn Chevalier)
entziehen, nicht fo der heilfamen Pus
blicität, die früh oder fpät den glüdliz
hen Verbrecher ereilt.“ — |
Auguſt von Kotzebue's Leben.
220
Drittes Bud,
Mainz — Seine Ruͤckkehr nah Rußland. — |
Seine Theaterdireetion zu Wien. — Das merk:
würdigfte Jahr feines Lebens. —
44
Die Behauptung, daß Auguſt von Koßebue’s
Leben eigentlich mit der Gefchichte des Dr. Bahrbt
mit der eifernen Stirn, gefchloffen fey, hat viel
Wahres; denn, ob er gleich nachher noch ein vol⸗
les Viertel = Jahrhundert lebte und wirkte, fo
bezeugt doch dieſe letzte Hälfte feiner Wallfahrt
fortwährend eine fehr nahe Berwanbtfchaft mit
ber Handlungs unSinnesweiſe feines frühern
Lebenslaufes. —
Was zunaͤchſt fein perfönliches Dafeyn bee
trifft, fo iſt zwar nicht zu erkennen, daß er in.
Demfelben von jekt an eine” gewiffe Vorficht feſt⸗
zuhalten fich bemäbte, um im Kreife des häuslis
hen Lebens eine gemüthlihe Ruhe, die er in
ber Schriftſtellerwelt für immer eingebüßt hatte,
4&
— 212 —
wiederzufinden. Wie das reifere Alter uͤberall
eine Neigung zur Gemaͤchlichkeit offenbart, fo
firebte v. K., für den naͤchſten Kreis feiner Um⸗
gebungen, als Gatte, Vater, Freund und Guts⸗
herr eine Haltung zu gewinnen, die ſein Leben
angenehm machte. Er gefiel ſich in ſolcher Ruhe
und blieb ihr ſo lange getreu, als ihn perſoͤnlich
nichts Lockendes oder Unangenehmes beruͤhrte;
trat aber ſolcher Fall ein, wurde das Feuer einer
Leidenſchaft durch ein Ereigniß geweckt, ſo ver⸗
lor er ſchnell alles Gleichgewicht. Die Erfuͤllung
mancher ſchwieriger Pflichten z. B. die der Er⸗
ziehung ſeiner Kinder, wußte er ſich ſehr leicht
zu machen; andere wurden ihm von ſelbſt erleich⸗
tert, durch den pekuniaͤren Wohlſtand, welcher
unter allem Wechſel des Schickſals zunahm —
Die Mißhelligkeiten des ehlichen Lebens, von
welchen ſeine erſte Ehe nicht frei war, denen er
durch die Flucht nach Paris ein ſchriftſtelleriſches
Suühnopfer zu bringen verſuchte, wurden durch
die Beobachtung mehrerer Decenz leichter ausge⸗
glichen. —
Doch der Geſchichte feines fermeren Lebens
— 413 —
Joll nicht vorgegriffen, fonbern m nur bemerküch ge⸗
macht werden, daß v. K. nach einer eigenen Ver⸗
kettung ſeiner Thaͤtigkeit, mit dem im vorigen
Abſchnitte beſchloſſenen Zeitpunkte ſeines Lebens,
das Beſte und das Schlechteſte, die Graͤnz⸗
punkte ſeines Talentes und des Mißbrauchs deſſel⸗
ben, gegeben hat — Das Kind der Liebe —
Menſchenhaß und Reue — Bahrdt mit
der eiſernen Stirn. — Indem wir ihn auf
feiner Bahn begleiten, wollen wir nicht unterlafs
fen, wieberholt und defjen zu erinnern, was un
nach feinem Tode einer feiner vertrauteren Bes
kannten fo dringend anempfahl: „Laßt und," fagt
er, „ben Öegnern nicht Berbanımniß um Verdamm⸗
niß zurüdgeben. Sie kannten feine Fehler, aber
fie kannten ihn nicht ganz. Gerade feine beffere
Seite war die der Welt verborgene ).“ — Kein
geringer Vorwurf für einen Mann, der mit fo
vieler Publicität lebte! —
— V. Kotz ebue ging von Paris nach Mainz,
wo er eine vom Gotha aus ihm werthe Geliebte
©) Literariſches Wochenblatt 4ter Band. Kro. 1.
— 244 —
mit der er in fleißigem Briefwechſel ſtand, zu
finden und in ihr: eine Reiſegeſellſchafterin bis
nah NiederfachTen zu erhalten hoffte. Jedoch
noch ehe er ankam, hatte die achtungswerthe Fa⸗
milie, ber, ohne hiervon etwas zu ahnen, das
auf ihren flüchtigen Präfidenten hoffende Fräulein
anvertraut war, letztere in die Heimath gefchidt,
unter ehrenfefler Begleitung eines zur Meſſe reis
ſenden Kamelotwebe.s. Da fich unter den leicht=
finnig zuruͤckgelaſſenen Papieren auch die Liebes⸗
briefe Kogebue’san feine „göttliche Lotte”
befanden, fo wurden ihm biefe bei feiner Ankunft
zu Mainz, nicht ohne ernfte Rüge feines Betra⸗
‚gend, Kberreicht. Er benahm fich einfach; ohne fichts
bare Verlegenheit geftand er das Liebesabentheuer,
— und ging feinen Gang fort. — Solche Anek⸗
boten, wo ber verführerifche Präfident, ‚um die
Worte einer Geliebten zu gebrauchen, „mäßig:
ruchlos und bezaubernd den Schönen zu ben Fuͤ⸗
Ben lag’ — koͤnnten zahlreich beigebracht werden,
wenn es bier nicht vollfommen genügte, dieſe
Seite feines Lebens leicht zu berühren, bie ihm
befonderd deshalb hier zu gerechtem Borwurfe
— 215 —
dient, weil fie die früher geaͤußerte Vermuthung
beftätigt: die Betrübniß des an Zärtlichkeit übers
firömenden Gatten, in ber Flucht nad) Paris, war
nichtö ald eine Rolle, die er auf dem Schrift⸗
ftellertheater, zur fonderlichen Erbauung empfind>
famer Seelen, ganz. gut zu fpielen verfland. —
Die vereitelte Zuſammenkunft mit ber goͤttli⸗
chen Lotte ſtoͤrte Kotzebues Erwartungen eines
genußreichen Aufenthalts zu Mainz durchaus nicht.
Er lebte dort mit dem Theater und für daffelbe,
er freute fi) der bort angetroffenen „vielen huͤb⸗
ſchen Gefichter," und fchrieb, bis zum Sommer
bes Sahres 1791 hier verweilend, den weiblichen
Jacobiner-Klubb, den Papagai, ben Suls
tan Bampum und den Spiegelritter; auch
bearbeitete er, nach einer franzöfifchen Handfchrift,
08 „philofophifhe Gemälde Ludwigs
des XIV., welches zu Straßburg in bemfelben
Jahre gedrudt wurde Im lesteren glaubt er
gezeigt zu haben, daß ihm jebe Art des Despo⸗
tismus gehaͤſſig fey . Er erzählt: „Mein Bers
'*) Siehe: bie jüngften Kinder meiner Laune, a 5.
. &eite 232. ff.
— 216 —
leger in Straßburg ſchickte mir das Werk im
Manuſcripte zu, und die Korreſpondenz, die ich
mit ihm darüber führte, wurde erbrochen, ehe fie
in meine Hände kam. Ich befchwerte mich des⸗
halb bei unferm Minifter in Frankfurt; er nahm:
ſich meiner an, allein man behauptete in Mainz,
bie Briefe kaͤmen bereitd erbrochen an, und ich
habe nie erfahren koͤnnen, wer mir eigentlich die
Ehre anthat, mic für einen Spion, ober vers
kappten Sacobiner zu halten. Es ſcheint über:
haupt mein Schilfal zu feyn, Daß, indeß Herr:
Huber und Conſorten mich für einen Verfechter
des Despotismus ausfchreien, die Despoten hin⸗
wiederum mich, ald einen gefährlihen Demos
fraten, ihrer mißtrauifchen Aufmerkſamkeit wuͤrdi⸗
gen. Ich Eönnte feltfameBeifpiele bavon anführen,
wenn man alles dürfte, was man kam.“ —
Schon damals, wie fpäterhin, wo v. K. ſich
es zum eigentlichen Berufe machte, über Alles
und befonderd uͤber politifche Gegenftände und
flaatswiffenfchaftlihe Angelegenheiten zu fprechen.
wurde er in mande Kollifionen verwidelt und
308 fi die Mißbilligung aller Parteien zu, ins
ben er inkonfequent fi dem Spiele augenblidtis
her Neigungen, Meinungen und. Anfichten bins
gab. Schon damals ließ er ben Irrthum abs
nen, nach welchem er fich einbilbete: es ließen
fih die Völker mit ihren heiligen Rechten, mit
ihren frommen Begehren eben fo leicht befriedigen,
wie ein fchauluftiges Publitum vor dem aufger
rollten Theatervorhange mit pomphafttönenden,
aber hoͤchſt frugalen Inhalts feyenden Sentenzen. —
Kogebue befuchte während jener Zeit Hus -
bers Haus oft und gefiel fich in dem Umgange
bes durch Zalent und Sitten angenehmen Mans
ned. „Unerwartet war ed mir, fagt er in ber
oft erwähnten Selbftbiographie, ald Herr Hus
ber*), duch die Herausgabe feiner Fleinen
Schriften, die Maske des Necenfenten abnahm.
* Ludwig Kerbinand Huber, geb. zu Paris
1764, geft. zu Ulm 1804, als baierfher Landes =
Direktionsrath, hat fi in der deutſchen Literatur
einen beliebten Namen erworben, als geiftuoller Er⸗
zähler, als ausgezeichneter dramatifcher,, politifcher
und Eritifcher Schriftfteller. Unvergeßlicy feinen Freun⸗
den, bewährte er in allen Verhaͤltniſſen feines Lebens
ben Ruhm eines Biedermanns. Mit Aufopferung
Er, in deſſen Gefellfchaft ich fo mande frohe
Stunde genofien; er, befien Talent ich bewun>
derte und deſſen Umgang ich liebte; er, ber mie
perfönliche Zuneigung zu widmen ſchien; er, ber
troß der Geringfchägung, bie er für meine Schrifs
ten affectirt (2), meiner Sonnenjungfrau einſt
die Ehre anthat, fie durch eine vortreffliche Scene
zu bereichern, von welcher ich wünfchte, daß er
fie druden ließe; er, mit einem Worte, von bem
- ich mit der freundfchaftlichften Umarmung fchied:
er bohrte mir einen Dolch in den Rüden! —
(diefe harte Revensart heißt in v. Kotzebue's eis
genthümlicher Schreibweife nicht mehr und nicht
weniger, als, ber leichtverlegbare Schriftfteller .
wurde darüber fehr aufgebradht, daß Huber an
ber glänzendften Ausfichten warb er unter Anftrengung
und Selbftverläugnung der Retter, Pfleger und Vater
der Familie George Korfter’ds. — In feiner no
lebenden Witwe, Sherefe Huber, geb. Heyne
aus Göttingen, zuerft verheyrathet mit &. Korfter,
verehrt Deutfchlanb unbezibeifelt eine feiner trefflichs
ſten Schriftftellerinnen, der nicht die Sucht, ſich auf
literariſchem Markte überall hören zu ıaffen, ſondern
ein höherer Beruf, die Feder darreicht. —
— 210 —
der ſchriftſtelleriſchen Tendenz des Eitlen keinen
Sefallen finden konnte, und hierüber freimuͤthig
mit Gruͤnden unterſtuͤtzt, in den Recenſionen der
v. K—ſchen Werke Rechenſchaft ablegte. —)
„Ich will gern glauben, daß das Recenſiren mit
einem vorher geflogenen freundfchaftlihen Umgange
nichtd gemein hat, aber ich muß doch bekennen,
daß ed mir unmöglich wäre, einen Menfchen in
ben Augen der Welt herabzufegen, bem ich uns
ter vier Augen Beweife meines Wohlwollend ges
geben. — Guter Gott! wenn ber Beifall des
Publikums einem fehönen Mädchen gleicht, um
befien Befig fich felbft Brüder entzweyen koͤnn⸗
tm — 0! fo entfage ich ihm mit Freuden! —
Den Schlüffel zu jener Möglichkeit, in ben
Augen der Welt, die Schriften eines Mannes
herabzufegen, dem er Beweiſe des Wohlwollend
gegeben und von dem er folche empfangen, hat
erfi fpdterhin v. K. gefunden und, wie befannt,
. in feinem Freimäthigen und in feinem literariſchen
Wochenblatte davon vielfachen Gebraudy gemacht.
Noch von einer hierhergehörigen Seite kamen
v. Kotzebue und Huber in nicht harmonifche
— 220 —
Beruͤhrung, ba in jenen. Tagen das ofterwähnte
Dasquill, Bahrdt mit.der eifernen Stirn, vielfach
befprochen wurde. Damals ähnete noch niemand
den wahren DVerfaffer, deh Kotzebue im Ges
fpräche immer leife, aber gefliffentlih in Schug
nahm; Huber in feinem Maren feflen Sinne
von Recht und Unrecht, fprach wiederholt ein eis
fernes Urtheil aus, über den Verfaſſer jenes
Schandwerkes; dv. K. vernahm ed fanft, feine
große Neigbarkeit mit der Furcht, entbedt zu
werden, befchwichtigend. — vertraut wurben
beide nie. —
: Kogebue ging bald darauf, als bie famofe
Vaterfchaft des Pasquils anfing ruchbar zu wer⸗
ben, nad Rußland, da ohnehin fein Urlaub beens
- bet und feine dortige Gegenwart zu Bewirtung
der Begnabigung, im Falle der Entdedung, fo
nothwendig war. Wie er in diefem Verhältniffe
gecht eigen für fich fein Werklein über den Adel
fchrieb, defien Wirkung wohlberechnend, ift bereits
geſagt; doch hat er ſich darin gefallen, feinen
Lefern in dunkelen Hindeutungen glaubhaft zu
machen, als babe ed damit eine. ganz andere,
— 21 —
nach ihrer Wichtigkeit gar nicht auszuſprechende
Bewandtniß. So verfichert er: „Ich Tönnte vies
Les darüber fagen, aber ih darf nicht. Wenn
man wüßte — und man wirb ed vielleicht einſt
erfahren — in weldyen zweideutigen Ruf einer
gewiffen Gattung, meine vor= und nachher
beharrlich geäußerten, aber mißgedeuteten Gefins
nungen, mich gefeßt hatten; wenn man wüßte,
wie felbft meine vertraulichfte Privatkorre⸗
ſpondenz mir gefährlich wurde; wenn man
wüßte, welche Aufforberungen und von wem
ich fie erhielt; wahrlich! man wuͤrde biefes Pros
dukt aus einem andern Geſichtspunkte beurtheilen;
man wuͤrde nicht blos den Schriftfteller, fon=
dern auch den Bürger und Vater babei im
Auge behalten. Indeſſen geftehe ich gern, daß
ich mir eine übelverfiandene Gefälligkeit zu Schuls
»en kommen laflen, und der Kritit manche Bloͤ⸗
Sen gegeben habe. — (3. Kinder meiner Laune
Thl. 5. ©. 236 und 237.)
Nachdem er in Eſthland wieder einheimifch
geworden war, übernahm er auch feine Stelle
wieder, ‚ohne dadurch geftört zu werben, im feis
nen fchriftftellerifchen Arbeiten, feinen Beſchaͤfti⸗
gungen mit bem Theater, feinen wieberholten
Auöflügen auf das Land, und in der Bewirthe
fchaftung der Befigungen, die er theils aus der
Berlafienfchaft feiner verflorbenen Gattin, theils
durch andere eigene Erwerbung befaß. Ale diefe
Berhältniffe boten ihm manchen Genuß dar, ber
nur dadurch. in den nächften Umgebungen bed ges
felfchaftlichen Lebens geſtoͤrt wurbe, daß v. K.
bei den ununterbrochen fehr eifrig betriebenen Huls
digungen der Damen, zu oft Vorfiht und Deli⸗
Zateffe aus den Augen feste, und hierdurch nicht
felten in Berlegenheiten verwidelt wurbe. Hierin
haben denn auch die ärgerlichen, zum Xheil fehr
übertriebenen Läfterungen ihre Veranlaffung, die
Hear von Maffon gegen v. K— ausſtieß.
Solche Geſchichten und Klätfchereien zogen ihm
manche Unannehmlichkeiten zu; befonders-, da er
fur; nach feiner Heimkehr nad Efihland, den
Stand eines betrübten Witwer mit dem eines
Ehemannes vertaufcht . hatte. Er heyrathete
bas Fräulein Chriftel von Krufenftern, eine
nahe Verwandte bes. berühmten Weltumſeglers,
— 13 —
and erhielt eine Gattin, die, mit vieler Bildung .
des Geiftes, jedem, ber fie näher kennen lernte,
befonderd deshalb höchft verehrungswerth erfchien,
weil fie in ihrem Berufe ihr hoͤchſtes Gluͤck fand,
und ald Hausfrau, ald Mutter, als forgfame
Hflegerin ihres, an abgemefjene Lebensweife,
häusliche Bequemlichkeit, behagliche Wohlhaben⸗
beit und an Entfernung aller unangenehmen Eins .
drüde immer mehr fi) gewöhnenden Gatten,
große Verdienfte fih erwarb.
Auch mit dieſer zweiten Bereprathung nahm
d. Kotzebue's Wohlftand zu, welcher ohnehin infeiner
literarifchen Thaͤtigkeit eine ergiebige Hülfsquelle
hatte. Diefe glüdliche Lage, verbunden mit der
Neigung zur dußeren Unabhängigkeit, beflimmten
ihn 1795 feine Präfidentenftelle zu Reval nieders
zulegen. Er erhielt diefen gefuchten Abſchied mit
der Ernennung zum Kollegien » Affeffor.
Da er öfter über den ihm beigelegten Rang zu
seben fich veranlaßt fand, fo fen bier rücfichtlich
defien bemerkt, daß er als Präfivent den Rang
eines Obriftlieutenants hatte. Da aber fehr folz
gerecht in Rußland der Rang bes Amtes, von
demjenigen, den ber Titel giebt; verfchiebem,
And Hr. v. K— nur mit, dem Titel eines Rathes
‚der den Hauptmanndrang ertheilt, nach Reval
Zum, fo würde er bei feinem Rüdtritt in den
Privatfland, diefer Klaſſe wieder zugefallen. feyn;
wenn er nicht mit der Verabſchiedung avancirt
und zum Kollegin: Affeffor, ber den Majorsrang
Bat, ernannt wäre.
Da fih Kotzebue's Ruf burch die Autor:
Schaft des Bahrdt mit der eifernen Stirn, wenn
auch auf-eine nicht beneidenswerthe Weife, fehr
erweiterte, fo war er, beguͤnſtigt durch Muſſe
und Talent, gar gefchäftig, den Beifall, welchen
feine dramatifchen Arbeiten auf der Bühne fans
den, Durch zahlreiche neue Gaben für die Schaus
Iuftigen, feflzubalten und fich zu fichern. Ein
immer audgebreitetered Bürgerrecht gewannen
feine Stüde auf den Xheatern Deutfchlands;
ausländifhe Schriftfteler verpflanzten Kotzebue's
Schaufpiele, unter dein Beifallgeklatfch des Pu⸗
blikums, auf ihre Bühnen, fein Name war bes
kannt in Frankreich und England, in Italien und
Spanien — ja, wie er felbft-verfichert fogar in
den aflatifchen Provinzen Rußlands. 8 ärndtete
feine Eitelkeit aus biefer Rüftigfeit gar reichen
Gewinn, aber auch vielfeitige Anregung eines fo
oft fich erneuerhben Kummers. Wie häufig feine
Schaufpiele auf den Theatern gegeben, in wie
viele Sprachen fie auch Üüberfegt werben mogten,
die :-Bteude hieruͤber genügte feinen ' Winfchen
nichts er hatte im feinem Vaterlande gefehen und
ſah beim Hinblick auf daſſelbe taͤglich, wie ſich
Gelehtte, Schriftſteller und Dichter daſelbſt mit
irn: Verdlenften Achtung erwarben, wie fie
werthgeſchaͤtzt und' von ihren Zeitgenoffen mit
Verehrung ihre Ramen genannt wurden; biefe
unbefriedigte Sehnfucht nad) Achtung, von eis
nem beſſeren moralifchen Gefühle geweckt, bezeich⸗
net Kogebue’3 ſiterariſchen Lebenslauf; und ſtimmte
ih, bei mancher fehlgeſchlagenen Bemuͤhmg,
ben. immer wachen Tadel zu beſchwichtigen, end⸗
lich feindſelig gegen die Ihm entgegenſtehende deut⸗
ſche Schriftſtellerwelt. Beſonders gegenwärtig
trafen ihn die Nachwehen der Schriftſtellerver⸗
brechen hart. Die bei dem beruͤchtigten Pasquille
offen: dargelegte Smmoralität, Schaamloftgkeit,
15
Völlerey und Unzucht glaubte man- zur Waffnung
gegen den von ihm anderweitig errungenen Beis
fall, auch in feinem. Leben und. in feinen uͤbrigen
Schriften, nachſpuͤren, warnend. ‚zur Sprache hrin⸗
gen zu, müflen — daher,/ wie verfchteden auch
bie. Anfichten, der Schriftfieler waren, . bie Kos
vebue's Namen und feine Schriften nannten —
immer -fpra Verachtung, Geringſchaͤtzung, Miß⸗
gunft,. ſelbſt Neid über ihn das Urtheil. Der auf
allen Bühnen gefeierte Schriftfteller, der im.ase
ftändig, vornehmen äußeren Verhältniffen lebende
Mann, des. fpdterhin ‚von den. Großen der Erde
fo auögegeichnet Begünftigte, blieb inuner ein Ger
genftand der Öffentlichen Mißbilligung, under ſelhſt.
forgte durch leidenſchaftliche Anregungen, Necke⸗
zeien und offen dargelegte Züge ber. verletzten Ei⸗
telfeit, daß diefe Stimmung, fich. immer verjüngker
Er gewann nie das Bewußtfeyn,: bag sin dieſem
fein Leben beunruhigenden Zwiefpalte. die aufge⸗
wedte Nemefiö ihre Gewalt uͤbe; er ahnete nie;
daß die Nationalftimmung. feiner Landsleute: über
ihn, ‚über feinen, Charakter, über feinen Schrift»
ſtellerwerth, von ben. unwandelbaren Geſetzen ber.
motaliſchen Nothwendigkeit beſtimmt wuͤrbe —
und fo erſchien ihm der vielfach Aber ihn oͤffent⸗
lich ausgefprochene Tadel immer nur als boshafs
ter Recenfentemmfug. Dieſe ihnr ſo unbehagliche
Stimmung mit Refigastion ſchweigend zu tragen,
war feine Sache nicht; das wirklich und fcheihs
bar ihm. in der Reccuſentenwelt zugefügte Unrecht
glaubte er durch einen Fräftigen Schlag rächen
zu -müflen; mm das verwundete Gemuͤth deſto
leichter zu verbergen, verfuchte er mit lachender
Miene mi die Schranken zu treten, Indem -er feine
Fragmente über Rerenfenten s- Unfug
(1797) in die deutſche Lefewelt ſchickte. Er fchlug
wit einer Sliegenwebel in ein Weſpenneſt; er
ſtrafte nicht das Ungeziefer, ſondern jagte es auf
zu neuem Leben und Muthwillen. Er beginnt
dieſe Fragmente mit einem „Manifeft, enthal⸗
tend die Kriegserklaͤrung.““
„Ich Kotzebue "durch die Gnade der Muſen,
Schauſpieldichter * Deutſchen, thue hiermit
kund und zu wiſſen allen keſern mit oder ohne
Brille, daßd:
„Da ich von den unterthanen des Alten
. 45*
— JUN —
thigen Feind — fo ſehr er mir auch an. Zahl
und allerlei ſaubern Huͤlfsmittelchen überlegen iſt
— zu einem gerechten und ehrenvollen Frieden
zu zwingen. Gegeben zu Friedenthal, den alten
Juli 176." — .
Dann: .fucht er fich gegen Misverftanb zu
verwahren und beflimmt, „gegen welche Hohn⸗
ſprecher er feine Hirtenfchleuder richtet; nicht
die. Kritik in wiffenfchaftlichen Faͤchern will
er herabfegen, fondern die Altagskritikafter im
Sache ber ſchoͤnen Wiſſenſchaften Alfo: „Euch
treffe meing@eiflel,;ihe Afterrscenfenten, die ihr
ſo ſelten urthheilt, und fo. gern verurtheilt; fo
oft in dem Werke nur bie verhaßte Perſon
des Autors tadelt; ſelbſt bad Oute, was ihr nicht
ableugnen koͤnnt, gefliſſentlich verkleinert; haͤmiſche
Seitenblicke auf den Charakter des Verfaſſers
werft; Gift aus ſeinen unſchuldigen Worten ſaugt;
immer uͤber verletzte Moralitaͤt ſchreit, die doch
blos der. Schild iſt, hinter: dem: ſich euer Neid
verkriecht; end) Alle, die ihe euren einfeitigen Ges
ſchmack dem: Puhlikum zum Richtfchnee. aufbringen
wollt; keck abfprecht, ;wahy weil es euch an Gruͤn⸗
— HH —
ben wiangelt, Ted hochtrabende Kunſtworte
täufcht, Die ihr ſelbſt wicht verſteht; Bier einem:
befreundeten Dünmmtopf fanft ftreichelt; und. dort
einen angefeinbeten Mann von Genie wüthend
begeifeert :such Alle treffe meine Geiſſel!“ —
Darauf folgen denn Febzehn „Proben von Als
bernbeiten ix der Irnaiſchen Literature
zeitung," die oͤfter den Schein. ber Albernheit
auf denjenigen werfen, ‚ber burch Tolche. Beweife
feine Schmaͤhungen rechtfertigen zu wollen, bes
fangen. genug Hy -fo halt. ih:v. K. 3. B. am
lLängfien bei dem wierten Proͤbchen auf, . in wel⸗
dem Ihm:der-- Stein des Anftoßes der: iſt, baß
das erſte Stüd.bee. Schillerſchen Horen, fehr
ſchnell, ausfuͤhrlich und lobertheilend recenſirt wirb;
Auch iſt er daruͤber ſehr ungehalten, daß die
Unterhaltungen deutſcher Auſgewan⸗
derter, deren Verfaſſer (Goͤthe) damals noch
nicht bekannt war, deren Inhalt ihm das fadeſte
Geſchwaͤtz, die albernſten Geſpenſterhiſtorien duͤn⸗
tem, hervorgehoben werden. Doch jerſt im vier⸗
ten, Frogmente „üben die. Kritselsien der
Recenſenten, meine Shanfpieke betref:
U} 233
fewb,.ifl v. K. eigentlich auf dem Anmmelplatze,
wo er dem beengten Herzen: Luft zu: machen ver⸗
fucht. Er weiß. die gegen: feine Schaufpiele ger!
machten Ausſtellungen ‚Leicht ebzufertigen: viele:
Recenſenten haben geſagt, ed.fehle jenen am. Hal⸗
tung und Konſiſtenz; ee bemeift aus Sulzers
Zheorie der Wiſſenſchaften wit: wenigen Worten‘
bad Gegentheil; : andere haben gefagt: feine Stuͤcke
beleidigten Moralitaͤt und Sittlichkeit, wie er
denn auch beſonders gern gefallene Maͤbchen und
Weiber auftreten: laſſe. Er vertheidigt fich⸗
„— Nur bie ſchaͤndlichſte Verlaͤrmdung konnte,
um mir wehe zu thun, dieſen Kroͤtengift auf mich
ausſpritzen. Lange vorher, ehe ich auf der Spies
gelbahn der dramatiſchen Kunſt umherwankte,
ſchrieb Beaumurchais feine Cugente, und Gem⸗
mingen feinen dentſchen Hausvater, zwei
ſch oͤn e Stuͤcke, deren Hauptperſonen liebenswürs
dige gefallene Maͤdchen ſind. Damals fiel es
keinem ein, die Naſe daruͤber zu ruͤmpfen. Und
wäre es Dem auch in der That wohl unmoraliſch,
zu glauben‘ dapı ein⸗g ofalle nes Maͤbchen doch
wohl rin gatas Maͤdchen feyn: koͤnne? — Habe
ich denn jemals. die Entfhuldigung ofnet
BSchmanheit mit der Verthoaidigung bes
Unſatt bich keit nermiſcht? — (dieſes Wi wiedir
ein Geſtaͤndnißjener bequemen Moral, der der
Bequemlichkeit halber, ausgebreiteter Beifall gar
nicht entgehen kann. Iſt nicht: Eutſchuldigung,
Bemaͤntlung des Laſters, das zur. liebenswuͤrdi⸗
gen Schwachheit geſtempelt wird, unendlich ver⸗
derblicher als eine offene. Vertheidigung der Uns
ſittlichkeit?) —Heabe ich jemals reinen Fehltrint
zur Tugend erhoben? — aber wenn ein zeuiger
Sch aͤch er noch: Anfprud auf dad Paradies mine
chen durfte, fo iſt es doch wohl kein Verbrechen,
ein: reuiges gefallenes Mädchen intereffant zu
ſchiidern?“ — (Seite 27 u. 28.) Dane theils
u. 8. vier Anekdoten mit, wo feine gefallenen
Mäpchen auf die Zufhauer gar erbaklichen Ein⸗
druck Zentacht, und eine volllommene Buße bewirkt
haben folen. :Der Vorwurf, daß die Kotzebue⸗
ſchen Stuͤcks: gefährlihe Grundſaͤtze gegen den
Gaaat:enthielten, iſt am leichteſten zu: befeitigen;
sahen Virfaffer iberall, fein ganzes: Beben hin⸗
derch mit Orunbſaͤtze n nie ins Reine kommes
— 23 —
Yonnte, umb: ba: hierbei de Unverſtand oft hörbar
wunde, daß man ihm bie Worte als periänlkhe
Meinung aufbürbete, bie erıben .auf- eh
tar ann Perſonen in den mund legte. — En
—ES greift in dieſen regnent ie.
Recenfenten Unfug v. 8. ganz: befonders. an;.:did
ecenfehten feiner Werke: iu ber Literaturzeitung,
befonbers Hm: Huber, gelegentlich Hrn. Friebr.
Schulz zu: Mitau, und baum auch ven Freihertn
Knigge, : won welchem letztern es ihn ungenein
kefsemdet,; baß: er feine Perſon haſſe und ſich
von ihm. beleidigt glaube (S. 36.) als ob dieſer
ande fo fern liegt, nachdem v. Kotzeb ae ihn.
auf dem Titel des Bahrdt mit der eifernen: Sturm
genannt unb dort gebrandmarkt hatte. Doch er
kommt gleich felbſt auf dieſes unangenehme WM⸗
pitel (S. 37.): „durch die verhaßte Broſchüre,
Die im JZahre 1790 meine Feder entweihte, hatte
Ks das Ungluͤck, mehr als Eine jener gewaltigen
Leidenſchaften zu weden. . Zwar. muß:ich mit
Hochachtung bekennen; daßunter den Beleibigien
feibſt, nur wenige ſich unedle: Macht ſerlaubten;
— DIE —
aber daB Geſchrei ihrer Protekteurs und Protägse,
ihrer Vettern und Verwandten, ihrer - Freunde
und Bewunderers- bas Klaffen ver kleinen Gei⸗
fer, die, wenn bie Schriften eines Rannes
Aufſehn erregen, mit Berlangen nur auf den
esften Ton der Mißbilligung warten, um fogleich
einzuſtimmen; Alles das bildete eine mächtige
Partei gegen ni Das alfo war die erfie Quelle
aller der Bitterfölten,- die mir feit ſechs Jahren
in ſo reichem Maaße zugemeflen worden. Aber:
es giebt noch eine andere, aus ber fie alle, und
zu allen Zeiten ſchoͤpften, und die, wie bie Schwe⸗
felhoͤhle zu Pyrmont, einen giftigen Dampf aus⸗
haucht, der Alles. erflidt, was zu viel eben hat
— Diefe Duelle heißt Neid! — fie waͤlzt ihr
Waſſer über jedes Blümchen, das von Kunfkliebe
. erzeugt, und vom Publikum gepflegt würdet" —
Nun iſt er auf dem eigentlichen Punkte, wo
er feinen Herzendergießungen freien: Lauf laͤßt,
Ah. Plagend, aber wohlgefaͤlligeͤmit Pope,
Molierr, Boileau, -Racine, Woltaire ü. ſ. f; zu⸗
ſanmenſtellt, mit ihren Worten gagen ben! Reit -
ze 2860 —
zu Felhde zieht, und bann dieſes Fragment, um
ein nenes zu: beginnen, alſo ſchließt: „Da ſteht
das enthullte Geheimniß. Wahrlich! ihr koͤnnt
mir auch nicht. einen Schrifißeller nennen; deſſen
Werke fchnelle und große Wirkung: auf die Zeit⸗
genoffen hervorgebracht haben, ber nicht, fo lange
er lebte, von hämifchen Recenfenten angebeilt,
gerfegt, zerriſſen, zerflüdelt, zarbridelt und bes
geifert worben wäre: Wie leicht ließen fich noch
Yundert Beweife dafür anführens aber. wozu? —
fie haben, Voltaire und die. Propheten Helvetius,
Bacine, Moliere, Dorat, Rouſſeau; wenn fie
biefe nicht hören wollen, fo, wuͤrden ſie auch nicht
hören, wenn ein Engel ‚vom Himmel zu ihnen
redete.“ —
Unverfensber gefiel fich Herr von Koßebue
fo fehr in der Gefellfchaft der ſchon verftorbes
nen franzöfifchen Klaſſiker, daß er es nicht uͤber
fich gewinnen konnte, einen: Blick auf die leben:
ben. deutſchen Klaſſiker zu. werfen, die nicht von
haͤmiſchen Recenſenten angebellt, zerfetzt, zerriſſen
zerfällt, zerprickelt und begeifert. wurden, ſon⸗
bern mit ı ber: umgetheilten Anerkennung: großes -
Berdienſte, die entſchiedene Achtung ihrer Zeitges
noſſen beſaßen; wie hätte er, der Ein Beiſpick
folthes Glaͤckes vergeblich ſuchte, ‚fonfh‘ feine Zeit⸗
genoſſen, einen Klopſtock, Johannes Muͤller, Goͤthe,
Herder, Schiller n. ff. uͤberſehen koͤnnen? Dody
gerade im. dieſem verbimlchem. Bliche "offenbart
ſich die Befangenhrit des vom Neide: zerrifienen
Gentuͤthes; ‚ben bie perſoͤnliche Berehraing, wel⸗
cher ſich ſolche Mämmer, feine Landsleute und
Zeitgenoſſen, erfreuten, war das koͤſtliche von
ihm fo ſehnfuchsvol begehrte Gut, welches zu
Grreichen, ihm, wie fchon bemerklich gemacht ift,
umnerbittlich verfagt blieb. — Nur voruͤbergehend
vermag er ſich zu tröften, inbem er wieberholt,
daß jedes hervorſtechende Talent ein. Gegenſtand
bed Haſſes ſey, und nicht undentlich zu verſtehen
giebt, daß die Größe des letztern ihm beſonders
darum fo befchwerlich falle, weil. der VHaß mit
der eminenten Groͤße ſeines Talentes in einem
nothwendigen Wechſelverhaͤltniſſe ſtehe. Fuͤr den
ſchlimmſten Fall aber ignorirt er sie ihm verfügte
Achtung und verweit bie ſcheellehenden Recen⸗
— 235 —
(unten. auf den Beifall, welchen das Ein⸗ und
Ausland ſeinen Stuͤcken giebt ) — Auf bieſem
Ehrenthron "gewinnt er eine ſichere Haltung und
ſchleudert feine‘ Blitze auf Huber, gegen den ber
größte. Theil. des Buches Über Recenſenten⸗ Unfug
gerichtet iſt, am den in vielfachen Wariatigner
namentlich apoſtrophirt wird, und bem er, mit
ben übrigen Recenſenten⸗ der: Literaturzeitung,
um. Sohle ‚folgendes Aurdohtien auf den *
gieht: ae Be
ve AB: Begeray ſtarb, man ‚unter fehiek
Verlaſſenſchaft · einen alten: · Guibthaler, ſorgfaͤltig
in: Papier gewickelt, und folgender Seftalt: von
feiner. eigenen. Hand Überfchriebend. . "iu u
„Dielen. Goldthaler habe ich feit: zwanzig:
Dahren verwehrt, um baflız ein Fenſter auf benz
Greve : Plob. zu miethen, wenn emmal € ein: De:
gent eehangen wird —
9 ©: % n ſo betefen in der fradzoſiſhen eiteratur hat
wahülcheinlich nie in SER felner ſelbſt ſich der Worte
un Gpgm forg?s erinnert s:,Ce qui -fais lo'succks do
| ‚ quantite d’ouvragps, est le rapport, qui se trouve
entre ia mediocrit# des’ iddes de Pauteur er Ia
unmsuditæaim des:icdkes du publice -
u ’
a:. Doch jened. feindfelige Geftirn, welches ben-ig
anderer Hinſicht fo. gludlihen Autor verfolgte,
wurde durch dieſe Schutz⸗ und. Zrubfchrifs.nichk
heſeitigt: Huher: machte den Empfindlichen im⸗
wer neuen Aerger, er mochte von ihm reden, ober
über ſeine Werke ganz. ſchweigen. Die feindſelige
Spannung zwiſchen/ beiden ſchien fortwaͤhevnd zu
wachfen,; als HNuber hoͤchſt unerwartet von · Ko⸗
gebue.(damabd: in.Mien) einen Brief erhielt,
des Inhalts: sexi leihesan einem chromifchen, benz
Gruin Schnell antgegenführenben Uebel .C-7;, apın
einer. foichen, das Leben A-—8 bedrahenden Krank
beit. ahnete im: Wien :niemmb etwas. —); ein,
ſchmerzliches Gefühl möchte er fo geru.nor var
feinem Tode getilgt fehn: das, von Huber vers
kannt zu ſeyn. Letzterer habe als. Recenſent ihn
hart hehandeltʒ vieſes Unrecht ſolle ausgeglichen
fen; v. K.moͤchte fo gern Hubers Verſoͤhnung
und Achtung mit ins Grab nehmen. — Huber
nahm freudig und: treuherzig die dargebotne ‚Hand,
geſtand, daß Leidenſchaftlichkeit ihn ſelbſt uͤber
bie, Grenzen ber: Balligkeit geführt haͤtten, und
erbot ſich, als Suͤhne des. erkannten. dehlers,
— 240 —
dieſes oͤffentlich zu erklären: . Kotzebue nahm
dieſen Vorſchlag nicht anz aber es blieb von da
an, bis zu Hubers Tode, zwiſchen ‚beiden ein
freundſchaftlicher, bald haͤufigerer, bald ſeltener
Verkehr, der ſelbſt nicht geſtoͤrt wurde, als v. .
einſt den flüchtigen Gedanken hegte, mit. H: in
eine ſehr nahe Familienverbindung zu treten, ged
gen deſſen Ausfuͤhrung ſich der Letttere entſchirden
erklaͤrte. — Die Berföhnung..beiber, ‚was auch
u. K. zu dam’ erſten Schritte bewegen: machte;
war aufrichtig;⸗er blieb ven: da an innner gegen
Huber gleich theilnehmend ainb einfach, beſuchto
ibn noch zweimal anf ſeinen Reiſen, und dußerig
nie falſchen Rüdhalt, ober brüdende Anmaßung.
— Mit Vergnügen verweilt dar Biograph bei
siefem Buge aufrichtiger Verſbhnlichkeit. Wis
oft ini Leben, beſiegt bie Jeſtigkeit widendacci⸗
ger. Leibenſchaft ¶die Daun traulicher Verbia⸗
dungen! — Mona
ı Während v. Kotz ebue auf ſeiner Schrift
ſtellerbahn Neid hegte und. wedte, umb. durch Die:
gefcheiterten Bemühungen, höhere Achtung zu ge⸗
winnen, oft ſehr verflimmt murde,- bildete ſich im
feiner Seele der größte, ihn: bis zur ruft verfols
gende Unmuth gegen einen Mann, der gerade das⸗
jenige in recht reichem, herrlichem Maaße beſaß,
was ihm ſo wuͤnſchenswerth war und immer un⸗
erreichbar blieb. — V. Kotz ebue wußte nichts
und wollte nichts von dem wiſſen, was auch
wohl ber gemeine. Menſchenverſtand von Goͤ⸗
theꝰs hoher Kuͤnſtlereriſtenz begreift; aber er ſah
den Mann, wie er, eint wahrhaft wunderbare
Erfcheinung in.der Literhtur, daſteht, überall Ehr⸗
furcht gebletenb, und mit feinen Kunſtbeſtrebun⸗
gen felbft da Bewunderung erweckend, wo.Weus
ſchiedenartigkeit ber. Fähigkeiten .und Anſichten
getheilte Stimmen laut: werden laffen; er fah Dies
Ten Mann in der geliebten Vaterfladt, bie er ſelbſt
einſt meiben- mußte, von wo aus ihn: mancher
Hiefagrwundende Pfeil ‚traf, wo er noch. gegen
märtig, ‚wenn. ei: das beutfche Athen befuchte,
aufjer dem Kreife feiner Familie, nicht wohlges
litten war, — hier fah er ihn, ander Seite bes
- Megenten, deſſen Stolz. und Freude er iſt, in
geber Beziehung. bed Lebens das Bilb einer ideds
den Vollendung. — V. K. fo. hoͤchſt empfindlich
16
‚gegen unangenehme Eindruͤcke, verfuchte in ver⸗
fchiedenen Momenten feined Lebens, auf entgegen-
gefenten Wegen ſich von biefem Verdruße frei
zu machen, indem’ er bald Goͤthe's Kunftwerke
nach feiner:Weife lobte und alle Mittel aufbot,
mit Goͤthe in ein freumdliches .perfünliches Ver:
haͤltniß, in eine ‚gute. literarifche Kameradſchaft
su Tommen, „bald feine Pfeile. gegen ihn abs
ſchoß. — Keines von ‚Beiden fruchtetet denn
Goͤthe fchritt, wie gefliffentlih Kobebue ihm
‚auch entgegen, kam, ohne irgenb eine Beruͤck⸗
fichtigung ſtets unbefangen. einher. Solches
serutfachte: denn immer ‚neue Wunden; v. K.
glaubte "gerechte Beſchwerde über erbuldeten
Hochmuth erheben zu koͤnnen; er fann auf Rache
und verfuchte; füch auf ein hohes Pferd zu feben.
Beine eigenen Stüde genoſſen ja auf dem Theater
‚für die Gegenwart ein auögebreitetered Bürgers
recht, als die Goͤt he'ſchen, mithin hielt er fich
hefugt und machte. fi mismüthig ein: eigeneb
Geſchaͤft daraus; Goͤthe's dichteriſche Produktionen
a, ſchmaͤhen, damit der Vielbewunderte doch
aicht ungenedt davon Time, Da Kotze bue⸗
— 243 —
elbſt bei feinen Theaterdirektionen fo manche Wis
derwärtigfeit erfahren hatte, fo griff er ſpaͤterhin
Goͤthen auch als Diretor des Weimarfchen
Hoftheaters oft an, fuchte in feinen Zeitfchriften
dahin gehörige Klätfchereien aus Weimar zu
yerbreiten,. und vermittelft feiner ertigleit zum
pasquillantifchen Wige für die müffigen Zuſchauer
heſtens zuzuſtutzen. ‚Auch mit diefen Verſuchen
wollte es ihm nicht glüden, denn Goͤthe's Ruhm
blieb ungefaͤhrdet. Nicht einmal ber. Feindfchaft
Gäthe’s:tonnte-fih v. K. rühmen, denn jener _
entwürdigte ſich nie, öffentlich etwas zu erwies
bern, und igmorirte mit Tonfequenter Ruhe die
fehdeluſtige Betriebſamkeit des immer fertigen
Autors. — —
" Riöht viel beher ging es v. 8. mit ben ans
dern großen, in allgemeiner Werehrung lebenden
Dichtern feiner Waserfiadt, welche jedoch nicht in
dem Stade, wie. Goͤthe, ihm Kummer. machtenz.
denn ihr Ruhm:ſchien zuweilen von ber. Berherta
kung Goͤthes, vollig Aberfiralt. .. ..
Dieſe aͤußerſt geneiste Stimmung es |
wurde och ‚ergpölerkn als, marhere: durch⸗
|
— 244 —
das Stubium ber Kantſchen Philoſophie und" an⸗
geregt auch Goͤthe's und Schillers Beſtre⸗
bungen, bie neuern Kunftanfichten fich beftimmter
entwidelten. . Eine ‚wiffenfchaftliche Kritik flellte,
nach den unfterblichen Vorbildern der antiken
und der romantifchen Poefle, die Forderungen
auf, welche, abgeſehn von dem momentanen Bei⸗
falle ber. Menge, das Schöne in: dem Gebiete
der Nedeform ewig bedingt. Hier fah denn v. K.
geoße Gefahr für den einzigen Rüdhalt, aus
weichen er biöher alle Angriffe der Recenfenten
zuruͤckzuſchlagen - verſuchte. Immer verwies er
af den Beifall der Menge, auf die Leichtigkeit,
mit: ber er Thraͤnen und Gelaͤchter zu erregen
wußte; nun mit einem Male follte die Stimme
bes. großen Publikums nicht mehr über - feinen
Dichterberuf entſcheiden, :anb..bererlangte: Preis
einen. höchftuntergeorbneten Rang erhalten. Sol⸗
hen. Drohungen‘ von ber. fogenammten neuen’
Sch ul ekonnterer heffen Sache nie das Schweis
gen war, nicht ohne. heftige Gegenrede verwirk⸗
licht fühen: ¶Man erwage nun· noch, daß v.-K.
bei kainan Bigenftenbe durchẽ Wengwifſenſchaft-
t
/
— 240 —
fie Prüfung zu einem gebiegenen Urtheil gelang⸗
te, daß die ihm verhaßte neue Schule: ihre neuen
Anfichten ihm ſehr unserftänblich ausfprach, daß
fie viele. bisherige Autoritäten verfpottete, auch
wohl Gefallen daran fand, ihre ernften Beſtre⸗
"Dungen auf ereentrifche Weiſe anzubeuten, daß
endfidh -diefe verhaßten Neuerer in: Göthe den
Heros der geſammten mobernen Kımft fahen, daß
Sie: feine Verherrlichung fich zum beiligen Berufe
machten; — man wirb es fehr folgerecht finden,
Bag der Kampf gegen Die neue Schule ein ſtehen⸗
ver Artilel in dem Iournale des tebenb Kope
bue”s wurbe.
Der erfte Wurf, den er gegen bie: berzuglich
fen Wortfuͤhrer der neuen Schule, gegen Die
Gebruͤder Schlegel und gegen Tieck unternahm,
war beebyperboreifhe Efel, ein-padquillen-
artiges.2uflfpiet, in welchem v. Kogebue feinem
lebhaften Unwillen freien Lauf ließ.‘ In ein recht
grelles Licht ſtellee er hier einzelne aus. dem Zu⸗
ſammenhange geriffene Behauptungen der genann=
ten Männer, machte die Ironie zum Ernfte, den
Ernſt zum Scherze, und aͤrndete, nach geläufiger
— DIE —
Berechnung, jeden möglichen Gewinn davon, daß er
den Karikaturen feiner Buͤhne die Worte ſeiner Geg⸗
ner in den Mund legt. Alle Nuͤancen des Dia⸗
logs und lebendige Gewandcheit des Witzes ftehen
ihm zu Gebote, da der "Genius des. Pasquills
ihm in Satyrgeftalt zur Seite ſteht. Er mußte
aber gar bald erfahren, daß bie von ihm gebrauch⸗
ten Baffen, von feinen. Gegnern zu feines. eiges
nen Zuͤchtigung angewendet wurden, wo ‚benz
fein Groll gegen bie neue Schule durch Schle⸗
gel's „Ehrenpforte und Zriumphbogen
für den Theaterpräfibenten von Kokes .
bue” und durch Nederereien aller Art, fortwähs
rend Nahrung erhielt. —
Doch, um nicht * die Bekrachtung der
fi) ununterbrochen in Kotzebue's Leben an ein-
ander reihenden. literarifchen Fehden, feine pers
fönlichen Schilfale aus den Augen zu verlieren,
Tehrt der Biodraph zu denfelben zurüd. — V. K.
Iebte nach der Nieberlegung. feines Prafidenten =
Amtes auf feinem Landfig Friedenthalin Eſth⸗
land, ſich und den Mufen, in fo ‚günfligen Ver⸗
haͤltniſſen, daß nur ein feindſeliger Geiſt raſtloſer
— 247 —
Unruhe ihn dieſer Lage entreiſſen, und auf eine
neue, ſehr dornenvolle Laufbahn locken konnte.
Er erzählt 9: Zwei Jahre verfloſſen durch
Liebe, .Freundfchaft und Ruhe verfchönert. Da
flarb Alringer in Wien**). Die Direktion.
bes Hoftheater8 glaubte mich tüchtig, feine Stelle
zu erſetzen; fie fchlug mir Bedingungen vor, die.
eben fo lukratif, als ehrenvoll waren; und ich:
verließ Friedenthal, um unter einem milden Sims
. melöftriche, zwar Liebe und Zreundfchaft, Doch
nicht Ruhe wiederzufinden. — Die erfle Trage
*) Giche: Ueber meinen Aufenthalt in Bien
von Auguſt v. Kotebae. Leipzig 1799. .
2) Johann Baptiſt von Alringer, ber Saͤnger
bes Doolin von Mainz und bes Bliomberis, geb. zu
Wien 1755, bafelbft geft. 1797, verfah in ben letz⸗
ten drei Jahren feines Lebens die Stelle eines Ger
kretairs bei der Direktion des Laiferlihen Hofthea⸗
ters. — Frauͤher bekleidete er bie Stelle eines Hofe
advokaten, um die Streitigkeiten derer, bie fih an
ihn wandten, gütlich beizulegen, wofür er ben Lohn
in ber That ſelbſt fand; denn fein bebeutendes Ver⸗
mögen. feste ihn in den Stand, jebes übernommene
fremde Geſchaͤſt, feinen Grundfügen gemäß, völlig
unentgeldlich zu verrichten. — | |
— 248 —
iſt hier: worin beſtanden meine Pflichten? —
Die vornehmſte derſelben, die mir der Herr Ba⸗
son von Braun bereitd in feinen Briefen an
mich auferlegt‘. hatte, war: ein Fritifches Journal
über die Wiener Hoftheater .zu.. fehreiben, von
welchem er fidy mehrere gute Wirkungen verfprach.
- Die Übrigen Obliegenheiten, beren damals er:
wähnt wurde, waren fehr geringe; fle befanden
in Korrefpondenz, Aufficht über die Bibliothek
u. f. fe Der Baron von Braun endigte mit ben
fehmeichelhaften Worten: „„ich folte fein Freund
feyn und ihm überhaupt mit Rath und That an
die Hand. gehn." — Gerade. diefer humane
Zon war ed, ber mir Lufl und Muth gab, die
befchwerlihe. Winterreife von: 300 Meilen mit
meiner Familie anzutreten, nachdem ich zuvor bie
ausdruͤckliche Erlaubniß meines Monarchen zu
biefem Dienftwechfel erbeten und erhalten hatte.
Da feit meiner fruͤheſten Kindheit das Theater
bald Leidenſchaft, bald Beſchaͤftigung, immer we⸗
nigſtens Liebhaberei bei mir geweſen war, und
ich ſowohl theoretiſch, als praktiſch, mir viele
Kenntniſſe daruͤber geſammelt hatte: ſo kam ich
— 249 —
mit der. Hoffnung nach Wien, in einem mir an⸗
genehmen Wirkungskreife nüglich ge werben. Was
hätte.mich auch fonft wohl bewegen- können, meist
liebes Kriedenthal zu verlaſſen? — Nahrungsfor⸗
gen brüdten mi nicht 5 Eigennutz habe ich nie
gekannt. Jene Hoffaungen wurben noch ‚Ichhafs
ter burch die perfönliche Bekanntfchaft des Bu⸗
son von Braun in mir ertegt. Mein Herz dringt
mich, bier Öffentlich, im Angefichte von Deutſch⸗
land, das dankbare Zeugniß abzulegen: daß ich
in ihm. gefunden, was feine Briefe verſprachen,
daß er mich nie ben Worgefehten, aber befto öfter
ben Freund fühlen lafien; daß er vom erſten Aus
genblicke bis zum legten, bei Sturm und Sons
nenſchein, fich gegen mid gleichgeblieben; baß er
mich immer mit freundſchaftlichem Vertrauen, mit
zarter Achtung, mit feiner Sreigebigkeit behandelt
hat. — Ich hatte den Tag nach meiner Ankunft
bie Ehre, Sr. Majeſtaͤt dem Kaiſer vorgeftellt
zu werben, und Habe ſeitdem noch. einigemale
das Gluͤck genoſſen, mich diefem deutſchen Bie-
Dermanne zu nähern. — Zaft möchte ich in die⸗
ſem Augenblide bebauern, daß ex mich mit einer
— DE —
Penfion begnadigt hat, weil dieſer Umſtand den
Verdacht der Schmeichelei auf meine Worte wer⸗
fen: koͤmte. Aber nie habe ich mein Lob verkauft
und nie wuͤrde ich dieſem Bewußtſeyn, weder
— für den’ Preis von 1000, noch von Millionen
Gulden entſagen. Sch koͤnnte und wuͤrde ſchwei⸗
gen, da nichts mich zu reden zwingt. — Es iſt
daher die reinſte, aus Vernunft und Herzen flie⸗
ßende Ueberzeugung, mit: ber ich behaupte: daß
Stanz ber Zweite einer ber reblichiten und
gerabeftnnigften Männer in feinen Staaten ifl.
Die ausgezeichnetfie feiner Tugenden ift Gered=
tigkeit. Er übt fie gegen ben Bettler, wie
. gegen den Fürften, und zweimal wöchentlidy kann .
jeber ihm feine Noth perfönlich vortragen. Niex
mand fragt den, der zum Kaiſer gehn will: was
wollen Sie bei dem Kaifer? — Jeder darf ihm
‚fein Anliegen felbft. an fein ebled Herz legen, und
obwohl man leicht begreift, wie manche alberne
und weitfchweifige Bitten, wie manche thörichte
Bünfche bei ſolchen Aubienzen vorkommen moͤ⸗
gen, fo ſteht dennoch der Monarch, mit unermuͤd⸗
licher Gebuld, fünf bis ſechs Stunden lang, und
— 2531 —
hoͤrt freundlich und gefaͤllig einen Jeden an.
Wohl dem Bittenden, dem Gerechtigkeit und
Billigkeit zur Seite ſtehn! er iſt des Erfolgs ge⸗
wiß *). — Seine Gegenwart floͤßt Zutraun ein.
Sr hat etwas. ſe Gerades, Dres ñ in ſeinem
gs
9 Dieſe herrliche —*? nach Ser es ben Wewohs
. ‚nern ber Deſtreichſchen Staaten ˖ möglich: iſt, ihren
Regenten wödentlih zweimal ſelbſt zu ſprechen,
fuͤhrte zuerſt Joſeph der Zwette ein; der fes
gensreihe Erfolg derſelben hat ſich vielfach bewaͤhrt.
„86 Liegt ja..fhon darin ein unendlicher Zauber für
den Bittenden, wenn er feine Wünfche dem Regen⸗
U gen feines Yalerlandes von Miimb zu Munde, vom
Hertzen zum Herzen vortragen darf / und img Vertraun
auf ſeinen unmittelbaren Ausſpruch, oder wenigſtens
auf eine unmittelbare Beſtaͤtigung der Reſolution,
ſeine Beſcheidung erwarten kann. Dagegen iſt es ein
harter Fluch für eine Nation, wenn ihr Regent un⸗
zugaͤnglich iſt, wenn der Buͤrger nur zu ihm gelan⸗
gen kann, nach vorgegangener genauer Befragung
und Prüfung der Hoͤflinge und der Soldaten, wenn
der Regent fremde Geſichter nicht leiden kann und
dadurch ſehr leicht in eine ungnaͤdige Verlegenheit ver⸗
ſetzt wird. — Die verhaͤngnißvollen Folgen ſolches
übeln Mißſtandes koͤnnen nie beſeitigt werden durch
erbauliche Relationen von manchen loͤblichen Privat⸗
eigenſchaften derer, die die Geburt u bie Shronen
feste. —
Benehmen; man fieht es ihm gleich an, daß er
es reblich meint; und wenn er dem, der vor: ihm
flieht, etwas. Angenehmes ſagt, fo iſt es nie ein
feines hoͤfliches Kompliment, ſondern immer etwas
berzliched Gutgemeintes. — Was Wunder, daß
ich ihn aufrichtig liebe, und daß der Augenblick,
in dem ich. ihm vorgeſtellt wurde, meinen Muth
unb meine Hoffnungen noch ſehr belebte. — Uns
ter ſolchen gluͤcklichen Vorbedeutungen begann ich
meine Laufbahn. Meine Geſchaͤfte waren anfangs
weniger bedeutend. Die Regie wurde mir nicht
auf einmal, ſondern nur nach und nach uͤbertra⸗
gen, um den bisher beſtandenen Ausſchuß nicht
zu kraͤnken.“ —
Die heiteren Ausfichten, ‚mit Denen v. K.
ſeine neue Laufbahn zu Wien begann, verfinſter⸗
ten ſich bald. Eine dortige Wochenſchrift, die
Wahrheit in Maske, fing an, ihn „mit
Sumpfwaffer zu befprigen.” 3 erfchien eine
Beichreibung des Theaters im Xhierreiche, in
welcher fein Vorgänger mit dem Elephanten, er
felbft aber mit dem Wolfe im Schaaföpelze ver-
glichen wurde. Den 47ten April wurbe bei ber
— BB —
Feier des Feſtes be Wiener Freiwilligen das
Dorf im Gebirge mit großem: theatralifchene
Pomp gegeben; e&: miäfiel. „Es fließ hier meh⸗
reres zuſammen: Kuͤnſtlerneid, Parteien, bie fi.
an einander. rieben, entgegengefegte Meinungen
von alberlei Gattungen; kurz eine Menge Urſa⸗
chen, bie. zum Theil fo zart find, daß ich
fie nicht wohl berühren Tann." (v. K. in bee
genannten Schrift... 9.22.) Die ihm zur erſten
Bernfspflicht gemachte Herausgabe eines kritiſchen
Journals, gedieh nicht weiter, als bis zur Ans
kimdigung. „Vom Anfange an hatte ich mich,“
(diefes find feine eigenen Worte), „mit dem
hoͤchſten Widerwillen "zu dieſer zeitfreffenden
und undankbaren Arbeit verſtanden. (Und doch:
hatterner ein Amt. geſucht, war freiwillig in:
baftelbe getreten ,. weiches ihm diefe Unternehmung
ausdruͤctich zur Pflicht machte.) „Da aber der’
Baron von Braun fih fortdauernd viel Nuͤtzli⸗
AWErdavon: verſprach, fo rüftete ich mich zur
Ausführung: ut Geduld und Standhaftigkeit.
Die Ankuͤndigung machte einiges: Aufſehn. Viel
angeſehene und kluge Laute prophegeieten mir end⸗
— 254 —
lofen Verdruß. Ich hatte mir das ſchon ſelbſt
prophezeiet, zuckte die Achſeln und ſchwieg.“
€ Dieſes Achſelzucken kam jetzt wohl zu fpdt!:—)
„Gluͤcklicher Weife für mi, war-ich es nicht
allein, den jene gutmeinende, mit Dem Geiſte des.
Publikums bekannte : Männer, von diefer Idee
abzuleiten fuchten. Auch der Baron Braun
wurde von mehreren Seiten auf. manche dar⸗
aus entfpringende Inkonvenienzen aufmerffan ge⸗
macht. — Dies wirkte auf ihn, wie ed auf mid)
gewirkt hatte, und theild dieſe Gründe, theils
auch, wie ich mir fchmeicheln darf; die Neigung
zu mir, aus welcher der Wunſch entfprang, mir
hen wahrfheinlichen Verdruß zu erfparen, bewo⸗
gen ihn endlich, am 2often April, einem. min ums
vergeßlichen Tage, mich van bey Verbindlichkeit,
ein ſolches Journal zu fchreiben, gänzlich zu bes
freien, — Diefe Begebenheit wäre nun ins Klare.
gefebt. Der. Kefer fieht, wie einfach und. natuͤr⸗
lich fie zufammenhängt, und wie: albern, es war,
zu glauben: daß ich, der ic meine Zeit weit
angenshmer. und. portheilhaftex: benutzen
konnte, durch den blotzen Sigel. zu Bsitifiven, mich
— 255 —
haͤtte verleiten laſſen, mir ſelbſt eine ſolche Laſt
aufzubuͤrden. — Die Idee war nicht allein auf⸗
gegeben, ſondern auch bereits vergeſſen, als ei⸗
nes Tages der Baron Braun von dem Redac⸗
teur der: Hofzeitung erſucht wurde, ihm, wo
möglich, flatt der bisherigen kurzen und trodenen
Titel » Anzeigen von. neu aufgeführten Stuͤcken,
etwas längere, beurtheilende Nachrichten zu⸗
kommen zu laſſen, welche. er jeberzeit im erſten
Blatte der Zeitung, gleich nach ben officiel be⸗
Janntgemachten Artiteln, werde abdruden lafien,
Der B. v. B. freute fich, unvermuthet. ine Ge
Vegenheit zu finden, feinen zur Vervollfonmuung
ber- Bühne gehegten Wunſch dennoch, wenigſtens
theilweiſe, realifirt zu ſehn, und hoffte, daß, wenn
ich bei Abfaſſung dieſes Artikels anonym bliebe,
und mit moͤglichſter Schonung und Beſcheidenheit
zu Werke ginge, das Gute erreicht werben winde,
ohne meiner Kuhe nachtheilig zu feyn. Ich übers
aehm,.ohne mich, zu nennen ‚ ‚bie Theater⸗ Anzei⸗
gen in der Hoftetung. Ob ich bie zweite Bor:
ſchfift der Beficheidenheit und Schonung
erfüllt habe, darüber erwarte ich von dem unpar⸗
— 256 —
thehfchen. Leſer daſſelbe Zeugniß, welches mie
mein eigenes Gewiſſen giebt, Man ſehe nur zum
Erempel, mit.welcher faft beifptellofen Scho⸗
nung ich das Schaufpiel:..det Tag der Er
loͤſung« behandelt babe ). Dieſe Krititen
erregte: einen: Lärm, den. man felbft mit angefez
ben haben muß, um ihn glaubli zu finden. —
Es gehört ganz die awögebreitete Bekanntſchaft
mit -Theaterfabalen dazu, um fich nicht "Darüber
zu wundern. Daß der Neid. nit immer dabei
ein ruhiger: Zuſchauer blieb, iſt in ber Ordnung:
Er breitete unter andern: im. Herbfle 1798 eine
Berläumdung aus, die nicht allein in Wienfehe
weit um: fih griff, ſondern auch in vielen
Zeitungen mit ellger Schadenfreude verbrritet
| Se Ze
F Seifſpfelloſe thonnig!de der aeheclen
‚von Theaterſtuͤcken an ſolchem Orte, wie, die Hof⸗
zeitung, iſt immer. offenbare Ungerechtigkeit,
Sn diefem einen gegebenen Beiſpiele, welches rü@:
fichtlich des Tones ber übrigen Kritiken gär: nichts
entſcheidet, liegt eine. Selbſtanklage und eine Selbſt⸗
verurtheilung; dieſes Beiſpiel zeigt deutlich wie das
Spiel der Patteien in v. KH’ Kritiken bin mach⸗
1. Agſten Hebol finden maßte- Tun uns ee,
wurde. — Es entſtand nämlich plaͤtzlich bas
Gerücht, ich fey arretirt, auf einer Feſtung eins
geiperrt, oder uͤber bie Gränze transportirt wors
den. Warum? — das wußte man nicht; barum
befümmerte man ſich auch nicht. Genug, es
ſollte ſo ſeon. — Dies ſonderbare Geruͤcht hatte,
wie ſich bei einiger Nachforſchung ergab, in den
niederen Staͤnden angefangen, war aus dieſen
zu den hoͤheren uͤbergegangen, welches ſonſt um⸗
gekehrt zu ſeyn pflegt. Aber eben dieſer Um:
ſtand verräth feinen Urſprung.“ — |
„Es war überhaupt ein Kunftgriff einer ges .
wiſſen Gattung von Menfchen, wenn fie mir
auf Feine andere Weiſe beikommen Eonnte, meine
politiſchen Grundfäge verbächtig zu machen, um
mich mit bem ehrlofen Beinamen eines Jakobi⸗
nerd zu brandmarken. So wie man vor ein
paar hundert Jahren nichts weiter beburfte, um
einen Mann von Kopf zu verfchreien, und das
hic niger est ihm anzubeften, als bie beweis⸗
Iofe Befchuldigung, er fey ein Ketzer, fo ift
jetzt an bie Stelle bes Kegers ber. Iakobiner
17
mai ‚258 U]
getreten *). - Der Begriff von biefem, wie von
jenem, ift unbeflimmt, dunkel, vieldeutig, und
eben daher fo außerordentlich bequem für kleine
Menfchen, die Luft haben, . zu verläumben. Es
ift bei. diefem, ‚fo wie es bei:jenem war, fo leicht,
—
Beſchuldigungen dieſer Art Haben immer in Deutſch⸗
laand vieles Gedeihen, in ben neueften Zeiten aber
einen ausgezeichnet zafchen Wechſel gefunden. Erins
nere dich, geneigter Leſer, nur der letzten Jahre:
wenn du, vor 1812, in dem groͤßten Theile Deutſch⸗
lands an dem franzoͤſiſchen Joche keinen Gefallen
fandeſt, ſo hießeſt du: ein brittiſcher Spion, ein
Berraͤther, ein Tugendbuͤndler; wenn du ben Kopf
ſchuͤtteln mußteſt nad bes Wiedervereinigung mit
dem geliebten, angeborenen Regenten, fo viele Arm⸗
feligteiten hervorgerufen, und die Verkuͤndiger der
wiebererfangten Regentenhtuilb im @efolge einer jäms
merliken, hohen Polizei einherzichen zu fehen —
- fo galteft du für einen Franzoſenfreund; wenn du
das allgemeine Streben ber Voͤlker, nad einem ver-
befferten Zuſtand des bürgerlichen Lebens, als einem
- wefentlichen Zug bes heutigen Zeitgeiſtes erkennſt,
fo nennt”man dich einen Aufruhrprebigers wenn bu
den, hoͤchſten Orts vielfad angeregten, Unfug der
Jugend beläcdelft, weil er, ohne bas auf ihn gelegte _
officielle Gewicht, fo leicht mit verfländigen Mitteln
zu leiten gewefen wäre, — fo bift bu ein Mitoers
* ſchwonner bes Dolhbundes/ ⸗ — —
«Beweife daflır zu finden; denn ein geicheibter
-Mann wird doch irgend einmal ein Wort gefagt |
‚haben, das fich, fey ed auch noch fo unſchuldig,
nach boöhaftem Belieben. deuten ließe.” —
: Von der Wiener geheimen Polizei meint er
(5. 29), daß man den an ber Spitze derſelben
‚fiehenden humanen und aufgeklärten Mann,
‚den Grafen Saurau, nur zu kennen brauche,
um den Berfafler eines, in Betreff jener 'nadhe ,
theilige Thatſachen aufitellenden, Artikels in den
: Staatö= Anzeigen zu verachten. — Hierbei ift
:zu erwägen, baß ber vornehmen Leuten oft fo
:wilfährig beigelegte Lobſpruch, daß fie human
und aufgeklärt feyn ſollen, gleichfalls unbeftimmt,
‚dunkel, vieldeutig und. für Tleine Menfchen
bequem ift, wohlfeil und doch. freigiebig zu loben.
„Beil es aber gefchehen. Fönnte,” fährt v. K
‚fort, „daß auch in. Zukunft an biefem ober: je
nem Orte meined kuͤnftigen : Aufenthalts, böfe
Buben fich abermals jenes abgebrofchenen Kunft
griffes bedienen möchten, um mic den Macht:
habern verdächtig zu machen; fo ergreife ich diefe
günftige Gelegenheit, um bier, .ein für, allemal
17*
— 260 —
zu erklaͤren: daß ich aus mir wichtig ſcheinenden
Gruͤnden die monarchiſche Regierungsform fuͤr
die beſte halte, und bis an meinen Tod feſt an
ihr hangen zu wollen, hiermit feierlich verſichere! —
daß dieſer veiflich erwogene: Entfchluß durch bie
Zeitgefchichte der legten zehn Jahre in mir noch
mehr befefligt worden! — daß, fo glänzend
auch jede andere Theorie ſeyn mag, ich body
überzeugt bin, baß bei dem Webergange zue
Praxis aus dem fehimmernden Irrlicht eine ver=
zehrende Fackel wird; — daß man bei. fchlechten
Theorien Alles kalkulirt, nur die Leiden=
haften der Menfchen nicht, welche doch gerade
da ben meiften Spielraum gewinnen, — daß id)
ben Republiten ihre glänzende Epoche nicht be=
neide, weil ihr Glanz gewoͤhnlich im umgelehr-
ten Verhaͤltniſſe mit ihrer inneren Glüdfeligfeit
ſteht; es find Schaufpieler, die auf der Bühne
Millionen. verfchenten, während fie zu Haufe
Salz und Brod eſſen; — daß ich glaube, auch
die befte Revolution koͤnne hoͤchſtens nur kom⸗
mende Gefchlechter beglüden, und baß ich ben=
jenigen für einen bedaurungswuͤrdigen Schwärmer
— 261 — ⸗
halte, der feine gegenwärtige Ruhe, fein Ver⸗
mögen und Leben aufopfert, um feinen unbes
Tannten- Kindeölindern eine noch fehr problemas
tifhe Gluͤckſeligkeit zu verfchaffen; — baß ich
aus allen biefen und mehreren für mid, fehr
überzeugenden Gründen mich nie, auch nur auf
- bie entferntetefte Weife, in irgend eine Art von
Revolution mifchen würde, ohne vorher ein Rare
oder ein Schurfe geworben zu ſeyn.“ —
Nach diefer politifchen Abfchweifung kommt
v. K. fogleih auf die Begebenheiten, welche
ſchon nach fünfoiertel Iahren und im neunten
Monate ber übernommenen Theaterregie die Aus⸗
führung des Entfchluffes, fein Amt nieber zu
legen, bewirkten. Er erzählt, daß die Auffrifchung
eined alten Wiener Theatergeſetzes, zu Folge
deſſen puͤnktlich alle Drei Wochen ein neues großes
Schaufpiel geliefert werben follte, viele Zufrie⸗
derheit im Publito, deſto größere Unzufriebenheit
unter ben Schaufpielern veranlaßt habe; — daß
biefe Unzufriedenheit durch feine Bertheilung
der Rollen, durch die auf feine Vermittlung
engagirten neuen Gchaufpieler noch fehr geſtei⸗
— 2 —
gert, und daß fo unter den Schaufpielern ein’
Zeuer der Feindfchaft wider ihn erzeugt Tey,
welches, unter immer neuen Verlaͤumdungen,
endlich ausbrach. Die Schaufpieler und Schau⸗
fpielerinnen bilveten zwei Partheien, deren größte,
bei weitem zahlreichfte, den feindfeligen Sinn ges’
gen v. K. überall hervortreten ließ, und fich mit
manchen Befchwerden an den Director des Then
terö, den Baron von Braun, wandte; häufig
‚ zwar nur mit allgemeinen Klagen, öfter aber
auch unter Anflhrung fpecieler Urfachen der
Unzufriedenheit. Bei näherer Nachfrage ergab
fih denn auch leicht, daß die gegenfeitige Span:
nung nicht das Werk augenblidlicher Leidenſchaft
und Aufregung war, fondern, Daß die gegen
v. Kotzebue aufgebrachten Mitglieder ſchon feit
Monaten ein genaued Tagebuch führten, worin
jedes unziemliche Wort, jede von K. erbuldete
unbill nach Tag und ‚Stunde verzeichnet war,
Doß, da v. 8. Kein gleichförmiges Betragen
feftzubalten im Stande war, da er, in allen
perfönlichen Beziehungen fehr veigbar, fich fo
leicht von der Gewalt des erſten Eindrucks hin
reißen ließ, in jenem Suͤndenregiſter manche
wenigftens auf Unbefonnenheit hinweifende Anek⸗
Dote verzeichnet fland, iſt nicht. zu bezweifeln;
doch hatte Herr. v. Kogebue der Negie des
Theaters mit dem. beften Willen vorgeflanden und
fih Feine wefentlihern Fehler zu Schulden
kommen laflen; weshalb er, fobald er von den
feindfeligen Umtrieben näher unterrichtet war, -
fofort auf eine genaue Ausmittlung und Unters
fuhung der wider ihn erhobenen Beſchwerden
antrug. Er felbft veranlaßte, daß ſchnell, ohne
‚weitere Vorbereitung und Machinationen, jedes
Mitglied der Hoffchaufpielergefelfchaft tiber bie
Urfachen ber Unzufriebenheit vom Herrn v. Braun
befragt und: zu Protokolle vernommen wurde.
Diefe Maafregel wirft ein günftiges Licht auf
den. Berläumbdeten und beweif’t.fein gutes Ges
wiflen; doch zugleich auch feine. Unüberlegtheit
und. feine Unfähigkeit, eine gute Abficht tadellos
durchzuführen. -. Bei der Vernehmung der Unzus
friedenen enthielt fich Herr von Kogebue nicht
nur nicht, ununterbrochen nerfönlich gegenwärtig
zu ſeyn, ſondern ex führte ſogar eigenhändig das
— MA —
Protokoll. Solche argen Verſtoͤße gegen bie
erſten Begriffe einer partheiloſen, freien Unter⸗
ſuchung fallen theilweiſe dem Herrn Baron von
Braun, doch "ganz beſonders dem ehemaligen
Präfidenten eines Juſtiz⸗Collegii (der Gpuver-
nementös Magiftrat zu Reval ift der Zuftizapels
Yationshof der Provinz Eſthland) fehr zur Laſt.
Die Zolge der Verhandlungen war bie, welde
man leicht errathen kann: dort, dem Herinv. K.
gegenüber, der neben dem Heren von Braun
bie Geber führte, fagten bie einzeln herbeiges
zufenen Schaufpieler nichts Wefentliches aus,
und verloren fich höchftens in allgemeine Aeuße⸗
zungen der Unzufriedenheit, weshalb ihnen Tein
Vorwurf zu machen, am wenigiten der harte,
welchen Engel als das Refültat feiner Erfah:
zungen öfter audfprach, wenn er behauptete:
man könne häufig in einer Schaufpielergefellfchaft
alle Lafter realifirt finden, nur die nicht, zu
welchen perfönlicher Muth gehoͤrt. —
Oft trifft man den Herrn v. K. in Situatios
nen, wo man gar nicht begreifen Tann, daß ein
fonft vernünftiger Mann mit fo befangener Blind»
— DO —
beit feinen eigenen Standpunkt verkennen kann. Cs
bedarf wohl keines Beweiſes, daß die Nieder⸗
legung der eigentlichen Klagepunkte wider ihn
geſtoͤrt, vielleicht unmoͤglich wurde, da hier
ſeine Gegenwart ſo ſtoͤrend ſeyn mußte; doch er
ſelbſt findet, immer mit ſich zufrieden, in dieſer
Unziemlichkeit einen froͤhlichen Beweis ſeines
guten Gewiſſens. Seite 36 der Vertheidigungs⸗
ſchrift ſagt er: „Daß ich ſelbſt bei der Unter⸗
ſuchung gegenwaͤrtig war, ſollte, ſtatt der haͤmi⸗
ſchen davon gemachten Auslegung, vielmehr dem
Baron Braun als ein Merkmal feiner feinen
Schonung verdankt werben (!), da er Alles in
ber Stille abzuthun wünfchte, und folglich kei⸗
sen Fremden zur Aufnahme des Protokolls ges
brauchen mochte.” (Diefes ift fo ein v. Koges
vue'ſches Motiv; die Zroietracht felbft war offens
kundig genug, und die Unterfuchungsverhandlungen
mußten ed, man konnte es zuvelaͤſſig vorbers
fehen, fchnell werden. Es waren partheilofe
Perfonen genug davon unterrichtet, man hatte
mithin nicht nöthig, einen Fremden ald Pros
tocollfuͤhrer zuzuziehn; es iſt nicht denkbar, daß
Hoftheatrals Direktion eingereichten Vertheidigung
‚bat Herr von Kogebue dringend um feine Ent»:
laffung und erhielt fie noc, vor dem Jahres⸗
ſchluß 1798, indem mit dem Neujahre 1799 ein
neuer Ausfhuß errichtet und dieſem die Regie
ber kaiſerlichen Hoftheater übertragen wurde.
Dem BVerabfchiebeten verlieh der Kaifer die. Vers
fiherung: eines lebenslänglichen Jahresgehalts
von 1000 Gulden, und ernammte ihn zugleich
zum Paiferlichen Hoftheaterdichter, mit der beſon⸗
dern Erlaubniß, feinen Aufenthaltsort nach Bes
lieben zu wählen. Die einzige Verpflichtung,
welche ihm diefe Ernennung auferlegte, war,
Daß er feine dramatifchen Arbeiten den Wiener
Hoftheatern jedesmal zuerſt, nicht aber alle in
zuzuſenden ſich verband. —
So ſchied von Kotzebue von Win; Er
ruft der veichen Kaiferftabt, die er mit fo großen
Hoffnungen betrat und unter fo manchem Vers
druſſe verließ, dieſen Abfchied zus: „Ich werde
vielleicht Wien nie. wiederſehen; aber unvergeßlich
bleibt mir die Aufnahme, bie ich daſelbſt in dem
beſten Haͤuſern gefunden; unvergeßlich hie zus
—
vorkommende Gaſtfreundſchaft des Einen; die
biedere Herzlichkeit des Andern; die feine Geſel⸗
Ugkeit des Dritten; hier zwanglofe Freude, dort
ungefuchter Witz; hier die gefehmadvolften Luft
barkeiten, dort bie feineren Vergnügungen der
höheren Bildung; überall Sittlichkeit in der
zarteften Vereinigung mit Grabheit, dieſem ei⸗
genthümlichen Charakter ver Deftereicher. — O,
wenn ed in Wien feinen Staub und keine .
Tagebücher (man erinnere ſich des von dem.
Schaufpielern Über Kotzebues Betragen bei ber
Zheaterregie geführten Tagebuches) gäbe, wo
fände man einen reizendern Aufenthalt!" —
Diefes Lob Wien's, welches in feinen Haupt⸗
gügen jeder unpartheiifche Beobachter beftätigen
muß, erinnert an nähere Erkundigungen, bie
man über Kogebue’s Schidfale, fpäterhin, als
Nie Aufregungen der Leidenſchaften fich gelegt
hatten; während eined längeren bortigen Aufent=
haltes einzuziehen Gelegenheit fand. Fortwaͤh⸗
rend hatte v. K. dort feine Freunde und Ver⸗
ehrer, wie feine Wiberfacher und Gegner: die
ungünfligen Urtheile und die Lobfprüche vorur⸗
theilsfrei gegen einander abgewogen, muß- man
als entſchieden annehmen, daß er das ſchwierige
Geſchaͤft der Theaterregie mit redlichem Willen
und großem Eifer, zur Vervollkommnung der
Hoftheater zu wirken, uͤbernahm, daß er viele
Kenntniß des deutſchen Theaterweſens im Allge⸗
meinen mitbrachte, und ohne ſich durch Hinder⸗
niſſe irre machen zu laſſen, manches Nuͤtzliche
und Gute bewirkte. Dagegen wurde er in die
erzaͤhlten Unannehmlichkeiten verwickelt durch die
ihm mangelnde Kenntniß der ſpeciellen Cabal⸗
und Perſonalverhaͤltniſſe, durch die Leichtfertig⸗
keit, womit er ſich dem Vertraun und dem Miß⸗
traum hingab, durch die in fich tragende Eitel⸗
feit und duch Unvorfichtigkeiten, zu denen ihn
feine Reigbarkeit nur zu oft hinriß. Je mehr
Sinn Herr v. Kogebue für die Zreuden eines
genußreichen „geſellſchaftlichen Lebens hatte, um
ſo mehr gefiel er in dieſer Hinſicht in den Wie⸗
ner ‚Birkeln, die ben gebildeten Fremdling mit
fo großer Wilfährigkeit in ihre Mitte aufnahs
men. — Unmittelbar nach feinem Rüdtritte von
ber Theaterregie erließ der Baron von Braun
— 270 —
xin Cirkularſchreiben an bie Hofſchauſpieler, im
welchem er des Herrn von Kotzebue's ehren⸗
voll gedenkt, mißbilligend der wider ihn gemach⸗
ten Raͤnke, erwaͤhnt und ſeinen Verluſt mit allen
Zeichen der Freundſchaſt beklagt.
Fuͤr den vielfach gehabten Verdruß ſuchte ſich
Herr v. Kotzebue zu entſchaͤdigen, indem er
im Fruͤhling und Sommer 1799, in ber Ge=
ſellſchaft feiner Familie ‚. Erholungsreifen durch
das füdliche Deutſchland machte, und dann nach
ſeiner Vaterſtadt ging, die immer fuͤr ihn ſo
vielen Reiz hatte.
Hier in Weimar, wie immer, in großer lite⸗
tarifcher Thätigkeit, in der Nähe feiner würdigen
Mutter," an der fein Herz mit kindlicher Liebe
hing, ſchien er ein erwünfchtes Aſyl gefunden
zu haben — doch nur auf kurze Zeit. — Welch
eine reiche Folge wunderlicher Bilder iſt bad
Leben diefes Mannes! —
Gegen das Ende des Jehres 1799 gebich im.
Herrn v..Kogebue, durch eine ſteete Unruhe:
N
im aͤußern und innern Leben umhergetrieben, ber
Entſchluß zur Reife, Weimar zu verlaffen und .
die ruffifhen Stasten wieber äu-befuchen. Je⸗
Der vernünftige Mann wieberrieth ihm die Auss
führung. folhed. Planes, bei der damaligen
Lage ber Dinge, da Kaifer Paul bekanntlich eine
allgemeine Sränzfperre angeordnet, und einen mit
(ehr harter Behandlung in Verbindung flehenden
Verdacht gegen: alles vom Auslande Kommende
taufendfältig. gezeigt hatte. Beſonders wider:
wöärtig waren,-wie bekannt, dem Kaifer Schrifts
#eller, welche, wie Kotzebue, über alles mit⸗
zuſprechen die Gelegenheit ſuchten, und als Pas⸗
quillenſchreiber beruͤchtigt waren. K. beharrte,
der Warnungen ungeachtet, bei feinem Vorſatze
und fand die. Motive Diefer gefahrvollen Reiſe
in dem feiner Gattin angeblich ſchon bei der Ab⸗
reiſe aus Rußland gegebenen Berfprechen, fie
nach drei Jahren in die Arme ihrer Verwandten
und Freunde zurückfuͤhren zu wollen, in der
Sehnfucht, feine in Petersburg zuruͤckgelaſſenen
Kinder zu. umarmen, und in ber Nothwendigkeit,
über feine und feiner Frau dortige‘ Beſitzungen
Unorbnungen zu treffen, die eine perföntiche Ge⸗
genwart nothwendig machten. Nur vier Monate
foßte die Reife dauern, Durch den ruffifcher
Sefändten zu Berlin, Herrn von Kruͤdner,
bewarb ſich Herr v. K. nach jenen Zwecken ſei⸗
ner Reife um die erforderlichen Paͤſſe. Er er⸗
hielt eine ‚günftige Antwort mit dee Aufforderung,
den beabfichtigten Weg der Reife ungefäumt ana
zuzeigen, bamit den Schwierigkeiten, die, ohn⸗
geachtet des Paffes, auf der Gränze flattfinden
würden, durch einen ausbrüdlichen Befehl vors
gebeugt werben koͤnnte. — Diefe Anzeige fhidte
er fofort ein, und barauf benachrichtigt, daß die
Päffe in Berlin zum Empfang bereitet, beganız
er am 10ten April 1800,. in Begleitung feiner
Frau und drei Feiner Kinder, von Weimar aus
das ungluͤckliche Reifenbentheuer, welches er felbft
in zwei Bänden, unter dem Titel: „Das merk
wüuͤrdigſte Jahr meines Lebens," Befchries
ben hat. Wie nothwendig, wird fi ‚die nachz
folgende Erzählung mit möglichfter Treue jener
- Darftellung anfchliegen und fortwährend auf
diefelbe verweifen, —
Here von Kogebne kommt ach Berlin, a
findet dort Freundesbriefe aus Lieflanb: und: Pe⸗
tersburg, die ihn warnen, : „wohligusbebenten,
sb auch dad Klima feiner Geſundheit. zutraͤglich
| 3z er dringt in ben Geſandten, ihm aufrichs
tig zu fagen, eb wohl die‘ Erlaubniß zur Ruͤck
zeife, nach vier Monaten, Schwierigkeiten haben
Sinne; Herr von Krüdner raͤth ihm, nochmals
nach Peteräburg zu fchreiben und ſich vorher: der
Erfüllung dieſes Wunſches zu vergewiſſern; buch
beides nimmt ©. K. auf die leichte Achſel und
reiſ't von Berlin ab, mit. einem Waffe verſehen,
der im Namen und auf Befehl des Kaiſers aller
Reuffen auögefertigt war. (Thl. 1. Seite 9)
Auf der. Reife neue. Warnungen, die fortwaͤh⸗
zenb unberuͤckſichtigt bleiben. Er paffitt die preuß.⸗
zuflifhe Graͤnze, wird von einem: Koſaken nach
Polangen begleitet, dort arretirt und unter Be
ſchlagnahme feiner Papiere nach Mitau trans⸗
portirt. Da er von feiner Familie nicht: getrennt
wird, ermuthigt:sä fih, nachdem ber. erſte Schrei
vorüber, und hof; der Kaifer: werke ihn aus
feinen Papieren ganz kennen lernen,
18
— Wi —
Hofrath Schtf chekatichin, ben v. K.in uͤbler
Stimmung, mit den graͤßlichſten Farben ſchildert,
und eines gar hohen Grades von Beſtialitaͤt bes
ſchuldigt, übergeben. Die Thatfachen, welche Hr
v. 8. in bem ganzen Berichte feines Zufammens
lebens mit jenem Hofrath erzählt, zeigen dagegen
von einer fehr glimpflichen Behandlungs = Weife
diefed. Mannes; dennoch iſt der Gefangene gegen
den Vollzieher des unangenehmſten Auftrage®
hoͤchſt erbittert und meint: „daß bie Wahl eines
Begleiters für mich auf feine Perfon gefallen,
war gewiß micht die Schuld des Kaifers, der
ihn ſchwerlich kannte; denn ich denke, dieſer ges
bildete Monarch würde aus mancher KRuͤckficht
mich mit einem ſolchen Manne nicht gepaart
haben.’ (Thl. 1. S. 50.) So fehr- wurde Hr.
v. K. durch die fpdter erfolgten Faiferlichen Gna⸗
—— verwoͤhnt, daß er keinen andern
Gedanken hegen konnte, als den, der Kaiſer
muͤſſe die Abſicht gehabt haben, ihm waͤhrend
feiner: Gefangenſchaft und Reife einen Aufſeher zu
geben, der, mit der groͤßten Geiſtesbildung, auf
die angenehme Unteraltung des alle Rüdfihten
— 277 —
ber Zartheit in. Anſpruch nehmenden Gefangenen
Sorge trage, ſich in jede feiner. Launen ſchicke,
und ihn, wenn xs ihm gefällig wäre, ſogar ent⸗
dichen laſſe. —
. Man behandelte ihn mit großen Schomung;
biefe „egards,“ die man für ihn. hatte, ſetzt
er natürlich nicht auf die Rechnung bes „gefühls
Yofen Herrn: Hofrath6," fondern.;meint, fie
wären gewiß. van höherer Hand geboten warden;
welches, wenn es erwieſen werden koͤnnte, ‚in der
That eine große Merkwuͤrdigkeit wäre, denn von
ben „egards,“ :bie.ber Kaiſer Paul fonft beftäns
big gegen bie nach Sibirien Verwiefenen kenhachs
ten ließ, find außer der Anute und dem Nafeaufs
fhligen im Auslanbe ‚keine bekannt. geworben,
( Thl. 4. Seite-62,) : Ungeachtet . auf:die Bes
ſchleunigung der Abreife .gebrungen ‚purbe, gab .
man ihm doch Zeit, fich ein. bequemes Fubrwerb
onzufehaffen, rieth ihm, fich mit Gelde zu verfors
gen, Wäfche und, Betten mitzunehmenund andere .
Reifebedürfniffesugupaden. — Die Kammerfrau,
ber v. K. bei feinen. ferneren Erzählung. oft dank⸗
bar gebenft, die Wingige, deren, Herz beim
Abfchiede niht krampfhaft zuſammen⸗
gefhnürt 'war, ‘die daher weinte (Theil, 1.
©. 63.7, beforgte des über ben Schmerz bee
Trennung Untröftlihen Reifeequipage, aber vers
nachläffigte DieBefolgung jener-vorforglichen Rathz
ſchlaͤge theilweife, doch in Hinſicht der Hauptfachen
muß fie. weht nichts vergefien haben, fonft würde
ie Dienſtherr nicht verfehlen fie in dieſer Schrift
als eine liebloſe Seele an ben Pranger zu flellen,
wie weiterhin fo vielen wiederfährt. Im. Gegens
theil: heißt. fie in der Inhaltsanzeige des zweiten
Thells: „Die odelmuͤthige Kammerjungfer
Katharina & eng mann“ und gelegentlich wird
erwähnt, daß ohngeachtet ber oͤftern Klagen über
Entbehrung ‚aller nöthigen Lebensbeduͤrfniſſe, ber
Wagen ſehr gut verforgt gewefen: feyn muß, bis
auf die Liqueurs, die der Hofrath austramt, und
das nothwendigſte Silbergefchler, welches unge⸗
fährbet die ganze Hin⸗ und Ruͤcreiſe mitmadjte,
Den Schmerz des Abſchiedes fchildert v. K.
auf: das Ruͤhrendſte. Die Geſellſchaft beſtand
aus dem uͤbelbezeichneten Hofrath und aus einem
Senatskourier, Aleranber Schuͤlkins, be
eine wahre, aber gutaräthige Veſtie genanut wird.
(Zhl. 1. Seite 58.)
Als der Tchredliche Augenblick ber Zremung
. vorüber war, ermuthigte fich der bis dahin vom
Schmerze VBernichtete wieder; er. hoffte, im Ver⸗
traun auf feinen „ſchuldloſen Lebenswan⸗
der’ von der Zukunft das Beſte (Seite 67.) —
Die Reife ging in der Nacht. von. Mitau nah
Riga; bei der Weiterreife bemerkte Hr; v. 8.
nach kurzem Schlummer, bei anbrechendem Tage
zu feiner großen Beſtuͤrzung, daß ber Wagen
die ihm bekannte Heerſtraße nach Petersburg ver⸗
laſſen, und einen ihm unbekannten Weg, der Duͤna
entlang eingeſchlagen habe. Seine Beſtuͤrzung
flieg bis zur Verzweiflung als ihm auf. ber. naͤch⸗
ſten Station der Senatskourier heimlich Yertraute,
er werde nicht nach Petersburg, ſondern neck
Tobolsk geführt; doch. ließ ex Sich: von biefer
empfangenen Ungluͤckskunde gegen den Hofrath,
„ber ſich eben fo. wenig auf Menfchengefichter,
als auf Kuckuckteier verſtand,“ (Thl. 1. ©. 72.)
nichts merken; durch das Rütteln bed Wagens
zu einiger Beſtumig gekommen, erwachte ber
Gebanke can: Fin chto Dieſe zu vollfuͤhren, rech⸗
nete er auf die thaͤtige Unterſtuͤtzung feiner. hier
in Liefland:wohnenden Bekannten, und als erfle
Zuftucht: richtete» er fein Augenmerk auf. Das: dem
Kammerheren von Beyer gehoͤrige und von ihm
bewohnt werdende Gut Stockmannshof, bei wel⸗
chen ‚die. Heerſtraße vorbeifuͤhrte. Er beobachtete
deſſen Sayligenan und. wußte durch fein dringen
bes Verlcagen den: Hofratbi'gir. beflimmen, baß
anf berindchfien Doftklation, an der Graͤnze Lies
lands Nachtlager gehalten: wurde. LUmgeben: von
waldigemäpägeln, lag, wenige hundert, Schritte
vom Poflhanfe, noch zu Stedimannähof gehörig
ein: Krug, worman übernechtete.. Früher zurüde
gehalten durch umucherlei Lebenszeichen der wachen
qhenden Hausbewohner, entfcrlüpfte endlich u Km
ww: zwei Uhr feinen ſchlafenden Waͤchtern, durch⸗
irrte, gequaͤlt von Hunger und Durſt, von Furcht
vor den Verfolgern, von Gewittern, Regen, Ha⸗
gel, von» Sonsenhige und. von den Gebilden
aufgeregter: Phantafte, den Tag Uber die. Gegend,
und. erftihte um elf Uhr muͤhſam Stockmanns⸗
hof. Die Erfcheinung des Fluͤchtlings ſetzte den
— OB —
menſchenfreundlichen Beſttzer in die Aräßte Der:
legenheit, beſonders. da jener, nachdem .er- ben
Heißhunger geftilt; :Hälfe und Rettung von dem
Kammerherrn forderte, indem ihn dieſer auf eines
feiner: entfernten: Guͤter ſchicken und dort verber⸗
gen: fol. Herr: von Beyer und ſeine Gemahlin
ſchwankten, was Bier" zu machen fen... als ein
Freund des Hauſes (den v. K. Proftenius
vennt und ihn, ba er: ſich feinen Planen wider⸗
ſetzte; auf feine Weiſe, in ein widerwuͤrtiges
Licht ſtellt; er hieß Brescius, und war, nach
unpartheiiſchen Zeugniſſen, ein rechtſchaffener, ed⸗
ler, allgemeingeachteter, ruhiguͤberlegender Rann
wie auch ſchon daraus. vermuthet werden Fan,
daß er ber vertrante Hausfreund':einer: Familir
war, die Hr. 9. K— als hoͤchſtverehrungéwerth
fchildert --) bewies, daß der Plan der Rettung
bei der gegendaͤrtigen Lage der Dinge völlig und
ausfuͤhrbar ſey daß, ohne Hrn. v. 8; zu retten,
die ganze Familie des Hauſes in das größte Un:
gluͤck geftürzt wirbe;;: „Schon fey,",faigt er, „bet
Oofrath, den Flüchtäng ſuchend, in, veefloffenen
Tage wieder auf dem: Gute gemefen, und von
— 182 ou \
dort nach Riga geeilt; nachdem er bie: ganje Ges
gend. aufgeboten, unter dem Verſprechen nam⸗
bafter "Belohnung die Einfangung bes Entflohes
nen :anbefohlen, und zu derſelben alle möglichen
Maasregeln getroffen habe. An ein Berheimlis
chen Kußebue’6 fey um ſo weniger zu gedenken,
ba das ganze herrſchaftliche Domeflifenperfonale ‘
bereits feine. Ankunft wiſſe; dagegen fey des Un⸗
glücklichen: Rettung am ſicherſten zu bewirken,
wein man zögernd :&je Zeit benutze; ber Gou⸗
‚verneur. von. Riga, ber General Rehbinder,
ein Verwandter bed. Haufes, muͤſſe unbezweifelt,
bes. Vorfall wegen, nach Petersburg betichten,
und dieſe Gelegenheit möge-&— zu feiner Vers
theibigung benutzen. — Kotzebue blieb dabei, feine
Rettung zu: verlangen, ohne das namenlofe
Elend, welches eine fchuldlofe. Familie, bei
bem Mißlingen des Berfuches nothwendig tref⸗
fen mußte, irgend einer Berüdfihtigung zu
würdigen. Die vom Hofrath vorgezeigten kai⸗
ferlichen Befehle machten, ohngeachtet ber fort=
dauernden gaftfreundblichen Bewirthung zu Stods
mannshof, für. die Nacht eine nähere Aufmerk⸗
— 283 —
ſamkeit auf bie Perſon bes Hrn. v. 8-5 nothe
wendig, bie er. aber ſehr übel nimmt und bem
Herrn Brescius zum großen Verbrechen ans
zechnet. Ja Hr. 0.8. verfichert: „Sch. verfichere
auf meine Ehre, daß ich an der Stelle bes Hrn.
von Beyer, felbit mit den zarteſten Begriffen
von Unterthanenpflicht, die Vorficht nicht fo weit
getrieben Haben würde.” — (hl. 1. ©; 124.)
Der Berichluß der Fenfterladen ift- ihm. beſonders
unangenehm; es. fcheint ihm binlänglich, - wenn
vor Zhür und Fenſter eine Wache” geftellt: wäre.
„Hatte ich,” fügte er hinzu, „Lift und Gluͤck
genng, dieſe Wache zu hintergehen, fo. war Herr
bon Beyer (nad Kotzebue's Meinung) auffer als
fer Verantwortung; benn wer Tonnte von ihm
fordern, daß er in feinem Haufe ein Magazin
von Riegeln und Ketten für Staatögefangene m
Bereitſchaft Halten ſollte? — Ah Proftenius!
Proſtenius! auch das war gewiß bein: Werk!
du wollteft, daB es in meinem Schlafzimmer eben
fo finfter ausfehen ſollte, als in deinem mitleids
Tofen Herzen. ZH 1. S. 125.) —
Am Morgen 'fehrieb v. K. Briefe an ben
— 484 —
Kaiſer, au den Grafen Pahlen, am den oͤſtreich⸗
ſchen Geſandten zu Petersburg, und an ſeine
eigene: Frau; indeß erhält:.er Nachricht von der
Ankunft :des Hofraths und des Senatskouriers.
Beide treten ein und machen ihm, nach eigenem
Geſtaͤndniſſe, gar keinen Vorwurf, behandeln
ihn nach wie vor, ob feine Flücht, wäre fie nicht
verhindert worden, beiden gleich das größte. Uns
glirck zugezogen haben wuͤrde, zuvorkommend
freundlich und: hoͤflich; fie begnuͤgen ſich, ihm
nur das bei fich führende baare Geld, was jedoch
fein Eigenthum bleibt und nur in Verſchluß ge⸗
nommen wird, abzunehmen, um fo den Vexrſuch
einer zweiten Flucht zu erſchweren. Diefe letztere
Maaßregel. wird fo ſchonend ausgefuͤhrt, daß er
ein Sackchen wit hundert Rubeln, das ihm ein
Maͤdchen heimlich reicht, verborgen behalten
kann — — und dennoch wind ber Hofrath, ber fo
bei. einer. ſchweren Pflichterfüllung zarte Menfchs
lichkeit übte, von Hrn. 9.8. mit ſchnoͤder ‚Vers
achtung hingeſtellt. |
In Stodmannshof mit vielen Veweiſen der
thaͤtigſten Menſchenfreundlichkeit ausgeſteuert, mit
— 288s —
Pelzſchlafrock, Tuchmantel, Schlafmuͤtzen, Stier
feln, Lebensmitteln und andern Reiſebeduͤrfniſſen
beſchenkt, ging dann bie Reife mit verdoppelter
Borficht ſchnell ihrem traurigen Ziele entgegen.
Wenn in den Pofthäufern übernachtet wurbe,
traf man Vorfichtsmaaßregeln, zur Sicherung
ber Perfon des Gefangenen; man ftellte Wachen,
verſchloß die. Benfterladen u. f. f. melches jener
„gewaltige Anflalten” nennt. — V. K—s Ges
fundheit litt ſichtbar, die Zeichen der Theilnahme
welche fein Auffeher bewies, mißt jener in feind=
licher Verblendung, nicht dem Menjchengefühle
nur ber Beforgniß bei, die dem Hofrathe der
Gedanke der Berantwortlichkeit machen fol. Da
Vegterer zu. einem abzufendenden kurzen Rapporf
längere Zeit verwendet, entſcheidet v. K. daß
er Fein großer Sefchäftsmam, „mithin zu nichts
zu gebrauchen fey, als zum Büttel,. ber die Vers
sirtheilten auf den Richtplag ſchleppt.“ (Thl. 1-
Seite 154.)
: ‚Die Reife führt über Polozk, Smolensk, nad)
Moskau, wo des Gefangenen zunehmende Entz
bkraͤftung einen zweitägigen Anfenthalt nothwendig
— WE —
neuem Schreien, daß der. Laiferliche Beſcht das
Zobolokꝰſche Gouvernement. nicht ‚aber; bie Stadt |
Tobolsk zu feinem Aufenthalte anweife, weshalb
. ber angenehmen Lage und des guten Schlages
der Einwohner wegen, bad. 43% Werfte oder 64
deutfche Meilen weit zur Seite gelegene Kurgan
zu - feinem Fimftigen Wohnorte gewaͤhlt wird;
Da ihm indeſſen vergoͤnnt bleibt, zu feiner Er⸗
holung mehtere Tage in der Gouvernementsſtadt
zu verweilen, ſo wird ihm die Freude, ſich uͤber
die großen Augen zu beluſtigen, die .der nım ſeine
Auffehenfamttionen beendet. habende Hofrath macht,
als er fieht,. daß fo viele Menfchen: in Tobolsk,
ihm, dein Herrn von Koßebue „ven: Hof mas
hen; (Thl. 41. ©. 219), und bie Verfiherung
verläutet,. „baß mehrere feiner (bed Hrn: v. 8.)
Stüde.. anf dem Zobolöfifchen Theater geſpielt
werben, freilich elend, aber doch mit großem Beia
fall, vaß daher feine (des Hrn. v. K—s) Anz
kunft in ber Stadt mehr Senfation gemacht habe,
als wenn ber: KRaifer ſechs Generale en
Chef hingeſchickt var “(he 1.
Seite. 224.). — : Br
Unter To erheiternden Abfpekten benutzt v. K
och die Zeit’ feines bortigen Aufenthalts zur
Ausarbeitung eines Memorial an ben Kaifen,
worin er ‚bittetihn feine Schuld. wiffen zu lafs .
‘fen, damit er fh vertheibigen koͤnne, und um
Begnabigung .Mpht. — Die Beforgung beffelben
uͤbernahm der Gouverneur; der Beförderung ber
Kaufleute. übergab er zehn. Briefe anfeine zuruͤck
gelaffene Gattin. Nachdem er ſich mit den Le⸗
bensbeduͤrfniſſen mancher Art verfehen, von einem
Freunde ſich Buͤcher geliehen, und einen Bedien⸗
ten genommen hatte, deſſen eigentliches Hand⸗
werk Betruͤgen war, ber gut baden: und kochen
konnte, überall Beſcheid wußte und den -Kuppfer
fpielte (Thi. 4. ©. 249.), trat er den 13ten
Inni a. St. feine Reife zu dem Orte feiner Bes
flimmung an; wo er,' na ben Empfehlmgen
des Gouverneurs mit der zuvorkommenden Hetze
Aichkeit aufgenommen wurde, bie zwiſchen Uns
glüdsgefährten ſo natuͤrlich iſt. Schnell richtete
fh v. K. fo gut ein; als ed die Srtlichen Vers
haͤltniſſe irgend verflatteten. Seite Lebensorbnung
befchreibt er folgender Geftalt:: „Morgens um
19
— 290 —
ſecht Uhr-fland ich auf, und wendete eine Stunde
‘am, ruffiſche Vokabeln auswendig zur lernen; denn,
da von allen Bewohnern des ganzen Stäbchens
niemand eine. andere. Sprache,. ald bie: ruffifche
verfland, fo war es für mic hoͤchſt nothwendig,
daß ich ſie beſſer zu erlernen ſuchte. Dann fruͤh⸗
ſtuͤkte ich, wu ſchrieb mehrere Stunden an der
Geſchichte meiner Leiden. Nach dieſer mir faſt
lieb gewordenen Arbeit ging ich, gewoͤhnlich in
Schlafrock und Pantoffeln, eine Stunde am To⸗
bol ſpatzieren, wo ich mir einen Gang gerade
von.zwei Werften abgemeſſen hatte, und wohin "
ich durch ‚die Hinterpforte gelangen Tonnte, ohne '
jemanden zu begegnen. Bei meiner Zurüdtmft
las ich. noch .eine. Stunde im Seneca; dann vers
zehrte ich mein frugaled Mittagsmahl, warf mich
aufs Bett, ſchlummerte, und las dann in Pallas
der Gmelins Reifen, bis Sokoloff Fam, mich
zur Jagd abzurufen. Nachher tranf er gewoͤhn⸗
li Thee mit mir, wobei wir unfere Schidfale
wiederholten und einanber unfere Hoffnungen mits
theilten, oder unfere Furcht gegenſeitig mit ſchwa⸗
chem Glauben befämpften. Wem er fort war,
v .
.%*
— 291 —
las ich wohl noch eine Stunde im Seneca, ſpielte
dann. eine Weile grande patience mit mir ſelbſt
und ging enblichwmehr oder weniger ſchwermuͤthig
Schlafen, je nachdem — faſt fchame ich mic, es
zu gefteben — das Spiel mehr oder weniger
guͤnſtig für mich ausgefallen war." — (Thl. 1.
S. 298.) „Da ich immer ein felßenfchaftlicher
Jaͤger gewefen bin, fo gab mir die Erlaubniß
zu jagen einen fehr angenehmen Zeitvertreib.” —
(S. 305.) „Ein anderer, mid oft angenehm
zerftreuender Zeitvertreib waren meine Spaßiers
gänge am Tobol. Es gab da einige Waſchplaͤtze
wo die jungen Mäbchen aus der Stadt fich vera
fammelten-, und nach dem Wafchen auch ſelbſt zu
baben pflegten. Diefes Baden wurde bei ihnen
zur bewunderungswuͤrdigen gymnaflifchen Uebung:
fie fchwammen obne alle Anftrengung über den
- Zobol hinuͤber und wieder herüber; fie gaben ſich
oft, lange auf dem Ruͤcken liegend, den Wellen
Preis; ſie ſchaͤckerten mit einander im Waſſer,
bewarfen ſich mit Sandklumpen, verfolgten ſich,
tauchten unter, ergriffen einander und warfen ſich
um; kurz, fie trieben es oft fo arg, daß die un:
19*
— 12 —
kundigen Zuſchauer alle Augenblicke fuͤrchten muß⸗
ten, ein Paar von ihnen auf immer unterſinken
zu ſehen. Alles dieſes geſchah uͤbrigens mit der
größten Decenz. Da nur bie Köpfe aus dem
Waſſer herdorragten, fo wußte man oft lange
nicht, ob Knaben oder Mädchen darin ſchwammen.
Den Bufen fehen zu laffen, konnten fie freilich
nicht verhuͤten; und das fehien ihnen auch ziem⸗
lich gleichguͤltig zu ſeyn. Wenn fie aber bes
Spieles muͤde waren, und nicht laͤnger im Waſ⸗
ſer bleiben wollten, ſo betrugen ſie ſich ſehr
ſchamhaft, und baten den neugierigen Zuſchauer
entweder fo lange, bis er ſich gutwillig entfernte,
oder, wenn dieſer zuweilen mit boshafter Scha⸗
deufreude dennoch ſtehen blieb, fo zogen die Maͤd⸗
chen am Ufer einen dichten Kreis um die Nackende
die aus dem Waſſer hervorkam. Jede warf ihr
dann ein Kleidungsſtuͤck zu, und in einigen Au⸗
genblicken ſtand ſie zuͤchtig gekleidet unter den
uUebrigen. Immer waren dieſe Maͤdchen munter
und muthwillig; immer lachten und ſchaͤckerten fie.
Der Stabtooigt, ein großer Verehrer des ſchoͤnen
Geſchlechts, Fam zuweilen gegen Abend zu mir,
— 1 —
blos um ſich an mein Fenfter zu feßen, und bie
fänmtlichen Schönheiten von Kurgan, welche im:
mer von Zeit: zu Zeit Waſſer holten, vorbei paf-
firen zu fehen. Er nannte mir dann eine nad
der andern, rühmte auch mehrere als gutwillig;
und die verſchaͤmte Freundlichkeit, mit ber fie
ihm zuzuniden pflegten, bewies, daß er aus Er;
fahrung ſprach.“ — (Thl. 1. &. 306.)
Mit den,: durch die ganze Kobebuefche Ber
fihreibung des merfwürdigften Iahres feines Les
bene fortgehenden Hinbeutungen auf ein unendlich
zaͤrtliches ehliches Verhaͤltniß, bildet das ‘öfter
wiederkehrende Verweilen bei ſolchem, große Luͤ⸗
ſternheit verrathenden, „zerftreuenden Zeit:
vertreibe“ einen ſeltſamen Kontraſt. Wie heiß
er auch die Sehnſucht zu feiner Gattin ſchildern
mag, fo verfäumt er doch Feine Gelegenheit, mit
Bohlgefallen ſich andere Schönen, bie ihm auf
dem Lebenswege begegnen, zur Kürzweil dienen
zu laffen, und darüber mit einer -wohlgefälligen
Ausführlichkeit zu reden. Beſonders ift es, nach
feinem Geftändniffe, die boͤſe Langeweile, bie
feine Aufmerffamteit den Srauenzimmern zuwen⸗
— 204 —
det. So erzaͤhlt er z. B. von ſeinem Aufenthalte
in Kaſan, der ihm ſehr langweilig verfloß (Seite
490.): „Eine einzige Beine Zerfireuung gewährte
mir ein fehr huͤbſches junges tatariſches Weib,
die Frau eines alten Zataren, der unter uns
wohnte; nicht als ob ihre Tugend und- Schönheit
mich im mindeften intereffirt hätten, fondern weil
mir bie tatarifchen Sitten fo neu waren. Kin
tatarifches Weib oder Mädchen: muß: nämlich,
fo oft fie eine fremde Mannöperfom gewahr wird,
fliehn oder ihr Geficht verhüllen, : Nun hatte die
arme junge Zrau fehr. oft etwas in einer Art
von Vorrathskammer zu, ſchaffen, welche quer
über dem Hofe, meinem Fenſter gerade gegenüber,
war. Wenn fie nun ihr.Gefchäft vollendet hatte,
und mih am Fenfter erblidte, fo zog ſie ſich
zuerſt ſchnell zuruͤck, und wartete ab, ob ich nicht
das Fenſter bald verlaſſen würde. Dauerte ihr
aber ihre Gefangenfchaft zu lange, fo’ bebedte
fie fih mit einem Tuche, ober, wenn fie keins
bei der Hand hatte, auch wohl nur mit ben vors
gehaltenen Armen, was ihr zuweilen fehr fauer
wurbe, da ſie gewöhnlich allerlei geholt, und
— 115 — I
folglich die Haͤnde nicht frei hatte. Zuweilen
verſuchte ſie auch, ſich des Zipfels ihres Halstu⸗
ches zu bedienen; dann gerieth aber wohl gar
ihr Buſen in Gefahr gefehen zu werben. Wenn
fie diefe Gefahr in aller Geſchwindigkeit verhüten
wollte, fo fiel ihr etwas aus der Hands fie mußte
fi) büden, ed aufheben; und fiehe dat Geſicht
und Buſen ſtand indeffen den ungeweihten Blicken
offen. Es iſt unmoͤglich, mehr Schamhaftigkeit
mit mehr Koketterie zu. verbinden, als dieſe junge
Frau; und zu einer andern Zeit wärben’ wich ihre
Peinen Kuͤnſte ſehr ergögt haben —
Indeß Herr v. Kogebue: feinen : Gewuths⸗
8* durch Wiederholung einiges. Stellen. aud
feinen Lektüre, dem. Seneca, ſchildert, bruͤtete &
einen neuen Plan zur Flucht aus, def Tür den
. . Ball berechnet war, daß feine geliebte-&attin
ihm nachkaͤme; dann wollte er eine zunehmende
Kraͤnklichkeit und Geiſteszerruͤttung affektiren,
endlich den Verdacht erregen, als habe er ſich
in dem Tobol erſaͤuft; dies follte nach Petors⸗
burg gemeldet, er ſelbſt vergeſſen werden, damit
er dann heimlich mit, ſeiner zuruͤckkehrenden Frau
— 106 —
nach Eſthland reiſen und von dort uͤber Schwe⸗
ben nach Deutſchland gelangen koͤnne. — Doch
eine guͤnſtige Wendung des Schickſals verhuͤtete
das Beginnen und Mißglüden dieſes abentheuer⸗
lichen Planes.
Er lebte unter ben "guten Kurganern, bie
ihn mit vffenen Armen und Herzen aufnahmen,
um fo glüdlicher, da fie ihn gar bald. auch als
Schriftfteler: bewundern lernten; nicht ald ob er
dort in Sibirien zu neuen Werken Zeit und Luft
und Muße gefunden hätte, nein! ein glüdlicher
Zufall ließ damels gerade, erwinfchter Weiſe,
in der Moskauer Zeitung den auögezeichnetes
Beifall verkuͤrdigen, welchen die Kotzebne'ſchen
Schaufpiele bei den Goglinden genoffen. Bl. L
8.322) . .
Ehe er noch irgend eine Wirkung feines
Memorials an den Kaifer erwarten Eonnte, dus
dert fich plöglich die Scene. — Schon am ten
Juli a. St. erfcheint ein vom Gouverneur abs
gefsndter Dragoner mit ber officiellen Bekannt⸗
machung, daß zu Tobolsk ein Senatds Kourier
angekommen und ben kaiſerlichen Befehl zu Kos
— 297 —
gebue's Surhäberufung Überbracht babe We
anerwarteter bie Verbannung war, um fo größer.
iſt nun die Freube, das Entzüden über die Bei
gnabigung. Aus: Gefälligkeit gegen bie, bie leb⸗
baftefte Theilnahme beweifenden, guten Kurges
mer, wohnt v. 8. an bem Zage ber Erlöfungss
botfchaft noch einem Kicchenfeite bei, wo dd
Heilige eines benachbarten Dorfes dem Gtabts
heiligen von fech6 huͤbſchen Bauermaͤdchen ent
gegengefragen wird (Xheil II. S. 13.); dann
eilt er im geſtreckten Galopp am folgenden Tage
gen Tobolsk. Unterweges nöthigt ihn eine zer⸗
brochene Wagenachſe in einem tatarifchen Dorfe
zu verweilen. Er vertreibt ſich die Zeit, indent
ee der jungen Frau feines Wirthes einen Spiegel
vorhaͤlt, (S. 22.), über die Vielweiberei Erkun⸗
bigung einzieht und erfährt, daß für die Männer
bei derfelben ber Vortheil flatt findet, eine junge
rau nehmen zu koͤnnen, wenn die fchon habende
alt wird, und daß, wenn bie Eine brummt, bie
Andere lacht. Durch die eingeftreute Bemerkung,
daß dies für die Männer fehr gut fey, nur nicht
für die Weiber — wobei er feine „huͤbſche Wirthin
— 298 — |
. anfiebt, gewinnt das junge Weibchen;“ denn fit
“bringt ihm freiwillig Eier. (Theil II. ©. 24
und 25.) - Endlich, als das Fuhrwerk wieder in
Stand gefekt, trennt man ſich mit gegemfeitigem,
berzlihen Wohlwollen (S. 29), und. der Gluͤck⸗
liche trifft den Yten Juli zu guter Zeit in To⸗
bolsk ein. Er eilt zu. dem Gouverneur, wirb
liebevoll bewillkommt, abes nievergefchlagen, dort
Beine Nachricht von feiner Frau und. feinen Kin⸗
dern zu finden. Der gefchriebene Befehl des
General: Profurators fagt: daß der v. K. augens
blilich.-in- Freiheit zu feßen, nach Peteräburg
gu fenden, und auf Koften der Krone mit allem,
was er. brauchen und verlangen werbe, zu vers
feben fey. — Hieraus, wie aus ber dem Kou⸗
zier ertheilten Specials Inftruttion, exrſieht er,
dag man in Peteröburg von feiner Unfhuld voͤl⸗
- Big. überzeugt feyn müffe; denn ed war. ja: bes
fonderd anempfohlen, für ihn auf. der Reiſe
Sorgfalt zu tragen. „Dazu hatte man aber,‘
fo erzählt v. 8. ©. 32, „eben nicht ben rechten
Mann gewählt; denn Herr Carpow (fo heißt '
der Kourier) war ein ungezogner junger Menfch,
fo bequem und faul, wie ein Schooshunb *
Er befümmerte fih um nichts; ihm war es gang
gleichgültig, ob wir fehnell oder langfam fuhren.
Auch hatte.er.gar nicht dad, Leuten feiner
Art fonft fehr eigene Talent, die Pofihalter,
Poftilione u. f. fe Dusch ein herrifches, ins
folentes Weſen, durch Schimpfen und,
Drohungen anzufpornen. Das merkte
man ihm überall fogleih an, und feine
nie zu erfchütternde Indolenz ftellte in ber Folge
‚meine Geduld auf harte Proben. Sonft. war er
‚ein recht guter Menſch, ein verborbener Apothes
Terburfche, der nortrefflich hinter den Dfen taugte,
um bei feiner Mama Butterbrod- zu eſſen.“ —
Da ift wieder ein für des Herrn v. K—8 Sinnes⸗
art fo bezeichnendes Karrikaturbildniß. Er fehnt
fih zurüd; da. die Reife aber nicht fo ſchnell
‚geht, wie ex ed wünfcht, ſchmaͤht er auf ben
.\
*) Dagegen wär Fin anderer Kourler, „ber, denfelben
. Weg madhend, die Peitfche zur Hand nahm, und
bei Menfhen und Vieh die Faulpeit kräftig
austrieb,“ bem Deren v. Kopebue ein Mann nad
feinem Herzen. (Theil II. ©. 44.)
— 300 —
ihn begleitenden Kourier, und macht ihm das
zum Verbrechen, was fuͤr den verſtaͤndigen Beob⸗
achter gerade das Wahrzeichen des hoͤheren mo⸗
raliſchen Gefuͤhles iſt, daß jener naͤmlich nicht
durch inſolentes Weſen, durch Schimpfen und
Drohungen den unvernuͤnftigen Forderungen Kotze⸗
bue's Vorſchub leiſtet. Ja, auch bie hier gat
nicht hergehoͤrige Jugendgeſchichte des ihm ein:
mal unangenehmen Mannes, der geſtaͤndlich
„fonſt ein reht guter Menſch“ ſeyn fol,
muß dazu dienen, ihn zu verläftern: er iſt ein
verborberter Apothekerburſche, der vortrefflich hin⸗
ter den Ofen taugte, um bei feiner Mama
Butterbrod zu eſſen. — Wie würde ed Herrn .
v. Kotzebue gefallen, was würde er gefagt haben;
wenn eben diefer Mann auf gleiche Weife, ohne
Dazu Beruf zu haben, ihn felbft einen verborbe:
nen weimarfchen Regierungsadvokaten oͤffentlich
genannt haͤtte, der, wenn er hinter dem Ofen
bei ſeiner Mama geblieben und Butterbrod ge⸗
geſſen, nie in die Verlegenheit gerathen waͤre,
eine Exkurſion nach Sibirien machen zu muͤſſen? —
Die Ruͤckreiſe aus Sibirien ging, des geaͤuſ⸗
— 301 —
ſerten Mißvergnuͤgens uͤber die Langſamkeit ohn⸗
geachtet, ſehr ſchnell; ſchon den 16ten Juli a. St.
erreichte v. K. Katharinenburg, den 18ten Perm,
ben 22ften Kaſan. Zu Nifchnei - Nowogorod
wird es mit zuvorkommender, faſt zubringlicher
Höflichkeit von der Pofldireftorin, einer jungen,
blühenden Dame, bewirthet, beren. Verlangen,
feine Befanntfchaft zu machen, eine Scene her⸗
beiführt, die er recht. anmuthig befchreibt; er er:
zählt: „So ein großer Freund des (hönen
Geſchlechts ich auch bin, fo fekte mich doch die
Erſcheinung meiner Wohlthäterin in nicht ges
singe. Berlegenheit. Ich fland ihr gegentiber,
wie ein Cyniker einer Aspaſia; ihre holde Freund⸗
lichkeit Eonnte meine Verwirrung nicht befiegen,
wenn mein Blid auf den zerlumpten Schlafrock
oder. gar in einen Spiegel fill. Was wurbe
aber vollends aus mir, als fih nach und nach
- daB ganze Zimmer mit Herren und Damen vom
erften Range, Ruffen und Deuffchen, füllte, die
fi) alle höflich zu mir drängten, in deren Mitte
ich ganz allein, wie ein König von Spanien,
effen mußte, bie mich bald durch herzliche Theil⸗
— MM —
nahme rührten, bald durch ſchmeichelndes Lob
verwirrten, und endli gar ben. erflen Band
meiner Schaufpiele herbeiholten, um -die Achns
lichkeit des davor befindlichen -Bildniffes an dem.
Yangbärtigen Originale zu erproben! — So reich=
liche Nahrung auch mein Körper und meine Eis
telfeit hier zugleich hefamen, fo geſtehe ich doch:
gern, daß ich dieſes Genuffes erft recht froh
wurde, als ich wieder in meinem Kibitken faß.
Dann aber — warum fol ich ed leugnen! —
gewährte es mir eine angenehme, ſchmeichelnde
Erinnerung, noch an ben Gränzen von Aſien,
und ſelbſt in diefem, dem Rufe nad) fo unwirth⸗
baren Welttheile, Freunde meiner Mufe -gefuns
ben zu haben, bie mir im bebrängten Stunden
meined Lebens. willig mit Zroft und Hülfe ent⸗
gegentamen, weil fie in mir einen alten Bes.
kannten ſahen, den fie ſchon lange lieb gewonnen
hatten. O, diefer Lohn ift wahrlich mehr werth,
als Zournallob, das heut zu Tage — möchte ich
beinahe behaupten — an lebende Dichter nie
anders, als aus trüben Quellen gefpendet wird." —
(Theil IL ©. 55 bis 57.)
— 30 —
Gleich darauf theilt Hr. v. K. ein neues
Reiſeabentheuer mit (Seite 58 bis 63), wo er
durch feine Wachſamkeit großer Gefahr, Mord -
ober Beraubung entgangen zu ſeyn wähntz jes
doch erwedt die ganze Erzählung: die Vermus
thung, als ob .diefe Gefchichte ein Spiel der
Phantaſie oder eine nicht fonderlich gerathene .
Siktion ſey. — | "
Er trifft den 28ſten Juli in Moskau ein, und
gelangt, wenige Tage nachher, über Twer, Niſch⸗
nei = Woloffihot, Nowogorod und Zarskoͤſolo
gluͤcklich in Peteroburg an. Mit der Schilderung
ber Freude des Wiederfehens feiner Gattin, feis
ner ‚Kinder, feiner vertrauten Sreunde, verbindet
er die Darftellung der Sorge um ihn, und bes
kunmervollen Aufenthaltes, den indeß feine Fa⸗
milie in Efihland gehabt gehabt, bis fie den 7ten
Suni.a..St. vom Grafen Pahlen benachrichtige.
worben, . daB des Kaifer den Verbannten nach
Deteröburg: zuruͤckkberufen, und auch ihr ben Aufs .
enthalt dafelbft erlaubt habe. Hier werden bie
Freunde der Kogebuefchen Familie zu Reval nam⸗
baft gemacht und in Kontraß geftellt, ‚mit des
— 304 —
gen, die des Hrn. v. 8. Forderungen und. Er:
voartungen nicht gehörig erfuͤllten. Befonbers
wird ed dem Gouverneur von Kurland vorgewor⸗
ten, daß er fih der Kogebuefchen Familie nicht
angenommen, ber rau v. Kogebue, als fie
fih einft bei ihm Audienz verfdaffte, artige,
nichts bedeutende Dinge: fagte. und feine. eigene
Frau mit ihrer Schwangerfchaft, die fie: hinderte
die Unglüdliche bei fich aufzunehmen, entfchuls
digte. — Die Wahrheit aber iſt, daß ber Gou⸗
werneur von Driafen ben Herrn v. Kogebue
bei feiner Arretirung und Zransportirung mit” 2
der ausgezeichnetſten Schonung und Menſchen⸗
freundlichkeit behandelte, wie die Erzählung
im erflen Xheile des merfwürbigfien Jah⸗
zes, felbft ergiebtz; daß er fich aber, mit einer
ſehr klugen Berechnung feiner officiellen Stellung;
weiterhin ſehr forgfältig von der: Kopebuefcher
Familie entfernt hielt, um fo, mit dem beften
Erfolge, gefahrlos für dieſe verlaffenen Unglüds
lichen wirken zu können. Solches politiſche Bes
nehmen machte der argwähniiche Späherblid des
Kaiferd nothwendig. —
" nn 305 [ U
Unter Sreudenfcenen mancher Art, diev. &
mit großer Reichtigfeit an einander reiht, verlebte
er bie erften Zage feiner Heimkehr zu Petersburg,
und fah gar bald die guͤnſtige Veränderung ſei⸗
nes Schickfals noch erhöht, da er unter dem 13,
Auguft a. St., als reichliche Entfchädigung für
das erlittene Ungemach, durch eine Taiferliche
Ulafe das in Biefland gelegene Krongut, Worro⸗
kuͤll, mit 400 Bauern, gefchenkt befam, wodurch
er ein jaͤhrliches Einkommen von 4000, Rubeln
. erhielt. — Diefe audgezeichnete Gnadenbezeugung
fahrt unmittelbar auf bie Frage: was benn wohl
eigentlich die Veranlaffung war, die den Kaifer.
perfönlich bewog , jetzt über v. K. fo harte Maas⸗
regeln zu verhängen, und ihn dann gleich Darauf
mit reichen Geſchenken zu begaben, beides ohne
fihtbare Motive. — Nah dem argwöhnifchen
Earakter des Kaiſers Paul, nach feinem Wis
bermillen, den er gegen Schriftflellerei hegte, nach
der Laume des Augenblicks, die oft wechſelnd feine
Handlungen entfehied, mußte. ein Mann, wie
Kogebue, bei einem verbreiteten und Köchft zweis
deutigen Rufe, fehr viel wagen, wenn er. die
I 20
— 306 —
Groaͤnzen des damals geſperrten ruſſiſchen Reichs
uͤberſchritt, und die Warnungen vernünftiger Ueber⸗
legung und rathender Freunde nicht achtete. Dieſe
Unvorſichtigkeit, dieſer Leichtſinn, der beſonders
bei einem ſich als zaͤrtlich beſorgten Familienvater
ſchildernden Manne unverantwortlich iſt, berech⸗
tigt zu harten Vorwuͤrfen, wenn v. K. im Ver⸗
lauf der Geſchichte ſelbſt geſteht, daß ſeine mit
ſich gefuͤhrten Papiere, auf deren Schuldloſigkeit
er ſich ſonſt ſo vieles zu Gute that, namentlich
ſein Tagebuch, Aeuſſerungen dieſer Art enthielten:
„Der Kaiſer Franz ſey ein ſehr gerechter
Mann, der nie ohne die ſtrengſte Unterſuchung
einen Angeklagten verurtheile. — Freilich der
Kaiſer Paul findet es ſelten der Muͤhe werth,
eine Unterſuchung anzuſtellen.“ — (Thl. 2. S.
109.) V. Kotzebue, der in Wien in dem boͤſen
Rufe eines Jakobiners ſtand, dem nach ſeiner
Abreiſe von dort manche feindſelige Gerüchte
folgten, deſſen Name ſehr uͤble Erinnerungen
weckte, zog, als er den argwoͤhniſchen Kaiſer um
Paͤſſe bat, den Verdacht auf ſich, daß er als
-
— 30 —
Emiſſaͤr, oder als Auflaurer nach Rußland komme,
und der Kaiſer entſchied kurz und gut dahin, daß
der Ankoͤnimling einen ſolchen Wohnort und ein
ſolches Verhaͤltniß im ruſſiſchen Reiche erhalten
ſolle, wo jeder ſchaͤdlichen Abſicht der Spielraum
verſagt wuͤrde; — er ſchickte ihn nach Sibirien. —
Während died gefchah, trat wieder der Gluͤckſtern
hervor, der fo oft in K—8 Leben gerade dann
ſeine Zauberkraft bewährte, wenn ihn Mißgefchidl
‚zu verfolgen fehlen, oder wenn ihn die unmittels
baren Solgen feiner Unvorfichtigfeit trafen: wenn :
ihn fein. Ruf. ald Schriftfteler nach Sibirien
brachte, fo bewirkte diefer wiederum auch feine Be:
freiung. Aus Kotzebue's Schriften kann man
Zeugniffe flr alles, für demokratifhe und beös
. potiſche Anſichten, fuͤr die Menſchenrechte und
fuͤr den haͤrteſten Despotismus, fuͤr die chriſtliche
Religion und fuͤr die entſchiedenſte Irreligiofität, -
für Geifteöfreiheit und für die ſtrengſte Feſſel des.
Geiſtesdruckes entlehnen, und biefe Chamäleon
natur mußte bei allen vom Eonfequenten Wahr-
heitsfinne Verlaſſenen um fo größeres Gefallen
aͤrndten, da ihm für. den Augenblid das paßliche
20*.
— 808.
Wort felbft fchon. zur ſubjektiven ncenengun
genuͤgte. |
DB. K. hatte mehrere Iahre zuvor das Kleine:
Drama, Peters des dritten alter Leib:
kutſcher, gefchrieben, worin des ruffifchen Kais-
ſers Edelmuth gepriefen wird; ein junger Mann:
Namens Krasmopolsti, hatte es ind Rußiſche
überfegt, dem Kaifer zugeeignet und zugefchidt.
Das Stud zog Pauls Aufmerkfamkeit auf fi,
es gewann feinen Beifall, es erinnerte ihn an
den verbannten Originals Verfaffer, deſſen Name
auf dem Zitel ber Handfchrift fland. Die ſchleu⸗
nige Unterfuchung ber Kogebucfchen, in Befchlag
genommenen Papiere warb veranlaßt, und diefer
fiel in die Hände eines menfchenfreunblichen, für
die Begnadigung des Unglüdlichen fich thätig ins
tereffivenden Mannes, der fogar jene für dem
Kaifer beleidigenden Bemerkungen des Tagebuches
durch einen deckenden Dintenflrich völlig unlesbar
machte (S. 109), für Kogebue günftig berich⸗
tete und veranlaßte, daß Kaifer Paul mit
der Zurüdberufung Gnadengefchenke verband. —
Mit dem Dankffagungsfchreiben, welches ver
Stüdliche dem kaiſerlichen Wohlthäter einfchidte,
verband v. K. die Bitte, auf das Land gehen
und im Stillen bie ertbeilten Wohlthaten genie⸗
‚Ben zu dürfen; denn trotz der unverkennbaren Zei⸗
‚chen de allerhoͤchſten Wohlwollens hatte fich doch
der Schrecken feinem Gemüthe fo tief eingeprögt
daß ihm das Herz Elopfte, fo oft er einen Se⸗
natskourier oder Feldjäger erblidte, und daß er
nie ausfuhr, ohne fich reichlich mit Gelde zu vere
Sehen, und gleihfam zu einem neuen Erile vors
gubereiten*). (S. 115.) Das Gefuh um bie
Erlaubniß zur Ruͤckkehr nach Deutfchland durfte
v. 8. gar nicht wagen, und felbft die Erfüllung
feines Wunſches, fih auf feine laͤndlichen Bes
figungen zuruͤckziehen zu dürfen ‚. wurbe ihm vers
9 Dieſe Sorgfalt war nicht übertrieben, da v. K.,
noch nicht durch Schaden Elug geworden, höchſt
unvorſichtig, während feines Aufenthaltes in Rußland
über dortige Berhältniffe und Greigniffe, Auffäge
entwarf und nad) Deutſchland an Iournalherausgeber
3. B. an ben Heren von Archenholz, fhidte .
Dieſer Thorheit ruͤhmt er ſich ſelbſt im merkwuͤr⸗
digſten Jahre feines Lebens a. 2 Seite
303 und 303.
— 1310 —
ſagt, indem ihm, mit einem Gehalte von 2200
Rubeln und dem Charakter eines kaiſerl. Hof⸗
raths, die Stelle eines Direktors der deutſchen
Hoftruppe angetragen wurde. Jede ausgeſpro⸗
chene Bedenklichkeit oder Weigerung blieb unbe⸗
ruͤckſichtigt, nicht aber die Gegenvorſtellung we⸗
gen zu großer Geringfuͤgigkeit des Gehaltes;
das Einkommen der neu errichteten und von v. K.
uͤbernommenen Stelle ward bis auf fuͤnf tauſend
Rubel erhoͤhet, ungerechnet der Benefiz⸗Vorſtel⸗
lungen ſeiner eigenen neuen Stuͤcke, die er ſich
noch ausbedung. | nz
Nun war v. K. wieder in feiner Sphuͤre,
deren Dornenpfad die perfönliche Vorliebe fürs
Zheater, . die Hoffnung große Ehre zu. gewinnen
und reicher Lohn hinlänglich vergütigten. Zunaͤchſt
machte ihm felbft und feinem Genfor Adelung
bie vorgefchriebene ftrenge Genfur viele Noth;
nach den fpeciellen Anfichten des Kaiferd durfte
in dem Koßebuefchen Stüde Oktovia nicht ges
fagt werden: „Stirb ald ein freier Römer;
im Epigramme nidt: „daß der Kaviar aus
Rußland komme und Rußland weit ſey;“ in
— 311 —
den beiden Klingsbergen mußte „Feſtung“ in
„Sefängniß," „Hofmann“ in „Schmeich⸗
ler," im Abbe de l'Epée: „Wehe meinem Bas
terlande!” in „Wehe meinem Lande” vers
ändert werben; letzteres deshalb, weil eine rufz
fifhe Ukaſe unterfagte, fich des Worte Vaters
land zu bedienen. — Nur zu wahr bemerkt Hr.
v. K.: „Aus diefen wenigen Beifpielen erhellet
zur Genüge, wie gefaͤhrlich das Amt eines
Genford für den, der ed verwaltete, und wie
brüdend es für mih war. Der Her ıc.
Adelung konnte mir aber mit dem beiten
Willen: diefe Laft nicht erleichtern (©. 120);
hätte er Doch zugleich erfannt und fich ſpaͤter bei
der Vertheidigung der Befchräntung der Preß⸗
feenheit erinnert, daß, wenn einmal ein unlautes
red, bie heiligen Menfchenrechte gefährbendes
HPrincip von den Machthabern angenommen wird,
ber Schritt vom unvechtmäßigen Gebrauche ber
Gewalt zum Unfinn bewußtlos und ſchnell ge⸗
than wird. —
Außer dem inneren Zwielpalte der Schauſpie⸗
ler⸗Geſellſchaft erwuchſen dem neuen Theaterdi⸗
rektor neue Leiden aus der, zwifchen dem deut⸗
ſchen und dem franzöfifchen Theater ftattfindenden
Eiferfucht. Die berüchtigte Madame Cheva⸗
Tier, die fo ganz bes. Kaiferd Gunft befaß, vers
trat und beberrfchte das letztere. Doch fland
v. K. perſoͤnlich ſehr gut bei ihr, genoß von ihr
‚ viele Artigkeiten und übernahm fogar von ihr
ven Auftrag, für fie eine franzöfifche Oper zu
fhreiben, die indeß nicht zu Stande, oder viels
mehr nicht auf die Bühne Fam. Unter fo guͤn⸗
fligen Verhältniffen hegte er dennoch ben Plan,
bei erfter guter Gelegenheit, um feinen Abfchied
zu bitten. Diefen Wunfch rechtfertigt das: Ges
mälde feiner damaligen Lage volllommens „fo
weit," fagt er, „hatten es böfe Menfchen gebracht
die das Vertraun eined zu berzliher Güte ges
neigten Monarchen mißbrauchten, und ihm überall
Schreckbilder aufftelten, die nicht vorhanden wa⸗
ren, ja, an bie ſie felbfi nicht glaubten I —
*) Mit welchen Worten. des Schmerzes foll der Mens
fhenfreund den Jammer ſchildern, daß die Eeſchei⸗
nung der irregeleiteten Regenten, die vor dem Schrek⸗
kenbilde erlogener Gefahren ihr befferes Selbſt vers
Aa
— 313 —
Mit bangen Ahnungen legte ich mich jeden Abend
zu Bette; zitternd hoͤrte ich in der Nacht jedes
Geraͤuſch auf der Straße, jeden Wagen, der in
der Naͤhe meiner Wohnung anhielt; ich erwachte
zu neuen Sorgen, wie ich an dieſem Tage jedes
Ungluͤck vermeiden wolle; aͤngſtlich fuhr ich auf
der Straße, um ja, wenn der Kaiſer mir begeg⸗
nete, zu rechter Zeit auszuſteigen; — mit unge⸗
wohnter Sorgfalt wachte ich uͤber jedes meiner
Kleidungsſtuͤcke und über die Art, fie zu tragen; —
Weibern von zweideutigem Rufe und Männern von
ſchwachem Geiſte mußte ic) huldigen; — ben
‚unverfchämten Uebermuth eines unmiflenden Bals
letmeiſters (des Gemals der Madame Chevalier)
ertragen; — bei jeder Aufführung eines neuen
Stüdes zitternd erwarten, ob die immer wachfame
Polizei oder die geheime Erpebdition nicht etwa ein
unwillführliches Vergehn darin entdeckt habe. —
So oft meine Frau mit meinen Kindern ſpatzieren
fuhr und etwa einige Minuten Uber die beftimmte
leugnen, fi) täglich erneuert, täglich mehr Wirkfams
keit erhält! —
— ZA 2 —
Zeit ausblieb, zitterte ich, zu erfahren, baß fie
nicht fehnell genug vor dem Kaifer auögefliegen,
und deshalb, fo wie die Frau des Gaſtwirths
Demuth, in ein Poligeigefängniß gebracht wor⸗
den fey. — Nur felten konnte ich meinen Kum⸗
mer in den Bufen eines Freundes ausfchüttenz
denn alle Wände hatten Ohren und der Bruber
traute dem Bruder nicht mehr! — Keine. Lektüre
konnte mich um die gräßliche Zeit betrügen, denn
alle Bücher waren ja verboten*). — Auch die
Feder mußte ich wegwerfen, mir felbft durfte ich
nichts vertrauen; denn wie leicht konnte man
plöglih mein Portefenille unterfachen! — Ein
Gang in Geſchaͤften, wenn er vor dem Schloffe
vorbeiführte, brohete ber Geſundheit Gefahr;
denn bei dem: übelften Wetter durfte man fich
diefer Steinmaffe nur mit entblößtem Kopfe nds
bern. — Der harmlofefte Spabiergang gewährte
keine Zerſtreuung; denn fait täglich begegnete man
Ungluͤckliche, die arretirt, oder vielleicht wohl gar
*) Dies iſt eine von ben Uebertreibungen, bie man Hrn.
9 K., ber immer nur balb bie Vahrheit ſagen
Tann, verzeihen muß. —
- 315 . .
zur Knute geführt wurden! — (Thl. 2. ©. 194.)
Der durch folhe Umgebüngen in Hrn. v. Kotze⸗
bue erzeugte Trübfinn verklaͤrt fih aber zu der
fhönften Heiterkeit, ald er den 16ten December
zum Kaifer befchieven, und durch dies unerwars
tete Uebermaaß großer Gnade erfchüttert wird,
Er erhält den Auftrag, eine vom Kaifer eigens
haͤndig in franzöfifcher Sprache aufgefehte Her:
ausforderung an bie Souverains von Europa zu
einem Turnier, in das deutfche zu überfegen, und
genügt diefem Verlangen zur Zufriedenheit Pauls,
ber die Ueberfegung jener durch die Zeitungen.
verbreiteten, .vamald fo vieles Auffehn erregenden
Beilen mit einer reichen, zwei taufend Rubel Werth
habenden Doſe belohnt. — Mit diefem Ereigniß
gewinnt v. K. die feinem Herzen fo lange fremd
gewefene Ruhe fogleich wieder, benn nun, ba er
den Monarchen felbft gefprochen und fein edles
Herz offen gefehen hat, verfehwindet der größte
Theil der Furcht. Don nun an liebt er ihn mehr,
als er ihn vorher fürchtete, und iſt überzeugt,
daß eine gewiſſe Freimuͤthigkeit, ein offenes gera⸗
bes Betragen, ohne Kriechen, ohne Nieberfchla:
gen ber Augen dort alles vermochte. „Nur in
feine Heinen Eigenheiten mußte man fich fügen,
und wie leicht konnte. man das! denn zugegeben
bag es gerabe nicht groß war, die Beobachtung
gewifjer Kleinigkeiten allzuflreng zu verlangen,
fo war es boch wahrhaftig noch weniger groß,
mit Widerwillen in ſolchen Dingen zu gehorchen,
welche das wahre Gluͤck der Unterthanen eigents
lich gar nicht florten. — Seit jener Unterredung
genoß ich hundert Eleine Beweife von des Kaifers
Gnade.” — (Xheil 2. ©. 135 u. 136.)
So ſchnell ändert fich gewiffer Menfchen Meis
nung! fo leicht iſt ed, jedem Dinge ein bedens
des Mäntelchen umzuwerfen! — |
Ueber den Eindruck, welchen Kotzebue's Pers
fon bei der erſten Unterredung auf den Kaiſer
machte, ſoll ſich letzterer gegen ſeine Gemahlin
dahin geaͤußert haben: „Er ſieht aus, wie ein
Schuſter; aber feine Augen verrathen Geiſt!“ —
So erzaͤhlt v. K. wenigſtens dieſe damals oft
beſpoͤttelte Anekdote im Öreimüthigen 1803.
Stud 4. Seite 16.
Bald fand fi ch eine ie Gelegenheit, durch deren
_— 1
Benugung Hrn. v. K. die ihm fo laͤſtige Direk⸗
tion bes ‚Theaters aufs Angenehmſte erleichtert
wurde. Er erhielt vom Kaifer ben Auftrag dem
eben vollendeten Michailowfchen Palaft, den
Paul mit der Eaiferlichen Familie bezogen hatte,
mit. allen ‚darin enthaltenen Kunftwerken un:
Seltenheiten ausführlich zu befchreiben. Unter:
dem Vorwande, durch diefe Arbeit zu: fehr in
feiner Zeit befchränft zu feyn, bewirkte er die.
Anftellung eines Regiffeurs, auf befien Schultern
er nun bie brüdendfle Laft der Theaterdirektion
- werfen und fich manches Aergerniß erfparen konnte.
(ZH 2%. ©. 143.) So genoß er alle Annehm⸗
lichkeiten einer genauen. Verbindung mit dem:
Zheater, ohne das Widerwaͤrtige derfelben zu
haben; er: lebte, bei einem reichen Einkommen:
(er felbft berechnet ven nach feiner Zuruͤckberufung
aus Sibirien erhaltenen Zuwachs deffelben, ohne
den Ertrag der Benefizuorfiellungen, freie Woh⸗
nung und Eauipage zu veranfchlagen, auf. 9000"
Rubel jährlih, [S. 107.) —) in einem fehr an⸗
genehmen Freundeskreiſe, war burch die Palaſt⸗
Befchreibung, bei ber er für. das antiquarifche
— 338 —
Sach von Kühler, für das architeftonifche von
Brenna.und für die Gemaͤlde von den Gebrü:
bern Kuͤgel gen unterflüßt wurde; ehrenvoll. be=
Ihaftigt, und er erfreute fich der Auszeichnung
daß fich der Kaifer faft täglich einige Augenblide
mit ber einnehmendften Zreundlichleit mit ihm
unterhielt. |
In diefer beneidenswerthen Lage rang Herr
v. Kogebue.nad) einen Ziele, welches, wenn er:
es erreicht, feine Eitelkeit gekrönt hätte: er bot
alle möglichen Triebfedern auf, um Malte®rs
. Ritter zu werben, und mit dem Maltefer:
Kreuze dekorirt fich zeigen zu koͤnnen. Es ift
befannt, wie der Kaifer Paul ſich damals an die.
Spige diefes alten, berühmten Ordens geſtellt
hatte; durch die perſoͤnliche Gnade des Kaifers
glaubte v. K. bie Erfüllung feiner Wünfche leicht.
zu erlangen. Als ihm fpaterhin diefed Streben
nach einem romantifchen Nitter = Koftume öffentlich
vorgehalten und mit höhnenden Seitenbliden be:
lächelt wurde, mußte er’ die Sache felbft einge:
ftehn; er verfuchte aber, den Vorwurf thörigter
Eitelkeit dadurch zu mildern, daß er vorgab:
„Das Malteferkreuz fey ihm von feinem Chef.
als Belohnung verfprochen, für die Befchreibung
von dem neuen Palafte des Maltefer = Großmeis
ſters. — (Siehe; Kurze und gelaffene Antwort.
bes Hrn. v. Kogebue u. ſ. w. Berlin 1802
Seite 106.) J |
Noch am 11ten März (1301), Mittags um Ein
Uhr erkundigte fich der Kalfer nach der Palaſtbe⸗
fohreibung, hörte mit Wohlgefallen, daB Hr. v. K.
deren nahe Vollendung verhieg — und fchon am
12tem erfährt der fleißige Autor, beim frühen
Erwachen, wie in ber verhängnißvollen Nacht
Kaiſer Paul in die Zobtengruft gefunfen, fein:
Sohn Alerander aber aufden glanzreichen Thron
bes weiten ruffifchen Reichs geſtiegen ſey. Mit
diefer großen Kataflrophe waren auch die Zraums
gebilde verfchwunden, bie v. 8. für zukünftige
Gnadenbezeugungen und Belohnungen hegte. Er
knuͤpfte daher an den Tod des Monarchen die
Ausſicht, nach Deutſchland zuruͤckkehren zu koͤn⸗
nen und übergab fein hierauf gerichteres Geſuch
am Ende des Märzes dem General = Adjutanten
Zürften Subew. Die Verweigerung der Er⸗
kaubniß beſtimmte ihn nun zu der Erklärung,
daß er „dankbar gerührt, fich gluͤcklich ſchaͤtzen
würde, Alerandern, dem Liebenswürbigen und
Geliebten zu dienen, Daß es ihm aber .nur zieme,
ferner an ber Spitze des deutſchen Hoftheaters zu
fliehen, wenn damit eine burchgreifende Verändes
rung vorgenommen wuͤrde.“ — Legtere zu bewir:
fen, reichte er auf erhaltenen Befehl einen Plan
ein, der auf einen jährlishen- Fond von fechzig
taufend Rubeln bafirt war. Diefe Forderung,
damals zum großen Aerger des Hrn. v. K.Y‚gis
gantesk“ genannt, wurde nicht bewilligt. Durch
diefen mißlungenen Verſuch binlängli mit der
Stimmung des neuen Kaiſers über das beutfche
AIheater- befannt, erneuerte er bie Bitte, um feis
nes Abfchied, und erhielt ihn in ber Testen.
Hälfte des Aprils, auf ehrennolle Weife, indem
er. zum Kollegienrath ernannt und ihm der fer
nere Genuß des bisher bezogenen Gnadengehalte
zugeſichert wurde.
Schon am 29ften April: verließ er, „durchdrun⸗
gen von Dan? für den verftorbenen und für den
lebenden Monarchen, Peteräburg, und ging durch
Eſth⸗ und Liefland, zunaͤchſt nach Königsberg.
e: Die Nachrichten von dieſer Reiſe, die dem
Schluß des. merfwürdigften Jahres feines Lebens
bussmachen, beſchaͤftigen fi) größtentheils mit _
Erinnerungen’ an Perfonen, mit ‚denen et in je⸗
nem Abſchiede feines fo’ ſchnell wechſelnden Schick⸗
fals zuſammentraf, denen er bald den Blumen⸗
kranz des freundlichen Dankes, bald die Dornen⸗
krone ‚harter. Vorwuͤrfe flicht. Mit beiden gleich
vorſchnell, wurden hierdurch, wie natuͤrlich, viele
feines: "Gegner. geweckt, denen ber leichtferfige‘
Autor: fchon deshalb ein recht - leichtes ‚Spiel
machte, da hiftorifche :Gerrauigkdis der Erzaͤhlung
nie-feine Sache. war, und ba det hieraus entſte⸗
hende Verdacht: der: Unwahrheit ‚noch ‚vergrößert
wurde, durch das immer: fichtbare Streben, feiner
Verſoͤnlichkeit eim. Gericht zu geben.’ ‘Dem eitlen
Mann machten miehrere hlerdurch veranlaßte Zeis
tungsnachrichten und Flugſchriften vieles zu ſchaf⸗
fen: Beſonders eine der Letztern; mit dem Titel:
Nothige Erladuterungen zu der Schrift
des Hrn. v. Kogebue: bas merkwuͤrdigſte
21
Jahr meines. Lebens. Boneinem Freun—⸗
de der Wahrheit. Leipzig 180%, und viele
Anſchuldigungen bed Hrn. von Maffon. verans
laßten ihn zu einer Gegenfchrift ), in der &
fi) von mehreren Perfonen in und um Reval
einige Lebensumſtaͤnde atteftiren IAbt, - die theilB
gar nicht zum Gegenflande der. gemachten. Vor⸗
würfe gehören, theild fo geſtellt ſind, daß man in
vollom Ernſte einen Mann bedauren muß, ber
ſich dergleichen ratteſtiren zu dafſenngenoͤthigt
glaubt. Sehr unvorſichtig nannte Hr.: 0; Hi
den Bibliothekar Friedrich Adelung zu Metenst
burg als den Verfaſſer der eben erwähnten und
thigen, Erläuterungen,“ und fah ſich bald
darauf veranlaßt, dieſe Behauptung als unwahr
zu widerrufen. —:: Wie: fo. oft: in .feinerh Leben
hatte v. 8. auch bei jenen -Iiterarifchen Zaͤnkereien
das Schickſal, daß die Sentenzen, welde':er. fe
nen Viderſachern gu Strafe au ſprach ihm: ſubſt
*) Der Titel derſelben iſt:? Rurie upb. sehaffene
Antwort bes Sr. v. Kogehue auf eine
Yange und heftige Shmähfhrife bes den
» 9. Maffon Berlin 1802. ° '....
en hartes Urthel wurben, deſſen raͤchender Hand
er vergeblich zu entgehen ſich bemuͤhte. So ſagt
er in der „kurzen und gelaſſenen Antwort,“
S. 6.: „Ein Mann, der ſchon einmal der
Verlaͤumdungen uͤberwieſen worden,
mag ja nachher ein Rieß Papier voll
fhreiben: er bat unter rehtlihen Zeus
ten *) feine Glaubwürdigkeit, und auch
wohl nod ſonſt etwas, auf immer vers
Joren.—
: Den Schluß Dies Abfchnittes des Kotzebue⸗
ſchen Lebens made die Standrede, die er dem
von ihm vielfach gepriefenen "Kaifer Paut;
von welchem nebenbei die ſchrecklichſten Gräuel
nicht verfchwiegen werben, hält.
Im zweiten Theile des merkwürbigften Jah⸗
sed feines Lebens, Seite 243 und 244 fagt
*) Wohl gemertt: „Unter rechtlichen Leuten,
das heißt unter ſolchen, denen das heilige Recht bie
ewige Norm bes Urtheils iſt; aber biefe Rechtlichkeit
iſt Heut zu Tage felten worden, da das fhlaffe Spiel
der Neigungen und Meinungen die Anerkennung ber
Zugend und des Lafters dem Wechſel des Augenblik⸗
des unterwirft. —
24”
von Kotz ebue: „Sp ruhe den fanft die Aſche
eines Mannes, der wahrlich den groͤßten Theil
der Schuld, deren man ihn anklagt, auf ſeine
dornige Lage in früheren Jahren, auf die Bege⸗
benheiten feines Zeitalterd, und auf bie Perfonen,
die ihn umgaben, zurudwerfen koͤnnte; der ſich
zwar oft in den Mitteln vergeiff, das Gute
zu bewirken, der aber immer nur dag Gute, das
Serechte wollte, ohne Anfeben der Perfonz; —
der zahllofe Wohlthaten fdete, doch aus dem
Saamen nur giftige Pflanzen auffchießen fah,
die bunt um ihn ber blühten, und in beren Duft
e: uennelhtel ⸗
Yugufl von Kotzebue's Leben.
I 0 @0 —
Viertes Bud.
Berlin. — Seine Reifen. — Sein wechfelnder
Aufenthalt in Rußland und in Deutſchland. —
Sernere Schickſale. — Sein Tod. — |
Der Kollegienrath von Kobebue erfhien wies
der in Deutfchland; an Eelebrität hatte er durch
feine neueften Schidfale gewonnen. — Je groͤ⸗
Ber das Ungluͤck, welches ein Mann erlebt, je
mehr Publicität es erhält, um fo lebendiger
wird die Theilnahme für denſelben aufgeregt.
In dem Augenblide, wo wir ein hartes, Verhaͤng⸗
niß ihn treffen fehn, fragt man nicht: leidet er
fhuldig oder unſchuldig? ift er mein Sreunk- vorf,
mein Gegner? — Die Sache des Unglüdlichen,
bed Verfolgten ift der Gegenfland allgemeined
Mitleids, befonderd wenn der Verfolger bie
Stimme des Seitalterö fo wiber fih hat, wie
Kaifer Paul in der traurigen Berirrung feines .
Geiſtes. Kaum verbreitete fich. in Deutfchland
an
%
N.
— BE — ,
die Nahriht von Kotzebue's Zransportirung
nah Sibirien, als auch viele Beweiſe des thaͤ⸗
tigen Mitleids fihtbar wurden. So, wandte
man fi) von mehreren Seiten an Preußens
berrlihe Königin, an Sie, bie fo gern hülfreich
die Hand bot wo fie das Edle fördern, das Elend
vermindern, die Thräne bed Kummers trodnen
Tonnte, "und bat um ihr vielgeltended Fuͤrwort
für den unglüdlihen Verbannten beim ruſſi⸗
ſchen Kaifer. Wie gern fie es ſich zum Berufe
machte, zu folchen Zweden zu wirken, bes
wies die herzliche Freude, mit der fie, zuerft
in Deutfchland von der - gunfligen. Wendung
des Kopebuefhen Schidfald unterrichtet, die
Nachricht von feiner Zurüdberufung verkuͤndigte.
Eben trat die von ihr immer mit befonderer Huld
befchentte Madame Meyer (jekige Madame
Hendel: Schüg, in ber unfer Zeitalter feine
größte mimifche Künftlerin verehrt), zur ſchoͤ⸗
nen Königin, um von Neuem ihre vermittelnde
Fuͤrſprache zu erbitten, als aus St. Peters:
burg eingegangene Briefe die Begnadigungs⸗
Botfchaft mittheilten. Mit der den Bewohnern
\ 8009 —
Kerlind eigenen Empfaͤnglichkeit für Tages⸗Neuig⸗
keiten, verbreitete fich bie frohe Nachricht, Kotze⸗
bue’8 Name war dad Wort ded Tages, und
zwar zum erften Male, ohne daß argmöhnifche
Seitenblicke auf feinen zweifelhaften Charakter
geworfen wurden, wie folche8 namentlich bei ber
erfien Nachricht von feiner Gefangennehmung an
ber Graͤnze Rußlands der Fall gewefen war.
‘Damals argwoͤhnte man, daß wohl ein bald ins
Licht geſetzt werdendes Genieſtuͤckchen feiner Weiſe
ſolche harte Maasregeln veranlaßt haben koͤnne.
Als indeß ohne den Erfolg einer geſetzmaͤßigen
Unterſuchung, mit der Verurtheilung nach Sibi⸗
rien der Anfang gemacht wurde, loͤſ'te ſich der
Verdacht in Mitleid auf. |
Diefe rege Theilnahme, die man zu Berlin
feinem neueften Schiefale bewiefen, entgingen
der Beobachtung des auf feine Perfönlichkeit ein
gar hohes Gewicht legenden Kotzebue's nicht.
Ihrer erinnerte er fih mit Wohlgefallen und
Dank, als er. den Blick auf Deutfchlandb warf
und bier die Wahl sined Wohnortes traf, Zwar
kehrte er zunächft nach Weimar zurüd und hielt
fih abwechfelnd bier: und in Jena auf; doch ges
rade in feiner. Heimath Fonnte nie feines Bleibens
feyn, weil er nirgend weniger wohlgelitten war,
als bier. Er forgte dann auch ununterbrochen
dafür, daß durch feine zahllofen literarifchen Strei⸗
tigkeiten, durch feine Verläfterungen der neuen
Schule, durch unziemlihe Schmähungen Goͤ⸗
the's und feiner Kunftfreunde, das Andenken
feined eigenen unlauteren Wefend immer neue
Anregung erhielt.
Bon Kobebue wählte Berlin zu feinem
Wohnorte (1802) und wählte fehr glüdlich.
Hatte bier gleih Goͤthe auch feine Verehrer,
Schlegel und Tieck ihre Freunde, bie Literatur⸗
zeitung ihre Lefer und die Zeitung für die ele⸗
gante Welt ihre Korrefpondenten, fo eröffnete
dennoch Berlin für einen Mann feiner Art, die
reizendften Audfichten. Wo anders Eonnte er eine
feiner Eitelfeit völig entfprechende Aufnahme
erwarten, ald Bier? wo anders zu gleicher Zeit,
feinen Neigungen angemeflen, fo unbeachtet.leben ?
wo anders ein für feine Thaͤtigkeit empfängliches
red Publifum erwarten?! Beſonders verhießen
Ähm bie dortigen gefelligen Verbaͤltniſſe und das
National > Xheater, welches fo eben ein neues *
Lokale erhielt, vielfachen Genuß. Ruͤckſichtlich
des geſellſchaftlichen Lebens ſuchte er vornehme
und für den Umgang maͤſſig gebildete. Leute;
beide mußten von der Art feyn, daß er ohne
verletzende Kollifionen mit ihnen fortkommen
konnte: die Vornehmen durften nicht Durch große
Reichthuͤmer unabhängig felbftftändig, die Gebil:
beten nicht der Empfänglichfeit für Kotzebue's
Zheaterwelt entwachfen ſeyn. Beſonders jenes
war in Berlin nicht "zu fürchten, ‚wohin fich der
großentheils fo arme Adel der Monarchie drängt,
. am in Hofe, Militair- und Staatsbebienungen
ein Austommen zu finden; wo höchftens einige
Wohlhabende mit Anftand einen mäßigen Lurus
treiben und wo die eigentlichen Zügel des Staats⸗
regimentd in ben Händen neugeabelter, ober
nächflens das Adelsdiplom erwartender, oder gut
bürgerlicher Officianten ruhn. Darum giebt es
in Berlin höchftens einen Militair- und Offician-
ten = Ariftofratismus, welcher letztere feine Vers
herrlichung in Titeln findet; aber von flörendem
Drude eines hohen, reichen Adels auf das gefellige
Leben hat man nichts zu fürchten und dem Kas
ſtenſtolze der höheren DOfficianten Tann ja der
eine Bedienung Suchende leicht aus dem Wege
‚gehn. — Ä
Mit dem, was man in Berlin in ben höhes
sen Ständen damald im Allgemeinen Bildung
nannte, (— vielleicht auch noch gegenwärtig, obs
gleich feit der Errichtung der Univerfität und
Durch den gewaltigen Drud der Zeit, hierin eis
nige Veränderung - fichtbar geworden —) war
Kotzebue vollkommen einverflanden; hierin war
er ganz zu Haufe. Man zehrte häufig von ben
Ueberreften der wifjenfchaftlichen Bildung, die die
Refügie’8 auf den unfrushtbaren Boden der Mark
verpflanzten, und fand eine vollkommene Geifteds
beruhigung in dem Rüdblide auf die ruhmvollen
Zeiten Sriedrichd des Großen. Was befonders
beutfche Kunft und Wiffenfchaft betraf, fo hielt
man fi) an die allgemeine beutfche Bibliothek,
die einheimifche® Gut und dabei fo hübfch vers
ftändlich war; in der koͤniglichen Akademie ber
Wiſſenſchaften führten vorzüglich bie Matadore
ber franzöfifchen Kolonie das franzoͤſiſche Wort;
die deutjchen Mitglieder laborirten, mit. wenigen
Ausnahmen, an. der geifligen Lethargie. „In der
Nichtachtung der pofitiven Religion. that es Ber⸗
lin allen übrigen beutfchen Städten zuvor; man
deckte fich gegen den Vorwurf der flachen, charafa
terlofen Unfittlichleit, duch die Berufung auf
Aufklärung, fo gut ed gehn wollte, und verfchrie
das wahrhaft religisfe Leben ald eine böfe Remis
niſscenz aus ber vorigen Regierung (Friedrich
Wilhelms des Zweiten), aus. den Jagen bes
Meligiongedifts. Die Eönigliche Bamilie bildete im
fehöner Sittenreinheit einen auffallenden Kontrafk
mit der Lebensweife ber Hauptſtadt; ber mäßige
Glanz des Hoflagers wurde gehoben burch den
Ruhm häuslicher Tugenden, welche freilich dem
entarteten Luͤſtling der großen Welt leicht freus
denleer erfcheinen und den Lurus, In welchem
die Künfte gedeihen, vermifjen lafien. Um fo
mehr war den Berlinern das Theater ihr Eines
und ihr Alles; zu. diefer Vorliebe waren fie bes
rechtigt durch die großen Künftler, welche damals
die dortige Bühne verherrlichten. : Die gefeiertem
Namen jener Tage ſind abgetreten von ber Bühne
des Schaufpield und des Lebens; das Andenken
an fie.abet iſt um fo unvergeßlicher,. je weniger
überall der wahre Künfller je er ſetzt wird.
So gab es vielfache Beweggruͤnde, die v. Kos
debue nach Berlin hinzogen. Auffer der Stims
mung bed Publitums fhr ihn, -auffer dem Beifall,
‚ welchen man feinen Stüden auf der Bühne zollte,
fand feine Neigung zum deutfchen Theater noch
mehrere. Antegurigen, bie ihm hier den größten
Genuß verhiegen. Iffland's Verdienſt als
mimifcher Künftler, wurde. erhöht durch ben Ord⸗
nungsſinn, durch. die Thaͤtigkeit, durch die techs
nifche Sorafalt, vermittelft welcher er die For⸗
terungen an die Theater = Direktion und an bie
Theater Regie zit: erfüllen ſtrebte. Hatte in dies
fer. Hinficht bisher ein befchränftes Locale bie
vielen zu befiegenden Schwierigkeiten vermehrti
® verhieß das. mit Töniglicher Opulenz erbaute
neue Theater die Befeitigung manches bis dahin
fehr Mangelhaften, und gewann -für den Theaters
Befuch felbft. die Neigung: der ſonſt nicht Schaus
kıfligen. , Die günftigen Vorbedeutungen zu einer
— 3335 —
ausgezeichneten Aufnahme in Berlin wurden vers
gewiſſert, durch das gute freundfchaftliche Vera
hältniß, in dem von Kogebue zu Iffland,
ber in den Xheaterangelegenheiten heim. Hofe
Alles, beim Publiko Vieles vermochte, ſtand.
Nach ihrer früheren Bekanntſchaft wurde zwiſchen
beiden bramatifchen Schriftftellern die perſoͤnliche
Nähe gegenwärtig leicht vertrautere Freundſchaft,
da die von Kotzebue fo verhaßten. Neuerer in
Kritit und Kunſt, die ihm fo vielen Kummer
Verurfachten, auch Ifflands Dramen von einer
leicht verwundbaren Seite angriffen, parodirten
amd: bie beſchraͤnkte Manler derfeiben. mit: dem
sreffenben Spott = Namen der Ifflandereien
bezeichneten. — 20.0000 08 —X
Kotz ebue erſchien a Berlins: Gr. gefiel. * |
sind andern, in bem Beſitze nicht zu vrrkennender
gefelfchaftlicher Zalente. Das neue Foftbare Na⸗
tionaltheater wurbe mit zwei neuen Stliden feis
ner Feder (die Kreusfahrer, ein. Schauſpiel,
und das: Zauberfchloß, eine natuͤrliche Zauber:
oper) eröffnet, ererhielt-Zutritt in den höheren
Zirkein, die-Verleger beeiferten ſich feine Manu⸗
— 343356 —
ſetipte zur Preſſe und ihm reichliches Honorar
darzubringen — und ſelbſt der Koͤnig zeichnete
ihn aus, uͤber Erwarten, indem er ihm ein Ka⸗
nonikat ſchenkte, und furze Zeit nachher ibn, der
es. in feiner Wiſſenſchaft jemals über das Allta⸗
gedwiffen brachte, zum - Mitgliebe der Akademie
der. Wiſſenſchaften machte. Zwar gab Iehteres
befonderd ben für. wigige Beziehungen fo leicht
empfänglichen Berlinern: manche Aufregung ' zum
Spotte; der Neid lich fi auch mit manchenNes
dereien vernehmen. Dennoch wuͤrde v. 8. nach
alen ‚feinen Neigungen in. Berlin hoͤchſt gluͤtklich
heoben leben, und ſelbſt eine gewifle Achtung wies
der gewinnen koͤnnen, wenn er nicht durch mehrere
Seiten des: in diefem Zeitpunkte herausgegebenen
merkwuͤrdigſten Jahre feines. Lebens, durch die
berüchtigten: Streitigkeiten, welche dieſes Buch
mit Herm von Wafjon verantäßte, . Hinweiſun⸗
gen auf feine früheren Sünden natürlich machte,
wenn. er nicht mit immer neuem Uebermuth die
fogenannte neue Schule geneckt, jeden: unbedeu⸗
tenben Stein des Anfloßed aufgenommen, in bie
nutzloſeſten Bänfereien, mit der Zeitung für. ‚bie
— 337 —
elegante Welt ſich eingelaſſen und ſeine jetzt be⸗
gonnene Zeitſchrift, den Freimuͤthigen, mit
Klaͤtſchereien mancher Art, beſonders uͤber Wei⸗
mar und gegen Goͤthe erfuͤllt haͤtte. Er hatte
und behielt zwar immer. ein Publikum für ſich,
. befonderd in den, ihm durch Forrefpondirende
Flachheit geiftesverwandten, höheren Ständen. —
Seine fih bis zum -Schluffe ſeines Lebens hin.
„immer : mehr erweiternde Schriftflelerthätigkeit.
‚gleicht den Uebungen eines Schügen, der zwar.
‚bei jedem Schuffe fein Biel beffer treffen. lernt,
deſſen Pulvervorrath ſich aber auch natuͤrlich mit
jedem Schuſſe verringert. Da ihm der Beifall
‚Alles war, fo meinte er; und lebte ſich in dieſen
‚Glauben immer mehr hinein, er fey auf rechten
‚Wege und habe es gut gemacht, wenn er eine
- Menge Zuhörer um ſich fah. Je mehr. Stüdeer
‚aufs Theater brachte, um: fo mehr hielt er feine
Herrſchaft auf der deutſchen Bühne gefichert,
gleich den Regenten, bie ihre Regierungsmacht
‚nicht anders iu offenbaren wiſſen, als durch viele
Geſetze, die, eines immer noch unvollkommener
als das andere, ſich wechfelöweife-halten.follen. —
— 33 7 —
Es mag dennoch nie verfannt werben, daß v. K.
fortwährend durch die Leichtigkeit und Lebendig⸗
keit ſeines Dialogs, durch eine hoͤchſt gewandte
Benutzung des ſceniſchen Lebens, fuͤr die Aus⸗
bildung der geſellſchaftlichen Sprache, fuͤr die
Beſeitigung des Theaterpedantismus der Deut⸗
ſchen und fuͤr die Moͤglichkeit einer deutſchen ko⸗
miſchen Nationalbuͤhne wirkte; wie er denn fuͤr
letztere, gerade in dieſem Zeitpunkte ſeines Lebens,
in ſeinen deutſchen Kleinſtaͤdtern, ſeinen
Beruf am deutlichſten offenbarte. Wie er es
aber von hier an immer bequemer fand, die
Kuͤnſtlerbahn zu verlaſſen, ſich in der Rolle eines
dramatiſchen Spaßmachers zu gefallen, in der
Vielſchreiberei ſein Gluͤck zu verſuchen, hierzu
hat er es an Zeugniſſen nicht fehlen laſſen; wie
er ſo tief und immer tiefer ſank in Gemeinheit
und Unfittlihleitz wie er endlich feinem Publito
und fich felbft alles bieten durfte, davon giebt
eines feiner legten Luftfpiele, der Rehbock, ei:
nen, unfer Zeitalter in ber That brandmarkenden
Beweis. — — —
Ben“ v. K. ſo den Mangel an Künftler =
' — 3439 —
und Charaktergehalt an den Tag legte, ſo wur⸗
den ihm natuͤrlich hierdurch der kleinere, aber
beſſere Theil des Publikums abwendig gemacht,
und der Ruͤcktritt dieſes wirkte nicht ſowohl nach⸗
theilig auf ſeine Celebritaͤt, als auf die Bezeichnung
ſeines perſoͤnlichen Werthes. Hiergegen konnte er
ſich auch nicht dadurch ſichern, daß er in der Un⸗
terhaltung der Geſellſchaften die Rolle der reſig⸗
nirten Beſcheidenheit, gegen bie fein. Schriftſtel⸗
lerleben laut genug fprah, annahm. So erin⸗
nert ſich der Biograph ihn oft beobachtet und
abgeſchliffene Unterhaltungsgabe an ihm bewun⸗
dert zu haben, die gewiß ſeiner Leidenſchaftlich⸗
keit viele Anftrengung koſtete. — K. kam oͤfter
nach dem Schauſpiele in einen Theezirkel, der
aus Herrn und Damen beſtehend fuͤr Kunſt und
Literatur vielen Sinn hatte und im Ganzen ge⸗
nommen wenige ſeiner Verehrer zaͤhlte. Hier
trat er einſt ein, nachdem er eines ſeiner Schau⸗
ſpiele, bei ſehr gefülltem Hanfe und manchem
Beifallszeichen, hatte auffuͤhren ſehn. Das Ges
ſpraͤch knuͤpfte ſich an die Vorſtellung, und non
mehreren Seiten wurde ihm. geäußert: daß es
22*
| — 340 —
ihm doch zu großer Geriugthuung gereichen mirffe
zu fehen, wie auf allen Bühnen: Deutfchlands
feine Stüde eine fo ‚große Anziehungskraft für
das’ Publikum hätten; worauf er benn erwieberte:
daß biefer fcheinbar hohe Gewinn in der That
ein fehr geringer fey, und daß er ihn allein dem
Umftande verdanken müffe, daß die beffern Köpfe
Deutſchlands fich entweder Dem dramatiſchen Fache
nicht widmeten, ober ed verfchmähten, fürs Pu⸗ |
blilkum zu ſchreiben. —
Solcher reſignirter Keufferungen ungeachtet,
machte es ihm doch manchen unfreundlichen Ein⸗
druck, daß um diefe Zeit gerade A. W. Schle⸗
gel nad Berlin fam, feine Kunflanfihten uns
ter großem Zulaufe in Borlefung entmwidelte, in
viielen Köpfen neue Anfichten wedte und eine
‚ernftere Würdigung der Erfcheinungen der Litera⸗
tur in Anregung brachte; auch erſchien Schlegels
Kon auf der Nationalſchaubuͤhne (den 16ten Mai
4802); ward mit großem Intereſſe gefeben, aber
nur einmal wiederholt, und verfchwand dann,
unbekannt aus welchen Urſachen, für.immer aus
dem: dortigen Repertoire. — Zuweilen fonnte es
— Bd —
von Kotzebue nicht vermeiden, : mit Schlegel
und feinen Freunden perſoͤnlich zuſammenzutreffen,
welches dann. für Beobachter ganz eigene Sce⸗
nen gab. Daß bier die Zänkereien der. Schrift
ſtellerwelt nicht:.in ‚Anregung kamen oder fortge⸗
führt wurben; lag in den’ erſten Pflichten de& gus .
ten: Zunesg: doch konnten die gefchlagenen Wun⸗
bar: ohnmöglich :ganz: vergeffen. werden. Hier
zeigte fich denw.v. 8. immer fehr befangen, ber
ihm fonft ſo leicht zu Gebote ſtehende Wig verließ:
ihnz em wich aus, wo er nur wußte und konnte.
So traf er einft: beim Eintritt in das Zimmer,
einer .geiftvollen. Dame. einen folchen Gegner;,
ganz verlegen fuchte er den Faden eines Gefprächs:
zu. gewinnen, indem er wiederholt auf das dama⸗
lige kalte Winterwetter zuruͤckkam. — „Darüber
beklagen Sie ſich mit Unrecht, Herr Kollegienrath!“
erwiederte Jene, „Sie. haben Sibirien beſucht,
und nun kommt Sibirien nach Berlin, um Ih⸗
wen die Gegenviſite zu machen!“ — v. Kotzebue
ſchwieg und entfernte. ſich nach kurzer Zeit ſicht⸗
bar beleidigt. — E
Wenn er von den Wiheleien anderer oͤfter
3
— 342 —
leiden mußte, ſo gewaͤhrte es ihm um ſo mehr
Genuß, die empfangene Gabe wieder zuruͤckzu⸗
geben. Der Gelegenheit, einem Witze freien Lauf
zu laſſen, konnte er nicht leicht widerſtehen; da⸗
zum verwund ete er nicht felten. Schulblofe So
ſchrieb aus einer Heinen Garniſon das Officierkorps
an ihn und bat ihn um Zuſendung und Ueberlafs
fung eines Beinen dramatifchen Familiengemaͤl⸗
des, welches fie felbft auf einem Privattheater am
Geburtstage ihres Chefs aufzuführen gedachten. —
Er fandte ihnen hiernächft, ohne weitere Zufchrift,
ein Eremplar ber deutfchen Kleinftädter und er⸗
zählte mit großem Wohlgefallen den verubten
Muthwillen. — BE
Einen offenbaren Nachtheil Hatte $ Berlin davon,
daß v. K. mit fo vieler öffentlicher Auszeichnung
aufgenommen war... Wenn man dort darauf be:
bacht war, ben Glanz des preußifchen Staates
zu vermehren, indem man ausgezeichnete Männer
ded Auslondes berief,, fü wurden dieſe an ber
Annahme folcher ehrenvoller Anträge durch die
vernünftige Betrachtung verhindert, daß e3 doch
wohl ein gar gewagted Unternehmen fey, in eine
. erg
.
Sphäre einzutreten, in welcher man an Kotze⸗
bue fo ganz feinen Mann gefunden zu- heben
fhien. — Manche vertrauliche Aeufferung Schils
lers muß wenigftens hierauf gedeutet werden. —
» Bwifchen Freude und Leid inne ſtehend, hatte
v. 8. das Unglüd, daß feine Gattin häufig kraͤn⸗
felte; ihr befam das Berliner Klima um fo ſchlech⸗
ter, je beffer es ihm, im Ganzen genommen, zu:
ſagte. Sie befuhte gar keine Gefelljchaften,
fondern widmete fi der Pflege ihrer Tleinen
Kinder und den Pflichten der Hausfrau.
Als Vater zeigte. v. K. immer den Seinigen
die Anhängligpkeit, welche dem menfchlihen Ges
fühle fo natürlich if, ‚Mit Verleugnung feiner
Perfönlichkeit für fie zu wirken, durch nähere
Beichäftigung mit. feinen Kindern an deren Bils
dung. zu arbeiten, mit ihrem Leben auf wahrhaft
wäterliche Weife. vertraut. zu werden, dazu mans
gelte ihm. die feinere Moralität und bie ernflere
Charakterſtetigkeit. In der kurzen Tageszeit,
die er mit feinen Kindern verlebte, freuete er ſich
ihres Anblides "und Wohlfeyns; bie. eigentliche
Sorge für fie blieb. der. Mutter und. Andern fiber:
v
- J 344
— . ED
‚
Yaffen. Wuchfen die Söhne ‚heran, fo brachte:
er fir in die Kabettenhäufer zu Peteröburg und
Wien; die Töchter lebten mit der Mutter; Ko=:
tzebue ſelbſt gehoͤrte, mit ſeiner großen Geſchaͤf⸗
tigkeit, der Schriftſtellerwelt, dem Thrater, der
Geſellſchaft. Es ſteht nicht: zu vermuthen, ‚daß:
er in den letzten Jahren ſeines Lebens hierin we⸗
ſentliche Abaͤnderungen traf, denn ſeine uͤbrige
Lebensweiſe blieb fortwährend dieſelbe. Nur das’
durch, daß er bei dem beſtaͤndigen Wechſel ſei⸗
ned Wohnorts und ſeiner aͤuſſern Verhaͤltniſſe,
auf Reiſen und unter Zerſtreuungen jeder Art,
jene feſthielt, iſt es erklaͤrlich, daß er die Zeit.
gewann, um fich als aͤuſſerſt produktiver Schriſt⸗
ſteller auszuzeichnen.
V. K. pflegte regelmaͤßig vor fuͤnf Uhr des
Morgens aufzuſtehn und ununterbrochen, heim’
Genuße des Kaffees Tabad rauchend, an feinen:
Scpreibtifche zu arbeiten, bis elf Uhr. Dann
wurden Befuche gegeben oder angenommen, :Theaz
ter = und Leſeproben gehalten, Spasierfahrten-
gemacht, u. ſ. f. — Nah Ein Uhr ging er zu
Tiſch, am liebſten aß er im Kreife. feiner Familie,
— U —
für die Mittagsmahlzeit nahm er nicht gern:
Einladungen an.: Mach einer kleinen Sieſta war
der Nachmittag wieder der Arbeit und Lectuͤre
gewidmet, ber! Abend ganz dem Theater, dem
geſellſchaftlichen Leben und . häuslichen Zirkeln.
Sommerabende brachte er gern im. Freien zuz;
in den Binterabenden. war ihm das Kartenſpiel
eine angenehme Zerſtreuung. Er machte gern:
eine Partie Whiſt oder: Boflon,. und: geivanın
foichem "Spiele. ein großes Intereffe ab, weshalb
ihn ‚auch anhaltendes Unglüd. oder Fehler der
Mitfpieler Leicht : verffimmen konnte, nicht de:
pekuniaͤren Verluſtes halber, benn.er . war .nicht:
geitzig. War er in- einer Gefelfchaft ſo nahm er:
en jeder frohfinnigen Unterhaltung. mit vieler
Empfaͤnglichkeit Theil. Spaͤteſtens um elf Uhr:
ging er zur Ruhe: Er hatte Sinn für die Freu:
ben ber Zafelz. hielt viel, nicht fomwohl auf zahl?
reiche, ald auf gut: zubereitete Speifen; er war
aber im Eſſen und im-Lrinken maͤßig und wußte
zumeilen den. Genuß burch Entbehrung zu würzen.:
Die Eleganz feines. Umgebungen war ihm viel:
werth, auffallende Bernachlaffiguugen hiergegen
konnte er mit bitterem Witze ruͤgen. Wie er haus
haͤlteriſch war mit ſeiner Zeit, fo war er es mit ſei⸗
nem Vermoͤgen, ohne geitzig oder habſuͤchtig zu ſeyn;
er war mitleidig und mildthaͤtig, ſchon deshalb,
um jeden unangenehmen Eindruck aus ſeiner Seele
zu entfernen. Leicht dem Unwillen preis gegeben,
leicht fuͤr Verſoͤhnung empfaͤnglich, konnte ihn
niemand eigentlich haſſen, der ihn mit t Unbeſan⸗ |
genheit. Länger beobachtete. — “
' Sm: Iahre 1803 verlohr v. K. eine zweite-
Gattin Chriſtine ‚geb. v. Kruſenſtern — Welches
zweifelerregende Licht auch das Geruͤcht auf v. K—8.
erſte ehliche Verbindung und das hinterher von
ihm fo hochgeprieſene Gluͤck derſelben zu‘ werfen
fuchte, darüber iſt man einig, daß er mit dieſer
zweiten. Gattin im Allgemeinen in einem genuß⸗
reichen häuslichen” Verhältniffe lebte, welches
ſelbſt durch feine Neigung zu manchen Liebesaben-
theuern nicht bedeutend geflört wurde. — Der
Verluſt der treuen, duldſamen, ſtets haͤuslich
ſorglichen Lebensgefaͤhrtin war gegenwaͤrtig fuͤr
ihn um fo größer, da ber Kreis feiner Kinder.
zahlreicher war.. Doch wußte er, für feine eigene.
— ur —
Erheiterung bedacht, die Vaterforgen zu befeitis:
"gen, und fuchte Berftreuung auf einer Reife nach
Paris, wohin er ja auch fchon beim Tode feiner
erften Gattin gewallfahrtet_ war. - Seinen Freis
müthigen übergab er indeß dem zum Mit = Res
dakteur angenommenen Garlieb Merkel *),
der. mit: fchriftftellerifchen Sudeleien in Berlin-
feinen Broderwerb ſuchte. Diefer Berbindung,
die.mit einem fchlechten Federkriege endete, fchaͤmte
er fih fpäterhin mit Recht; aber mit großem
Unrechte fchrieb er gegen den Famoſen ein fachels
loſes dramatifches Pasquill, unter dem Zitel:
Gottlieb Merks, Egoiſt und Kritikus. (Als
manach dramatiſcher Spiele. Jahrgang 1810). -
Kogebue reiſ te i in bir —J des s Def kdi⸗
j
9 Wen eine Charakteriſtik dieſes verſchollenen Autors
intereſſiren koͤnnte, findet fie in der Recenſion feines
neueſten Werkes, in der allg. Halliſchen it. Zeit.
1819. Februarheft, Stück 44 bis 46. — Im zweis
ten Zahrgange der Biene, 1809, wiif't von Koßts
bue Geite z2ı5 fi. nad, daß Merkel, als Mitre⸗
bafteur bes Freimuͤthigen, für ihn 78 Thlr. Honorar
empfangen, bavon aber 50 SIR. für fi) behalten
habe, —
rektors beim "Nationaltheater zu Berlin, ijetzigem
Kapellmeiſter Weber, im Herbſte defielben Jah⸗
res nach Paris ab, und machte unmittelbar nach
feiner tw’ März 1804: erfolgten Ruͤckkunft wie.
“er auch. Schon dreizehn Jahre früher gethany
Mittheilungen aus feinem Reifetagebuche befannt..
"Vergleicht man diefe Erinnerungen. aus: P.asi
218: (Berlut 1804: bei Brölich.) mit. der fruͤhern
Flucht nad Paris, fo läßt ſich nicht verken⸗
nen, daß v. K. gegenwärtig ‚weit .befonnener und
anftänbiger :rebet, ald damals; daß er; wenn
auch feine Then bekannte Inbividualität zuweilen
Mißtoͤne herbeiruft, dennoch im. Ganzen. genom⸗
men mehr Sittlichleit vermuthen läßt.. Anftatt
des. früheren. Gewimmers über den Zod- feiner.
eriten Frau, ber mit fehr rohen Aeufferungen
widrig Eontraflirt, deutet er bier eine Mehmuth
an, bie jedem Schmerze einen lauteren Chärakter
giebt. So fchreibt er in der Bergſtraße an eine
Freundin: „Sie fehen, ich dachte, wo id nur
fühlen follte: ein Beweis, daß felbft diefe Zau-
ber der Natur, von welchen der Neifende einen
ganzen Tag lang umweht wir, mir noch keinen
— 39 —
reinen Genuß gewaͤhrten. Ach! was iſt Genuß
ohne Mittheilung, — Der gute gebildete Menſch
Sonn nicht allein genießen. Alles, worauf ich
in meinem. Leben mid) am meiften gefreut habe,
: Alles was in meiriem Leben mir die meifte Freude
‚gemacht hat., ging immer von Andern aus, ober
zu Andern über. In dem Auge. eines. geliebten
Gegenſtandes, Vergnügen fchaffen, iſt ja: wohl
wahrhaftig ein göttliches Vergnügen; denn,
ter uns ſchuf, kannte Fein andres. — Sch, ber
ich. nichts mehr. habe ‚old die Erinnerung, ber
ich, noch obendrein alle Augenblide bie. Vernunft
mit Ketten nachfenden .muß — ich verließ bie
ſchoͤne Bergftraße, wie ein:Zauber ein Concert. —
Als Erzähler entfaltet v. K. in diefen Erin:
nerungen das Talent, auf eine:fehr gluͤckliche
Weiſe die Zuͤge des geſellſchaftlichen Lebens auf⸗
zufaſſen und leicht aneinander zu reihen; es tft nicht
unintereffant, bei diefer Anerkennung das. Koges
buefche Werk zufammen zu flellen mit den kurze
Zeit nachher. erfchienenen vertrauten Briefen
über Paris, die der geiſtvolle, aber ‚gleichfalls
viel von der egoiftifchen Eitelkeit Jeidende Kapells
meiſter Reibardt herausgab. Da biefe Ver:
gleihung nicht ganz zu Kogebue’3 Nachtheil
ausfällt, fo ift ſchon hieraus abzunehmen, daß er
fi) nicht, wie früher, darauf beſchraͤnkt, faft
ausfchlieglich bei Theaternachrichten und beim Zu⸗
fammentreffen mit Freudenmaͤdchen zu verweis
len. . — Die Schilderung der Straßen von Paris
und die daran gereihten fkizzirten Gemälde find in
der Lebendigkeit des Vortrags dem Beſten zuzus
zählen, was umfer Schriftfteller . gegeben hat;
| dagegen kann die Art, wie er Über die Kunſtwerke
und Kunflfanmlungen redet, Wenigen genügen
und nur feine: völlige Unkunde bes Werthes hoͤ⸗
herer Kunftbeftrebimgen offenbaren. ‚ Diefes ift
leicht zu überfehen, da er feine Meinungen an=
fpruch8los vortraͤgt und feltenet, als fonft, ſich
beitommen: läßt, Muthwillen gegen die zu ver
üben, die wie Goͤthe, Schlegel, Tiecku. ſ.f.
mit ihrem Wollen und Wirken auſſer der Sphäre
feines Gefichtöfreifes ſtehen. —
Als bemerkungswerth in Hinfiht der Mits
theilungen Kotze bue's mag erwähnt werden,
daß er bier, wahrfcheinlich ohne fich feiner eige⸗
— 351 —
nen Perfönlichkeit zu erinnern, ausruft: „Ja
wohl! ift der-Eraffefte Egoismus ein Zeichen uns
ferer Zeit!" (Seite 26.), daB er von der Bona⸗
partefhen Familie und befonders vom erften
Konful, dem er vorgeftelt wird und ben er öfter
fpricht, mit großer Berehrung rebet, und daß er zwis
fchen dem letztern und zwifchen dem von ihm hochge⸗
feierten Kaifer Paul viel Charakterähnlichkeit fin⸗
det. Zwar fieht er bie Keime des fich entfalten«
ben Deöpotismus, den er aber nur in. fofern
rügt, als er fih in der, fpäterhin von ihm fo.
lebhaft empfohlenenen,. Befhräntung der
Dreßfreiheit offenbart. So fagt er noch
am Ende feines Buches (Seite 590.):: „Den
Schluß der in meiner Schreibtafel gezeichneten
Bemerkungen madıt eine gerechte Rüge: Sa den
legten Zagen meines Parifer Aufenthaltes: erfchien
ein Wert von Pigault le Brün, in zwei
Bänden, le Citateur genannt, welches fehr viel
Aehnlichkeit mit Voltaire's Bible enfin ex-
pliquee hat, auch vieleicht ganz daraus geſchoͤpft
worben ift; folglich enthalt e8 die abfcheulichften
Schmähungen gegen Religion und Bibel. Dazu
— 32 —
shat fich: der Verfaſſer ohne Bedenken genannt,
der Buchhändler Barba hat es ohne Bedenken
‚verlegt, die Genfur hat es ohne Bedenken druden
laſſen, und die Polizei erlaubt es ohne Bedenken,
daß ed öffentlich im Palais royal verkauft. werde.
Die gröbften Läfterungen gegen Chriſtus find alfo
in Paris erlaubt; aber es unterftehe: fih Einer
auch. nur Eine Zeile gegen — zu.fchreiben, wenn
er nicht etwa neugierig iſt, „die Ufer von Cayenne
zu ſehen“ —
.Im ·Fruͤhjahre 1804 verließ von Kottebue
Frankreich, durchreiſ'te Deutſchland und beſuchte
ſeine Beſitzungen in Lief- und Eſthland. Hier
warb er um die Hand des Fraͤulein — von Kru⸗
ſenſtern, einer nahen Verwandtin feiner zweiten
Gattin, die;. wie man ſagt, auf dem Todtenbette
ihm diefe Wiederverbeivathung ans Herz legte.
Seine Wuͤnſche ‚wurden erfüllt; der Verlobung
folgte ſchnell das Hochzeitsfeſt und unmittelbar
nad demfelben, begann er an der Seite feiner
dritten ‚Gattin eine Reife aus Liefland, über
Riga, Berlin, Leipzig, Nürnberg, Augsburg,
durch Zyrol nach Italien, wo er in Rom und
— 3 —
Neapel verweilte, weshalb die von ihm im nächs
Ben Jahre herausgegebenen Erinnerungen an
dieſe Reife (Berlin bei Srölich, 1805, drei Bände.)
‚über diefe Städte und: ihre Umgebungen auss
führlih reden. Den Eingang feines Buches bes
ginnt er mit faſt orientalem Dichterfluge, in dem
er den Preis des Kaiferd Aleranders, den er
kurz vor der Abreife zu Reval fprach, verfündet
— „Alerander — ich meine nicht den gewals
tigen Reifenden, .ber ‚in großer Geſellſchaft bie:
Welt durchſtrich, und endlich gar eine Brüde in
den Mond. hinaufbauen wollte; ich meine den
holden Genius Rußlands, dem die Mondbewohs
nee, wüßten fie. von ihm, wohl gern eine Brüde
berunterbauen mögten — auch Alerander iſt in
dieſem Jahre durch feine veutſchen Provinzen ges _
reift (— dies ift nämlich die nahe Veranlaſſung
die den Hrn. v. K. beſtimmt von jenem Monar⸗
den zu reden: er will in biefem Jahre reifen
und ber Kaifer iſt gereift —), freilich nicht, wie
ih, um Blumen zu pflüden, fonbern, wie es
ihm gebührt, um Früchte zu fanmeln, bie im
Strahl feiner Fruͤhlingsſonne zu reifen beginnen.
| 23
>»
— |, 354 —
Nicht Liebe moͤgte ich 08 nennen, ſondern Lei⸗
denſchaft, die man in Eſth⸗ und Liefland fuͤr
Alexander empfindet. Ich erzaͤhle wahrlich blos
was ich ſelbſt ſah. Jedes Auge gluͤht, jede Stirn
entwoͤlkt, jede Zunge loͤſ't ſich, ſobald fein Name
genannt wird. Er war nur einige Tage in Re⸗
val, und doch weiß ih, daß bei feiner Abreife
Thraͤnen gefloffen find, wie man fie um einen
ſcheidenden Geliebten. weint, — — ich breche
lieber ab, denn kalt von ihm ſprechen kann ich
nicht, und meine Waͤrme ſoll niemand mißdeu⸗
ten. — Heil der Mutter die ihn gebar! u. ſ. w.
(Thl. 1. ©. 7 bis 9.) |
Noch einige. Blätter verweilt ber Erzähler in
Lief⸗ und Efihland, hebt es befonderd heraus,
daß einige Letten gegen bie Aufhebung ber Leib-
Ki
eigenſchaft follen proteflirt Haben, befteht am Pei⸗
pusſee ein Gewitter, fieht in Dorpat Studenten
‘mit Helmen, denen er die Weifung giebt, uͤber
dem Helm die Eule nicht zu vergeffen, und bes
Yächelt den Rektor der Univerfität, der einen $ ee
derhut tragen, ſich aber nicht Etats rath nen=
nen laffen darf. — Dann geht ed, unter Beifuͤ⸗
— 26 —
gung einer beſondern Nachricht uͤber die .Ertrapos
ſten in den durchflogenen Laͤndern vorwaͤrts, ſo
raſch, als ed der Poſtillon zulaͤßt, aber nicht fo
raſch, um nicht einige beiläufige Bemerkungen
zum Beften zu geben, . und beſonders Goͤthen
ben Rath zu ertheilen, daß er jebeömal beim
Zujauchzen des Publikums aufträte, und befcheis
den audriefe: gewefen! (Seite 57). : Schnell
genug ift er in Italien und da ‚beginnen feine
ausführlichen Bittheilungen, über deren Fluͤch⸗
tigkeit, Oberflächlichleit und zuweilen offenbaren
Unverfland ihm: nichtö anzuhaben ift, da er fchon
in der Vorrede jeden möglichen Vorwurf: zu bes
feitigen weiß: „Mein Aufenthalt in Italien war
zwar nur kurz; body wüßte ich nicht, ‚warum
Das eben den etwannigen Werth meiner Urtheile
verringern ſollte. Die Gabe zu beobachten, if
eine Naturgabe; wer fie nicht mitbringt, wirb
fie auch in Jahren nicht. erwerben. Die meiften
Dinge fieht man entweder gleich ‚beim. eriten
Male recht, ober nie. Das wirklich Auffalz
Iende, wirklich Bemerkenswerthe, zeigt. fich beim
arſten Ueberblick, und ich möchte faft ſagen: nur
23*
— 356 —
beim erſten. Hat das Auge ſich einmal an die
Gegenſtaͤnde gewoͤhnt, ſo iſt der ſcharfe Blich
ſchon verloren. Auch ich habe die beruͤhmteſten
Kunſtwerke zwei⸗ und mehrere Male geſehen, doch
intmer gefunden, daß mein erſtes Gefühl am fri⸗
ſcheſten, am barchdringendflen war. Darum ſuchte
ich auch immer dieſen Eindruck feſtzuhalten, und
wenige Stunden nachher auf dem Papiere zu
ſchildern. Wer indeß mein Buch bios als eine
Sammlung von fluͤchtigen Bemerkungen
betrachten will, der thue es immerhin; die flüchs
tigen Bemerkungen ſi find nicht Immer bie ſchlech⸗
teſten!“ — |
Aber. oft!! —
Bon dem, was von Kogebue über Italien,
Kunſt und Kunſtwerke ſagt, oder vielmehr ſchwatzt,
— keine Zeile; nur die Bemerkung darf nicht ver⸗
fehwiegen werden, denn fie ift für fein inneres
Leben. charakteriftifch, daß er durch das ganze,
drei Bänbe ſtarke Werk hindurch, immer wieder
darauf zuruͤckkommend, mit dem -petulanteften
Muthwillen bei Allem verweilt, was auf pofitive
Chriftusiehre, auf Legenden, Martyrergefchichte,
Kirchen» und Prieſterthum hindeutet. Hier zeigt
er feine Fertigkeit in. allgemeinen, : unbeflimmten
balbwahren Wendungen, Wortfpielen, Späßchen
und wigigen. Cinfälen, das ber chriſtlichen Welt
Heilige zu verfootten. . Hier ein Beleg mit
feinen eigenen Worten: „Wenden wir und lieber
rechter Hand,. wo vom. Tempel bes Fries
dens noch drei herrliche Bogen. fliehen. Das
praͤchtige Säulengewimmel ift freilich verfhwuns
ben, Nur eine einzige .entging ber Zerſtoͤrung.
Und was hat man’ mit diefem Eoftbaren Ueberrefte
angefangen? — Ei nun, Papft Paul V. hat die
Säule vor der Kirche Marin Maggiore aufgerich⸗
tet und eine unbefledte Jungfrau” (— die
oft der Gegenftand feines Spottes wird —) „bin:
aufgeftellt. Seltfam, daß eine Säule des Fries
dens tempels vom eigenfinnigen Schickſale bes
flimmt wurde, die Mutter des Mannes zu tra⸗
gen, deſſen Lehre einen endlofen blutigen
Krieg veranlaßte” — (Güte. 196.) Alfo:
die Lehre Chriſti bat die enblofemi.blutigen
Kriege: veranlaßt? — Ein Mann der felbft Ren
ligion bat, ober, „der: mil: einigen moraliſchem
— 358s —
Sinne, die Religion ſeines Mitmenſchen als ſolche
achtet, wuͤrde geſagt haben: Menſchen, die ſich
Glaͤubige der Lehre Chriſti nannten, veranlaß⸗
ten blutige Kriege; aber der himmliſchen Lehre
der Liebe und des Friedens das brizumeſſen, was
Verblendung und Leidenſchaft der Sterblichen ver⸗
fhuldete — iſt — — doch nein! es braucht Fein
Bluch über ſolches Verbrechen außgefprochen zu
werden. — Näher liegt ed, den Ungluͤcklichen zu
beklagen, ber der hohen Freuden des religioſen
Lebens entbehren mußte. — Hiervon uͤberall Zeug⸗
niſſe: Thl. I. ©. 107 u. 108 lieftt man: „Eine
andere junge Ronne — entfprang vor Kurzem,
und — man denke fib ben frommen Abfcher
der alten Urfelinorinnen, bie verftohlenen Seuf⸗
zer ber jungen Nonnen — heirathete wenige Tage
nachher einm Soldaten vom Regiment Jordis,
deſſen Kommißbrod ihr beffer fchmedte, als Die
kloͤſterlichen Lederbiffen. Jetzt fol die vormalige
Braut Chrifti Hoffnung haben, bald ein leben:
biges Kind an den mütterlichen: Bufen zu drüs
. den. Vielleicht hat fie einmal davon gehört, daß
der’. gottlofe Voltaire. behauptete, ber Vater
ihres himmlifchen Braͤutigams fey.ein loderer rd:
mifcher Soldate geweſen.“ — Thl. II. ©. 106
fagt er: „Diefe Münzen (ded alten Syrakus)
tönnen für das aͤlteſte Modenjournal auf dem
Erbboden gelten. Möchten ed doch die Chriften
mit ihrer heiligen Jungfrau eben fo gemacht ha⸗
ben, ſo hätten wir bie vollftändigfien Modebe⸗
‚ richte von achtzehn Iahrhunderten, und die Ma:
donna würde fehr erbaulich, bald mit der Fon⸗
tange, bald mit einem Bonnet ä l’Eulalie erfcheis
nen. Das wäre doch wahrlich paffender, als bie
augsburgifchen Allongen> Perüden. — Oft glaubt
man, bei Betrachtung ber alten‘ fictlianifchen
Münzen, ſich plöglih in chriftliche Zeiten verfeht,
wenn man dad Kreuß in mancheslei Geſtalt ges
wahr wird; dieſes Kreutz iſt aber egyptifchen
Urfprungs — daß bock bie Chriften fo gar nichts
Neues «erfunden haben!" — Thl. IN: ©. 17:
„Indien ift ganz mit Gold gemalt (auf einer
geographifchen Karte im vatikanifchen Palaft zu
Rom). Die Inſchrift fagt: ed fey ein Land
wo Milch und Honig fliege, und wo der Erlöfer
gebosen ſey. — Welcher? Chriſtus oder Wifchz
— KO —
nu? denn befanntlich ift Chriſtus nur eine
Nachahmung von Wiſchnu.“ —
Da Italien an Monumenten der burd Ans
bacht verherrlichten -Kunft und bes chriftlichen:
Glaubens fo reich ift, fo kann man leicht erach⸗
ten, wie oft Herr von Kotzze bue Gelegenheit
ſucht und findet, in folcher Manier feine Gloſſen
zum Beſten zu geben und fi felbft zu ſchaͤnden,
indem er verdchtlih vom Chriftenthume redete.
Käthfelhaft aber koͤnnte es Manchen duͤnken, bag
diefer irreligioͤſe, unmoralifhe Schwägßer in eis
nem Beitpunkte fo viele beifälige ‚Zuhörer finden
fonnte, wo ed auf anderer Seite ſchien, ald ob
die ewige Heiligkeit des cheifllichen Glaubens
felbft in dem proteftantifchen Deutfchland fich von
Neuem offenbare. — Doch auch für die, welche
an feinem gegen das Ghriftenthum ausgefprochenen
Hohn etwa Aergerniß nehmen, ihm barlıber Vor⸗
würfe machen, ihm deshalb. ihre Gunft entziehen
‚wollten, hat er eine Entfchuldigung, die mit ber
Jaͤmmerlichkeit der zu befchönigenden Ruchloſig⸗
keit gleihen Schritt hält, — Er läßt ſich in der
Vorrede (S. 5. ff.) alfo vernehmen: „Doc einer.
Mißdeutung muß ich vorbeugen. . Ich habe lei—
der fo oft Gelegenheit gefunden, über. Pfaffen⸗
geift und Aberglaube (Nur über. dieſe? —)
zu fpötteln, daß ein fluͤchtiger ober uͤbelwollender
Lefer wohl auf.den Einfall gerathen koͤnnte, ich
hatte die Religion felbil angreifen wollen. : Gegen
dieſe Beſchuldigung halte ih für .nöthig, mich
feierlich zu verwahren. Bon der Nothwendigkeit
einer pofitiven. Religion ift niemand uͤberzeugter,
als ich; Geſetze binden nur, Religion Fettet
die menfchliche Gefellfchaft zufammen, fie ift die
Philofophie des Volkes, ihm ein Stab in: Leiden,
ein Hoffnungsftern im Unglüd, ein. Schild gegen
die Schreien des Todes; durch Religion erhalten
die Bande der Natur für,ben finnlichen Menfchen
eine Weihe; ſie iſt oft Schöpferin, oͤfter noch
Erhalterin des nothwendigſten Gluͤcks auf Erben,
bed Familienglücks; wehe alſo den, ber ihre
Freuden und Troͤſumgen dem Volle rauben mögs
te! — aber wenn Pfaffen den Hang. des Volkes
zum Ueberſinnlichen mißbrauchen, um in dem dick⸗
fien Aberglauben es zu verſtricken; wenn fie die
Religion blos zun Wertzeug ihren Habſucht und
— 362 —
Herrſchſucht herabwuͤrdigen, weil fie: Mäpichen
auf Märchen häufen, jedes Aufſtreben unterdruͤ⸗
cken, jedes Lichtlein verloͤſchen, damit es ihre
Ignoranz nicht beleuchtez wenn. fie vom Schweiße
des Volkes ſich maͤſten, mit deſſen Blute:ihre fei⸗
fien Wangen färben; wenn fie auf deffen. zertsea
tenem Gehirne thronen, und bie bümmfle Dumm⸗
beit ihnen nod nicht Dumm genug iſt, — ja dann
ift es erlaubt, gegen diefe Brut- zu donnern; fie
‚bat nichtö mit der Religion gemein. Diefe ehre
ich, wie ſichs gebührt, und Gottlob! es giebt
noch Priefter derfelben, die Ehrfurcht und Liebe
verdienen; ja ich ſelbſt zähle unter meine beften
Freunde einen: Fatholifchen Priefter: — BVielleicht
wuͤrde ich überhaupt dieſe, von Voltaire und an⸗
dern eigentlich. laͤngſt erfchöpfte Materie gar nicht
berührt haben, wenn wie nicht ‚gerade in einem
merkwürdigen Beitpunkte lebten, wo eined ber
srößten Genies unferes Jahrhunderts — vom
Vertraun auf fich felbft verlaffen, weil Bewußt⸗
feyn reiner Seelengröße es verließ, den morfchen
Stab des Aberglaubens faft aͤngſtlich ergriffen
bat, und ihn fo fchwersäuf. ber Naden des Vol⸗
— Ay —
kes druͤckkt, daß es haſtig dem lichten Tage den
Rüden kehrt, um mit verſchloſſenen Augen in bie
fürftere Nacht des dreizehnten Jahrhunderts zus
thdzulaufen. Darum ift das oft Gefagte wie
derum ein Wort zu rechter Zeit, und Jeder, ber
dem Aberglauben die Latve vom "Gefichte, die
elenden Lunipen vom Leibe reißt, thut Rechts
kein Unbefangerter wird ihn befchuldigen, er habe
die Religion’ antaſten wollen. — - 1
Wie paßt diefes Geſchwaͤtz, mit allen dem un⸗
—— halbwahren und verzerrten Zuͤgen, zu
den eben beigebrachten Zeugniſſen, bie die Eni⸗
wuͤrdigung der chriſtlichen Kirche ſo offenbar zum
Zwecke haben? — Wenn v. K. in ſeinen Schau⸗
ſpielen dagegen nicht ſelten, — zwar nie eine
religioſe Sinnesart — doch eine gewiſſe Achtung
für die chriſtliche Offenbarung ausſpticht, fo darf
ihm diefes durchaus nicht als perfönliche Ueber⸗
zeugung beigelegt. werben: denn es If nichts, als
Dekoration‘ der’ Theaterrolle. Jene, in feinen
Schaufpieln, in Sentenzen, Tiraden und Ges
forächen, wo e8 Schlag um Schlag’ geht, gepre⸗
bigt werdenden Anfichten haben -iyn :oft: mit Mich
feibft: in Widerſpruch geſtellt; wird Hier: bie, Sitte
lichkeit empfohlen, fo ſagt erz..,,Scht dies iſt
meine Anſicht, dieſes mein Verdienſt; fo beifuͤhr
ich mich die Tugend zu: lehrenz“ wenn-.er: aben
Laſter, Voͤllerei, Unwahrheit, Schlechtheit heſchoͤ⸗
vigend, entſchuldigend und Beifall winkend, aufs
teitt, fo. muß die Charakterzeichuumg ber -aufges
führten Perfon. bie Schuld tragen. — Alfo haben
bie Klugen dieſer Welt ihre Rechtfertigung im⸗
wer in Bereitſchaft; fie unterlafteniwicht, ſich ſelbſt
da zu vertheidigen, wo keine Vertheidigung on
Möthen :war, und beſtaͤtigen das Voltaire ſchet
Qui s’excuse,.s’accuse 3:10 dagegen Feine Ents
ſchuldigung etwas fruchtet, vermerken ſie es gar
Abel, wenn man ed mit-ihnen-fo. ſtreng nehmen
will, und: find bei der Führung ber Rebe wenig.
ſtens nicht um · das Wort nerlegn. — .. .
Daß v. Kopebue biernächft daheim, wie auf
der Reife, fih oft angeregt findet,. feine Wuth
gegen Goͤthe, gegen bie-.neuen Philoſophen,
Arftpetiter und Kritiker Worte zu geben, daß er
friſch weg, über Alles, was Ihm in den Wurf
kommt etwas zu fprechan,weiß, daß hieraus eine
V
— 3366 —
Maſſe von Konverſationsſtuͤckchen ſich bildet, die
Ber: flachen Gemeinheit zur Zeitverkuͤrzenden Uns
terhaltung dient, verſteht fih von: ſelbſt. Leicht
wurden bie brei Bände der Rüderinnerungen:
an diefe Reife wenige Monate nach feiner Ankımft
zu Berlin bingeworfen-und durch bie deutfche Yes
ſewelt zerſtreut. — Da er in dieſem Zeitpunkte
ſeiner Schriftſtellerthaͤtigkeit, ſich eigentlich noch
nicht, wie ſpaͤterhin, in die Politik verirrt hatte;
fo finden wie bier: noch bedeutende Lobſpruͤche
auf eine. freifinnige Geiftesthätigkeit, ‚welche mit
ſeinem nachher zus großen Erbauung verfinſterter
Schwaͤchlinge verlautbarten Fledermaus: Geſchwirt
nicht zufammenflimmen; es iſt nachzumweifen, nicht,
Daß er in fpdtern Lebensjahren moraliſch beſſer,
wohl. aber daß er geiſtig ſchlechter wurde. -&o
fpricht er noch an dem Schluffe der Erinneruns
gen (Thl. 3. Seite 420 ff.) von dem Unheil
der Bücherzenfuren und fchließt: |
„Die Machthaber fcheinen die Geſchichte
zu betrachten, wie die Fuhrleute bie gemachten
Warnungdtafeln auf den Tyroler Gebirgen,, fie
nehmen fich Feine andere Lehre daraus, ald:: daß
I
%
man die Rider tuͤchtig einhemmen muͤſſez -fie
vergeſſen aber, daß dort die Urfache (nämlich
die ſteilen Gebirge) nicht meggeraͤumt werben
koͤnne, hier. hingegen es allein. von ihnen abhängt,
alles Einheramen überflüfftg zu machen. Ride
Genſur, noch Jakobiner (Burfchenfchaften>, Teu⸗
tonen⸗ und Bund⸗) riecherey, nicht Ignoranz
‚und. dichter Aberglaube ſchuͤtzen vor Revolutionen;
in Preußen z. B. darf man leſen, ſchreiben, dru⸗
den, ſprechen, unterſuchen, was man Luft hat *),
und ‚dennoch, ift. Fein Staat in Europa ficherer
vor einer Revolution; bie ganze Kunſt, fie
zu verhüten, beſteht in dem einzigen
Worte: Bolteglüd Em gluͤckliches
Volk rebellirt nie, wenn auch Millionen Schrifts
ſteller durch Milionen Federkiele es zu bewirken
ſuchten. Man zeige mir ein einziges Beiſpiel in
ber Geſchichte, wo ein glüdliches Volk ſich
‚empört hätte. Wenn alfo — wie jest wieder
.bei einer benachbarten fremden Nation gefchieht —
9) Diefes berichtet von Kogebue in dem Jahre nach
Gdbriſti, unferes Heilandes, Geburt, ein taufenb
at hundert und fünf. —
— 467 —
der. Monarch feinen Thron mit allen jenen Uns
geheuern umringt,: bie Mißtraun ausbruͤten; fo
. belennt er dadurch laut vor Welt und
Nachwelt, was fein eigenes dunkles
Gefühl ihm fagt: Mein Bolt “ nicht
glüeliche — |
Daß boch die menſchliche Schwachheit in funf⸗
zehn Jahren ſo Manches vergeſſen laͤßt, oder,
daß doch von den zahlloſen Leſern Kotz ebne'!s
die: Machthaber gerade dieſe einfach verſtaͤndige
Weiſung fo ganz außer Acht laſſen mußten! —
Zu dieſen Wuͤnſchen geſellt ſich ein neuer bei der
Durchleſung des Buches, er, ber mit manchen
Empfehlungen verfehene Verfafler, erlangte auf
feinen Reifen überall zu den Großen ber Erde
den gefuchten: Zutritt, . und ſprach fo. auch. die,
nach unlauteren Quellen, in Hinſicht ihrer Perſoͤn⸗
Vichkeit oft gar ſehr verläumbete Königin von
Neapel. Bon ihr wil Kogebue im Gefpräche
bie Worte gehört haben, die in dem Munde eis
ner Königin die größte. Bewunderung erregen:
„sh fimme das Volk lieber hinauf, als
— 368 —
herab." — Sollts diefes nicht jedes denkenden,
auf das Volk wirkenden Menſchen Pflicht: ſeynk
Aber hat je ein Mam, als Schriftſteller dieſer
herrlichen Maxime mehr entgegen gehandelt, um
nur. in dem Beifalle des großen Haufens dem
Geluͤſte der augenblicklichen Eitelkeit zu frͤhnen
ſo war es v. Kotzebue. Dieſe traurige Entar⸗
tung war die nothwendige Folge ſeines, jedes
höheren. moraliſchen Werthes entbehrenden Kba⸗
rakters; nach felbigem..bewied er mit feinem gans
zen Leben, ‚daß er von’ dem geifligen Wertho
der Menfchheit die traurigſten, die Alles ober⸗
flaͤchlich „abfindenden Menfchen immer tiefer hin⸗
abziehende ‚Borftellungen hatte. Sein. Geift, nie
der Weihe religiöfer Anfichten fähig, .bielt fih am
ben Gedanken, daß die Ausbildung des
menſchlichen Sefhlehts, ein von Ewige
keit her. zugemeffenes, Feiner Vergrös
Berung fühiges Ganzes ausmahe; er
predigte: „ed giebt in ber moralifdhen
Welt nur eine gewiffe Summe von
Ausbildung, wie in der phyfifhen nur
eine. gewiffe Summe von Materie, die
v
— 39 0 —
fich nie vergrößert und nie abnimmt *),”
and lebte hiernach. Wer ſich einmal einer folchen
Meinung hingegeben,- hält es gar nicht mehr der
Mühe werth, und wird mit berfelben unfähig fuͤr
moralifhe Vervollkommung, zur Erlangung eines
höheren geiſtigen Werthes feiner felbft und Ans
derer zu wirken; benn ganz folgerecht mußte ſich
v. K. fagen: es iſt ganz gleichgültig und erfolgs
los, ob du mit dem Ernſte eines geifligen Berufes
einem höheren Ziele entgegen arbeitefi; das mos
raliſche Gute, das einmal in der menfchlichen
Geſellſchaft verbreitet ift, bleibt -Doch, vermehrt
und vermindert fi auf Feine Weife; darum iſt
ed am rathfamiten fich Feine Sorge zu machen;
dem Leben einige -genußverheißende Seiten abzus
gewinnen und außerdem einen gewiflen Anfland
zu beobachten, der vor duffern, unangenehmen Bes
ruͤhrungen ſchuͤtzt. — Diefes iſt die fogenannte
*) Dieſes iſt öfter, direkt und undirekt in v. KELe⸗
ben und Schriften ausgeſprochen; die aber hier wie⸗
derholten Worte ſtehn in feiner Schrift: Fragmen⸗
te über Recenſenten⸗ Unfug. Beipäis IR |
‚Seite 136 und II
24
— 70 —
Lebensphiloſophie, ‚die in Der fchlaffen Entartung
der Kogebuefchen Zeitgenoflen, befonders in den
höheren Ständen, vielen Beifall fand. In ihren
weiten Mantel gehült, nähert fich der zuruͤckkeh⸗
"gende Reifende mit frohem Herzklopfen der Haupt⸗
ſtadt des Preußiſchen Staates. „Mit leichter
Bruſt,“ fagt er, „ſah ich die Thuͤrme der Refi⸗
benz eines Landes wieder, das zwar dem Gau
men Feine Drangen liefert, aber ber Zunge erlaubt
"zu ſprechen, und dem Gehirme, zu denken,
“ ohne jebes Wort durch einen Spion, jeden Ge⸗
danken durch einen Genfor vergiften zu laſſen.
Hier, wo Bertrauen ber Regierung mit dchter
"Auflistung im Bunde ſteht; hier, wo wahre
Freiheit herrſcht, der Bürger keiner Laune,
nur weiſen Geſetzen gehorcht,. durch fie dem
Füuͤrſten gleichgeftellt, — die einzige vernünfs
tige Gleichheit! — Hier hänge ich meinen Wan⸗
derſtab, als ein ex voto in den Tempel ber Mufen,
der durch bie Nähe von Bellonens Tempel nicht
beunruhigt wird. Hierher flüchte jeder ruhige,
den Wiffenfchaften ergebene Mann, ‚gleich dem
Schiffer, der, um dad CapuHorn fegelud, das
— 371 — \
file Meer zu erreichen ſirebt, das nie ein
Sturm bewegt. N. m Ä
| Diefe Zufammenftelung des fiillen Meeres
und der Mark Brandenburg gewinnt ſchon
deshalb ein ganz eigenes Anfehn, weil in letzterer
bekanntlich der leifefte Windhauch Sand und
Staub gewaltig in Bewegung ſetzt. — V. Ko:
kebne, fonft. oft unvorfichtig, aber in dieſer Hin⸗
ſicht ſehr konſequent pfiffig — pflegte nie* ein
Land oder eine Stadt zu loben, ohne zu gleicher
Beit Rußlands huldigend zu gedenken. Solcher
Sitte bleibt er denn auch bei diefem Reifeberichte
treu; eine Parallele zwifchen Stalien und Rußland
muß dazu dienen, um mit einer Lobrede auf legs
teres den Beſchluß machen zu können. — Hier
iſt dieſes Probeſtuͤck der Kotzebueſchen Kombina⸗
tionsweiſe:
„Italien gefehen zu haben, ift fehr ange:
nehm; es zu fehben, weit minder. — Wie, wenn
ich.eine Parallele zwifhen Italien und Ruß⸗
kand zoͤge? und wenn ich ed zum Wortheile bes.
letztern thaͤte? — Dann wird man mich para
. 24*
dor ſchelten, aber ich habe Gründe, und, wie
mich deuht, gute Grunde — Das Klima in
Italien ift lieblid und mild, aber fehr verän-
derlich. Keinen Tag, faft keine Stunde, kann
man ſich auf die Witterung verlaffen; daraus
entfteht großer Nachtheil für die Geſundheit; groͤ⸗
Berer noch aus den vielen Suͤmpfen, bie faſt
das ganze Jahr hindurch die Luft mit fchädlichen -
Dinften füllen, ven Seen und Baͤchen, bie
man ſchon meilenweit riecht. Die Reichen müffen
im Sommer auf Berge fliehen und ſich gegen die
Luft der Ebene verſchanzen; bie Armen müffen
bleiben und flerben. Die jährliche Ueberzahl der
Todtenliſten erregt Schaudern. Wo ber giftige
Aushauch dee Suͤmpfe und Seen nicht hinreicht,
da helfen die Menfhen mit ihrem Schmuße
nad. Bei diefem abfeheulichen Hange der Ein
wohner, in Schmuß zu leben, wie die Miftkäfer,
- {ft mir unbegreiflich, daß die Peft fo lange nicht
in Stalien gewefen; fehr begreifli hingegen ift
mir, daß das gelbe Fieber dort feinen Thron
aufgefchlagen; ich wundere mich viekmepe, daß es
uicht dort: feinen Urſprung genommen: — Dage⸗
— 373 —
gen Rußland. *) — das Klima ift rauh, doch
beftändig; Suͤmpfe giebt es da auch, doch die
Gluth der Sonne kocht nicht Gift daraus. An
allen Seen und- Fluͤſſen kann man luſtwandeln,
ohne die Naſe zuzuhalten. Keine Jahreszeit droht
ber Geſundheit; Arme, wie Reiche dürfen alt
werden, ohne ihren Hütten Monate lang ben
Rüden zujuwenden. Die trodene Kälte ift heil:
fan; das Reich ber Lebendigen empfängt jährlich
. mehr Bewohner, ald dad Reich der Todten. Im
Städten und Häufern herrfcht mehr Reinlichkeit;
in. einer - finnifchen Bauerhütte wird weniger
Schmutz gefunden, als in dem Palaſte des erften
Minifters zu Neapel. — Der Winter iſt in Itas
lien ſehr mild, und dennoch — Neapel etwa aus⸗
genommen — befchwerliher, als in Rußland;
denn wie fol man mit rauchenden Kaminen, fleis
nernen Fußböden, Flaffenden Thüren und Zenftern
auch nur einem ‚Grade Kälte widerſtehen? —
An Rußland hingegen find oft fogar bie Vorhaͤu⸗
9 Weiches Rußland denn? Man kann doch wohl nicht
fuͤglich bie jo verſchiedenen Klimate des ausgedehnten
Reiches alle uͤber einen Kamm ſcheeren? — u
— 374 —
fer fchon- geheitzt, bie Zimmer erhalten durch tuͤch⸗
tige Dfen und doppelte Zenfler, eine immer gleiche
angenehme. Temperatur. Der Rüden friert
nicht, wenn ber Bauch fhwist, man reibt
ſich nicht immer die Hände, Wolken von: Athem
fichtbar von fih blafend.. Der Sommer if in
Italien unertraͤglich heiß; alle Kraͤfte werden ab⸗
geſpannt, man weiß ſich nicht zu laſſen. In
Rußland genießt man den- Sommer, und zwar
Tag und Nacht, denn die fehönen hellen Nächte
gewähren einen lieblihen Genuß; Frühling und
Herbft find in Italien ſchoͤner, Sommer und
Winter in Rußland. — Italien erzeugt Bein
und eble Früchte, Rußland bezahlt fi. Ich
babe in Neapel nie eine fo füße Drange gegef:
fen als in Peteröburg. Die meiften Weingattuns
gen Welfchlands wiberftehen dem Gaumen ber
Sremben; Florentiner Wein und Thraͤnen Chriftt
find die einzigen guten Tiſchweine; felten find fie
echt zu haben; mitten unter Millionen Reben
ſchmachtet oft der Weindurflige. In Rußland
mangelt e8 nie an gutem Weine; alle Weinlaͤn⸗
der Faffen Quellen dahin fließen. Auch die erſten
— 875 0 —
Bebürfniffe des Lebens, Fleiſch, Brod, Milch,
find unendlich beffer und wohlfeiler, As in Ita⸗
lien. — Aber bie herrlichen: Aiferthümer- und
Kunſtwerke, welche Stalien befigt? — die kann
und will ich ihm nicht freitig machen, boch zum
Gluͤcke des Lebens tragen fie nichts bei: Man
fiebt fie dreimal, man fieht fie ein Dutzendmal,
nun hat man fie genug gefehen, und. am Ende
fährt man zu Rom am Coloſſeum eben: fo. gleich»
gültig vorbei, ald zu Petersburg am. Marmor:
palafie. — Und wenn ich nun von ben. ehlofen
halb erfchöpften Reizen: Italiens zu den. lebendis
gen Vorzügen Rußlands Übergehe: — Himmel,
wie fleht dann Das exflere un Schatten! — Der
Regent — ich werde mich wohl hüten, zwifchen
Ferdinand IV., ober dem Papſte, oder gar
zwiſchen dem Herren Vicepraͤſidenten Molzi (3)
and Alexander JL. eine Parallele zu ziehen.
Noch wogt Italien, bewegter als die Meere, die
es umfließen; Rußland gruͤnt ſtill. Noch kriechen
Haß und Mißtrauen im Finſtern uͤber Welſchlands
blumenreichen Boden) in Rußland giebt das
Volk Liebe. und der Monarch Vertrauens
Beide Tennen die Furcht nicht. In Welfchland
muß ber Fremde jeben Schritt in die fchöne Na⸗
tur zuvor einem.Bettler abfaufen, und indem
: er flieht, eine herrliche Gegend zu betrachten,
reckt ihm plöglich ein Krüppel eine verſtuͤmmelte
Hand vor die Augen. Banditen: Phyfiognomien
umsingen. ihn überall und Erzählungen von Morb-
thaten. beklemmen feine Brufl. In Rußland geht
er ficher in finfterer Nacht: durch dichte Wälder,
hoͤrt, ſtatt der jammervollen Litanei des Bettlers
nur beitexen Volksgeſang des fleißigen Arbeiter
und brave Gefichter. Lachen ihm Überall entgegen. —
Italien wimmelt von faullenzenden Pfaffen, bie;
in Kutten aller Farben, ihre. Bäuche paarweiſe
zur Schau tragen; in Rußland wirft Du mit
biefem empörenden Anblide gänzlich verfchont.
Zwar herrſcht auch dort Aberglaube — und wo.
berrfcht er nicht! —. aber die Regierung berrfcht
nicht Durch Aberglauben, wie in Welſchland; fie
treibt nicht mit der Vernunft ein gottlofes Spiel,
fie wuͤrdigt den Menſchen nicht unter das
Vieh herab. — Die kraſſeſte Ignoranz hat ihren
Fützſchleier über Italien gebreitet; bie einzige
— 377 —
Wiſſenſchaft der Vornehmen iſt Kartenſpiel; fie
leſen — in Farobuͤchernz fie ſchreiben — mit
Kreide auf den Spieltiſch. In Rußland iſt ein
ſchoͤner Morgen für Kunſt und Wiſſenſchaften ans
gebrochen. — Bid ind. Unendliche ‚ließe. diefe Pas
rallele ſich fortfegen, doch nur noch einen. Zug
will ic, herausheben. Italien feufzt und murrt
unter bem Joche einer- fremden, oft-übermüthigen
Nation; Rußland athmet frei und leicht “unter
dem fanften Szeyter des Enkels der großen Kas
tharina. — Genug! — Auf das Lob. finnreih
zu feyn, macht meine Parallel keinen Anſpruch;
aber daß fie wahr ift, dafuͤr bürgeih. — Wirb
man fi) noch wundern, daß, ich Italien gern
verließ? dag ich nie wieder dahin zuruͤckkehren,
nicht um ben Preis von Millionen: mein Leben
dort zubringen moͤchte!“ — u
Kopebue, in Berlin wieder haͤuslich, zeigte
fih als Schriftſteller ruͤſtiger, als je. Mit Vers
wunberung.-überfieht man die Reihe des Bände;
bie er zuſammen ſchrieb. Während er ſich des
JFreimuͤthigen wieber als Mitredakteur und als
Mitarbeiter annahm, und. hier immer von Neuem:
„it feinen Gegnern ‚enband, Schauſpiele uͤber
Schauſpiele auf vie Bühne brachte, Almanache
„für dramatiſche Spiele jaͤhrlich ein Taſchenbuch
des Chroniken, eine baͤnderreiche Sammlung klei⸗
ner Romane und Miscellen, voluminoſe Reiſebe⸗
richte:un. ſ. f. herausgab, und dieſes alles, als
Modewaare, von der großen Leſerzahl, die leicht
‚unterhalten ſeyn will, häufig. geleſen wurde, ex⸗
Ffreute er ſich der. Früchte: dieſes Beifalls; doch
mit den lauten Spoͤttereien der Widerſacher, mit
den Rügen ber Recenſenten, blieb ed wie immer,
fie. machten ihm vielen Aerger. — Er leiſtete
nah allen. Direktionen bin‘, was er ‚irgend zu
leiften im Stande war; fleißig hearbeitete er Tein
PYublikum in allen Rangordnungen, befonders in
den höheren, denen er ſelbſt zuzugehören, als
Edelmann, als Kollegienrxath und Akademiker
das Gluͤck hatte; aber noch immer ſollte es ihm
mit der eigentlichen Achtung, die er ſo gern
gewinnen wollte, nicht gelingen. Dem Spotte
der Gegner wußte er zwar Spott, dem Witze
ſeinen Witz gar gelaͤufig, nie beim Gebrauch der
Feder verlegen, entgegen zu ſetzen; aber der im⸗
— 379 —
mer ſich ernenernde Vorwurf, daß er zwar ein
produktiver Schriftſteller ſey, Daß es ihm aber an
einer eigentlich. wiſſenſchaftlichen: Bildung voͤllig
fehle, daß er weder als Dichter, noch als Gelehr⸗
ter, noch uͤberall als Schriftſteller auf wahres
Verdienſt Anſpruch machen koͤnne, purde ibm
immet verletzender. Er faßte den Entſchluß, feine
ganze Thaͤtigkeit, allen ihm moͤglichen, beharrli⸗
chen Fleiß daran zu ſetzen, um der Welt ein
wiſſenſchaftliches Werk zu : liefern, : dad‘. dieſen
Vorwurf für immer verſtummen machte. Ob freie
Bilführ, oder ein ehrenvoller Auftrag bed ihn
mit befonberer Gnade aus zeichnenden Berliner Ho⸗
feö,.die Wahl des Thema's zur Ausführung je⸗
ned Planes leitete, mag dahin geſtellt bleiben;
genug von Kotz ebue entſchloß ſich, in dem Felde
der Geſchichte nach einen Palmenkranze zu. ringen,
und unternahm bie. Bearbeitung ‚der ältern Ge⸗
f&hichte Preußens. Auf der einen Seite verhieß
ihm der mangelhafte. Zuftand der. hifterifchen Li⸗
teratur und Kunft bei den Deutſchen, auf ber .
andern befonders der unter. der Autorität. des Ko⸗
nigs verfinttete Zutritt zu allen Imflituten, Ar⸗
— 380 muß
chiven unb Kanzeleien bes Königreichs, bie We
nugung bisher unzugänglicher: Quellen, großer
Ertrag. Nur uͤberſah er, im hberwiegenden Ver
traun der Eitelkeit, daß ſolche Arbeit nur verdienſt
lich werben. konnte, unter den Bemühungen einer
Selebrten, der mit allen ihm fehlenden Talenter
und Kenntniſſen -auögerliflet war. Ohne das Be:
duͤrfniß der erforderlichen Hülfswiffenfchaften zu
ahnen, ohne von ber hiſtoriſchen Kritik einer
Begriff zu haben, ohne in dem Zeitalter, in wel;
chem er Preußens Gefchichte ſpeciell barftellen
wolite, fich vorher tüchtig orientiren zu koͤnnen
ging er forglos an fein Werk: und glaubte, daß,
je. mehr fich bie Materialien hauften, umfo meh
das Mangelnde von felbft finden würde. Schon
im Jahre 1805 ging er nad. Königsberg und
widmete feinen ganzen Fleiß diefen Befchäftigun:
gen; weder der Staub archivarifcher Sammlun—
gen, noch die Schwierigkeit des Verftehens alter
Dokumente, noch die Sefchmadlofigkeit ber Chro—
nitenfchreibee, ‚ober der Ernft zu Rathe gezoge:
ner Gelehrter Eonnte ihn irre machen. &o: ent:
ftand ſeine ältere Gefchichte Preußens, . die ihm
" 881 —
viele Mühe, Sorge ind Arbeit koſtete, aber in fo’
fern völlig mißglüdte, als er gehofft hattte, durch
diefelbe zu feined Namens ehrenvolles Gedaͤchtniß
ein bleibendes, wahren wiffenfhaftlichen Werth
habendes Monument hinzuftellen. Tief kraͤnkte es
ihn, daß dieſes Werk bei feinem Erfcheinen fo
ganz unberüdfichtigt blieb, völlig überfehen, ihm
Hinfichts deffelben gar Fein Verdienſt beigemeffen,
Fein Werth zuerkannt wurde, ba er boch gehofft:
hatte, ſich nun einmal, nad) Verwendung alles
möglichen Fleißes felbft zu übertreffen, und bie:
ſchmaͤhſuͤchtigſte Kritik zu befriedigen. Hoͤchſtens
nannte man die in den Anlagen der geſchichtlichen
Darſtellung zum erſten Male mitgetheilten Do⸗
kumente eine Bereicherung der Literatur; was er
als ſein Eigenthum gegeben, hielt man keines
Wortes werth. Seiner eigenen Unfähigkeit zur
unternommenen Arbeit Tonnte von Kotzebue uns.
möglich diefe kalte Aufnahme eines Lieblingskindes
feines Geiftes zufchreiben; ben böfen Recenfenten,
bie ihm auch nicht einmal den Gefallen -thaten,
fein Werk zu tabeln, fondern durch Schweigen : -
eine entſchiedene Richtachtung zu erkennen gaben, |
Tannte er auch licht alle‘ Schuld beimeſſen; ſo
troͤſtete er ſich denn wit den Gedanken, daß der
Zeitpunkt der: Erſcheinung (er fiel ſchon in bie
Ungluͤcksperiode des preußifchen Staates, 1809),
und: das damals über Deutſchland verbreitete
Kriegselend die Anerkennung der Trefflichkeit feis
‚zer aͤltern Geſchichte Preußens verhindere.
In der That aber braucht man v. Stogebuetß.
Individualität nur partheilos ind Auge zu faffez}
um uͤberzeugt zu werben, daß er durchaus und
‚tüchtig war, zur genau hiſtoriſchen Darftellung
irgend eined Gegenſtandes; bie Auflöfung ſchwie—⸗
riger hiſtoriſch Eeitifcher Aufgaben lag völlig außer
feinem Gefichtöfreife. Er ift nie im Stande, bei
‚der Entwidelung eined Objektes diefes wirklich
feſt ind Auge zu. faffen und feine Perſoͤnlichkeit
‚zu vergeflenz er behandelte die Gefchichte, wie
. weiland Doktor Bahrdt, die Schriften der chriſt⸗
‚Lchen Offenbarung hanbhabte, daber.legterem G 6=-
‚the gar bezeichnend die Worte in den Mund legt:
Da kam mir ein Einfall ungefaͤhr,
So gebt ich, wenn ich Chriſtus waͤr.“ —
686 Prolog zu den neueften
Als fo ſchnell nach bem Ausbruche des Kran:
| zoͤſiſch⸗ Preußiſchen Krieges von 1806 die Provin⸗
zen des eigentlichen Koͤnigreichs Preußen von den
Franzoͤſiſchen Heeren uͤberzogen und Koͤnigsberg
bedroht wurde, ging von Kotz ebue mit ſeiner
immer zahlreicher werdenden Familie nach Ruß⸗
land, wo er.abwechfelnd zu Reval und auf einem
‚ feiner in Efihland gelegenen Güter, vorzüglich
zu Schwarze, feine literarifche Thaͤtigkeit fortſetzte,
‚und hier zuerft in feinem: naͤchſten Lebenskreiſe
aufgeregt, mit einem fortwährenden Haffe. gegen
-Bonaparte, eine antifranzoͤſiſch⸗politiſche Zandenz
bekam, die ihm häufig in fpäteren Jahren zum
großen DBerdienft angerechnet wurde. Wenn er
befonber8 feit der Redaktion des Freimuͤthigen
einen Beruf zu haben glaubte, über Alles mit⸗
und abzufprechen, was ihm in ben Wurf kam,
fo war feine gegenwärtige Theilnahme an der
Tagesgeſchichte, die Dad Unterjochungsſyſtem des
franzöfifchen Kaifers in einzelnen Zügen verfolgte,
ohne den Eonfeguenten Zuſammenhang deſſelben
zu ahnen, der Weg, welcher ihn Tpäterhin zum
politischen Schriftſteller machte, Er dachte nichts,
— 1334 — |
konnte fich nicht fortwährend mit Etwas im Meifte.
befchäftigen, ohne daruͤber zu fchreiben;-. gleidz
afternden Srauen, die, was ihnen in den Sinn:
Iommt, vom Herzen wegplaudern müfjen; fie
find froh, wenn fie Zuhörer haben, fo war es
Kopgebue, wenn er Lefer fand, Uebrigens iſt es
ein. entfchiebener Irrthum, wenn man. glaubt,
Daß v. Kotzebue als Schriftfieller den Haß gegen
franzöfifhe Bedruͤckung gewedt und begrimdet
babe; er war nicht mehr, als eine Stimme ber
Zeit, welche das Vorhandene ausſprach; eben fo
iſt es Heut zu Tage ganz irrig, wenn man vorgiebt, -
daß durch gewifle Schriftfteller' der ſich ſo lebhaft
offenbarende Haß gegen die Juden, erzeugt ſey:
Da, wo in chriſtlichen Staaten die Bewohner
von den privilegirten Spießgeſellen der Plusma⸗
cherei, von den Juden gedruͤckt werden, lebt und
waltet jener chrifflihe Haß und wird den Tag
bed Serichtes herbeirufen, werm auch Fein Schrifts -
fteller je einen Buchftaben zum Nachtheile der Ju⸗
ben der Preffe vertraut. — Am wenigften ft
Kotz ebue's politiſche Schriftftellerei in eine Ver⸗
gleichung zu ſetzen mit dem hochherzigen Streben
anderer deutſcher Schriftiteller, die dämalg durch
das herannahende Unglüd und durch die Wuͤrdi⸗
gung. ber Geſchichte zu Propheten geworden, des
einbröckenden Jammers Vorzeichen zu deuten. dem:
Beruf. in ſich trugen und thatenreiche. Buße pres:
digend, ihre Kraft, ihr Leben, unter Gefahren
und Elend wmidmeten. Wie auch die Meinungen
dar Manfchen über Menfchen wechſeln, fo lange
. ein tugendlicher Sinn im Herzen bes deutſchen
Mannes. wohnt, folk nicht vergeffen werben, wie
. indiefer Hinſicht manche edle Schriftfteller,; durch
die reinfke Vaterlandsliche, ihre Namen verherrs -
lichten. Unter dieſen werde hier vor allen. deß
Verfaſſers dea Beitgeifted (1805) gedacht, .
weil e8 neuerlich ber Ton der Machthaber gewors
den,. folder Männer. Anbenten zu verunglims -
pen und ihnen ‚allerhand Staatsverhrechen anzus
Diehten, die im fchlimmften. Halle, unrichtige
Aufichten find. — Wie koͤnnt ihr euch. beimeſſen,
des Gedankens Irrthum ſo hart ſtrafen zu wollen.
da ihr nicht. weißt, bie herrliche That zu. lohnen,
wohl aber des lieben. Voterlandes Veen Ru
ſo -Serunglimpfen?; m, sw...“ 47 Tu \ ER BR We x
25
4 te
= Die Kobebue’fche Zeitfchrift; bie Biene
(1808 bis 1810, vier Bände) -wurbe von ben’
Tranzöfifchen Behörten fireng verboten und in den
Unter. ihrem Drude fenfzenben Laͤndern mit gro⸗
Ber Gefahr‘ gelefen; diefes hat wahrſcheinlich der
Zeitfehrift den unverdienten Ruhm zugezogen, daß
durch fie bedeutend zum Haſſe gegen die Zwing.
herrſchaft der Franzoſen gewirkt: fey. Umzu fe
hen, was dadurch gefrommt werben: tonnte, iſt es
genuͤgend, diefe bunte Reihe leichter Mittheilint-
gen zu durchblättern. Da findet fi, daß in det
Hille der Lebendigen, leichtverftändlichen Etzaͤh⸗
lung Ko&ebue ein unterhaltendes Allerlei liefert,
dem jedes Lob, nur nicht das der politiſchen De
deutfamfeit beigemeifen en werden mag. :
Da indeß die Biene öfter genannt, als
Tanne ift, da es in derſelben nicht’an Hindeu⸗
ungen duf die Beitgefchichte" mangelt, und mit« -
inter ſich ſolche finden, welche bie fleiſſigſten
Lefer der Kotzebueſchen Schtiften am wenigſten
beherzigt zu haben fiheinen, To mögen hier fol⸗
gende Auszüge, die abfichtlich ſo gewaͤhlt wurden,
— 387 —
vaß ſte durch Anſpielungen charakteriſtiſch find;
bier ihre rechte Stelle finden:
- Bon der Selbflbiographie eines mit zwei Zuns
gen gebornen. Englänberd heißt ed (Heft 1. ©:
4194.): „Schade, daß diefe Biographie nie gebrudt
erfchien! Man würde vielleicht daraus erſehen
haben, ob er zu gleicher Zeit mit der einen Zunge
Vivat, und mit der andern Wehe fchreien
donnte? — Vermochte er das, fo wünfche ich.
jedem ehrlichen Deutſchen zwei folde Zungen. —
Mo v. 8. von der Farbe der Trauer
redet, trifft man auf folgende Stelle: „Man hat
fidy viele Mühe ‚gegeben, den Sinn der verſchie⸗
denen Farben zu erklären. Die weiße Farbe,
fagt man, bedeutet die Reinheit; bie gelbe iſt
von den verwelkten Blättern entlehntz bie,
graue bezeichnet ;die Erde, in weldhe man bie
Todten merfeharrtz. bie. blaue das Gluͤck, deſſen
er in einer, beſſern Welt genießt; die ſchwarze
die Beraubung des Lichtes; die violette eine Mi⸗
fehung von blau und fchwarz, vereint bie Trauer
mit. den Wuͤnſchen für die. Seligkeit des Verſtor⸗
bene: „Solche. Deutungen ſind nat chen ſchwer
— 383
— zu finden. Hätte es lieber einem Wolle ‚beliebt
roth zu trauern, fo würbe man vielleicht fagen,
die Gewohnheit fey von einer großen. Schlacht
aufgefommen, in welcher ſehr viel Blut vergof>
fen worden. . Und wirklich ſollte man aus dieſer
Urfache den Deutfchen rathen, jett nicht andere
als roth zu trauern, beſonders feitdem die deut⸗
ſchen Blutfirdme zum Theil durch Deutfche ver⸗
goſſen worden find. Ach! wenn man nur
aud eine Farbe für bie Sande hat⸗
te!“ — (Seite 196.)
Ein kutzer, Thomas Kuli Char Aber⸗
ſchriebener Aufſatz, ſchließt mit den Worten: „Wie
ging es denn aber am Ende dieſem Koͤnige der
Koͤnige? — Obgleich ſeine Tyrannei ihn allge⸗
mein verhaßt machte, ſo blieben doch, wie ge⸗
woͤhnlich, die unterjochten Voͤlker ruhig, denn
Handel und Wandel wurden ungehind®it getrie⸗
ben, und wenn die Menfhen mır Gelb gewinnen
Sonnen, fo find fie zufrieden. Aber eine geheime '
Empörung unter feinen Creaturen fpann ſich ge⸗
gen ihn an, und er wurbe nach einer breizchne
jährigen Regierung. ermordet. : Welch ein. Giädk
‘ J
l
— 300 —
für: die ſeufzende Meenfchheit, daß ein Tyrann
keine Freunde hat, ſelbſt unter denen nicht, die er
aus dem Staube hervorzog und mit denen er
feinen. Raub theilte! — — Was half nun dem
Suͤthrige der gehaͤufte, mit Blut befleckte Raub? —
Es iſt merkwuͤrdig, daß auch Nero gerade breis
zehn Jahr regierte. Es ſcheint daß die Zahl dreis
zehn den Tyrannen gefährlich if.” — (‚Heft 3.
Seite 191 und 192. 1808.) Ohne Schwierig⸗
keit kann hier eine Divination finden, wer
dergleichen aufzufuchen,. Gefallen findet. — Bei
Erwähnung bee in ben neueſten Zeiten oft wieber
in Unterſuchung geſtellten Möglichkeit, den Pol zu
erreichen, bemerkt v. 8. (Sabre. 2. ©. 42):
„Es fragt fih nur, ob es der Mühe. werth fen,
Ste (die Reife. nach. dem Pole) zu unternehmen? —
Freilich würde man dort leicht ein Land.-finben,
wo der Grundfag:. was ih kann, das darf
äd auch, nur von weißen Bären ausgeübt wird;
allein die Eroberungswuth, fchredlicher als das
Polareid, würde bald auch bis zu: den Polen
dringen, und das goldene Weltalter dort zerſtoͤ⸗
sun: Rein, lieber migen fie unbeſacht bleiben,
En 390 mameanmen
damit man hoffen bärfe, es gebe noch ein Plaͤt⸗
“hen auf der Welt, den Pol, wo es este
zugeht —W |
In Kotzebue's Feder And folgende Worte, bie
er einem Auffage, von den Urſachen des
Verfalls eines Reiches einverleibt, - mer®:
würdigs „Der: entſtehende Deapotismus "er:
laubt alles zu fagen, wenn man ihm nur bages
gen erlaubt;: alles zu thun. Aber der befk
fligte Despotismus verbietet zu reden,
zu denken, gu fchreiben. Damm ergreift: eine
Art. von: Starrfücht die Geifters- alle bie au
Sclaäven gemordenen Bürger verfluchen
bie Brüfte, an welden fie gefogen, und
in einem: ſolchen Staate mehrt jebks
neugebeorne Kind die Fahl der Unglüd⸗
Hohen.‘ Das gefeffelte: Genie” ſchleppt feine Wetz
ten hinter ſichz es fliegt nicht mehr,’ ed kriecht.
Die Wiflenfchaften werben vernachlaͤſſigt, die Uns
wiſſenheit wird In Ehren gehalten, und jeder gute
Kopf für-eitien Feind des Staats erklaͤrt. In eis
nem: Reiche von lauter Blinden, haßt man den
natueich· Sehenden.! Erwiſchen · ihn die Blinden,
— 391 —
fo fchlagen fie ihn tobt. So geht es bem aufge⸗
Härten Bürger im Reiche der Unwiffenheit. Se
Iurzfichtiger. der. Depot, je bebrüdter Jener.
Unter Friedrich IL, unter Antonin, durfte man
- Alles fagen,. denken und ſchreiben, unter
— man muß Schweigen *).“ — — — |
.. Doch, um bie Verwunderung, wie folche Ges
bauten, dort sine Stelle finden, nicht zu fehr zu
fleigern, fol nicht verſchwiegen ſeyn, baß diefe
letztern Reflexionen aus beloetius Werken uͤber⸗
fegt find. — on,
Erſt gegen den Schluß ber Zeitfeheift werben
die Anfpielungen auf Bonaparte, auf ben graͤß⸗
lichen, entwuͤrdigenden Unfug ſeiner Lobpreiſer
zahlreicher und vernehmlicher, beſonders in den
durch mehrere Stuͤcke fortlaufenden Bemer kun⸗
gen eines Unpartheiiſchen bei Leſung
des Unpartheiiſchen (— naͤmlich des Ham⸗
burger unpartheiiſchen Korreſpondenten —) und
in. dem, jeden Stuͤcke angehaͤngten Quodlibet.
Von jenem ſagt er: wife von Des Einfelt
) Ja wohl! ja we mon muß (weisen —
— BO OT
und ein:wenig : gefundem Menſchenverſtande eins
‚gegebenen Bemerkungen, werben, fo geringfügig
fie fcheinen :mögen, den kuͤnftigen philoſophiſchen
Geſchichtsſchreiber, wenn er einft auftreten Darf,
‚nicht. entfehlüpfen, und follen- deshalb fortgefeht
werben, fo-oft fich ber Stoff dazu barbietet, Sie
‚enthalten lauter getreue Pinfelfixiche. von bem Ges
‚mälde bes heutigen Europa. Dritter, Bond.
Seite .63.).
. Die Art und Weiſe, wie in der Biene, zwei
* denkwuͤrdige Begebenheiten, bie Achtserklaͤ⸗
rung des Miniſters Freiherrn von Stein, und
‚bie Geſchichte des Schil lſchen Abentheuers ers
waͤhnt worden, verdient bier noch eine Stelle:
„Nro. 2. (des Hamb. Correfp. 1809.). hiefert den
Armeebefehl, durch weichen ein gewiffer Stein
(le nomme. Stein), weil er Unruhen in Deutſch⸗
land zu erregen fuchte, für einen Feind Frank⸗
veichs und des Rheinifchen Bundes, und feiner
Güter -verluftig erklärt wird. Er fol ergriffen
‚werben, wo man feiner babhaft. werden kann. —
Das ift eine Achtserklaͤrung, und es iſt in⸗
tereſſant, die Formel derſelben mit der zu ver⸗
‚gleichen, -die vor taufend Jahren üblich war.” Das
mals lautete fie folgender Geftalt: un‘. ala
dich N. nach Kampfrecht und Frankenrecht gehei⸗
ſchen und gefordert hat, und wir dir darum ge⸗
ſchrieben, und Rechtstage geſetzt haben,
alsdann mit Urtheil ertheilt ward, daß du alles
verfcmähet haft, und uff ſolche Forderung auſſen
blieben, und unſerm Gebote widerſaͤſſig und un⸗
gehorſam geweſen und noch biſt, des urtheilen
wir und achten dich, und nehmen dich von und
aus allen Rechten, und ſetzen dich in alles Uns
xecht,. und „wir theilen deine Wirthin zu einer
gewiftenhaftigen Witwe, und deine Kinder zu
ebehaftigen Waifen, beine Lehen dem Herrn, von
dem fie zu Leben rühren, bein Erb und Eigen
deinen Kindern, deinen Leib und bein. Fleiſch deu
Thieren in. ven Wäldern, den Voͤgeln in den
Lüften und den Zifchen in dem Waſſer. Wir ers
Lauben dich auch. manniglichen uff--den Straßen
und wo ein jechlich Dann Fried und Bleib: hat,
da follt du Feines haben, und wir weifen bich in
die vier Straßen ber Welt, in dem Namen bes
Teufels bei der Eyder in ber Sach.” (Burger
— a40 —
| meiſter Corpus juris publ. et. priv.) — Man
Bemerft hier fogleich, wie viel milder und huma⸗
ner In umferm Zeitalter ſolche Dinge ausgebrüdt
werden. Der gewiffe Stein wird nicht in’ des
Teufels Namen in bie. vier. Straßen der Welt
gewiefen, fein Fleifch wird: nicht den Thieren in
den Wäldern, den Vögeln in den Lüften und ben
Fiſchen im Waſſer zugetheilt, fondern eö heißt
ganz einfach, er: folle ergriffen werden, wo man
ihn findet. Roh hat man ihn nicht ergriffen,
aber felbft „wenn das gefchehen -folte, wird man
ihn: vermuthlich blos-erfchießen, und dann begra⸗
ben. — Es mögte fcheinen, als hätte bie-taufends
zaͤhrige Achtserklaͤrung darin: emen Vorzug - vor
ber heutigen,’ daß man fich- darin auf Nechtss .
tage beruft, und baß-man erft alsdanndas
Urtheil geſprochen, als er alles verfchmähet
hatte; allein man. muß bedenken, daß die Schulb
des N; wahrſcheinlich noch nicht . erwiefen.: war,
die Schuld des gewiffen. Stein hingegen ver⸗
muthlich als ermwiefen anzufehen if. — Man
mögte auch von der alten Achtserklaͤrung rühmen,
bag nur die Lehen bed N. verfallen feyn, deſſen
Erb und. Eigen hingegen beffen Kindern gehoͤ⸗
zen ſollen; aber ‚auch die. Güter des gewiſſen
Stein find Js vor ber: Hand. nur: fequeflrizt,
und non ber bekannten Gerechtigkeitsliebe und
Milde des Kaiferd Napoleon laͤßt fich. mit Grunde
erwarten, baß die Kinder des gewiffen Stein
nach dem Ausfpruche der Bibel, die Miffethat
ihres Waters nicht tragen werden. — Uebrigens
fcheint es fat — fo fehwer auch. das Schidfal
iſt, den Zorn des größten und mächtigften Mos-
narchen zu tragen, — baß ein Schwärmer, wie
-biefer gewiffe Stein, leicht eine Art von Ruhm
darin. finden tönnte, als ein. einzelner Privatmann
für. einen Feind. Frankreichs .(der großen Nation),
und des Rheinifchen Bundes erflärt zu werben. '—
| (Bw 3 bed’ zweiten dohrganges. Seite8 m
Ueber Schill alſo —
„Die wegen Schill in Preußen: niebeegefegte
Kommiffion hat erkannt, er ſoll erſchoſſen werben;
Hingegen wurden feine Officiere nicht für. ſtraffaͤle
fig erklärt, weit fie ihm. gehorchen mußten, und
er ihnen vorfpiegelte, er fey zu. dieſem Schritte,
dutoriſirt. Eine ganz. andere Anficht: der Sache,
— U —
nt die franzoͤſiſche Specialkommiſſion gehabt,
welche viele dieſer Dfficiere zum Tode verdammte,
weil ſie zu einer Naͤuber bande gehört haben. —
Menu ed erlaubt iſt, wie ich nicht zweifle, feine
Meinung mit Befcheibenheit vorzutragen, fo woͤgte
ich wohl bie Vermuthung aͤuſſern, die Preußiſche
Kommiſſion habe fo Unrecht nicht gehabt, wenn
fie.einigeb Bedenken trug, das Wort Rauberbande
gu gebrauchen. Schill war ein Tollkopf, das
mag ſeynz ein unbefounener Schwärmer, das iſt
wahr; ein. Verbrecher gegen feinen König, das iſt
nicht zu leugnen;. und bafür follte.er auch erfchofs
fen werben; aber ein Räuber! — mir wide
es fihwer fallen, das zu. beweifen. Mich duͤnkt,
das Rauben gehöre zu denjenigen Verbrechen,
die. feiner Mode in unſerer Moral unterworfen
find, und was heute Rauben haßt, muß ud
noch über 200. Jahre fo heißen und vor 200 Jahren
fo. geheißen haben. Run ift aber belannt, daß
vor einigen hundert Jahren jebem Sölönerhaupts -
manne vergoͤnnt war, fein Panier aufzupflanzen,
einen Haufen foldyer. Miethlinge um ſich zu ver⸗
ſammeln und baum auf feine. eigene Hand einer
der kriegfuͤhrenden Mächte beizuftehen: — Gefcht
nun, was Taum zu bezweifeln fieht, Schi habe
fich gleichfalls blos für einen folchen kriegeriſchen
Abentheurer gehalten: fo verdient er allerdinge
ben Tod, weil er aus ven Dienften feines Könige
defertirte; ob er aber ein Räuber gewefen, daruͤber
bersfcht zwifchen der Sranzöfifchen und Preußir
fhen Militair⸗Kommiſſion eine verfchiedene Mei⸗
nung, ‚und da beide Kommiffionen aus ſehr eh⸗
renwertben Maͤmern beflgnden haben: fo kann
man zwar ber erflern Seinen Vorwurf maden;
aber dach des letztern beipflihten, m. f. f. —
Unwillkuͤhrlich drängt: fih noch die Zrage auf:
was geſchehen ſeyn wärde, wenn Schill, wie er
fich thoͤrigterweiſe einbildete, Deutſchland aufge⸗
wiegelt, ein großes Heer geſammelt, und Siege
davon getragen haͤtte? — Ach ich fuͤrchte, dann
wuͤrde die Welt eine neue Niebertraͤchtigkeit be⸗
gangen, blos nach dem Erfolge geurtheilt und
ihn als einen Helden vergoͤttert Haben! Dann
hätte man ohne Bedenken Traktaten mit ihm
geſchloſſen; dann ‚wäre es blos der Remefid,“
oder, was eben ſo viel gilt; der: Geſchichte vore
behalien · worden, zu entfcheiben; ob er ein Raͤu⸗
ber, oder ein Held geweſen. — Das Schickſab
feiner Officiere iſt beklagenswerther, als das ſei⸗
nige; denn er hat den Zod; nach feiner Einbil⸗
Sung, auf dem Bette der Ehre ‚gefunden, . jene
Hingegen unter dem Henkerfchwerbe; und. nicht
allein fie; fondern auch ihre Aeltern und Vers
wänbte find gewiſſermaaßen geſtraft worden,
da man die Namen, nicht allein. dei Väter,
fondernfogar die Geſchlechts namen der Müts
ter: m: allen Zeitungen in zwei Sprachen befannt
gemacht hat. Ich kann nicht ohne bie bitterfie
Wehmuth an die ohnehin unglädliche Familie den⸗
ken, ber ein ſolches Zeitungsblatt gebracht wor⸗
den: De alle dieſe ehrwuͤrdigen Familien gewiß
anſchuldig an dem Vergehen ihrer Söhne waren:
fo läßt fich wohl Feine andere Urfache jener nicht«
Fhönenden Behandlung auffpüren, als der Wunſch
der Richter; durch eine folche Publicität künftig,
andefe Aeltern zu vermögen, ein wachſameres
Luge auf die Schkitte ihrer Söhne zu richten.
Mir bedachten fie wohl nicht, daß es Aeltern,
deren Söhne im Militairdienſte ſtehen, ganz uns
moͤglich iſt, ihre Schritte zu bewachen.“ —
Wer erkennt nicht in folcheni Gerebe die ſchlaffe/
leere, halbwahre Wortfolge wieder, der wir. fo oft
in Kotzebue's Schriften begegnen? — Mich
ohne :reiflihe Erwägung verweilen wir ‚bier Linz
ger bei.der Biene, denn diefe Baterfchaft iſt dem
Kollegienrath von Köbebue häufig zum große
Verdienſte angerechnet, und, aller zu rügenden
Mängel ohngeachtet, feines Autorlebens Lichtpunkt,
von welchem fich negativ um fo mehr rühmen läßt,
da ſich gerade in jenem Zeitpunkte der Kranzöfis
ſchen Uebermacht, fo viele Schriftfteller poſitis
der ſchaͤndlichſten Verbrechen zu Schulden kommen
liegen. Die zarte Schonung, die er gegen bem:
Samals unglüdlichen, gebeugten Preußifchen Staat
And defien Minifterium beweif’t, erwedt noch heute:
“ din ungetrübtes Wohlgefallen, befonders wenn:
man ſich erinnert, ‘wie damals 3. B. der Kriegbs
sath von Eoͤlln im Angefüchte der hohnlaͤcheln⸗
ben Feinde, unter vielen wahren Mängeln, der
Preußiſchen Staatöverwaltung große Schmach
und Schande beimaag, viele ald Dffidant geſam⸗
melte Notigen, feinem Dienfleidve zuwider, durch
den Drud bekannt machte, das auf moraliſche
Ueberzeugung gegruͤndete Vertrauen zut möglicher:
Rettung. des Vaterlandes ſchwaͤchte, und vorzügs
Sich durch den. gewaͤhlten Zeitpunkt, in dieſer,
zwar lukrativen, aber entehrenben Schriftſtellerri
ein Wahrzeichen feiner Sinnesart. aufſtellte. Hier⸗
über, wie über die im Erfolge weniger ſchaͤdlichen
Schreibereien eines gewiffen Lange (v. K. nennt
ihn in einem fchlechten Bortfpiele: Dr. Schlan⸗
ge. . Siehe Biene, zweiter Jahrg. ©. 81 ff.)
ben Herausgeber des Telegraphen, der ein vers
chtlicher franzoͤſiſcher Soͤldling, zu Berlin, dann
zu Erfurt ſein Gewerbe trieb und unter den uͤber⸗
triebenſten Schmeicheleien der Franzoſen und ihres
Uſurpators auf alles Nichtfranzoͤſiſche, befonder&. .
auf alles Preußifche : gemein fchimpfte, ſpricht
von Kosebue feinen Unwillen aus, und verwahrb
ſich ganz befonders, ihn nicht mit dem v. Coͤllu
‚uud. feinem Gelichter in eine Klaffe zu fehen.:. Er
fagt: „Meine Biene ift ein fehr unfchuldiges Flugs
blatt; — kein Feuerbrand, kein Löfheymer,
keine Sallerie Preußifher Charaktere, .
feines. Sammlung vertrauter Briefe, und
wie fonfe die Tritte. ale heißen,. mit. welchen
Berfchiedene Thiere ben verwundeten Löwen beta⸗
fen. — Ich kann mir unmöglich: einbilden, daß
irgend jemand baran Anftoß nehmen Bönhter: wenn
ich. meirie Meinung: uͤber Srundfäße der Morali«
tät äufferes ‚wenn ich über Die Leiden klage, welche
ber Krieg mit fich bringt, und worüber. ſchon ſeit
Anbeginn der Welt geklagt worden; wenn ich
Ausfchweifungen befeufze, die etwa hier: und da
bie Sieger in’ ihrem Zaumel fich: erlaubten, : ımb
die vermuthlich der Feldherr felbft nicht billigt;
wenn- ich frappante Züge aus der. Gefchichte aus⸗
hebe, die man gar nicht auf neuere: Beiten zu deu⸗
seln- braucht, um ihnen Intereſſe zuzugeſtehn;
wenn ich moralifche Urtheile und Ausfprüche als
ter Schriftfteler anführe; - wenn ich, wie fchon
Tauſende vor mir, Sittenverderbniß zuͤchtige oder
beſpoͤttele u. ſ. w.“ —
Bon Kotzebue warb in- jenen Tagen, wo
man einen Bewohner des europaͤiſchen Kontinents
nichts ſtrafwuͤrdigeres andichten konnte, beſchuldigt:
er ſey im Brittiſchen Solde und ſchreibe in Eng»
liſch »miniſteriellem ˖ Auftrage feine Biene; ſchon
folgen: Vorwurf und das darauf erfolgende Frau⸗
26
———
— 40 —.
göfifche Verbot jener Zeitſchrift war geeignet, ihr
eine jet faft unbegreifliche Gelebrität zu verfchaf-
‘fen. Er: vertheidigte fih gegen jenen Vorwurf
wiederholt, da damals auch Rußland eine Erieges
rifche Stellung gegen . England genommen usb
feinen Unterthanen jede Verbindung mit ben Eng⸗
Jändern ſcharf verboten hatte. Uebrigens bedurfte
es bei.ruhiger Prüfung folcher Rechtfertigung. ger
nicht: theils ift der ganze. Inhalt der Biene nicht
fo. angethan, daß die Engländer für dergleichen
etwas zu bezahlen gerathen finden Eönnen, theils
zeigt v. 8. ganz befonders Feine fonderliche Vor⸗
liebe für die brittifche Politif und erwähnt z. B.
bes Bombardementd von Kopenhagen mit ſtreng⸗
mißbiligenden Worten. Kurze Zeit zuvor hatte
zwar v. K. eine Aufforderung erhalten, nach Eng⸗
Yand zu kommen, doch diefe hatte durchaus Feine
politiſche, fondern eine rein literarifche Veranlafs
- fung. Seine Rüderinnerungen von ber Reife
nad) Italien waren ins. Englifche uͤberſetzt, und
- hatten wegen der ‚leichten "Lebendigkeit der Erzaͤh⸗
Iung- bebeutenben Abfag gefunden; ˖dies veranlagte
den Buchhaͤndler Philippfon zu London,
»D
"Bra. v. Kotzebue nach England einzuladen, das
mit er das Imfelreich bereife amd ein ähnliches
Wert über. Britarmien fchreibe. Er ging aber in
Diefen Vorſchlag nicht em, wie er denn nie befon-
dere Vorliebe für England zeigte. - Einem feiner
Söhne, der. bort Militairdienfte fuchen wollte
verſagte er entichieden ſeine väterliche Einwilli-
gung zu biefem Schritte und fo unterblieb er. —
.. Während. v. Kotzeb ue vielleicht die glüdlich-
ften Jahre feines Lebens dort in Eſthland verlebte,
züudte das Sriegsungewitter dem Ruffifchen Reiche
immer näher und. uͤberzog verwuͤſtend die. weftlich«
europaͤiſchen Provinzen beffelben. - Der erfte Feld⸗
zug, wenn gleich reich an Beweifen ber Ruffifchen
Zapferkeit und Ausdauer, war in feinen Reſul⸗
Saten ſo tranererregend; je näher ». Kogebue’s
Wohnort: bem. weit ausgedehnten Kriegstheater
war, um ſo mehr wurden feine Umgebungen,
wurde er felbfi- von. den unauöbleiblichen Folgen
des Krieges gebrüdt und verlegt. . Die einzige
Urfache des namenkofen Elendes, deſſen Zeuge er
feyi mußte, war die verwegene. Herrſch⸗ und Ero⸗
« berungsfupt,. von welcher der Zrampöfifche Kaiſer
26
getrieben wurde; Diefe Betrachtung -fleigerte m
v. K. Seele. die bis dahin wider den franzöfifchen
Mfurpator gehegte Abneigung zum Haſſe und ſein
Sntereffe für feine nunmehrige Heimath zur dauern⸗
den Leidenſchaft, die in dem nachher von ben fieg-
zeichen Ruffifchen Heeren erfochtenem Ruhme fefte
Haltung gewann. — Haß. gegen Bonaparte und
gegen die von. ihm Befehligten — und ber Preis
jeder feiner Geiftesfraft möglichen. Hulbigung. dem
Kaifer Alerander und feinen Unterthänen,. diefes
garen die. Lofungsworte, die mit Flammenzuͤgen
in fein Inneres gefehrieben waren, ald er, nach
ber durch. das Steafgericht. Gottes erfolgten Ver»
nichtung der. Sranzofen in Rußlands ‚Eisfeldern,
mit dem. im Giegeözuge daher ziehenden Ruffs
fchen Heeren ‚nach. Deutſchlaud kam. — Berlin
war im März 1843 von den Franzoſen geraͤumt
und von beit Ruſſen beſetzt. Schon im April
begann von Kogebue dort fein.. halbafficielies
Ruffifch : Deutfches Wochenblatt heraus
zugeben, woburch- er wirklicher. politifcher Schrifte
fieller wurde. "Die vermittelft beffelben zu Iöfende
Aufgabe war. nicht ſchwierig, am wenigſten fuͤr
4
— 405 —
einen raͤſch arbeitenden Schriftſteller, der im leichten
Fluß der Rede fein Publikum zu feffeln wußte
und vonder Größe des Augenblides ergriffen war.
Redermann war begeiftert und alle Welt: wurbe
fo fehr vom Taumel ber Freude und Hoffnung
fortgeriffen, daß man: fogar von oben herab- Fein
Bedenken trug, die deutfchen Voͤlkerſchaften bei
ihrer. ſchwachen Seite zu faffen, indem man ihnen
vorfpiegelte, ihr bürgerliches Heil ſollte des ſchwer
zu ertingenden Sieges Lohn ſeyn. Die nahe Er⸗
fuͤllung deſſen, was man ſehnſuchtsvoll wuͤnſcht,
glaubt man gern. — Kogebue’& politiſche Zei⸗
tung brauchte nicht geleſen zu werden, um bie
Herzen aller Deutfchen den Verbimbeten zu ges
winnen; fie würde geleſen, weil fie laͤngſt gewon⸗
nen waren. ndem- fie manche frohe "Nachricht
verbreifete, manche. Hoffnung belebte, manche
Sorge befämpfte,- wurde -fie vom Publiko mit
großem Beifall: aufgenommen ’ und beſonders bes
gierig in Gegenden gelefen, wo bie! wachſamen
Augen der Franzoͤſiſchen Polizei ihte Verbreitung
forgfältig zu verhindern ſuchte; aber dennoch
wurde biefes Ruſſiſch⸗ Deutfche Wochenblatt ſchon
— 46 —
nach wenigen Monaten (mit dem eingetretenen
Waffenſtillſtande?) gefchloffen. —
Erwägt man aufmerkfam ben Zeitpunkt und
bie Verhaͤltniſſe, unter: welchen von Kotz e bue
jest perfönlich, in Deutfchland ‚auftrat und in freier
literariſcher Wirkſamkeit wieder als Schriftfteller
zu ſeinen Landsleuten reden konnte, ſo iſt nicht
au verkennen, daß damals ben zum höheren Manz
nesalter ‚Herangereiften, alle Mittel zu Gebote
fanden, die. Irrwege der flüchtigern Jahre ver⸗
geffen zu machen, und endlich am Ziele die fo
oft vergeblich, gefuchte, oft muthwillig verfcherzte,
aft zufällig verfchuldete, immer tief entbehrte per⸗
Tönlihe Achtung bei feinen. Zeitgenoffen zu
gewinnen. Aber der böfe Dämon, welchem er
fi) verfchrieben, trieb ihn, den mit dem entfeffels
ten Zeitgeifte zuruͤkkehrenden, wieder mit einem
Male. die in der Freude der errungenen Nationas
Kität fih fo felig fühlenden Deutſchen auf eine
recht auffallende. Weife wider ſich zu empoͤren,
indem er, ihnen ein alle hiftorifche Haltung ent=
behrendes Zerrbild, in feiner jegt herausgegebenen
Geſchichte des beutfhen Reiches (1814)
— 40 —
hinſtellte. Wie ſehr dieſe Schriftſtellerverirrung
mit ſeinem kurz vorher geſchloſſenen Ruſſiſch⸗Deut⸗
ſchen Volksblatte kontraſtirte, da dieſes den deut⸗
ſchen Nationalſinn wecken und bemuthen ſollte,
jene aber denſelben demuͤthigte, hatte er, in der
verfuͤhreriſchen Luft etwas Neues aufzutiſchen, wohl
ſelbſt nicht in Erwaͤgung gezogen; vielmehr machte
ihn die Eitelkeit glauben, daß, wenn er mit der
aͤltern Geſchichte Preußens, des ungluͤcklichen
Zeitpunktes der Erſcheinung wegen, den Ruhm
eines Hiſtorikers nicht erlangte, er hier, wo alle
Deutſchen mit verdoppelter Liebe auf ihr Vater⸗
land und deſſen Geſchichte ſahen, einen recht glaͤn⸗
zenden Augenblick erlauſcht habe. — Ach! haͤtte
er ſich des Geluͤbdes erinnert, welches er einſt
vol Bewunderung ·der Geiſtesgroͤße Schlößer’ 8
ausſprach, wo er ausruft: „Heil dir, ehrwuͤrdiger
Schloͤtzer! nimmer haͤtteſt du deine Stimme fin
Geld, oder ſogenannte Ehrenzeichen (oder fuͤr
den Rauſch der Eitelkeit) verkauft. Dein unbe⸗
ſtechbares Urtheil hat auch, mich, deinen Schuͤler,
zum Geſchichtſchreiber erhoben (7; auf diefen
Kuhm bin ich ſtolz, und deinem Schatten ſchwoͤre
— 4s8s —
Jh es: nie ſoll / irgend ein Wahnſtnn mich ver⸗
blenden, den Verbrecher zu preiſen, wenn auch
aus⸗ deſſen Verbrechen das Heil der Welt ent⸗
fpränge.:. Ich. habe in einer verhaͤngnißſchweren
Zeit gelebt, ich will dieſe Beit.der Nachwelt ſchil⸗
dern, und. fie wird fchaudernd „meine Stimme hoͤ⸗
ven, wenn auch alles, was Clio's ſpielende Schwes
fern mir eingaben, laͤngſt verhallt iſt.“ — (©.
die Biene. Zweiter: dehrgang, vierter Band.
Seite 180.).
2: Bärg er biefem getren geblieben, wie ‚wide
feines Namens Gedaͤchtniß in. reblihem Danke
fortleben unter den Nachkonimen, indeß nun un⸗
- ter ernften Warnungen den Spätergebornen fein
Grabmal gezeigt wird! — Alle die Oberflächlichkeit,
das Halbwahre, das Zerriffene, das mangelhafte
Verftehn der Gewährömänner, die Unfähigkeit
bie Quellen, als ſolche zu würdigen, alle bie
Verdrehungen, um eine wergefaßte Anficht burch-
zuführen — kurz alle Abwege, bie einen Hiſto⸗
riker vom wahren Biele ableiten. unb feine Ges
Halten zu Theatergruppen machen, muß man hier
auf dem erften Blide entdecken. Hierauf wird
— 40 —
man ſchon hingewieſen, wenn man in der einlei⸗
genden Vorrede die Quellen in- Erwägung zieht,
die v. Kotzebue als die ſeinigen, im wunderlich⸗
ſten Gemiſch, angiebt. Dort wird denn auch als
ſolche Voltaire angegeben. Welcher vernuͤnftige
Geſchichtserzaͤhler (vom Geſchichtsforſcher fol
gar nicht einmal die Rede ſeyn), kann bei der
deutſchen Reichsgeſchichte Voltaire als Quelle. ber
nutzen? — Aber der Kotzebueſchen Manier war er
eine erwuͤnſchte Fundgrube, die er hochpreiſ't;
er ſagt von Voltaire: „Seine Gelehrſamkeit war
oberflaͤchlich? — das heißt: fie war nicht pedan⸗
tiſch, ſie prangte nicht mit Citaten, fie war le s⸗
bar. Ein einziger Bogen von ihm geſchrieben,
hat mehr Kenntniffe: verbreitet und mehr Ge⸗
banken erzeugt, als mancher Koliant feiner Zeit
genofien. (©. die Biene ‚Jahrgang, 1808. Seite
200.) — Die Sucht, etwas Neues aufzutifchen
und den Nationalruhm der Deutfchen, in dem
Andenten der gefeierten Nationalbeldei, z. 8. |
Karld.des Großen, herabzufegen, — biefes
find. die unverfennbaren Führer der Koßebuefchen
Darſtellung; bei der er denn auch die immer ge⸗
=
fuchle Gelegenheit,’ bem Chriſtenthume und ber
kirchlichen Verfaſſung feine Abneigung zu erkennen
zu geben, nie ungenutzt vorüber gehen laͤßt. Wenn
man diefen letztgenannten Zug feiner Schriftftellers
charakteriſtik verfolgt, fo mag man fich erinnern,
baß er,’ wie in biefer Schrift. (Seite 80) mit
feinen- eigenen Worten erzählt iſt, ſchon als Stus
dent: die-Vertheidigung des Kaifers Aulian bes
Abteännigen, ſich zum Thema wählte; bis zu
feinem Tode erwähnt. er ohne. Unterlag in feiner
Schriften den Julian und die Verunglimpfungen,
welche biefer von ‚den kirchlichen Schriftfiellern
erlitten hat, nach feiner Meinung, als einen das
Chriſtenthum treffenden Vorwurf, Früher: hat
Hume, beffen hiftorifher Werth.fo oft Durch deu
fihtbaren Haß gegen das Chriftenthum gefährbet
wird, den Julian eifrig vertheidigt, ohne die
“auf und gekommenen Beugniffe jenes Zeitalters
mit kritiſcher Hinfiht zu prüfen; ihr fpricht Ko⸗
tZebue bei dieſem Lieblingöthema nad. —
Kurze Beit, nachdem von Kogebue fein pa-
litiſches Wochenblatt gefchloffen hatte, ging er,
‚um dad Ruffifche Handelskonſulat zu übernehmen,
nach. Königsberg, umb:trat ſo in ein ehrenvolles,
halb biplomatifches Verhaͤltniß, in. welchem er
genuͤgende Muße hatte, alle feine literarifchen Bes
ſchaͤftigungen fortzufegen, ſelbſt in nähere Bezie⸗
hung zur Direktion des Königäberger Theaters zu
treten und Yonft alle Annehmlichkeiten des Privatles
bens mit einem gewiſſen Glanze der Öffentlichen Res
präfentation zu verbinden. Die mit dem Konfulate
verknuͤpften Geſchaͤfte beforgte er fehr ordentlich
und puͤnktlich, zwei Eigenfchaften die mit feiner
abgemefjenen Lebensweife in ımmittelbarer Bezie⸗
Yung flanden; er zeigte ſich dem Publiko gefähig
und dienftfertig ; war er auch einmak;aufbraufend
aber durch feine reizbare Eitelkeit verlegt, fo war
doch nach kurzer Zeit niemand leichter zu verföh-
nen, als er, und ber verföhnte Kotz eb ue erfchieh
perſoͤnlich liebenswuͤrdig. So war es natürlich,
Daß. viele Perſonen feiner Bekanntſchaft es bes
dauerten, ald er in der Mitte des Jahres 1816
von diefer Stelle abgerufen, Koͤnigsberg verließ,
und zum Etatsrath ernannt, nad Petersburg
sing, um bort für feine kuͤnftige Befchäftigung
neue Beflimmungen zu erhalten. Diefem Zeit
— AM —
punkte des: Hotz ebueſchen Lebens gehoͤren folgenbe
ogtat a aus Briefen an feine 3 Mutter a ans"
2,7110 9%
u... Tann Rena. ben. saten Onpt. 06,
Nach einer Reife von zehn. Lagen‘ kamen wie
wohlbehalten hier in Reval an, wo. die Freude
über unfere Ankunft um fo Srößer war, da man
feit mehteren· Wochen die abgefchmadkeften Ge⸗
ruͤchte ausgeſprengt hatte; nehmlich der Kaiſer
hube mich in Ungnade verabſchledet, und ich dürfte
wegen dev. Briefe der Generalin Bertrand, weder
die Ruſſiſchen, noch ‚die Preußiſchen, noch bie
Deſtreichiſchen · Staaten jemals wieder botreten. —
Gott ſey Dank, Ddaß ich noch Immer, und auch
dieſes Mal, Über meine Neider triumphirt habe.
Den Iten September kam ich gluͤcklich in Pe⸗
tersburg an. Der Kaiſer iſt ſchon ſeit einiger
Zeit abweſendz allein der Chef meines Departe⸗
ments .emipfing mich ſehr freundlih, und fig
damit an, mich officiell zu verfichern, daß er mit
ber - Führung meines Amtes in. Königsberg zu⸗
frieden ſey, und. mir ſeht wohlwolle. — —
u: „Bavat, ben 29ſten Roubr..xerl.. :
Eine Majeſtaͤt, der Kaifer hat mir die Bes
ſtimmung angewieſen, Ihm monatlich Berichte zu
erſtatten, von allen neuen Ideen, welche über
Politik, Statiſtik, Finanzen, Kriegskunſt, offent⸗
lichen Unterricht u. f. f. in Deutfchland und Frank⸗
reich in Umlauf kommen, und aus biefen monate
lichen Rapposten follen ſodann die verfchiedenen
Minifterien Auszüge erhalten, ein Jedes von ber
Materie, die in deſſen Hauptfach ſchlaͤgt. Diefer
Auftrag iſt mir in fo ehrenvollen- ſchmeichelhaften
Ausdrüden gefchehen, daß bie Beſcheidenheit vers
bietet, fie zu wiederholen. Berner fcheint es mie
ein Gefchäft, welches nicht allein ganz mit meiner
Neigung übereinftimmt, fondern in welcheni ich
auch: für das Ruffifche Reich unendlich vie Gus
tes fliften kann; wie, manches Gute und Nügliche
wird nunmehr dein -Kaifer ſelbſt und beffen: Mis
niſtern bekannt. werben, was ohne biefe- Berichte
ihnen unbekannt geblieben waͤre. Ich habe · folg⸗
lich aus dieſer Urſache den-Antrag dankbar ans
genommen. — Da ſich fand, daß Weimar' ſo
ſchoͤn in· der Mitte zwiſchen Leipzig und Frank⸗
— 44 —
furt liegt; daß die: Buchhändler dieſer Städte
mir fehr leicht alles: liefern koͤnnen, was Deutſch⸗
Jand und Frankreich neues Merkwuͤrdiges hervor:
dringen, fo fchlug. ich Weimar. vor, und erhielt
bie gnädige Antwort, daß ich mir. meinen Aufents
halt wählen Eönnte, wo ich wollte. — Ich ‚halte
es für eine Pflicht des Wohlſtandes; Seine Koͤ⸗
nigliche Hoheit, (den Großherzog von Weimar), das
von.zu unterrichten, daß und auf welche Art ich
nah Weimar Fommen. werde, um feine Erlaubniß
zu meinem bortigen Aufenthalte zu erbitten. 3% |
| lege deher einen Brief hei u. ſ. f.“ —
1
MReval, den. zoten Januar 18317.
Es wird Sie intereſſiren, liebſte Mutter! ei⸗
nige Stellen aus dem Schreiben zu leſen, durch
welches mir der Antrag geſchah. — Sch: habe,
fchreibt er. (der Minifter), bei-biefer: Gelegenheit
das Vergnügen gehabt, neue Beweile vpon der
Achtung zu erhalten, welche Seine Majeſtaͤt fin
Ihre Verdienſte hegen. u. ſ. fe: Der, Kaifer
wi, daß Ihr Auftrag blos wiſſenſchaftlich fey,
und man Sie betrachte, als einen Reiſenden.
— Ab —
Mit Vergnügen wird er Sie ganz ben Willen
ſchaften fidh widmen ſehen.“ —
So erbliden wir von Kogebue im Begriff nach
Deutfchland abzureifen, um in ein neues Berufs⸗
verhaͤltniß zu treten, in welchem er gar bald
zahlloſe Stimmeh gegen fich wedte, fich auf als
len Seiten von Viderfachern umringt fah und —
ein Opfer aufgeregter Leidenfchaften — den Tod
fand. Ganz abgefehn von: feiner Perfönlichkeit,
wie von ber während diefes feines letzten Berufßs
aufenthalts in Deutſchland betriebenen Schrifts
ftellerei, muß ber Auftrag ſelbſt, im welchem
Kogebue auftrat, hier näher Ind Auge gefaßt
‚werden, da diefer kurze Zeit nachher der Gegens
fand fo vieles Geredes geworden iſt.
Was den in jenen Briefſtellen angegebenen
Zwed betrifft, welchem fich von Kotzebue wid⸗
men ſollte, ſo gereicht er, wie er dort ausgeſpro⸗
chen iſt, der Sinnesart des Ruſſiſchen Kaiſers,
oder ſeines Miniſterii, je nachdem er von dieſem,
pder von jenem, ober von beiden vorgezeichnet
wurde, zum. höchften Preife, wie. ber. beuticyen
— u —
eiteratur zum Lobe. Ob mit der Ausfuͤhrung
bes Zweckes der techte Mann beauftragt wurde,
kommt hier nicht in Betrachtung. ‚Wenn nad)
Deutſchland, in rein wiſſenſchaftlicher Hinſicht,
ein Mann geſendet wurde, um die neuen Erzeug⸗
niſſe der Wiſſenſchaft, Politik, Statiſtik, Finanz⸗
nerwaltung, ‚des öffentlichen. ‚Unterrichts u. ſ. f.
au beobachten unb Über deren Geift unmittelbar
an, den Kaiſer und feine Minifter zu berichten,
fe liegt hierin ein fuͤr deutſche Schriftſteller un⸗
endtich ſchmeichelhaftes Anerkenntniß, von ber Be⸗
deutſamkeit der Nationalkultur und ihrer Früchte,
Jeder redliche Staatsbuͤrger möchte wohl wün-
ſchen, daß alle Regierungen eine-gleiche Aufmerk⸗
ſamkeit dem in der Literatur ſich offenbarenden
Nationalftreben ber Deutſchen, zu ernſter Wuͤr⸗
vigung, ſchenkten! — Es iſt auch wohl zu eiwaͤ⸗
den, DAB hier gar nicht die Rede ſeyn kann vom
Erſpaͤhen eines Nationalſchatzes, welcher geheim
ſeyn und innerhalb der Graͤnzen der deutſchen
Staaten, den Ausländern verſteckt aufbewahrt
werden fol. Was die Schriftſteller ausſprechen,
Mein · Eigenthum aller Menfchen und aller Zeite
— HU —
alter, umb der hoͤchſte Wunſch des: Autors :ift der,
daß feine Worte von recht. Vielen in Erwägung
gezogen werden, beſonders bei bein: namhaft ges
"machten Gegenſtaͤnden der Intelligenz. = Daß.
Ksher nur ſelten ſolche, eigen: dazut Beauftragte,
"Beobadhter : der Literatur von. den Regenten ber.
‚Staaten in: andere’ Laͤnder geſchickt ſind, gereicht
den Machthabern -zum gerechten Vormurfe. Die
Maastegel des Außergewöhnlichen. kaun wohl / dem
Engherzigen verdächtig, "nie aber: dem Unbefange⸗
Min tadelnswertherſcheinen. Wir wollen nicht au
dio alten Zeiten erinnern, "wo ſich die Voͤlker ‚bes
fchichten, um die heilige Frucht der Geiftesbilbing,
weiſe Geſetze, vor einander zu erbitten; das Un⸗
gleiche der damaligen und jetzigen Literatur, die Defs
fentlichkeit der damaligen Geſandtfchaften, mögte
gegen bie verſteckt Tiegenben Punkte der Verglei⸗
chung Manches erinnern laſſen. Wir finden das
völlig. Gleiche .bei den. größten Regenten der
neuern Zeit, und daß wir es finden, beweiſ't ihre
weife. Aufmerkſamkeit auf den Zeitgeiſt. So war
der Baron von Grimm der literariſche Agent
der großen Kaiſerin Katharina in Frankreich
27
— U —
and in Deutfchland zu viner Zeit, wo er feinen
WRuffifchen diplomatifchen Charakter. hatte.
In jenem: Auftrage felbft, den von Kotze bue
“erhielt, liegt alfo durchaus nichtd, was ihmioder
feinem "hohen :Kommittenten: zum Vorwurfe gerei⸗
hen koͤnnte. — Nun fagt wan aber: Hinter ber
literariſchen Befchäftigung war ‚eigentlich eine Bis
Ylomatifche : Spionerie verſteckt, von der Deutſch⸗
land von Rußland herkommende Gefahr zu fuͤrch⸗
sen hat und Kotzebue, der Deutſche von: Geburt,
erſchien ſo als Verräther feiner Lanböleute, : Be
-eritfchiebener man behaupten muß, daß v. Ko⸗
. gebue zum literariſchen Agenten nichts: taugte,
und doch dazu ernannt wurbe, um ſo "weniger
kann man biefen eben wiederholten Verdacht das
dvurch befeitigen, daß man Kotze bue's Unbrauch⸗
barkeit für das geheime Gewebe der Spionerie
"anführt. — Ohne irgend eine PVerfönlichkeit in
Ewuͤgung zu ziehn, iſt der Verdacht in ſich ſelbſt
ſo unhaltbar, daß man ſich wundern muß, wie
ge bei geſcheuten Leuten hat Glauben finden koͤn⸗
"den. — Sn der Gefchichte ift noch nie ein Zeit⸗
punkt gewefen, wo das Intereſſe aller Fultivirten
— 49 —
Menſchen in Europa zu ihren gegenfeitigen polis
tifhen Verhältniffen fo groß war, als gegenwaͤr⸗
tig; was daher in dem Bereiche jebes Volfes,
jedes Staated, jeder Regierung Tiegt oder Neues
gefchieht, fol), kann und darf feinem Menfchen
ein Seheinmiß feynz die fogenannten Staatöge:
heimmiffe find ein fehlechter Unfug der Machthaber,
ein ewiger Fluch der Nationen, welche es been
vecht Dank wiflen innen, die ſich die Muͤhe neh:
then wollen, auf ſolches ertragfofe Minifterial-
Erz ihren Grubenbau zu richten. — Was über
das vermalige Verhältniß der deutſchen Vöͤlker
gi’ihren Regierungen den Säriften: Anvertrauk
wird, und wie die Wuͤnſche beider eins ſeyn
ſollten und es nicht ſind, weil ſich zwiſchen
beibe ſchlechte Vorurtheile und: bejammernswerther
Miniſterial⸗Obſcurantismus · ſtellen, deren Dpfer
Bft die redlichſt geſinnten Fuͤrſten werden: —
wies mag: keinem einheimifchen, keinem fremden
Megenten ein Geheimniß bleiben. Wenn dieſes
zu erforſchen, hieruͤber Notizen zu ſanmneln, von
Kohebue geheime Inſtruktionen gehabt, zur Bes
‚Sanntwerbuig dieſes -Gebeimniffes am den Ruſfi
27*
— 420 ——
fchen Kaifer gewirkt haben Eönnte, fo wollten wir
alle, Die wir redliche Deutfche zu feyn uns ruͤh⸗
men, ihm gern. fein Geheimniß, und jede in uns
ferer Literatur auf fich geladene Schuld obendrein
vergeben, ‚und fein Andenken ‚heilig halten, wie
das eines wohlverdienten Mannes. —
Hiernach ift man berechtigt, ben Auftrag, in in
welchem von Kotzebue nach Deutſchland kam,
fuͤr rein wiſſenſchaftlich zu halten. — Er waͤhlte
Weimar zu feinem. Wohnorte. Dieſer Entſchluß
hatte unbezweifelt ſeinen Grund in der Liebe zu
ſeiner Mutter, in der Anhaͤnglichkeit an ſeine
übrigen Verwandte, und an einige Jugendfreunde,
wie in der ſich gewöhnlich mit. bem zunehmenden
Alter vergrößernben Sehnſucht nach dem Orte der
Geburt; denn qbne biefe Motive hatte von Kos
tze bue Gründe. genug, ‚jede Stadt Deutfchlande;
nur nicht Weimar zu wählen. Er ſelbſt, der
feinen Werth nie gering anfchlug, konnte fich fas
gen, daß, nach dem bekannten Sprichworte, ‚ber
Prophet in feinem Vaterlande immer am wenig
ſten gilt; und, Kogebue mollte doch fo gern
recht. viel. gelten. — Außerdem gab ed. für ihm,
— 44 — —
den Unvorſichtigen und leicht Reizbaren, bier fo
viele Berührungen, die er, wenn er glüdlich zu
leben bedacht war, um jeden Preis hätte vermeis
den follen. Nach der Art, wie er als Züngling
fein Vaterland hatte verlaffen mäffen, — ſo etz
was wirb überall leichter vergeſſen, als in ben
Heimath — nach dem übeln Andenken, in welchem
er in Weimar uͤberhaupt fland, nach den ewigen
Fehden und Kätfchereien, die er mit dortigen
Gelehrten angefponnen, über fie verbreitet hätte,
fonnte er leicht berechnen, daß er dort höchfl une
gern gefehn,. oder, was ihm fehr empfindlich war, .
gerade von ben Ebelften nachſichtsvoll überfehen
wurde. Bei der Wahl feines Aufenthaltsortes be⸗
ruͤckſichtigte er nicht nur folche Abmahnungen nicht ;
feine getroffene Beflimmung wollte er auch noch
mit den Vefriedigungen ber Eitelkeit in Verbin⸗
bung feßen; der nunmehrige Katferlih Ruf:
ſiſche Etats⸗Rath wollte mit einem gewiſſen
diplomatiſchen Glanze in Weimar. auftreten, is
diefer Slorie an dem dortigen Hoflager Zutritt
haben, Diefes iſt die nahe liegende Vermuthung,
nad, der von. Kogebue’ 5 Scpritt, ſich ſchriftlich
Ge
— IND —
Bei dem Großherzoge anzumelden,“ ober, wie er
ſich ausdruͤckt, „denſelben davon zu unterrichten,
daß und auf welche Weiſe er nach Weimar kom⸗
men werde, und deſſen Erlaubniß zu einem dor⸗
tigen Aufenthalte zu erbitten,“ beurtheilt werben
muß; denn Kotzebue hatte, ſeit ſeiner Verweiſung
als Ruſſiſcher Officiant oͤfter Weimar wieder be⸗
ſucht, ſich dort längere oder kuͤrzere Zeit aufge:
halten, ohne je des Herzogd: Erlaubniß dazu
uachgefucht zu haben. Iene war auch wirklich um fd
annöthiger, da in den Weimariſchen Landen je:
dermann feine Wohnung auffchlagen kann, : ber
fich redlich nährt und ben Geſetzen, dam Schuß
er genießt, Gehorfam Feiftet. — Die natürliche
Bolge jener Anmeldung war wohl, daß der Groß:
berzog den an feinem und den uͤbrigen Sächfifchen
Höfen acerebitietäf‘ Gefandten officiell befragen
ließ: welche Befchaffenheit es mit ber ganz un:
gewöhnlichen; von Kotzebue felbft angemeldeten
Sendung habe; auf welche Veranlaffung von Kos
tzebue denn unflveitig die Reifung erhielt, : daß
er nur als Privatmann ſich in Deutfihland aufs
halten, burchaus aber Feine diplomatiſche Repraͤ⸗
— BB
fentation wahrzunehmen habe. . Er foltte nur als
Reiſender erfcheinen, wie. er feiner Mutter
fchreibt. . Um indeß dieſes den früheren Andeutun⸗
gen und feiner Eitelkeit widerfprechende Privaties
bei fich und ber lieben Mutter einigerniaßen zü
verfüßen, flellt er in dem Briefe (vom 10ten
Januar 4817) die Minifterverficherung von. ber
Achtung, bie der Kaifer für feine Verdienfte hege,
ganz. befcheiden voraus; er, der doch, ald er ben
Brief vom 29ften Rovember 1816 fchrieb, vos
lauter Befcheibenheit, die.chrenvollen und ſchmei⸗
chelhaften Ausdruͤcke nicht wieberholen konnte,
mit denen ihm der literariſche Auftrag ron ers
theilt Wan on... mo
Kanmm hatte von Kotzzebue in , Beimar fein
Haus. gefunden, feinen Haushalt aufgegplagen
und begamm. bort, wie Das, Sprichwort fag,;, wies
ber warm zu werben, als zwei CEreigniſſe im
Herbſte 1817. ſchnell auf einander fülgend dazu
dienten, ihn feinem Vaterlande m einem gar nach⸗
theiligen Lichte zu zeigen, und ihn ald einen Feind
allerliberalen Ideen, als einen: Verlaͤumder ber
Beſtribungen / des Zeitgeifies abs einen entarteten
4
— 46 —
Menſchen uͤberall und jJugendlich freien Serlen
beſonders, wenn fie aus allen Famillenverbindun⸗
gen herausgeriſſen find, fo eigenthuͤmlich iſt, ein
Band näherer Verbindung. mit denen zu knuͤpfen,
die gleiche "Höfftiumgen, Winfhe und Beſtrebun⸗
gen hegen/ ſo war aus dem⸗ſchoͤnſten Vaterlands⸗
gefühl eine Verbindung heivorgegangen, ‘die ala
len akademiſchen Orden und Landsmiannfſchaften
ein Ende niachen;-den ſehr entarteten Unitiſtenor⸗
den in veredelter Geſtalt wiederherſtellen, auf ſitto
lichen Grundlagen zu einer Vereinigung ber beſ⸗
feren Beſtrebungen wirken und des Nationalwoh⸗
168 Heiligkeit bewahren ſollte. Wenn ſich dieſer
Zweck, bei Errichtung des Bundes der Burſchen⸗
fchäft nicht ganz klar auöfprach, Fo wirkte big
bald darauf eingetretene Unterfochung Deutſchlands
und der mit der Burſchenſchaft in Verbindung
geſtellte Tꝛgendbund hierzu, und verbreitete ein
herrliches Nationalſtreben unter allen. Ständen,
Lebensſtufen und Voͤlkerſtaͤmmen des lieben Va⸗
terlandes. Es erſchien bald der lichtvolle Zeit⸗
piamkt wo aller Deutſchen Herzen Ein. Wille be⸗
geiſtertxn und Tod die geangſtigten Großen in dem
— 1 —
Rekurs an die Nationdikraftint Hell ſuchen muß⸗
ten. Sis-traten hervor mit. Belenntniffen,- wie
fie nie gehört, mit Verſprechungen, wie fip.oft
einzeln gewünfcht; ‘aber noch nie den deutfchen
Boöoͤlkern gegeben wären. Wor ‘wien warb. bie
Iräftige Jugend aufgerufen zu den Waffen; fid
ward zu Siegen "geführt md ihr in Verbindung
mit den gegebrnen Verheißungen und ben Thaten
bie fie. vollfüͤhrte, das Bewußtſeyn ihres hoben
Berufes näher vor Augen geſtellt. Anftatt num)
nad zweimal erfirittenem Frieden; nach. der Saͤu⸗
berung bed gemeinfchaftlichen Waterlandes von
auslaͤndiſcher Zwinghetrſchaft, den nem Kamp
zu. dem heimifchen Tageswerkä zuruckkehrenden
Sünglingen mit vaͤterlicher Liebe. den fehönen Bed
zuf im Vereiche weifer, "anf wahres buͤrgerliches
Wohl wirkender Gefebe'- ihren Pfad fortzuſetzen,
zu vergegenwärtigen, fand man: e8 häufig gera⸗
then, den alten ſchnoͤden officiellen Commiß⸗Ton
anzuſtimmen, die Loͤſung der gegebenen Verhei⸗
ßungen zu verfehleben, bie Shaten der kraͤftigen
Jugend herabzuſetzen, heranreifenden Maͤmern
drohend bie. Züchtrutke "des Dchulineiſters ober
— 48 —
ben Korporalſtock vorzuhalten, und, unter ceinzel⸗
nen Beguͤnſtigungen, die Erfüllang ben. Selühbe
woeiſelhaft zu machen. = ee
* Dieſer wurbe nur zu baid tief enpfunden se
* von den hochherzigen jugendlichen Seelen
gefuͤhlt, die in ver Beſchaͤftigung mit den Wiſ⸗
ſenſchaften einen freieren Standyunkt hatren, in
den Erzeugniſſen ber Literatur, wie in, den Bil⸗
dern der Geſchichte zur Erkenntniß des Zeitgeiſtes
und ber Klipnen gelangten, an welches das vers
heißene Nationalgluͤck zu ſcheitern drobte. Sol
hen Beſorgniſſen, bie. wohl nicht aus der Luft
gegriffen find, ſtellte ſich muthig keck entgegen
die Burſchenſchaft, welche ſchon deshalb ſchuldlos
"war, weil fie, ohne irgend eine Heimlichkeit, ſich
offen und frei mit- ihren Zweden und Streven
aupfprach und erſt dann lichtſcheu umherſchlich,
als die unbegreiflichſten politiſchen Mißgriffe, durch
ungerechte Verfolgungen, das friedliche Wollen in
ungeſtuͤmes Begehren ‚verwandelte. Die Idee,
bie dem Bunde zum Stuͤtzpunkte Biente, darf
nicht getadelt werbenz, wem. auch zufällig. oder
— 429 —
bpshaft Handlungen. mit derſelben in Verbindung
geſetzt find, denen nicht gleiche Lauterkeit zufagt. .
37° Kein. gerechter Vorwurf eines Frevels war der
verſammelten Burſchenſchaft auf der Wartburg zu
machen; das herxliche Feſt wurde gefeiert in Froͤm⸗
migkeit, Sitte „und: traulicher ‚Vereinigung zu
ſchoͤnen Zwecken. Im lebendigen Bewußtſeyn dir
nes untadlichen Wollens, im Rauſcha ber Areude,
im im Bahr des Unwohren ,. Truͤgeriſchen, Schleche
sen: ‚ließen . jene Iünglinge ein: Gericht... engepn,
nad ihrer Art, indem fie das an geweihter Stätte
auf. dem Gipfel des Berges zu vielfach. fchöner
Küderinnerung angezimdete Feuer, zu. Ainem Aus
to da Be machten, in weiches fie die Schriften
und Schriftlein unlauterer Geiſter, uwerſtaͤndiger
Läfterer Des Zeitgeiftes, feiler Handlanger heimi⸗
ſcher Verfinfterung und die Symboje der, ‚neuere
lid) wigder an den. Zag, gekommenen, Soldaten
Knechtſchaft warfen,. damit die Flamme das in
Alche. verwandele, was bie. öffentliche, Stimme—
bereits als unheilbringenb bezeichnet hatte. Mag
die Handlung felbft ihre. tabelnswerthe,Seite haa
ben, mag die getroffene Wahl. ber verbrannten
— 42 3 —
maßen, um ſo mehr gefiel er fich-in dem Was
he, das Vaterland: durch Entbeckung einer Vers
ſchwoͤrung retten, umd ſich, wie einſt der eitle
Eitero, den ſchoͤnen Namen des Vaters des
Vaterlandes erringen zu muͤſſen. Mißgluͤckte
auch fhr‘ dieſes Mal, der Sache nach, die Ent⸗
veckung einer Verſchwoͤrung voͤllig, aus dem eins
fachen Grunde, weil fie mir- in den Polizey⸗
Koͤpfen exiſtirte, fo wird mar Boch hoffentlich vor
Seiten der Polizei, wern’Fein großes Mißgefhtd
erfolgt, it der Zeit, nach manchem "gefcheiterten
Berfuche, noch einmal . mit -kiner' nicht "ganz
unmwahrfcheinlichen Verſchwoͤrungsgeſchichte zu
Stande kommen; dann mögen bie Capitol⸗
Mächter den erfehnten Lohn: drndten, bis zu
welchem Zriumphe bin, ben kein veblicher Deuts
fher zu erleben begierig, die Geſchichte Salluſts
von der Gatilinarifchen Zuſammenrottung zum
fleißigen Studio den Entdeckungs ⸗ Vefiſſenen
anempfohlen ſeyn mag. —
Die Geiſtesverwandtſchaft zwiſchen von *
Hehe und: den von dem Wartburgsfeſte alles
mögliche Unheil Vorherſagenden, auf firenge Be⸗
firafung aller Theilnahme Dringenden machte fich
bald Fund und warf auf manchen fonft ehrenwer⸗
then Namen einen dunkelen Schatten; wie viel
mehr auf ihn,’ ber immer’ übel berüchtigt war,
und immer baflır forgte, daß die Unlauterfeit feis
‚ned früheren Lebens in neue Erinnerung gebracht
werde. —
Aber wohl zu beachten ift es, daß, obgleid
von Kotzebue von dieſem Zeitpunfte an bie
deutfche Jugend und beſonders die ftudierende und
ihre Mufenfite, vorzüglich Iena, mit feinen ver-
bienftvollen Lehrern, auf alle ihm zu Gebote ſte⸗
hende Weife verläfterte und verunglimpfte, ihm
doch weber in Jena, wo er öfter war, :noch in
Weimar, wo täglich Ienenfer Studenten zum
Befuche find, und. wo felbft das Schaufpielhaus
fo günftige Gelegenheit dargeboten hätte, ibm
nie die geringfte Beleidigung von Studenten zus
gefügt worden if. So gute fittlihe Ordnung
berrfcht dort, fo. große Achtung.: haben bort die
Befege — dort auf jener Univerfität, Uber die fo
viel Schänbliches gelegen ifl. —:..:
Während noch . bie‘ Bartburgsgefihichte und
28
— 430 —
Baden nicht gebilligt. werben, ſo treffe die Miß⸗
billigung der Fehler, die Verirrung; aber flaater
verrätheriiche Verbrechen : wird fein vernünftiger
Beobarpter Darin finden: — -
Unter: den hier den Flammen fbergebenen
5 wurde ad Kotzebue's ſogenannte
Geſchichte des drutſchen Reichs, nebſt andern: die
Mationalehre ſchmaͤhendem Geſchreibſel fehrer Fe⸗
der genannt und ſo ˖ der ſelbſtgefaͤllige Autor, der
gegen die deutſche Jugend und ihre Burſchenſchaft
Soßen Unwillen hegte, zu geſchaͤftigem Ingrimm
aufgeregt. Auſtatt, wie jeder Vernuͤnftige hätte
thun anüſſen, den an ſich ſo unbedeutenden Vor⸗
falb zu ignoriren, erhob von dirſem Zeitpunkte an
von Kotzedue fein, manchen gefaͤlligen Zuhörer
finderides Gelchrei aber Das entfegliche "Unheil,
bas die Welt von der deutfchen Burſchenſchaft
ſchon jegt erfahre und: für die Zukunft noch "zu
fürchten habe. Mochte e8: ihn. auch immerhin ems
pꝓoren, Dart mit fo verruſenen Stribenten,‘ wie
wer is raelitiſche Saul -Afcher, oder wir der
von Coͤllniin eine Klaſſe geworfen zu ſeyn,
er haͤtte ſich ja/ damit troͤſten koͤnnen, daß feine
Werke -gemeinfchaftlih ‚verbrannt. wurden, mif
dem Code Napslegn-und. mit. dem⸗an ich fehr
unſchuldigen ·Preußiſchen Gensdarmerie ⸗Coden
Jener Autor auf St. Helena mag ſich wenig
um die ihm auf dem Wartburgsfeſte angethane
Beleidigung bekuͤmmert habens. deſto mehr that eg,
hegünftigt von.feiner officiellen Stellung, ,. der Ver⸗
treter des ‚zweiten Coder. Wie von Kogebue
nahm er: fich das Ereigniß, von dem die Nachwelt
Saum begreifen wird, wie daraus ſo großes Uns
heit hat erfolgen koͤnnen, fo zu Herzen, daß ex
fogleich, fo weit. feine Befugniß nur reichen wollte,
die firengfien Nachfragen uͤber bie Thailnahme am
dem Wortbargöfefte, verhaͤngte, ben. um den prens
ßiſchen Staat fo unſterblich verdienten Großher⸗
zog vom Weimar, dem preußifchen Koͤnigſtamm
ſo vielſeitig befreundet, in deſſen Landen der un⸗
ſchuldige Gensdarmerie⸗Coder verbrannt war,
por aller Melt zu beleidigen perſuchte, und dia
Burfchenfchaft wie eine Verſchwoͤrung bezeichnete,
welche es abgefshen habe auf Regenten, Staas
tn und gefegliche Ordnung. Je mehr Verblen⸗
dete, auf jene Autoritaͤt hin, ihm Glauben beis
J
— 4455 —
matiſche Sendung fußend, bie Bekanntmachung
ſeiner Berichte unter dem. Geſichtspunkte einer
Gefaͤhrdung ber dem Ruffifchen Hofe gebührenden
Achtung ſtellte. Offenbar hatte. er dieſen Vorfall
felbft veranlaßt, durch die Unvorfichtigkeit, mit
welcher er bie, feine Geheimnifje . enthaltende
Handſchrift dem Abfchreiber Koch übergab. Daß
übrigens Treue und Glauben verleht waren, in⸗
dem ber Mann, ben Koch bei. ber. Entzifferung
der unleferlichen Handſchrift um Rath fragte,
diefe Veranlaſſung benuste, heimlich. Auszüge
aus dem Bülletin zu machen unb biefe heimlich
3um Drude zu befördern, iſt offenbar. —
Nun betrieb v. 8. mit allem Eifer den Pros
zeß gegen Luben, Wieland, Oken u. f. fi;
nach feinen wiederholten Anträgen vor Gericht
follte aber gerabe der, ber ihm Dies Herzeleid eigent=
lich zufügte, der unvorfichtige Abfchreiber Ko ch mit
aller Strafe verfchont bleiben *). Ob bierbei eine
H Siehe: Heinrich Ludens Verurtheilung und
Rechtfertigung in der von Kogebue’fhen
Buaulletin⸗Sache. Mit einer Einleitungs⸗
Vorrede von Dr. J. E. Gens ler. Deidels
berg 1818. 8.
— 437 —
gutmuͤthige Nachſicht, oder etwas anderes zum
Grunde lag, bleibt unentſchieden. |
‚Hätte v. K., anftatt fich in Öfterer Berufung
auf die feinen literarifchen Deyefchen gebührenden
biplomatifhen Egards zu gefallen, ruhig bie
Bekanntmachung jenes, ihm entwenbeten Berich⸗
tes geſchehen laſſen, hätte .er :einfach den Vor⸗
fall zu feiner Rechtfertigung bekannt gemacht,
und über den Inhalt der Bülletins gu feiner Ent:
fhuldigung gefagt, was fih etwa fagen ließ, fo
hätte er fich vielen Verdruß und den Schwachen
viel Aergerniß gefpart. — Aber nein! diefer Lärm
ſchien ihm anfänglich viele Freude zu machen, er
fhmeichelte ja feiner Eitelkeit; am Weimarifchen
Hofe, bei den Gerihtähöfen und in ben Zeitungen
betrieb er die neue Fehde, immer darauf zuruͤck⸗
fommend: welch ein Frevel es fey, die Berichte,
Die er feinem’ Hofe zufchide, -unbefugt zur
Kunde des Publitums bringen, und ihn über de⸗
zen Inhalt sffentlich verantwortlich machen zu
- wollen. Nebenzu bekamen. benn, wie es feine
Manier war, feine Gegner und Neiver, die Bu
— 433 —
ſchenſchaft und der Zeitgeiſt, das Deutſchthum
und die Volksſchriftſteller von ihm ihre Strafe. —
Dagegen thaten ihm manche Widerſacher den Ge⸗
fallen, auf das Buͤlletin ſelbſt ein großes Gewicht
zu legen und darauf hinzuweiſen, welch ein Un⸗
heil der deutſchen Nationalfreiheit daraus erwach⸗
fen koͤnne, wenn Sfinuationen folder Art Ein⸗
gang fänden: an ‚hohen Kaiferlich. Ruffifchen Ka⸗
binette. In wie weit ed nun mit ſolchen Aeu⸗
ßerungen von Beſorgniß ernfllich gemeint war,
sder nicht, fo verfchwindet folche doch von felbft,
wenn man erwägt, daß eine durch ‚gemeinfame
Sprache und Literatur. verbundene Nation, die
fih nicht in dem Zuſtande der Unterjochung uns
ter einem: auswärtigen Monarchen befindet, zu=
naͤchſt von außen her Feine Verlegung ihrer gei>
ffigen Natimmalfreiheit zu fürchten Hat. Vielmehr
ftheint es, als ob die Ueberzeugung ‘von dem
wahren Werthe der Rationallultur und des dar⸗
aus hervorgegangenen Zeitgeifles noch nicht echt
begründet fey, wenn man fo leichtfertig welt her:
geholter Beforgniß ſich hingiebt, anflatt recht frei
und treu ben heimifchen Altar zu bewahren, daß
die heilige Flamme bei rüſtigen Muthes nie ver⸗
loͤſche! —
Die prozeßualiſchen Verhandlungen gingen un⸗
ter gegenſeitigem Libelliren fort; und wurden erſi
nach faſt zwei Jahren beendet, wie es die neue⸗
ſten Zeitungen mittheilen: ſaͤmmtliche Angeſchul⸗
digte wurden nach dem Urtheil des Weimariſchen
Ober ⸗Appellations⸗Gerichts frei geſprochen; ja
ein Urtheil der Juriſten-Fakultaͤt zu Würzburg
erkannte: fogar Kotzebne'n ſchuldig, in Betreff der
- von Luden gegen ihn erhobenen Klage, ruͤckſicht⸗
lid des Inhalts des famofen Buͤlletins, puncto |
iajuriarum et calumniarum, —
So ungern ſich ed v. Koßebue auch geſtehen
wollte, ſo wirkten doch ſolche Vorfaͤlle bedeutend
auf ihn und ſtoͤrten felbſt feine haͤuslichen Freu⸗
den. Er, der ſo gern kleine Geſellſchaften gab
und beſuchte, konnte es oft nicht ignoriren, daß
Viele von denen, mit welchen er gern Umgang
gehalten haͤtte, ſich ſorgfaͤltig von ihm zuruͤckzo⸗
gen; Manche vermieden, Kotzebue's Haus zu be⸗
treten, gefliſſentlich, und dennoch vergaß man in
feinem Zamilienfreife. leicht, daß er, der von vies
— 4«“ —
len Selten beruͤchtigte Mann ſey. Beſonders in
Weimar machte er bittere Erfahrungen, ohne ſich
. aber dadurch in ‘einer Sinneöweife irren zu laf-
fen. Aerndete er von den Einheimifchen nicht
viel Freude, ſo ergoͤtzte ihn dagegen der häufige
Beſuch der Beifenden; denn wie nachtheilig man
über ihm denken mochte, wie wenig man feinen
Anfichten beiftimmen ,. feinen Lebensbetrieb loben
mochte, fo blieb er doch immer ein merkwuͤrdiger
Zug im-Bilde der Zeitgefchichte, und war als
folcher wohl einer perſoͤnlichen Bekanntfchaft werth.
Das Jahr 1818 wurde für von Kogebue,
buch eigne Schuld, ein fehr verbrußreiches. Als
bb er an den vielen Widerfachern noch nicht ges
nug babe, begann er ein neues Schriftfteller-
Unternehmen, das Literarifche Wochenblatt,
welches nad) feinem Zon und Zwed allein im
Stande war, feinen Urheber in enblofe Zaͤnkereien
zu verwideln und ihn zur Bielfcheibe einer ganzen
Schriftftelergeneration zu machen. Wie er auf
bie unglüdfelige Idee diefer Unternehmung gerieth,
ift leicht aus ihm felbft zu erklären. Die frag⸗
mentarifche Schriftfiellerei der Flug⸗ und Zeitungs⸗
— 444 —
blaͤtter war die, welche v. K. am beſten gefiel,
bei welcher er jeden Gedanken, der ihn unter
vielſeitiger Lektuͤre in den Wurf kam, ſogleich auf
den literariſchen Markt bringen konnte. Seine
nach Rußland zu ſendenden literariſchen Berichte
verpflichteten ihn, die neuen wichtigern Erſchei⸗
nungen des deutſchen und franzoͤſiſchen Buchhan⸗
dels zu leſen; da ihm aber zum verſtaͤndigen Le⸗
fen die Zeit und Faͤhigkeit fehlte, fo begnuͤgle
er ſich, ſie wenigſtens im Fluge zu durchblaͤttern.
Hierbei ſtieß ihm mancher Gedanke auf, den der
haushaͤlteriſche Schriftſteller nicht wollte verloren
gehen laſſen; die Zeit und Muͤhe, welche die Er⸗
fuͤllung des kaiſerlichen Auftrages forderten, ſollte
auch der Autorſchaft eine Frucht abwerfen; dazu
war das bunte Gemiſch des literariſchen Wochen⸗
blattes am beſten geeignet, und noch außerdem
ſehr brauchbar, um ſich zu raͤchen an jeden Geg⸗
ner, in jedem Augenblicke Gelegenheit zu haben,
Andersdenkenden feine geharniſchten Repliken darz
zureichen, und ben Theil des Publikums feſtzu⸗
halten, welcher nichts unterſuchen kann, aber von
Allem ſo viel oberflaͤchliche Notiz haben will, um
ein Wort mitreden zu koͤnnen. — Nicht für ein
fchlechtes Publitum hatte er feinen Plan berech⸗
net, er nahm in bemfelben die achtbare Klaffe
von Lefern auf, welde durch Berufsgefchäfte
zwar veranlagt werden, von ber Zagesliteratur _
Rotiz zu nehmen, zugleich aber gehindert, fie
ernfilicher Betrachtung und verflänbigem Urtheile
zu unterwerfen, fo daß man ſie bei leichter Rede,
verſtaͤndlichen Worten, wigigen Späßen und Ta⸗
fohenfpieler : Dreiftigkeit Teicht täufchen, leicht irre
führen kann. — Die von biefem Unternehmen
gehegten Erwartungen, welche auch zum Theil
in Erfüllung gingen, hatten für v. 8. zu viel
Lockendes, als daß er zur Berüdfichtigung ver:
nuͤnftiger Abmahnungen’ hätte gelangen koͤnnen.
Den Rath feiner Freunde, feine eigenen, früher
ausgefprochenen Bekenntniffe und Marimen hätte
er nur in Erwägung zu ziehen gebraucht: um
von dem gefahrvollen Abwege zuriidzutreten. Von
ber unberufenen Luft zum Kritifiren fagte er felbft
(1812): „Sa, wenn diefe Befhäftigung nur ein
ehrbarer Zeitvertreib flr verlorene Stunden waͤre,
wenn fie nicht ihren Mann ganz: forderte! Aber
— 4 —.
das Kritifiren ift eine Arbeit, und eine große
Arbeit! Man muß Alles lefen, über Alles fpres-
chen, und guf und richtig fprechen; man muß
alle Manieren gruͤndlich erforfchen, über Vieles
urtheilen, was man vorher felbft nicht Eannte,
und worüber zu entfcheiden bisweilen fehr. Figlich
iſt; mit Einem Worte: man muß fich fielen, als
ob man Alles wiffe, zu Allem fähig wäre, und
geſchickt in allen Kuͤnſten und Willenfchaften.
Eine ſolche Vorſpieglung ift nach meiner Mei
nung fchwerer, als die Erlangung jener Kennt=
niffe felbft. — Daher ift mein Rath; man über:
laffe ein folches Geſchaͤft Leuten,. die nichts. befs
feres zu thun haben. Wenn man ed obenein
betrachtet, fo fehmeichelt es freilich dem Ehrgeize,
aber diefe Zäufchung ſchwindet bei näherer Prüs
fung bald, und es findet fi, daß man blos feine
Zeit fehr unnüß verloren hat.“ —
Doch — der edle Schiller fagt:
„Doch, wenn cin Haus in Feuer foll vergeben,
So treibt der Himmel fein Gewoͤlk zuſammen.“ —
Bon Kobebue grif muthig zur Feder und .
führte felbige fo -gefchäftig, daß er ben erſten
— 4 —
Band des Wochenblattes, ohne Huͤlfe, allein
ſchrieb, und auf die auffallendſte Weiſe die Be-
hauptung rechtfertigt, die Prof. Krug in einer
geiftuollen, viel gelefenen Schrift *) nieberlegt:
„Zwar rühmt ein Öffentliches Blatt, daß, wenn
derfelbe (v. 8.) auch in feinen Schriften, und
namentlich in. feinem literarifchen Wochenblatte
manches Falfche behauptet, alfo nicht immer wahr
geredet, er doch niemand gefcheuet, fonbern feine
Weberzeugung freimüthig ausgefprochen habe.
Allein, wir leugnen, daß K. das je in fich gehabt
und gefühlt, wad man Weberzeugung im eis
gentlichen und wahren Sinne des Wortes nennt.
Er hatte nur Meinungen, und diefe fprach er
allerdings, wenn er nichts bavon beforgen zu
bürfen glaubte, mit vieler Dreiftigkeit, ja Keck⸗
heit aus. — Sobald er aber beforgen mußte,
daß eine offene. Aeußerung feiner Meinung ihm
*) Siehe Hermes ober Eritifches Jahrbuch ber Lite⸗
ratur. Drittes Gtüd 1819. Seite 297. Der dort
ftehende, aud einzeln abgebrudte Auffag ift zur
Würdigung des Kopebuefhen Schriftftcllerharatters
von entfchiedener Wichtigkeit. —
— HE —
ſchaͤdlich werden koͤnnte, machte er nur tiefe
Buͤcklinge. — Beil er nun feine wahrhafte Ueber⸗
zeugung hatte, fondern bloße Meinungen — in⸗
dem es feinem Geiſte an jener Stetigkeit und
Selbftftändigkeit fehlte, woburd man allein zu
feften Grundfägen, als der einzigen Quelle einer
wahren Ueberzeugung gelangt — und weil Meis
nungen etwas fehr. Bewegliches find, das fich
nach. dem Windftriche bald fo, bald anders dreht:
fo ift hieraus wohl .erflärbar, wie es zuging,
daß der Herausgeber. des literarifchen:. Wochen=
blattes nie in eine gründliche Unterfuchung: irgend
eined_Gegenftanded. einging, fondern alles mit eis
nigen oberflächlichen, höchflend nur wigigen —
denn Big war fein Haupttalent — Bemerkungen _
abthat; daß er über alles ſprach und abfprach,
er mochte es verftehen ober nicht, weil er eigenti
lich nichts recht, das heißt, aus dem Grunde
verſtand; daß er feine Gegner nur mit einigen
Vächerlichen Wendungen und Beifpielen befämpfte;
und daß er eben daher fafl immer die Lacher, alſo
auch denjenigen Theil der fogenannten Gebilbeten,
die ‚lieber lachen ald denken, und meinen, eine
—
— 446 —
Jächerlich gemachte Sache fey darum auch eirie
fchledhte, auf feiner Seite hatte. — Das litera-
rifhe Wochenblatt hat während der kurzen Zeit,
(daß v. 8. in ihm feine Stimme abgab,) viel:
leicht einige taufend Schriften angezeigt und beur⸗
theilt — alles in der oben angezeigten: Manier,
die offenbar, naͤchſt der. langweiligen, Die fchlech:
tefte von allen if. Denn fie belehrt nicht, ſon⸗
dern fie blendet; fie bildet nicht, fondern verbil:
det; fie leitet nicht, fondern verleitet — nämlich
zur Geichtheit, zur Halbwifferei, zur Spötterei
felbft iiber das Trefflichſte — mit einem Worte:
fie verdirbt den Geift von Grund aus. Daher
kam auch jene Inkonſequenz, mit welcher v. K. in
ſeinem Wochenblatte die liberalen Ideen bald ver⸗
theidigte, bald bekaͤmpfte, dem Zeitgeiſte bald
huldigte, bald widerſtrebte, wie es augenblickliche
Luſt und Laune eben mit ſich brachte. Zu pruͤ⸗
fen, bedachtſam und gruͤndlich zu pruͤfen, was
es mit jenen Ideen eigentlich fuͤr eine Bewand⸗
niß habe, woher ſie ſtammen, wie weit ſie auf
den gegebenen Zuſtand der Welt anwendbar ſeyn,
ob und in wiefern der Zeitgeiſt gut oder boͤſe ſey,
— 47 —
wie man es anzufangen habe, das Gute, wonach
er firebt, zu verwirklichen, ohne zugleich das Boͤſe,
wonad er vielleicht auch firebt, mit zu verwirk-
lihen, wie man. alfo, ohne dem Guten zu wis
berfiehen, has Boͤſe bekämpfen, und ohne das
Boͤſe zu unterflügen, das Gute zu. befürbern
babe, — das zu unterfuchen, war feine Sache
nicht, weil ed zu mühfam war, weil «3 fo lan⸗
ges, angeflvengtes Nachdenken forderte, weil er
dann in derfelben Zeit, wo er hundert Bücher,
gute und ſchlechte, flüchtig durchblätterte und
eben fo flüchtig anzeigte, um aus jedem: etwas
heraußzuheben, ‚womit er ben Gaumen -einer: vere
woͤhnten Lefewelt Figeln, oder wobei -er feinen
Witz fpielen laflen Eonnte, kaum eines hätte leſen
and beurtheilen koͤnnen.“ —
Dieſer Mittheilung verdient zur . Seite geſtelt
zu werden, was ein Freund Kotzebue's im
Anfange des vierten Bandes des literari—
ſchen Wochenblattes, mit beſonderer Bezie⸗
hung auf daſſelbe und auf ſeinen politiſchen Ob⸗
ſtſurantismus, ſagt: „Kotzebue befand ſich bei der
jetzigen Ordnung der Dinge im Ganzen wohl,
und fühlte babei, daß die Form allein wenig bef-
fere und daß auch das Befte gemißbraucht werben
koͤnne; darum fiel er fiber die wirklichen und ver⸗
meinten Störer der Ruhe (— fie waren ja ohnes
bin auch feine perfönlichen Fiterarffchen Gegner —)
ber. Hierbei beging er zwei: Fehler; einmal,
wenn er ben nichtöfagenden Sag von Lode zum
Grunde legte: daß diejenige Verfaffung die befte
Tey, die am beften verwaltet wird. Er überfah,
daß eine Zorm vor. ber andern viel geeigneter
fey, auf die beffere Verwaltung hinzutreiben, und
dem fo leichten Mißbrauche der Verwaltung kraͤf⸗
tiger entgegen zu wirken. : Zum .anbern ver⸗
mengte-er mit Hobbes die gefesgebenbde und
vollziehende Gewalt. Nicht alle Pflichten, die
jedermann der erflen fchuldig ift, paffen auf .-bie
zweite. Wenn K. fogar ald Verfechter der Monos
kratie aufgetreten tft, fo war-wohl jene Begriffes
vermengung daran Schuld, daß er dem menſch⸗
lien Gefhlehte und feinem ebdelften
Dafeyn, ohne es zu wollen unb zu ahnen,
ben Krieg. erklaͤrte. Diefe Behauptung war
jenem -papiftifchen. Sage ähnlich, daß diejenige
— 449 —
Verwaltung die beſte ſey, die ber Regierungsart
im Himmel am naͤchſten komme, wo auch nur
Ein Monarch herrſchte. Wer ſieht aber nicht,
daß gerade dieſer Satz die beſte Empfehlung fuͤr
gemaͤßigte und aͤcht repraͤſentative Verfaſſung feyt .
denn eben die Gruͤnde, welche fuͤr die heilbrin⸗
gende Nothwendigkeit der goͤttlichen Gewalt bes
weifen, müflen jedem &terblichen bie unums
fchränkte Gewalt aus der Hand winden. — K.
uͤberſah, daß es nicht darauf anlomme, ob die
Verwaltung bei Einem oder bei Vielen ſtehe;
föndern darauf, dag nicht Einer oder Viele, die
nicht das ganze Volk vorftellen, fi jener hoͤch⸗
ften Gewalt bemädhtigen, ber es obliegt, Sichere
heit, Freiheit und Eigenthum der Gefehgebung zu
bewahren. — Gr überfah ferner, daß, wenn wie
und um: Manches fchon jest beffer, als fonft ber
finden, felbft bei mangelhafter Verfaſſung, «8
hauptfächlih der Öffentlihen Meinung zus
zufchreiben, welche als Surrogat eines ſtaats⸗
rechtlichen Verfaffung, fih dberall einen acht⸗
baren Rang erobert hat, bie aber mander'
Regierung das Verdienſt der Freiwilligkeit be⸗
29 |
— « —
ohne vor allen Dingen zu beweiſen, daß fie auch
richtig find; jene brauchen das nicht mehr zu bes
weifen, fonbern: beuten blos auf die Erfahrung,
bie laut für fie fpriht, Das Menfhenge-
fhleht bleibt immer daffelbe; fein fo-
genanntes Fortſchreiten (im.Moralifchen)
ift eine Chimäres iſt fogar wine gottlofe
Einbilbung, denn der Menſch if nicht
auf der Belt, um hier fhon vollfommen
zu werben*. Die Menfchennatut bleibt: im⸗
‚mer diefelbe. Was wor 50 und 500 Jahren bie
Menſchen beglüdte, Tann und wird fie. auch jest
begtäden:: Liebe und Bereqhtigkeit. Dieje⸗
V Diefes Argument iſt ein recht auffallendes Zeugniß,
. wie wenig Kogebue bei feinen wichtigſten Aus⸗
ſpruͤchen im Stande war, eine nur irgend haltbare
Schlußfolge anzugeben: denn, ift moralifche Voll⸗
Lommenheit nicht, wie alles Keingeiftige, in fi un:
begraͤnzt? — Sind die mit geifliger Freiheit begab⸗
ten Erbenbewohner dem Ziele der hoͤchſten Vollendung
ſchon fo nahe, daß es eine Gottloſigkeit At,
- fienoh einen Schritt weiter der Vervollkommnung
..., entgegen zu führen? — Wer kann dem menfdligen
Geſchlechte den ſchoͤnen Beruf vauben , der moralifdyen
Vervollkommnung entgegen zu Areben? - — —
— 53 —
nige Regierung, bie ihren Unterthanen Liebe und
Gerechtigkeit beweif’t, verbreitet auch. ficher das
Süd, die Form fen welche fie wolle, und fo .
alt fie. wolle. — Ep! wer find denn die. Großs
fiegelbewahrer der Ideen der Zeit? Suchen
wir fie im Wehrftande? der gehorcht ‚nur feis
nem Fürften und thut ed gern. Site die Geiſt⸗
lichkeit? die trachtet jekt.nur nach einer Kon⸗
flitution für ſich. Iſt es der Kaufmannsſtand?
der begehrt nur Schuß und Freiheit des. Handels,
gleichviel unter welcher. Form. Sind es bie
Handwerker und die Bauern? die verfichen
nicht einmal, was die Ideen der Zeit eigentlich
wollen, und — wenn fie nur Liebe und. Gere:
tigkeit nicht vermiffen — fo kuͤmmern fie fi auch,
weiter nicht Darum. Wer ift denn num noch übrig?
ber Stand der Gelehrten, der. Schriftfieller.
Diefer Stand theilt fich jedoch in zwei fehr un⸗
gleiche Hälften. Die bei weiten größere. «Hälfte
befteht aus Staatsbeamten, die, Längft durch Er:
fahrung belehrt, dad erprobte Alte auch nicht
verwerfen. Folglich müffen wir endlich bei der
kleinen Zahl derjenigen. Schriftfleller ſtehen bleiben,
— 454 —
die man die Kometen in der Staatsordnung
nennen koͤnnte; die alle Planetenbahnen durchkreu⸗
zen und bie Sonne nicht fonderlich zu reſpektiren
ſcheinen; die meiſtens einen verzweifelt kleinen
Kern haben, aber einen gewaltigen loderen
Schweif, durch den fie Abergläubige in Schrer
den ſetzen; deren Bahn endlich eben fo ſchwer
zu berechnen ift, als die Kometenbahnen, weil
fie immer ercentrifch umherſchweifen. Gefest nun, :
daß fo ein Komet fprähe zu der Sonne: Ihre
Majeftätihaben lange genug autofratifch. regiert.
Ich bringe Ihnen die Ideen der Zeit, Sie:
müffen Ihre Planeten nicht mehr fo regelmäßig
am fi herum laufen laſſen. Das iſt zwar bis
jeßt reiht gut gegangen, aber mım iſt es alt, und
die Ideen der Zeit. verlangen etwas Neues. —
Ein fader Scherz! werben unfere Gegner ausrufen;
aber ed Liegt wahrlich viel Wahrheit in dem
Scherze. Wir koͤnnen ein halbes ober ganzes
Dutzend Schriftfteler durchaus nicht für bie alleis
nigen Inhaber ber Ideen der Zeit gelten lafjen.
Es find ihre Ideen und nichts weiter. — Wenn
nur die Regierungen, wie bisher, fich gar nicht
— 45. —
um das Geſchrei bekuͤmmern. Dieſes Geſchrei ..
wir prophezeihen es mit voͤlliger Gewißheit —
wird erſt dann recht angehn, wenn die Konſtitu⸗
tionen in Deutſchland gegeben ſeyn werden; denn
dann wird ed wieder heißen: . fie taugen nichts!
fie hätten fo, oder fo feyn follen. Wäre es mög:
lich eine Konftitution zu erfinden, die alle bie
fogenannten Ideen der Seit realifixte, fo wäre
das ein Donnerfchlag für die Herren Kometen;
denn wenn fie fchweigen müßten, wovon ſoll⸗
ten fie leben? — Wenn es erlaubt ift, Großes.
mit Kleinem zu vergleichen, fo möchten wir in.
diefer Zeit fämmtliche Regierungen, ben Theaters
direftionen ähnlich finden, die es auch niemanden
recht machen koͤnnen. Sie mögen die Rollen
vertheilen, wie fie wollen, immer werden die,
meiften Schaufpieler unzufrieden feyn, und jeder,
wird glauben, ihm gebühre eine befiere Rolle,
und ein paar Recenfenten werben fortfchreien:
das iſt nicht recht, und jenes iſt nicht recht!
hört auf und! wir find die Stimme des Publis
kums! — das eigentliche Publitum aber wird
ganz ſtill figen und ftiN genießen, und wenn ihm
wuch Hier und ba etwas nicht. behagt, fo wird es
fich befcheiden, baß nichts auf ner Welt vollkom⸗
men ift, und wird dem Direftor Dank willen;
fir: das, was nach Kräften geleiftet. wird. So
muß denn auch jeber wadere Fürft und Minifter,
gleich einem folcyen Direktor, ohne -Anfehn dee
.Yerſon die- Staatsrolen vertheiten, ſo viel: im
feinen Kräften ſteht, dafuͤr forgen, daß ſie gut
gefpielt werden, auf dad Geſchrei der Recenſenten
gefaßt feyn und an dem. flillen Beifalle des bei
weitem größern Publikums, vorzüglich. aber am
feinem Bewußtfeyn ſich guügen laſſen.“ — (Liter,
Wochenblatt Band 4. Seite 212 und 243.)
Wbvollte man fich- die Mühe nehmen, den In-
halt diefer- Zeilen ausführlich zu analificen, ‚um
alle fophiftifche Verdrehungen, Unrichtigkeiten, den
wahren Standpunkt ber Nationalforderungen mit:
gefliſſentlichem Muthwillen verrüdende Taſchen⸗
ſpielerkuͤnſte, um alle boshafte Anſpielungen, alle
Bravokuͤnſte blendenden Witzes in ein langes Suͤn⸗
denregiſter neben einander zu ſtellen, der Leſer
würde daran fruͤher genug haben, che man damit
zu Ende waͤre. Das meiſte hierher gehoͤrige iſt
Ur Pe
ſo klar In bie Augen fpringend, daß !es "fick: jr⸗
bem, die angeführten Worte mit einiger Aufmerk⸗
famfeit Ermägenden ohne große Muͤhwaltung
son felbft darbietet. Auch bürfte die eine Probe
der Kotzebueſchen Staatstunft und Würdigung
des Beitalterd fo vollkommen genügend ſeyn, daß
in biefer Hinſicht zur Charakterifirmg feines Stres.
bens nichts weiter beigebracht zu werben. braucht
wie denn auch eine Kritik feiner Kritilen‘ gewiß
gern gefchentt wird, da der Neugierige ben Bei
weiſen ded Kreugfchen Urtheils in jedem Stud
bed. literariſchen Wochenblattes, fo lange feine
Feder darin Wind machte, ungefucht begegnet. - -
Zwei ragen bürfen dagegen in der vebens⸗
geſchichte Kotzebue's nicht afaer werben: mit
unbeantwortet bleiben: - Ä
4 Wodurch iſt bie tedte deechheit zu ertlaren,
mit der v. Kotz ebue die heiligſten, durch unend⸗
liche Opfer erkauften Wuͤnſche und Hoffnungen
ber: dentſchen Völker hoͤhnt? Steht dieſer Frevel
nicht in offenbarem Widerſpruche mit der vorhin
gegebenen Behauptung: v. K. habe feine Meinun⸗
gen. nur: dann ausgeſprochen, wenn er nichts
zu-beforgen, wenn für ihn keine ſchaͤdlichen Fol⸗
gen davon zu fürchten flanden? — Sn der That-
kannte v. K. den Gegner gar nicht, den er den:
Fehdehandſchuh zumarf und wollte ihn nicht ken⸗
am lernen. Daß eine heilige: Sehnfucht nach
einem verbefferten bürgerlichen Zuſtande unter den:
Deutfchen erwacht fey, daß der Eräftige Wille:
nad) einer .Verbeiferung des Staatsregiments in
Haupt und Gliedern nicht mehr fich befehwichtigen:
laſſe, durch.veriährte Autoritäten, daß die Schrift
Beller, denen er alles Böfe des Zeitgeiftes anfchuls
digt, ohne das. Herrliche defjelben, und auch ihr‘
Verdienſt anzuerkennen; daß dieſe nicht die egoi⸗
ſtiſchen Urheber jenes Staats⸗Reformations⸗-Ver⸗
langens, ſondern die redlichen Sachwalter deſſel⸗
ben — hiergegen verſchloß er gefliſſentlich die
Augen. Alle Ereigniſſe des Zeitgeiſtes, die ge⸗
rade jetzt bei den Deutſchen dadurch eine hoͤhere
Gediegenheit bekommen, daß ſie die Fruͤchte ſind
einer tugendlichen Vaterlandsliebe, waren ihm ein
Graͤuel, befien Stammwurzel er alfo bezeichnet: -
‚Der deutſche Patriotismus ifl ein armer Wicht,
der fi) gar zu gern Sreibillet3” ausbittet, wenn.
— 40 —
er ins Schauſpiel gehen will; ein fleißiger Leſer,
der ſich aber nur fuͤr Leſebibliotheken abonnirt,
und nie ſelbſt Buͤcher kauft; er gleicht jenem drol⸗
ligen Menfchen, der auf eine Sache, die er bes:
hauptete, wohl fehwören, aber nicht wetten wolls.
— Bill man dem Öffentlichen Gerüchte trauen? .
es ift eine Wolfe, die freilich jedermann. ſieht,
die aber alle Augenblide ihre. Geſtalt verändert,
und aus der man unmöglich errathen Tann, ob.
die Spike des Berges, ben fie verhült, Zedern
trägt, oder in Schnee vergraben iſt!“ ——.
Je weniger er nun hiernach den Zeitgeifl. ers-
fennen wollte, um fo weniger konnte ex fich es
auch geftehn, daß er gar arge Schuld. auf ſich
lade und ſich im fchlechten Gewerbe nuglos noths
wendiger Gefahr ausſetze. Dagegen war es ihm
fehr einleuchtend und ar, wo ber böfe Geift,
dem er fich verfchrieben, feine irdifche Heimath
aufgefchlagen, von woher feine Autorfchaft Rüdz,
halt zu erwarten habe, und flilen Beifall, ber.
ihm im Sreudentaumel fo. verführerifch ſchmeichel⸗
te, dag er forthin den Wald uͤberſah vor. lautes:
| Bäumen. | | Er
— 4600 —
2. War denn aber wirklich der Beifall fo ent⸗
ſchieden, der Schaden, welchen feine politiſchen
Tafchenfpielerfünfte anrichteten, fo groß, daß da=
durch der Kotzebue treffende Nationalhaß gerecht=
fertigt wird? — Wenn man nad dem Erfolge
feiner Handlungsweife die Strafbarkeit beflimmen .
wollte, fo laſtet auf: ihn unbezweifelt eine fchwere
Berantwortlichkeit. Wie unlauter auch Seine Zwecke
feyn mochten, man Tann immer die Behauptung:
feiner Freunde gelten laſſen, daß er ben Erfolg
feines verderblichen Schriftftellerbetriebes. zu uͤber⸗
fehen nicht fähig war; aber der Schaben, ben er
anridjtete in unferm lieben beutfchen Baterlande, .
darf nicht Überfehen werben. — Kogebue hatte
. das entfchiedene Talent der unterhaltenden Dar:
ftellung; er hatte durch eine gar thätige Autors
fchaft dafür geforgt, fein Publikum feſtzuhalten
und zu vergrößern. Der Theil der Lefewelt,
er ift immer der auögebreitetfie, der nur unters’
halten feyn will, ohne mit der Mühmwaltung bes
Denkens beläftigt, ber einige Notiken von ben
neueften Früchten ber Literatur, von den eben:
gangbaren Ideen bes Zeitgeiftes verlangt, ohne
durch wiffenfchaftliches Eindringen in beide ermuͤ⸗
bet zu. werben, fand feine Rechnung being literas
rischen Wochenblatte. An diefer Duelle verfam-
melten ſich beſonders Lefer aus den höheren Stän-
ben, und fanden an Kogebue’3 Anfichten fchon
deshalb großen Gefallen, da bie ihnen fo werthen
Vorurtheile in Schug genommen wurden. Waren
fie auch zuweilen geihent genug, das Unhaltbare
is dem Kobebue’fchen Anftreben gegen den Zeitgeift
nicht zu verkennen, fo war ihnen boch feine Lüge
lieber, als die bittere Wahrheit anderer Schrift:
Heller; ja legtere uͤberſah man, um ſich den Aer⸗
ger wiberwärtiger Zeugniffe zu erfparen und: bes
gnuͤgte ſich an ben Relationen des literariſchen
Wochenblattes. — So kam es, daß Kotzebue
eine der edelſten Bemuͤhungen der mit weiſer
Ueberlegung ſich dem Vaterlande widmenden po⸗
litiſchen Schriftſteller hemmte; naͤmlich die: als
Organ der Nationalſtimmung und des
Zeitgeiſtes ein unmittelbares Band zwi⸗
ſichen dem Volke ſelbſt und deren Regenz:
ten, die durch die Klauſur ber Miniſte—
sien und bes Dfficiantenbeeres, jenem.
— 42 —
entfremdet find, wieder herzuftellen, und
fo den.allgemeinen Bunfch der Volksre⸗
präfentation zu vermitteln, einzuleiten
und zu befriedigen auf die trefflidfle
Meife Ale Vorurtheile, alle Mißbräuche ver
Verfaſſung, durch welche Pinifter und Berwals
tungsbehörben fo großen Spielraum, foger Un⸗
verantwortlichkeit erlangen, die tröftliche. Verſiche⸗
rung, daß ed mit dem Volkswillen nichts und
mit der Schriftflellerfliimme eine Thorheit fey,
der willfommene Rath, daß man nur recht feſt
‚bei dem alten Unwefen beharren müfle, um den
Sieg über ben Zeitgeift davon zu tragen, alle
Sehlgriffe der Kegenten und der von ihnen bes
ftellten Machthaber fanden ihre Vertheibigung in
der jämmerlichen Sophiftit Kogebue’s, fo wie
jede freimüthige Idee aus der Nation, über ben
Staat und feine Gewaltigen dort feinen Ber:
laͤumder, feltener feinen Anklaͤger. So wurde
die unglüdlihe Taͤuſchung, wie es jener
Freund Kotzebue's warnend in den angezogenen
. Worten nennt, daß der allgemeine, dringende
National = Wunſch zur Staatöreform an Haupt
7145 —
und Gliedern nicht, wie eine Sonne die Welt
erleuchtet, fondern wie. ein Irrlicht einige Wenige
in das Verderben lot, ein auf Kotzebue's Autes
ritaͤt von vielen Regierungen angenommenes Prin:
. zip, deſſen unglüdliche Folgen der Strafe der
rächenden Nemefis nicht. entgehen werden. —.: '
Wie nun ein Schriftfteller, der auf Kotzebueis
Weiſe, zu ſo ſchlechten Umtrieben ſeine Feder
darbietet, gegen Gedanken⸗ und Preßfreiheit, ge⸗
gen bie Begruͤndung des ‚währen bürgerlichen
Gluͤckes, und des fchönften Fürftenruhmes, zum .
SFluche feines Zeitalterd, um fo mehr Gefallen.
findet bei ſchlechten Regenten und -elenden Minis
flern, je mehr Spektakel und Gewirre er verurs
facht, jemehr Lefer, Widerleger oder Nachbeter et
findet; um fo verächtlicher und verhaßter muß
ein folcher Schriftfteller einem in liberalen ‚Ideen
ſein großes Tagewerk leitenden Regenten, einem
wahrhaft erleuchteten Minifterio ſeyn. Daher
kam es denn, daß v. K. bei dem ‚Hofe zu Wei⸗
mar, wo er gern fich zeigen mochte, ‘fo wenig
wohlgelitten feyn konnte, ald er es bort in aye
Ren Zirkeln war, Da er bie geachtetſten Lehren
— 44 —
der Akademie zu Jena, die beſten Koͤpfe zu Wei⸗
mar, mit beſtaͤndigem Hohngelaͤchter ſo neckte,
angriff, ſchmaͤhte, wie er den Stolz jener Stadt
und jenes Hofes, den Ruhm Deutſchlands und
ſeines Zeitalters, wie er Goͤthe ſein ganzes Le⸗
ben hindurch mit Gaſſenbuben⸗Muthwillen ver»
fölgte, — da fich fo immer eine ‚ärgerliche Ge⸗
ſchichte an die andere reihte, ſo entſtanden hieraus
felbft für den, von Eigenduͤnkel verblendeten
v. K. Mißverhältniffe, denen ex durch eine Ent⸗
fernung aus Weimar aus dem Wege zu geben
beſchloß. Er bereif’te im Sommer 1818 dab
nördliche Deutſchland (Halberftabt, Braunfchweig,
Hannover, Bremen u. ſ. f.), vorzüglich um ſich zu
zerfireuen und zu erholen, denn die unaufhoͤrlichen
Zänkereien blieben fuͤr ihn nicht ohne Aerger, dee _
Aerger nicht ohne nachipeiligen Einfluß auf feine
Gefundpeit. —
Kotzebue ſelbſt hatte fich das reigende Kot,
weldjes er recht forglich ſich Hätte bewahren fols
fen, verleidet; der unheimliche Geift, welcher ihn
immer unftät umbertrieb, erlaubte ihm nicht MAn⸗
ger in Weimar zu. verweilen. Er ſuchteam eine
— 46 —
Stelle zu Reval, dann wieder um die eines
General⸗Konſuls zu Leipzig (2) nach; er erhielt
keine von beiben, wohl aber Die Erlaubniß, unter
Belaſſung feines. ſehr bedeutenden Gehaltes nach
Eſthland zutuckzukehren, um dort in Muße ſei⸗
nen literariſchen Arbeiten zu. leben, indem ihm
gzugleich für. hie Verſorgung feiner Kinder kaiſer⸗
Hiche Zuſicherungen gemacht, warden. Diefe neue
wusgezeichnete. Verguͤnſtigung des Schidfals, durch
die er mit einem Male. aus ejner fich felbft ges
ächaffenen, unangenehmen Lage gezogen: wurbe,
wußten ihm. indeß. feine Feinde zu verleiden, ine
dem fie. unwahr .. verbreiteten, daß er als Folge
feines. ſchlechten literariſchen Umtriebes nach Ruß⸗
land zuruͤckzukehren, den Befehl erhalten habe.
Man motivirte dieſes aus dem Umſtande, daß
v. K. die beruͤchtigte Schrift Stourdza's, bie
das rechte Waſſer auf feine Mühle gab, als of⸗
ficiell, unter Autorität bed Ruffifchen-Kaifers vers
fertigt, dezeichnet hatte, was fie bush nicht ſeyn
follte und welche. voreilige Behauptung im Rufe
n Kabinettex allerdings Unzuſtiebenheit vers
enlafien konnte. Da bie Zuruͤckberufung felbft
IE E 2 Faser .
unter fo guͤnſtigen Verheißungen erfolgte, - mag
es auch dahin geſtellt bleiben, ob das: Gefuc uns
diefelbe, au8 eigener Bewegung, oder im Berfolg
erhaltener Winke, von Kogebuie; eingereicht
wurde; entfchieden iſt, daß. er. ben. Worſatz faßte,
erft im Jahre 1820.nad Rußland zurädzugehn,
„um ſich vorher (nach, den Worten feines. oft
erwaͤhnten Freundes, im Anfange: des : vierten
Bandes des Lit. Wochenblattes,) . zur beſſeren
Beförderung feiner Literarifchen Arbeiten, die Be⸗
freiung von der Bifitation ber eingehenden Schrifz
ten audzuwirken, durch welche ihr Empfang ge=
wöhnlich lange aufgehalten wird.” — Wenn man
der UnwahrfcheinlichPeit ohngeachtet. diefe in. der
That fonderbare Angabe als wahr ‚gelten laͤßt,
(denn eine ſolche Befreiung Tonnte. er unbezwei⸗
felt, wenn er ſich in Rußland aufhielt, Leichter
und beffer betreiben, aldö wenn er von dem Orte
der Entfcheidung feiner Bitte mehrere hundert
Meilen entfernt war,) fo dient fie nicht zu fons
derlicher Empfehlung der. von Kogebue immer
hocherhobenen Freiſinnigkeit der Ruſſiſchen Staats⸗
behoͤrden, indem die durch beſchwerliche und zeit⸗
raubende Vifitationen erwachſende Schwierigkeit
— 467 —
aus dem Auslande Buͤcher zu beziehen, wohl in
keinem europaͤiſchen Reiche ſo ſchmerzlich von
den Literaturfreunden empfunden werden muß,
als in dem, in welchen v. Kogebue hiernaͤchſt
wieder feine Tage zu verleben gedachte. —
Vor dem Sahresfchluffe 1818 ging er über
Frankfurt nah Mannheim, wo er an der Seite
feiner Gattin, umgeben von feinen Kindern, (mit
Ausſchluß der erwachfenen Söhne; dreizehn Kin-
ber überlebten ihn) ſich haͤuslich nieberließ; im
gewohnter Gefchäftigkeit fchien .er feine Tage heis
ter. und zufrieden: zu verleben, wie diefes immer
dann der Fall war, wenn er einen neuen Wohn⸗
ort fich gewählt und in feinen Umgebungen noch
feine unangenehmen Berührungen auf fich gezogen
hatte. Bon hieraus leitete er fortwährend. fein.
fiternrifches Wochenblatt, in welchem er ſchon
mit dem Beginn des zweiten Bandes nicht mehr
allein die Stimme führte, gern einlenfenden und
vermittelnden Auffägen eine Stelle gab, und ſich
ferbft mehr mit den Erfcheinungen ‚der. Literatur,
als mit politifchen Gegenftänben befchäftigte. Im
ber genauen Beobachtung ber auf. forgfältigem:.
.
— 46 —
Haushalt mit der Zeit berechneten Lebensweiſe,
in ſeiner ununterbrochenen Thaͤtigkeit am Schreib⸗
tiſche, von fruͤh Morgens bis zu den Mittags⸗
ſtunden, in der ungeſchwaͤchten Kraft ſeines Ge=
daͤchtniſſes und Witzes, in der regen Empfaͤng⸗
lichkeit fuͤr alle Freuden des geſelligen Lebens zeig⸗
ten ſich bei ihm eine treffliche koͤrperliche Orga⸗
niſation, bie, ohngeachtet voruͤbergehender Unpaͤß⸗
lichkeiten, noch keine bleibende Hinweiſungen auf
das nahe Greiſenalter dem ruͤſtigen Manne vor
die Augen ſtellten. Zwar klagte er neuerlich ge⸗
gen Vertraute zuweilen, daß die Abnahme der
Imagination ihm dankbaren Stoff zu bramatifchen
Arbeiten zu verfagen anfange; doch lag hierin
ver Grund vielleicht mehr in. der Art, wie er
eine Reihe von Jahren hindurch ſeine Talente
fuͤr die dramatiſche Dichtkunſt verſchwendet hatte,
als in der Verminderung ſeiner geiſtigen Regſam⸗
keit. — Naͤhere Beobachter wollen an ihm gegen
das Ende des Maͤrzes hin zuweilen eine wehmuͤ⸗
thige Stimmung bemerkt haben, wie man auch
erzaͤhlt, daß er um dieſe Zeit, bei Erblickung ſei⸗
nes jüuͤngſten, kaum die erſten Laute lallenden
Sohnes ſich 'ſoll erinnert haben, wie ex ſelbſt
nicht älter war, als ihm der Tod feinen Vater
hinwegnahm. — .
So erfhien der verhängnißvolle Tag, ber
2Bſte März des Jahres 1849, wo eine wunder:
bare Geftait ihm gegenübertrat. — |
Karl Friedrich Sand, 24 Jahre alt, der
Sohn trefflicher Aeltern (fein Vater ift geheimer
Suftizeath zu Wunfiedel.bei Bayreuth, im Obers
Main = Kreife) der Bruder hoffnungsvoller. Ge:
ſchwiſter; er, einer der erſten, welche ben Fahnen
der Freiwilligen im Sreiheitöfriege zueilten, und
da Achtung und Liebe ſich erworben; bei feiner
Heimkehr mit gleichem Eifer fich der gelehrten
Ausbildung widmenb, und das mit feltener Treue,
Liebe und ausgezeichnetem Erfolge, ein Muſter
der Sittlichkeit und Sittenreinheit, ein frommer
Sohn, herzlicher Bruder umd.. treuer Freund,
durchdrungen von einer heiligen Liebe zum Va⸗
terlande; babei reich begabt von der Natur mit
der einnehmendſten, befcheidenen, aber Eräftigen
Geſtalt, fo gefchäst von feinen Lehrern, wie von
Allen, die ihn kennen. —
Sand war ausgezogen mit eines hoben Be
geifterung für Religion. und Vaterland, fuͤr Ehre
— AO —
and Tugend in den. Krieg (1815); dann gen Er⸗
langen und fpäter nach Jena, ‘um auf beiden
Univerfitäten feine wiffenfchaftliche Bildung für
Den geiftlichen Stand fortzufeßen. Ihn traf 1817.
ein Schlag, deffen heftige Erſchuͤtterung fein gan«
zes Dafeym zu vernichten drohte: fein Stubens
genoſſe ertrank vor feinen Augen beim ‚Baden,
ohne daß er ihn retten, oder mit ihm fterben
tonnte. - Die Feier des Wartburgsfeſtes, dag
fchöne, freie Leben der Studenten auf bem ge
weihten Mufenfige‘ zu Jena und der Ernft wifs
fenfchaftlicher Anftrengungen . richteten ihn wieder
auf. Er zeichnete fich aus durch Fleiß, Genüg-
famfeit, Sittlichkeit, durch raftlofe Thaͤtigkeit
und ein fich felbft völlig verleugnendes Hingeben,
wenn es darauf ankam Edles zu wirken. Vor⸗
züglich war fein Geift befchäftigt mit der Vers
herrlihung der deutfchen Nation, die.er auf mos
raliſche Befferung begründet wiſſen wollte.
Mie viel bei dicfem Ziele der. beutfchen Jugend,
als der Pflangfchule Fünftiger Kraft, Würde und
Größe — oblag, konnte ihm nicht entgehen; hieran
Intpfte er feine Plane. für das deutſche Bur⸗—
ſchenweſen, welches ſeine ganze Seele erfüllte...
Die deutfchen Hochſchulen ſollten, nach ſeinem
Sinne, die Pflegemütter deutfcher Männlichkeit
und Zreue werden; von ihnen. die Tugend aus⸗
gehn, um ſich über die Nation zu verbreiten.
Der Geiſt der Einzelnheit follte vertilgt werben
und an beffen Stelle ein Gefammtverein treten,
zu fittliher und wiffenfchaftlicher Ausbildung, zur.
Treue für das Vaterland, Tapferkeit, Fleiß, Mär
Bigung und Keufchheit. — Bei foldiem hoben
Streben trat der Glaube an eine überfinnliche
Welt, und das lebendigfte religiöfe Gefühl im⸗
mer auf die rührendfle: Weife bei ihm hervor und’
zeigte ein Gemüth, welches das. Ehriftenthum,
ahne refleftirende Berflanpbemühungen, als eine
unmittelbare. göttliche Offenbarung in fich aufges
nommen bat, ohne Schwaͤrmerei oder froͤmmeln⸗
ven. Stolz; ‘er zeigte in allen: Verhaͤltniſſen ein:
frommes, reines, nüchternes, tugendliches Herz.
Im Sahre 1818 reifte Sand von Jena aus
viel umher in dem lieben deutfchen Vaterlande,
(auch in Berlin war er ganzer vier Wochen bins
durch; er warb dort gaflfrei aufgenommen von:
einem Kriegögefährten, der als wirklicher Haupt:
mann’ bei ber Königlichen Garde fiehmd; bald
nach Kotzebue's Tode als. aggteirter Haupt⸗
mann, -außerhalb Deutfchlanb:, nath Poſen vers
fest wurde —) um defien Einwohner Eennen zu
Iernen, : mit Enmpfehlungäbriefen von feinen. alas
demifchen Lehrern an bie ebelften Männer und
Gelehrten Deutfchlands. Wo er hinkam, trug er
die beften Empfehlungen im feiner Perfon mit ſich,
uͤberall fuchte er in Kunſt und. Wiffenfchaft den
Geift zu ſtaͤrken, aber er traf mehr auf jammernbe
Zeugen des gefahrvollen Kampfes zwiſchen Licht
and Finſterniß, zwifchen Tugend und Lafter, Frei⸗
heit und Sklavenfeſſel, als: auf muthvoll rebliche
Arbeiter ins’ Weingarten‘ des Herrn; und wenn
er — edle Herzen willen fich fo Leicht zu finden,
lernen ſich fo bald verfiehen, — wenn er mit
den einfichtsvofften Männern über die großen:
Angelegenheiten ünferer Zage, über Volksgluͤck
Nationalehre, Geiſtesfreiheit, Religionswärbe,
Fürftenheil u. f. f. vertraut fprach, fo hörte er
an allen Orten und in allen Gegenden, immer-
nur einen Namen wieberholen, :: deffen Autorität,
der Schild und die Waffe der Schlachten, wie.
eine Zauberformel des Wäfen ausgeſprochen wurs
De — es wo ber Name: Kotzebuch Alſo kehrte
er beirhbt zuruͤck zu feinem .Iteben Jenn, zu dem
Hörfälen feiner Lehrer und zu den im heiligen
Gebiete der Biffenfchaft, noch von feinem Zwange
beftimmter Lebensverhaͤltniſſe gefefleiten, in kei⸗
nem Aufficeben bes Geiſtes gehemmten, jugend»
froben Freunden. Gegen diefe wurbe er immer
inniger, zarter, Timblicher, im Aeußeren erfchien
ex den ferner Stehenden faſt ſchwermuͤthig und
verfchloffen. — Er verläßt den Item März gang
im. Stillen feinen akademiſchen Wohnort: Er
wandert-über Würzburg nach Mannheim. - Hier
tritt er frobed Anfehns in einem Gaſthofe ab,
wo er fih nah von Kobebues Wohnung und
nad) der eines ihm von Erlangen aus bekannten
Prediger erkundigt. Zweimal "meldet er ſich in
erfierer den 23ften Vormittags; er wurde beibe
Mole abgewiefen, weil.v. K. des Morgens fi
in feinen Arbeiten ‚nicht: unterbrechen ließ, und
gegen 12 Uhr Mittags ausgegangen war. Der
junge Dann. tehrt zur Wirthstafel zurüd, wo.
er unbefangen unb lebenbig an der Unterhaltung
ber Zifchgefellfchaft Theil nimmt; auch von Kos
hebue wird geredet, manches Nachtheilige über
ihn gejagt, hierzu ſchweigt er; von einem: ihm
N)
nach der Lanbesfitte hingeſtellten Schoppen Wein
genicht er nur wenig; doch den Gemuß der Speife
verſchmaͤht er nicht; mit einem dort getroffenen
Landgeiſtlichen ſpricht er vieles, bis die Zeit her⸗
anruͤckt, auf welche er von dem Bedienten, um
Kotebue zu ſprechen, beſchieden iſt. —
Kotzebue hatte den Tag auf gewoͤhnliche
Reife verlebt. Nachmittags um 5 Uhr, als feine
Zamilie fo eben Beſuch von einer Dame erhielt,
‘warb er. abgerufen. ein junger Fremdling wintfehte
ihn zu ſprechen. Er geht: in das Zimmer, wo
ihn dieſer erwarte. Nach wenigen Augenblitken
durchdringt ein Gefchrei dad Haus, man ſtuͤrzt
berbei, die Bedienten finden ihren Herrn auf
dem Boden im .Blute liegend. - Noch ringt- er
mit dem Sremblinge, welcher mit dem in fefler
Hand haltenden blutigen Dolche ihm Herz und
Lunge, durchbohrt hat. Umgeben von feiner jam⸗
mernden. Familie fchließt von Kobebue nach: we=
nigen, Minuten für immer die Augen. Indeß der
Ruf nad einem Wundarzte fchon ben Worüber:
gehenden von. ber fchredlihen That Kunde giebt;
rafft ſich der Juͤngling, der. fie vollfuͤhrte, auf,
bie Treppe hinab, erreicht die Straße, ſinkt auf
feine Knie, ruft mit lauter volltönenber Stimme:
„Der Berraͤther ift gefallen, das Vaterland ges
rettet! — Sch bin der Mörder; aber fo muͤſſen
alle Verräther fterben. — Dir, himmlifcher Va⸗
ter Dante ih, daß Du mirbie That haft vollbrin⸗
gen laſſen!“ —
»Dann reißt er bie Kleider auf, wenbet den
Dolch gegen bie eigene Bruſt und verwundet fich
tiefe. Don ber herbeiftrömenden Menge wird ev
halbentfeelt in dad Bürgerhofpital gebracht, wo
er unter Ärztlicher Pflege und gerichtlicher. Un:
terfuchung den Ausfpruch feiner irbifchen- Ser
erwartef, mit feinem Leben für ſich im Denen —
ohne alle Reue der That! —
Sand ift dieſer Juͤngling, ber die free:
lihe Schuld des Meuchelmordes auf fih lud und
auf das geliebte Vaterland. Welch eine uner⸗
gründliche Verkettung des Menſchen umd der’
Zhat! — Welch ein fchwerer Beruf hier richten
zu müffen, als berufene Richter! — Aber bie‘
unberufenen mögen ſchweigen; ſchweigen auch die
unberufenen Vertheidiger. Es iſt gleich verbres
herifh, Sand anzuklagen, ihn-entfchuldigen zu
wollen; jenes thut die begangene That hare
genug; “ <hiefes‘ am laser ſen reines te
ben.
Kotzebu es Leiche ward aus dem Zreuerhauſe
zu welchem das Mannheimer Theater gemacht war,
den 25ſten März, Morgens 6 Uhr, um Fein Aufs
fehn zu erregen, in aller Stille, nur von wenigen
Zreunden ber Familie begleitet. beigeſetzt. Dort
ruht nun in-enger, duͤſterer Wohnung bie Afche
bed Mannes, der hienieden ſo raſtlos fich umher⸗
trieb und bie Fahrt durch ein ſtuͤrmiſches Lebens⸗
meer, von manchen Strgeftalten verlodt, mit eis
‚ „em Schiffbrude endete. Wenn die Stimme ber
Wahrheit über. fein öffentliches Leben ein hartes
Zobtenurtheil ausfpricht, fo. mag ed ben Schatz
ten verföhnen, bag Mutter, Battin, Kinder und
Freunde die Thränen ber Liebe ſeinem Andenken
widmen. -
Nach ben ewigen Geſetzen der moraliſchen Welt
ſteht kein Leben und keine Handlung iſolirt da;
fondern jede iſt das Glied einer unabſehbaren
Kette, der Keim fi) ewig fortpflanzender Bege⸗
benheiten. Was mit. edlem Sinne 'gefäet. ward,
bringt früh aber fpdt fchöne Früchte; aber das
Unkraut wuchert fort zu neuem Schaden. — So
wollte ed das Berhängniß, wider den Willen bes,
der gegen Kobebue den Dolch züdte, daß fein
Tod zunächfk bee deutfchen: Nation: nicht gebeihs
lich wurde, fondern er warb für den’ Augenbli®
faft noch ſchaͤdlicher, als fein Leben geweſen war.—
Wie Kogebue bei-feinen Umtrieben gerade in dem
Lande feiner Geburt, an ber Stelle, wo feine
Wiege ſtand, in den Hallen,. wo er Weisheit
fernen follte, oft Unfrieden geftiftet,. oft wider⸗
wärtige Störung wedte, fo geſchah dieſes nad)
nad) feinem Tode, in -verboppeltem Grabe, ins
dem fogar die Hochſchule, deren Mitbürger. er
einft wor, feines Schickſals halber verantwortlich
gemacht, von auswaͤrtigen Minifterien verun⸗
glimpft, ohne Klage und Gericht verdammt wurde.
Es follte dort durchaus eine "ganze Motte von
Meuchelmördern und Meudyelmord Predigenden
entdeckt werben, bie unvernünftigfien Gerüchte von
einer Burſchenſchaft, in der Sand durchs 2008
beitimmt fey, Kogebue’n bei Seite zu fchaffen,
von: einem fchriftlich ausgefertigten Todesurtheile,
welches Sand, wie ein Beglaubigungsbofument
ober wie einen Komebienzettel, in der Zafche bei
ſich geführt Habe,.. wurden durch bie Zeitungen
— 478 —
verbreitet; doch das Unfinnige kann nie bewiefer,
die Lüge konnte nicht‘ einmal wahrfcheinlich 'gei
macht werben: Man fuchte fih durch Gewalt⸗
ftreiche, die Der deutfchen Namen eben fo entchz
ven, wie. der Meuchelmord, aus der Verlegenheif
zu zichen, man glaubt ſich der-Verpflihtung zu
einem foͤrmlichen Urtheil, mit dem die Unterſu⸗
chungen hätten geſchloſſen werben follen,. entbuns
ben, ‚weil der Burfchenfchaft die Ehre gefchehen,
ihr den Ausſpruch des Zodesurtheild- über Kotze⸗
bue anzubichten. — Und wäre .felbft Sands Uns
that hervorgegangen aus einem, göttliche und
menfchliche Geſetze mit Fuͤßen tretenden Stuben
tenbunde, fo waren ja diefe Verbrecher und Mits
fehuldige nicht die. Univerfität, an der. man
Rache nahm, ohme,. wie es rechtlichen Männer
| geziemte, das entdeckte Verbrechen zu firenger
Beftrafung. bem weifen Landesvater anzuzeigen. —
Welchen Anſpruch Tann der darauf machen, im
Dienfte der Zugend, am. Altare des, Vaterlandes
zu flehn, der nicht Des Rechtes erſte Forderung,
ber Menfchen = und Chriftenpflicht beitigfie 8
Gebot füllt? —
Als ob man gefliſſentlich Mittel geſacht hatte, .
um freifinnige, ‚aber im Feuer der Tugend leicht
das Maas Überfchreitende Ihnglinge zu Verbre⸗
chen anzureizen,- brachte man bie Todten⸗
feier Kotzebue's eiligſt auf die Bühnen, fein
Lob, recht nach den Worten, mit: welchen dieſe
Lebenöbefchreibung (Seite 3) beginnt, in alle
Zagesblätter. Ja man triumphirte laut, wenn
hier Unvorfichtige eingefangen, dort, unter Obhut
der. Polizeifchaaren das audgefonnene Stůdehen
wohl von Statten gegangen war. —
Von Kotzebue ſchrieb:
„D ſelig, wer —
— Jedem Lichtſtrahl bee Sernunft
Den Zugang feſt verrammelt, —
„„Ein guter Menſch,““ Tpricht Sedermann,
Das heißt: er ift zum Schoͤpe gebovn,
Zieht eine Loͤwenhaut ihn an,
Doch feht ihr wadeln lange Ohren.
‚Ein guter Menſch, ein ehrlich Blut,
Der nichts des Hängens würdig that, — —
—. Spricht ber Kluge nur ein Wort:
Er ift gefährlich 1. fchafft ihn fort! —
erfolgter ift der Dumme nie,
Berfolger ift er wohl zuweilen; ..
Ihn nedet Feine Polizei
Mit Sakobiner : Riederei. — —
Gleich Froͤſchen wird er aufgebläpt
won geofer Heicen ginfgei Biden,
-
Weil er Despoten: Räder dreht, . |
Wie blinde Pferde die. Sahriten. —
Stirbt er — —
An feiner Urne’ ſchallt 8 dann:
‚Gr war ein guter, licher Manni —
Es iſt nicht zu verkennen, wie hier (im dritten
Theile der juͤngſten Kinder meiner Laune.
1795) Kotzebue dee Dummheit ein ironiſches
Lob ſpendet, welches wohl treffender der bo
haften Halbheit ſelbſtſuchtiger Thoren
beigemeſſen werden muß. —
Er ſelbſt ſetzte ſich am Schluſſe der chen ge⸗
nannten Sammlung folgende Grabfchrift: Ä
„Die Welt verfolge ihn ohn’ Erbarmen,
Verläumbüng war fein trübes Loos;
Gluͤck fand er nur. in feines Weibes Armen,
‚Und, Ruhe in ‚der Erbe Schoog.
Der Neid war immer wach, ihm Dornen hinzufiveuen,
Die Liche ließ ihm Roſen bluͤhn; —
Ihm wolle Gott und Welt verzeihen!
‚Er. hat dee Welt verziehn.“ —
Se nachdem nun Jeder Kotzebue's Leben
aus ſeinem Geſichtspunkte anſieht, mag er auch
dieſe Grabſchrift billigen, abaͤndern, verbeſſern,
oder verwerfen, je nachdem es ihm recht und.
billig duͤnkt vor Gott und Menſchen.
Was aber alle die wunderlichen Erſcheinungen
— 42 —
betrifft, die in unſeren Tagen die Koͤpfe in Ver⸗
wirrung, die Federn in Bewegung ſetzen; Erſchei⸗
nungen, welche mit Kotzebues Leben und Wirken
in näherer ober : ehtfernterer Verbindung flehn,
bei denen fein Name bald’ preifend, bald mißbils
Kgend genaniit wird, fo wollen wir unverzagt
darauf hoffen, daß fie, mit Goftes Huͤlfe bei red⸗
licher That, einen guten Ausgang gewinnen. —
Diefe Darftelung aber fey mit den Worten
gefhloffen, welche Hieronymus Mencelius
ausfpricht, ‚in. der Vorrede zu dem Werke des
alten, frommen Magiſters, Eyriafus Spans
genberg, wider die böfen Sieben in des
Teufels Karndffelfpiel, und alfo lauten:
— „Nun fehreitet aber der Teufel noch weiter,
und erwedet feine läfterlichen Werkzeuge, die ibm
barzu dienen, daß fie.erhobene Spaltungen, fammt
dem unorbentlihen Weſen der Leut, nur ſtatlich
sufmugen, und in aller Welt auöfchreien; nicht
daß es ihrem Abgott und ihnen, -wenn es alſo
zugehet, entgegen und leid ift, fondern baß fie
mit folchem feindfeligen Geſchrei, die Unwahrbeit
zu Iäftern, die Ginfältigen zu betruͤben und ir
. 38 * |
— 482 —
zu machen, und vom rechten Wege abzuſchrecken
vermeinen. — Aber, wie der liebe Gott wider
ſolche Teufelsmaͤuler und Laͤſterer allzeit etliche
aus den Seinen zu ſtandhaftigen Hirten geſendet,
und mit feinem Geifte geſtaͤrkt hat, daß fie folche
Kalumnien, Laͤſtergeſchrei, Lügen und Blasphe⸗
mien wiberfprechen, und Gutherzige dafür vers
waret und gewarnet, auch barneben zur Beſtaͤn⸗
digkeit an. der Wahrheit wider fol Aergernig
feft zuhalten, ermahnt haben; alfo hat er auch
von je und je Gnade gegeben, daß immerbar
ein Fleined Häuflein auf rechter Bahn geblieben
iſt, daß ſich ſolch Geſchrei nit. hat anfechten,
noch irr machen laſſen; das auch die Knie fuͤr
Baal nit gebeugt hat. — — — Der barmher⸗
zige Gott wolle ja ſeine liebe Kirche von ſolchen
Unflaͤtern vollends reinigen, und uns in derſelben
gnädiglich mit feinem Geifte fhügen und was er
‚ angefangen, auch zu feinen Ehren vollführen.
Amen!’ —
In
n 5
a
n
g.
31*
L
Voltaire und Rogebun, |
( Fragmente.)
In dem beliebten Converſations⸗Lexicon,
deſſen wiflenfchaftlicher Werth fchon dadurch be⸗
kundet wird, daß ed, ohne Anmaßung, in ber
neueſten Auflage den Namen einer Real⸗Ency⸗
klopaͤdie annehmen Tonnte, leſen wir unter dem
Artifel, Kotzebue, folgende Stelle (Band 5.
Seite 495.):
— Man fieht, dag K. in gleichem Maaße
ein Mann von ungemeinem Talente und ein.
Schooßkind des Glüdes iſt. Beinahe möchte man
ihn in mander Hinficht den dentfchen Bol
taire nennen, denn beide haben fich in denfelben
Fächern verfucht, als! Dichter, als Philofophen,
— — 486 —
als Hiſtoriker, als Kritiker, beide haben verwandte
Leichtigkeit und Fruchtbarkeit, ſich aͤhnelnden Geiſt,
Witz und Ton, ſich gleichende Leichtigkeit und
Ungenirtheit, ſo wie denſelben Mangel an Tiefe
und Vollendung in der Anlage und Ausfuͤhrung
‚mit einander gemein. Beide haben als Schriftz
fieller einen glänzenden Beifall erlangt, nur an
Korrektheit, Eleganz und Univerfalität wird Ko-
gebue von Voltaire unendlich. übertroffen. Vol⸗
taire's Schriften werben fortdauern, fo lange es
eine franzöfifche Sprache giebt; die Kotzebueſchen
Schriften ſind ſchon jetzt groͤßtentheils vergeſſen.
Voltaire war dabei bis zu feinem letzten Athem=
zuge ein Verfechter aller liberalen Ideen. Kotze⸗
hue dagegen kennt Fein Heil für die Völker, als
in der Willkuͤhr der Fürften, und der Zuſtand
Europens vor der franzöfifchen Revolution iſt
ihm ber Typus des höchiten Volksgluͤckes.“ —
‚Auf diefe Autorität hin, bei der der Nachſatz
wenig berüdfichtigt wurde, iſt in den neueften
Sagen, wo man nad Kotzebue's Ermordung fo
piel Erbauliches von dem Verfchiebenen zu Markte
brachte, oft wiederholt: daß m. K. der beutfche
— 487 —
Boltaire fey. Die Ausführung eines Parallel
zwifchen dem unfterblichen Marquis und dem Ruf:
fifchen Etatsrath ift ein zu intereffantes Thema,
als dag nicht einige hierher gehörige Bruchflüde
eine Stelle verdienen follten:
Bon Kogebue fagt von Boltaire:
„Seine Gelehrfamkeit war oberflählih! —
das heißt: fie war nicht pedantifch, fie prangte
nicht mit Eitaten, fie war leöbar. Ein einziger
Bogen von ihm gefchrieben, hat mehr Kennts
niffe verbreitet und mehr Gedanken erzeugt,
ald mancher Foliant feiner Zeitgenoffen. — ©.
die Biene, zweites Heft, Jahrg. 1808. S. 200.
Auch Kotzebue's Gelehrfamkeit, oder beffer
fein Wiffen ift mit Recht: oberflächlich genannt;
auch er mag nicht ded Pedantismus angeklagt
werben, auch feine Schriften prangen nicht mit
Eitaten und find lesbar; aber welche Kenntniffe
oder welche Gedanken haben fie erzeugt? — —
. Nah einem franzöfifchen. Originale zeichnet
Kotzebue Voltaire's Portrait, in ber eben
genannten Zeitichrift, alfo: |
. „Voltaire ift etwas mehr ald mittlerer Größe,
ein Wuchs, der auögezeichneten Männern eigen .
au feyn fcheint. Er ift mager, vertrocknet, hat
eine verbrannte Galle, ein entfleiſchtes Geſicht,
geiſtreiche, höhnifche Züge, ein funkelndes, bos⸗
haftes Auge. Alles Feuer feiner Schriften, be:
lebt auch. feinen Körper. Er ift lebhaft, queck⸗
ſilbrig, koͤmmt und. geht, rennt hin und her;
man wird verbugt, wenn man ihm lange zuficht.
Natürlich muß ein folcher Menfch Eränklich feyn.
Er ift fröhlich aus Temperament, ernſt um der
Diät willen, offen ohne Zutraulichkeit, politifch
ohne Feinheit, gefellig ohne Zreunde; er kennt
die Welt und vergißt ihrer. Des Morgens fpielt
er den Ariftipp, Abends den Diogenes. Er liebt
bas Vornehme und verachtet den Vornehmen,
geht ungezwungen mit ihnen um, ft aber verles
gen unter feines Gleichen, anfangs höflih, dann
alt, am Ende unerträglih. Er liebt den Hof
und hat Langeweile bei Hofe. Empfindfam ohne
[4
— 488 —
Anhaͤnglichkeit, wolluͤſtig ohne Leidenſchaft, bindet
ſeine Wahl ſich an nichts, ſeine Unbeſtaͤndigkeit
an alles. Da er ‚vernünftig iſt ohne Grundſaͤtze,
. fo fchweift feine Vernunft fo oft aus, als ande⸗
rer Thorheit. Mit einem ungeregelten Geifte, ei:
nem ungerechten Herzen, durchdringt ‘er Alles
and macht fich über Alles luſtig. Er verfteht
auch :zu moralifiren ohne eigene Moral. "Seine
Eitelkeit wird nur von feinen. Eigennuge "über: :
troffen. Er fchreibt weniger fuͤr den Ruhm als
für Geld. Nah Geld hungert und burftet er.
Fuͤr den Genuß -fcheint er gefchaffen, und doch
wil er fammeln, Schäge’häufen. Zum: Dichter
geboren, werden die Verſe ihm allzuleicht. Er
mißbraucht dieſe Leithtigkeit, daher er faft nichts -
Bollendetes Liefert. Die Gefchichte würde nach
ber Dichtkunſt, fein Fach feyn, wenn er weniger
Betrachtungen einwebte und nie Parallelen zoͤge,
ob fie ihm gleich bisweilen gelingen. — Man
fagt, ein großer Schriftfleiler müffe weder Reli:
gion noch Vaterland befigen; Voltaire thut alles
mögliche, um diefe Vollkommenheit zu erreichen.
Seiner Nation iſt er eben nice fehr zugethan;
— 40 —
Er lobt gern die Vergangenheit und ſchmollt mit
der Gegenwart; iſt ſtets unzufrieden mit ſeinem
Aufenthalte, und ruͤhmt hingegen ein Land, das
tauſend Meilen weit von ihm liegt. Er beſitzt
viel Belefenheit in franzöfifchen und ausländifchen
Werken, und jene oberflächliche Gelehrfamteit, die
jest Mode iſt. Politiker, Phyſiker, Geometer,
er ift alles, was man will, doch Feines gründlich.
Indeſſen gehört allerdings .ein ſehr umfaflender
Geiſt dazu, um gleich. ihm, von Allem dad Pi⸗
ante abzufchöpfen. Sein Geſchmack ift fein, aber
unfiher. Er ift ein wißiger Satyriker, aber ein
ſchlechter Kritikus. Nie hält.er die Mittelftraßes
bald liebt, bald fchmäht er die ganze Welt. Kurz, -
er will um jeden Preis ein ‚ außerorbentlicher Mann
feinen. “
Diefe Skizze parobirt, möchte folgendes Bild⸗
niß Kotzebue's fi dem Beobachter darbieten: -
Von Kotzebue war mittlere Größe; fein
Wuchs und Geſtalt verriethen nichts ausgezeich⸗
neted. Er war mehr mager, als wohlgenährt;
jedoch hatte er ein marfirtes Geficht, ein leben⸗
diged, blaues Auge, welches. mehr Schlauheit
u " |
— 491 —
als Scharffinn und abwechſelnd, Spott und Gut:
müthigfeit ausſprach. Cine Neigung zum beque⸗
men Genufje gab feinen Bewegungen etwas Ab»
gemeffenes; fein oft bleiches Geficht trug bie
Spuren vom reihen Genuſſe des Lebens. Er:
war gern fröhlich unter den Fröhlichen, galfüchs
tig nur aus Eitelkeit, offen ohne Vorficht, ſchlau |
ohne Ueberlegung, gefellig aus Lebensluft; er.
kannte die Welt nur aus theatralifchen Repräfens
tationen. . Er liebte dad Vornehme und buhlte
um bie Gunft der Vornehmen; ihren Umgang
fuchte er, noch mehr ihren Beifall; aber er bes
gnügte fi) auch mit. dem Beifall der Menge,
wenn es zuweilen ihm nicht gelingen wollte, ven
der VBornehmen zu. erlangen. Da es ihm an allen
Grundfägen fehlte,. fo ſchwankte er in feinen Bes -
hauptungen zwifchen Wahrheit und Irrthum. Da.
- fein Wiffen immer hoͤchſt mangelhaft blieb, fo
mußte er fi) oft begnügen, über Dinge zu ſpot⸗
ten, von denen er zu wenig wußte, um vernünfz
tig darüber reben zu .Eönnen. Ex moralijitte im
Leben und in Schriften immer fo, als ob zwiz.
ſchen Tugend und Lafter Feine Gränge Statt faͤndez
— 49 —
die Luͤſte und der Kitzel des Witzes galten ihm
mehr, denn ale Moral. Die Fähigkeiten ſeines
Geiſtes waren entſchieden, feine Gemuͤthskraft
aber voͤllig verwahrloſt. Seine Eitelkeit war un⸗
begraͤnzt, ſelbſt wenn ſie ſich unter beſcheidene
Worte verhuͤllte; vom Eigennutze war er frei;
ſparſam war er nur mit der Zeit. Er ſchrieb
fuͤr den Ruhm; er ſchaͤtzte das Geld nur als
Mittel zum Genuſſe. Die Verſe und Dichtungen,
zumal die dramatiſchen, wurden ihm ſo leicht, daß
ſie feinen Dichterberuf zweifelhaft machen. Man
kann behaupten, daß die durch Uebung erworbene
Fertigkeit in der Schriftſtellerei ihn in den Dich⸗
terruf gebracht habe. Vor allem mangelte ihm,
mit der Charakterwahrheit, der hiſtoriſche Geiſt,
daher das Feld der Geſchichte ſeine groͤßten lite⸗
rariſchen Sünden aufbewahrt. — Wenn ein gro=
Ber Schriftfteler weder Vaterland noch Religion
haben fol, fo Tann man dieſe Eigenfchaft eines
großen Schriftftelers Koßebue’n nicht abfpre-
hen. Be böber er und fein Gehalt in Rußland
fliegen, um fo mehr pries er die Ruffen auf Kos
ſten der Deutfchen; außerdem war ihm gewöhn:
— 493 —
lich die Meinung die liebfte, von ber er den vors
nehmften Beifall zu dendten hoffte Er wußte
wenig und alles oberflächlich; er las Vieles und
mochte ſich gern als gelehrter Stimmführer gels
tend machen; Dies mißlang oft, felten aber das.
vom. Wise ‚unterflüßte Talent, von Allem das
Pikante abzuſchoͤpfen. Er wollte ein außerordent⸗
Jiher Mann werben, und Eonnte es nirgends über
dad Mittelmäßige. bringen; aber der in biefem
Sumpfe watenden Brut war er ein großer
Mann! — Ä
In der Zierlichkeit, Vielfeitigkeit, Grazie, Ans
muth und in der Reinheit der Behandlung ber
franzöfifchen Sprache, er mag fie in gebundener
oder ungebundener Rebeform gebrauchen, ſteht V.
als ein bleibendes Muſter da. So große Talente
in der Leichtigkeit der Mittheilung auch v. K.
hat, ſo kann keine jener lobenswerthen Eigen⸗
ſchaften, fo wenig, als Korrektheit in irgend ei-
ner Hinficht,- ihm beigemeflen werben. Zuweilen
fieht man ihm einen Anlauf nehmen, ald wäre
es ihm mit der Behandlung des Efementes Teiner
Mittheilungen ein Ernft, aber dann fubelt und
fprüdelt er gleich wieder fo cyniſch mit den Bor:
ten um fi ber, daß man widerwillig das Ges
fehreibfek bei Seite wirft. — V. hat Großes
- vollbracht, für die Vollendung feiner Sprache
und der barauf ruhenden Nationalehre; K. nicht s,
denn er nahm ſich nie die Zeit, vor aller Vielſchrei⸗
berei an die Sprache zu denken. — Bon der ſuͤ⸗
fen. Zauberei der Verskunſt, der V. fo mächtig,
wußte er nichtö; er behandelte fie wie ein: ver⸗
ächtliches Freudenmaͤdchen, deſſen Umgang er fich
hätte ſchaͤmen müffen, wenn er Schaam gekannt
| hätte _ | ..
Fluͤchtig im Lefen waren: beide; Jeder las oft
nur, was er zu lefen wuͤnſchte, verdrehete den
Sinn, vergrößerte ımd verfälfähte feine Mittheie
Yungen, und hob dann ein ſelbſtgefauiges Gelach⸗
ter an. |
— A055 —
J Friedrich SeoHlegel, fagt von Kotzebue in.
feinen Vorlefungen: „Wodurch anders ift der uns
entbehrlichfie und fruchtbarſte aller Schriftfteller
des Zeitalter dieſem fo zum Bebürfniffe gewor⸗
den, wie ber angewoͤhnte Gebrauch eines den
Augenblick verfürzenden Reiz mittelt, als dadurch,
daß er die ſchwache und-mitleidige Seite des Zeit-
alterd zu faſſen amd fich derfelben zu bemeiſtern
wußte? — Ein Schriftſteller, der in den folge
ven 3eiten vielleicht merkwürdig erfcheinen wird,
als Beleg von dem Verfall der Sitten und- de
| Geſchmadi in dem wjetigen. eu
Jener franzöfifche und unfer deutſche Vielfchrei:
ber lebten in unaufhörlichem Streite, welchen zu
erneuern, beiden jede Mißbilligung einer Seite
ihrer Schriftftellerei erwuͤnſchte Veranlaſſung dar⸗
bot. In der Verfolgung ſolches Zweckes zeigt
Voltaire unendlich mehr vielſeitige Gewandheit,
als Kotzebue, in deſſen Polemik man oft nichts,
als den boͤſen Willen, ſeinen Gegnern recht wehe
gu thun, erblickt, Häufig muß er ſich begnügen,
— 496 —
den ihn gemachten Tadel, dem Tadler zuruͤckzu·
geben, eine Streitmarime, deren Wiederholung.
Geiftesarmuth verräth. Wurde ihm gefagt: Dr:
Tendenz feiner Schaufpiele fey unfittlich, fo ers
widerte er: N: N. ſtellt Perfonen auf, die mif
meinen Zheaterhelden die und die Eigenfchaft ges
mein haben; N. N, wird für Beinen unfittlichen
Schriftfteler gehalten, alfo bin ich es auch nicht. —
- Wurde ihm gefagt: er fchreibe inkorrekt, fo ent⸗
—
gegnete er: N. N. iſt von Recenſenten geprieſen,
als ein großer Schriftſteller und Dichter; ich habe
bei N. N. dieſen Sprachfehler ausgewittert, ich
habe alſo, ohngeachtet der mir uͤberwieſenen Maͤn⸗
gel, Recht und Anſpruch, auf den Namen eines
großen Schriftſtellers und Dichters. — Daß ein
Kritiker verpflichtet ſeyn kann, an einer Schrift
Fehler ſtrafend zu ruͤgen, die er ſelbſt nicht im⸗
mer zu vermeiden im Stande iſt, wollte v. Ko⸗
vehue nicht einſehen. —
—
Von dem Augenblicke an, wo Voltaire, vers
anlaßt durch den Ealasſchen Prozeß, für bie pro⸗
— 497 —
teftantifche Kirche :im Gegenſatz der Katholifchen
Hierarchie auftrat, und Duldung und Glaubens⸗
freiheit ald ein nothwendiges Erforderniß des
Chriſtenthumes darftellte, blieb er immer dem Bes
zufe treu, die Proteflanten zu vertheidigen und
‚ihnen bie in Frankreich damals verfagten. vollen
Buͤrgerrechte zu vindiciren. Aber ohne es zu wol⸗
len, fuͤgte er ihnen auf der andern Seite großen
Rachtheil zu, weil er bei der Bekaͤmpfung der
zömifchen Hierarchie oft fo gehäffige Seitenblide
that, auf dad Chriſtenthum im Allgemeinen. und
heſonders auf die erfien Stifter und. Verbseiter
befjelben; dieſe Seitenblide, dieſes . irveliginfe,
unmoralifche Hohnfprechen der pofitiven Religion
wurde, nach den Aeußerungen ihres Sachwalters
nun den Proteflanten beigemeffen, um fie dem
katholiſchen Könige und jedem rechtgläubigen Chris
fien verdächtig zu machen, bie zufällige, ober
fheinbare Verwandtſchaft zwiſchen denen, . die
Duldung predigten und denen, die das Ghriftena
thum zu untergraben fuchten, verhinderte, daß
die Regierung in Abficht der Proteftanten ben
gerechten und heilſamen Rathſchlaͤgen, welche. fie
j | 32
mn 3 —
wirklich billigte, entſchieden und thaͤtig Folge
leiftete. — Ä
Kotzebue bat immer das Chriſtenthum ſchlecht
geachtet, ſeinen Werth nie geahnet, aber eine po⸗
ſitive Religion, gleichviel welche, für brauchbar
gehalten, als politifchen Kappzaum für dad Volk,
unter welchem er fi einen Haufen, in einem
Staate eingeferchter Sklaven dachte. —
Voltaire kannte den Zeitgeiſt; in gewiſ⸗
ſer Hinſicht beherrſchte er ihn ſogarz Kogebue
lernte ihn nie verſtehn, feine Theaterpraktik ſchei⸗
terte völlig, als er ſich umvorfichtig in das poli⸗
tiſche Leben den Feſſeln verjaͤhrter Autoritaͤt ent‘
wachſener Zeitgenoſſen miſchte. —
ı »
Boltaire hielt die Hinrichtung der Chriften
unter den früheren Römifchen Cäfaren für Recht,
weil jene ben Volksglauben gefhmähet und bie
uralten Götter des Reichs in der hergebrachten
Autorität gefährdet hatten; und er felbft verums
— 49 —
glimpfke auf alle Weiſe den Glauben und Tem⸗
peldienft feine? Mitbuͤrger. Mit gleichem Unvers
ftande vertheibigte und klagte von Kotzebue den
politiſchen Fanatismus an, vor welchem gegen⸗
waͤrtig die Fuͤrſten ihr Knie beugen, wie ehemals
vor dem kirchlichen. —
War Kotzebue chrſuͤchtig, ſo waren ſeine Geg⸗
ner ruhmbegierig und uͤber beides, machten ſich
beide harte Vorwuͤrfe. Je mehr er ſich gefiel, in
der Hinweiſung auf eine weit verbreitete Celebri⸗
taͤt und auf den Beifall, welchen ſeine politiſchen
Anſichten bei vornehmen Perſonen fanden, um fü
weniger überzeugte er fi ich von der großen ‚überall
fihtbar werdenden Thatfache: daß fich in ber deut⸗
ſchen Nation, deren Stimmführer er fo unwuͤrdig
verläumbete, eine mächtige Sehnfucht regt zur
fittlihen Wiedergeburt durch Verbeffe:
zung des bürgerlichen Zuſtandes. — Wie
Kotzebue gegen die deutfche Nation, ftand, nach
diefem Fingerzeige, Voltaire gegen Rouffeau.—
32*
*
-
Indeß Rouffeau fi abquälte,...ein Blut⸗
zeuge menfchenbeglüdender Weltreformen zu wer-
den, gefiel fih Voltaire gar wohl in den Sits
ten des Zeitalters und in deſſen Anfrebungen,
welche er aͤmſig beförberte. .
Mer wider die Theaterfircht, mit welcher Bol:
taire die Genfer Bürger angeftedt hatte, ſprach,
war fein Todfeind, wie jeder, der gleih Rouſ⸗
feau, bei feinen vielgelefenen Werken auf ihre
unfittliche Selten hindeutete und. bewies, daß wer
auf der Bahn der Künfte, von dem Wege ber
Sittlichkeit abweicht, ſich auch vom Urquell des
Schönen entfernt. — Solchen Gegnern alle
Schmach anzuthun, ſie mit allen Fechterſtreichen
des Witzes zu verfolgen und, um des Sieges ge⸗
wiß zu ſeyn, fie fir wahnfinnig auszugeben, war
Voltaire's Charakter eigen; v. K. fcheint hierin
von ihm gelernt zu haben. —
Ein. großer deutfcher Mann, von freiem Sinn
und edlen Willen, den man in feiner bezauberns
— 501 —
den Perfoͤnlichkeit näher gekannt haben muß, um
mit dem Gefuͤhle der innigften-Verehrung feiner
zu gebenfen, ein Mann deſſen großes Schriftftel:
Terverdienft vielleicht von’ einer dankbaren Nach:
welt ganz gewürdigt wird, — Henke fagt fo
wahr und bezeichnend von Voltaire:
„Wie viel Mittelmäßiged. und Schlechtes in
den hundert Bänden feiner Werke zu finden feyn,
wie ungleich ſich felbft er oft in denfelben erſchei⸗
nen, wie häufig er fih wiederholen und abſchrei⸗
ben mag, immer iſt nur eine Stimme daruͤber,
daß ein Zehntel derſelben aus Meiſterſtuͤcken, und
wohl die Haͤlfte der uͤbrigen aus vortrefflichen
Auffaͤtzen jeder Art beſtehe; auch, daß kein Schrift:
ſteller leicht eine ſo unverſiegbare Ader des Witzes
gehabt, keiner ſo ſehr die Kunſt verſtanden, ſich
dem Geiſte und den Launen ſeines Zeitalters an⸗
zufuͤgen, aber ſie auch wieder nach ſeinem Sinne
zu lenken, keiner ſo ausgelernt habe, beredt ohne
weitſchweifig, zierlich ohne gekuͤnſtelt, ungezwun⸗
gen ohne nachlaͤſſig zu ſchreiben, und vornehmlich
jeden Gedanken und jede Empfindung alſo in
Worten zu faffen, daß fie. ohne Mühe und voll⸗
m
x
“
— 01 —
kommen begriffen, ihm fofort Flar nachgedacht und
‚mitempfunden werben mußten. Ohne Zweifel
‚wurden durch eben. diefe_ Lebhaftigkeit des Vor⸗
trages, verbunden mit der einnehmendften Anmuth
deffelben, und mit der feinften, treffendften Spott:
fuht, fo wie durch die Kühnbeit feiner Abſpre⸗
«hungen, bei dem. Gewichte feines Namens, viele
feichte, falſche Begriffe verbreitet; aber eben. fo
gewiß auch viele geſunde Lehren und heilfame
Wahrheiten allgemeiner. gemadt. Unverfeuns
bar ift befonders fein Verdienſt um bie
Erweiterung und Aufklärung der Ge
ſchichte der Menfchheit. Ohne eben tief eins
zudringen, gab er. mit feiner fchlichten Vernunft
und einfachen Darfteliung fowohl vielen wichtigen
Erkenntniffen eine größere Verftändlichfeit und
Semeinnüglicykeit, als auch den Denkern und
Gelehrten zu gründlichern Prüfungen und fehärs
. fern Beweifen angenommener Meinungen vielfa-
hen Anlaß. Die Lefung vieler von feinen Schrif:
ten vergifteten viele junge flatterhafte Gemüther,
und flärfte andre. ſchon verderbte im dreiften,
leichtfertigen Vorwige, in ber Schlaffheit und
Lockerheit fittlicher Grundſaͤtze im frechen Unglau⸗
ben; dagegen waren für Herz und Sitten unzaͤh⸗
liger Menſchen, wo nicht die ‚meiften, doch die
befannteften feiner Werke, vorzüglich feine Trauer-
fpiele, von kraftvoller Wirkſamkeit. Es gab nicht
leicht einen nachdruͤklichern und rührendern Pre⸗
diger der Menfchlichfeit, ber Duldung, der Milde
und Großmuth. Bon ihm lernten vornehme
lich die Regenten die Stimme der Vers
nunft, der GerehtigPeit und. der Volks⸗
meinung ehren und fürdhten (Was lernten
Die Regenten von Koßebue???); aber fie verdank⸗
ten ihm auch) den Vortheil der freieren Ausübung
. Ihrer Pflichten und Rechte, die immer noch) in
der- Priefterherrfchfucht eine mächtige Störung
guter Abfihten fand. Schon ein großes Ber:
dienft, daß er die Fürften feiner Kirche den Uns
terſchied zwifchen einem (kirchlichen oder politi:
fhen) Keger und einem Giftmifcher oder Mord:
brenner einfehen lehrte, welchen man ihren Vor:
fahren mit Feiner Mühe hatte beibringen koͤnnen.
Er wirkte beträhtlih zur Berbefferung
der Gefege und der Gerichtöpflege,. befonderd
Indeß Rouffeau fi abquaͤlte, ein Blut⸗
zeuge menſchenbegluͤckender Weltreſormen zu. wer⸗
den, gefiel ſich Voltaire gar wohl in den Sit:
ten des Zeitalterd und in deſſen Anfrebungen,
welche er Amfig beförberte.
— —
Wer wider die Theaterſucht, mit welcher Vol⸗
taire die Genfer Bürger angeſteckt hatte, ſprach,
war fein Vodfeind, wie jeder, der gleich Rouf:
feau, bei feinen vielgelefenen Werken auf ihre
unfittliche Seiten hindeutete und: bewies, daß wer
auf der Bahn der Künfte, von dem Wege ber
Sittlichkeit abweicht, ſich auch vom Urquell des
Schoͤnen entfernt. — Solchen Gegnern alle
Schmach anzuthun, ſie mit allen Fechterſtreichen
des Witzes zu verfolgen und, um des Sieges ge⸗
wiß zu ſeyn, ſie fuͤr wahnſinnig auszugeben, war
Voltaire's Charakter eigen; v. K. ſcheint hierin
von ihm gelernt zu haben. —
Ein großer deutſcher Mann, von freiem Sinn
und edlen Willen, den man in ſeiner bezaubern⸗
— 501 —
ven Perfönlichkeit näher gekannt haben muß, um
mit dem Gefuͤhle der innigften-Verehrung feiner
zu gedenken, ein Mann beffen großes Schriftftel:
lerverdienſt vielleicht von’ einer dankbaren Nady-
welt ganz gewürdigt wird, — Henke fagt fo
wahr und bezeichnend von Boltaire:
„Wie viel Mittelmäßiged. und Schlechtes in
den hundert Bänden feiner Werke zu finden ſeyn,
wie ungleich ſich felbft er oft in denfelben erſchei⸗
nen, wie häufig er fi wiederholen und abſchrei⸗
ben mag, immer iſt nur eine Stimme daruͤber,
daß ein Zehntel derſelben aus Meifterftüden, und
wohl die Hälfte der übrigen aus vortrefflichen
Auffäsen jeder Art beſtehe; auch, daß kein Schrift:
. fteller leicht eine fo unverfiegbare Ader des Witzes
gehabt, Teiner fo fehr die Kunft verftanden, fich
dem Geifte und den Launen feines Zeitälterd ans
‚zufügen, aber fie auch wieder nad) feinem Sinne
zu lenken, Feiner fo auögelernt habe, beredt ohne
weitfchweifig, zierlich ohne gefünftelt, ungezwun-
gen ohne nachläffig zu fchreiben, und vornehmlich
jeven Gedanken und jede Empfindung alfo in
Worten zu faffen, daß fie. ohne Mühe und voll⸗
Bi
“
— 01 —
kommen begriffen, ihm fofort Elar nachgedacht und
‚mitempfunden werben. mußten. Ohne Zweifel
‚wurden durch eben dieſe Lebhaftigkeit des Vor:
trages, verbunden mit der einnehmendſten Anmuth
deſſelben, und mit der feinſten, treffendſten Spott⸗
ſucht, ſo wie durch die Kuͤhnheit ſeiner Abſpre⸗
chungen, bei dem Gewichte ſeines Namens, viele
ſeichte, falſche Begriffe verbreitet; aber eben ſo
gewiß auch viele geſunde Lehren und heilſame
Wahrheiten allgemeiner: gemadt. Unverfenns
bar ift befonders fein Verdienſt um die
Erweiterung und Aufftlärung ber Ge
ſchichte der Menfhheit. Ohne eben tief eins
zudringen, gab er. mit feiner fchlichten Vernunft
und einfachen Darfteliung fowohl vielen wichtigen
Erkenntniffen eine größere Verftänblichfeit und
Semeinnüglicykeit, ald auch den Denkern und
Gelehrten zu gründlichern Prüfungen und fchär-
fern Beweifen angenommener Meinungen vielfa-
chen Anlaß. Die Lefung vieler von feinen Schrif:
ten vergifteten viele junge flatterhafte Gemüther,
und flärkte andre. fhon verderbte im dreiſten,
leichtfertigen Vorwitze, in ber Schlaffheit und
Loderheit fittlicher Grundſaͤtze, im frechen Unglaus
ben; dagegen waren für Herz und Sitten unzaͤh⸗
liger Menſchen, wo nicht die meiſten, doch die
befannteften feiner Werke, vorzüglich feine Trauer-
fpiele, von kraftvoller Wirkſamkeit. Es gab nicht
leicht einen nachdruͤcklichern und rührendern Pre⸗
diger der Menfchlichfeit, der Duldung, der Milde
und Großmuth. Bon ihm lernten vornehme
lich die Regenten die Stimme der Ber
nunft, der Gerechtigkeit und der. Volks—⸗
meinung ehren und fürdten (Was lernten
die Regenten von Koßebue???); aber fie verdank⸗
ten ihm auch den Vortheil der freieren Ausübung
‚ ihrer Pflichten und Rechte, die immer noch in
der- Priefterherrfchfucht eine mächtige Störung
guter Abfihten fand. Schon ein großes Ber:
dienft, daß er die Fürften feiner Kirche den Uns
terfchied zwifchen einem (Firchlichen oder politi⸗
fhen) Keger und einem Siftmifcher oder Mord⸗
brenner einfehen lehrte, welchen man ihren Vor:
fahren mit Feiner Mühe hatte beibringen koͤnnen.
Er wirkte beträhtlih zur Berbefferung
der Gefege und der Gerichtöpflege, beſonders
\
— 504 —
zur Abſchaffung oder doch Beſchraͤnkung des Ge⸗
brauchs der Folter. Er brachte die Graͤuel der
Schwaͤrmerei und Heuchelei, des Aberglaubens,
Gewiſſenzwanges und Ketzerhaſſes, die Gleichguͤl⸗
tigkeit und Laͤcherlichkeit jener Lehrgezaͤnke und
Parteihaͤndel, welche ſo viele Gewaltthaten und
Verfolgungen verurſachten, zum hellſten Anſchauen
und in faſt allgemeine Verachtung. Durch die
Kunſt, dieſelben Gedanken in den vielfachſten, und
immer neuen Darſtellungen zum Umlaufe zu brin⸗
gen, vernichtete und ſchwaͤchte er lachend viele
thörige und fehäbliche Vorurtheile der: katholiſchen
Kirche, Eräftiger, als die proteftantifchen und die
heller und freier denkenden Eatholifchen Gottesge⸗
lehrten mit allem Ernſte vermocht hatten. —
Man halte Kobebued Literarifche Wirkſamkeit
gegen dieſes unparteifch = wahre Gemälde. —
Voltaire und. Koßebue wollten beide ihr Zeitz
alter nicht verderben, fondern vergnügen, bes
lehren, beſſern; und mit legterm war es befonz.
ders Boltaire'n ein fo heiliger Ernft, daß feine.
fiebzig Iahre hindurch ausgearbeiteten: zahllofen
Schriften uͤber die verfchiedenften Gegenftände, der
Hauptfache nach, aus einem vorbebachten, feften
Plane hervorgegangen zu ſeyn fcheinen; darum
verbarb er unendlich mehr, als v. K. mit feiner
infonfequenten Seichtheit. Jenem war es nicht
allein um Beifall zu thun; er hatte fi ein hoͤ⸗
heres Ziel gefledt: er wollte Bewunderung, un:
umfchräntte gebietende Gewalt über Meinung,
Sitten und Geſchmack der Mitwelt erwerben; er
erwarb fie auch wirklich in dem, den ‚bedingten
Kräften eines fo reich auögeftatteten Geiſtes, möge
lihem Grade. — Der deutfhe Autor war bes
ſcheidener; in ambefcheidener Eitelkeit begnügte er
fi) mit dem ſchnell voräberraufcpenben Seifalle
des Augenblicks. — |
Voltaire's Ruhmſucht war groß, doch noch
groͤßer ſeine Habſucht, ſeine Geldgier, die ſich
mit dem. wachſenden Reichthume vermehrte. Um
für. feine Schriften Gelb, immer mehr Geld zu
gewinnen, verfihmähte er fogar ben niedrigen Bes
— 506 —
‚trug nicht, den Verlag derfelben Handfchrift verz
ſchiedenen Buchhändlern zu gleicher Zeit zu ver;
trödeln. ‚Hierin. handelte v. K. rechtlicher: er war
nie reich, hoͤchſtens wohlhabend, er zog gem aus
feinen Geifteserzeugniffen jeben .erlaubten irdifchen
Vortheil; doc hätte er diefen gern aufgeopfert,
um eine befto reichere Beute des zRuhmes aͤrndten
u koͤnnen.
N
Weder B. noch K. können Gotteöleugner ges
nannt werden; Doc beide lebten in einer leicht;
finnigen Genügfamkeit über den Werth und das
Schickſal des Glaubens an Gott und Offenbarung;
beide ließen jenes Autorität gern ſtehen, wenn
man ihnen nur diefe Preis gab,.. damit fie ihre
Iuftigen Einfälle darüber auskramen durften.
Ueber Religion hatten beide Feine beftimmte
Meinung; fie gebrauchten gern ihre Ausfprüche,
um die Charaktere ihrer Schaufpiele damit zu
vermannichfaltigen und auszufchmüden; wahrhaf:
ter Ernft war es, Hinfichtlich der Dloral, nur
dem franzöfifchen Dichter, nicht dem deutfchen.
Voltaire zeigt in den fchönften Stellen feiner
Zrauerfpiele. eine Hoheit der Gefinnung, eine ‘
Liebe für Geiftesveredlung, eine Reinheit der Tu⸗
gend, der Kotzebue's ſchoͤnſte Ziraden ſchon
deshalb nicht gegenüber geftellt werben dürfen,
weil er: von der geifligen und fittlihen Würde
des Menſchen gar fchlechte Vorftelungen hegt, in
der Entfchuldigung der Sinnlichkeit, mit allen
ihren Abwegen fein Verdienft fucht und eine Luͤ⸗
fternheit nach dem Genuffe nie verleugnete. — —
Beide hatten die Religion der Ehriften, ihrem
Weſen nach, nie fennen gelernt; Voltaire nicht,
weil fein Iugendunterricht flupiden Mönchen an=
heimfiel, die des früh emporftrebenden Geiftes
Aufflug zum Gebrauche der Vernunft, gewaltſam
hemmen wollten; Kotzebue nicht, weil er fich
überall mit Nichts ernftlich befaffen mochte. Beide
wollten eigentlid nur Unvernunft und Aberglaus
ben befämpfen, das Chriſtenthum hiervon reinis
gen und dann als ein Inſtitut ftehn Taffen, welz
ches für den großen Haufen feine wohlthätigen
Wirkungen haben kann. V. wollte den Aberglaus-
ben zerftören, um ſich die freie Geiftesthätigkeit
— 5068 —
zu retten, K. wollte den Aberglauben zerſtoͤren,
und dann eine ſo gelaͤuterte Religion zum politi⸗
ſchen Gaͤngelbande gebrauchen. — V. wollte nichts
feſtgeſtellt und ausgemacht wiſſen, denn bie Räth:
ſel der Vernunft waren ihm lieber, als ihre Auf:
loͤſung; er firebte, mehr zu zerftören, als zu bauen,
vor allen Dingen aber fich und feine Leſer zu be: .
luſtigen; auf letzteres fann auch K.; aber er hätte
gern ein großes Syſtem der moralifch‘ religiofen
Welt aufgeftelt, wenn er nur, bei feiner feichten
Oberflächlichkeit, in einigen Augenblicken damit
hätte fertig werden koͤnnen. |
Beide waren ſchwankend; V. fuchte ie ch oft
daflır zu verwahren, für einen Feind: ber Religion
gehalten zu werben, oft fchien er es zu wünfchen ;
letzteres wagte 8. nie, aber er deutet darauf hin;
indem er den Unterfchied zwifchen Tugend und
Lafter aufzuheben fich bemüht, und die Lehren
der Kirche als ylatten Unf inn, als ben Fluch der
| Menſchheit bezeichnet.
— 509 —
Naͤchſt dem Haſſe gegen die Pfaffendespotie
der roͤmiſchen Kirche, ſcheint Voltaire's Ab:
neigung gegen das Chriſtenthum, beſonders durch
ſeinen leidenſchaftlichen Widerwillen gegen die Ju⸗
den, aus deren Volke der große Weisheitslehrer
ausging, entſtanden zu ſeyn. Von den National⸗
übermuthe der Schmaroerpflanze Europäifcer
Staaten empört, erfchienen ihm die. Juden, .als
dad ſchmutzigſte veraͤchtlichſte Troͤdelvolk aller
Zeitalter. Er predigte gern die Vortrefflichkeit
der mahumedaniſchen Religion oder das Lob der
ſtarrſuͤchtigen Feſtigkeit der Chineſen, um nur
ſeinem Judenhaſſe neue Grundlagen zu geben.
Die Widerſpruͤche, worin er ſich dadurch verwi⸗
delte, ſuchte er durch wigige Seitenfprünge zu
perfchleiern. — Auch v. K. rühmte gern die Weis:
heit der Voͤlker, von welchen er. am wenigſten
wußte; er beachtete aber die Juden, dieſe hilto-
riſch politifch wichtige Erfcheinung, nicht näher;
und durfte e8 auch nicht zu arg mit ihnen ma⸗
chen, da fie in Rußland und den beutfchen Mi⸗
nifterien, bei bem allgemeinen Finanzelende, fo
unentbehrlich find. —
— 50 0 —
Wenn zwiſchen Voltaire und Kotzebue
weiter keine Aehnlichkeitspunkte aufgefunden wer⸗
den koͤnnten, als der, daß beide vielgelefene
Schriftfteller find: fo wäre dies ſchon genügend,
um bei der Erinnerung daran, daß Voltaire.
nad) feinem Tode ald ein Haupthebel der fran-
zöfifhen Revolution betrachtet wurde, es intereſ⸗
fant zu finden, wie von’ Kogebue bei feinem
Leben über bie franzöfifche Revolution, deren Au⸗
genzeuge er war, redet. Die Art und Weiſe,
wie er dies thut, der Standpunkt freifinniger Un⸗
terſuchung, aus welchem er die thoͤrige Furcht
der politiſchen Zionswaͤchter vor den Folgen der
franzoͤſiſchen Revolution darſtellt, aber die noth⸗
wendigen Folgen der großen Ereigniſſe andeutet,
die Trefflichkeit ſeiner damals ausgeſprochenen
Meinungen, der daraus fuͤr ſeinen ſpaͤteren Ob⸗
ſkurantismus ſich bildende Widerſpruch, und vor
allen, die fuͤr unſere gegenwaͤrttgen Tage aus je⸗
nen fruͤheren Bekenntniſſen ſich ergebende heilſame,
aber laͤngſt vergeſſene Lehren, machen jene Schrift
zu einer der merkwuͤrdigſten, die je aus Kotz e⸗
bue's Feder floß. Mit Recht muß der Verfaſſer
Be
— 511 —
der vorliegenden biographifhen Darftellung bekla⸗
gen, dag er, angewandter Bemühungen ohngeachs
tat, erſt fehr fpdt zum Beſitz derfelben gelangtes
er hätte bei ‚mehreren Stellen des Kogebuefchen
Lebens gern’ daraus Bruchſtücke mitgetheiltz er
beeilt fich aber dieſen Mangel hier nachzuholen,
da jenes Schriftchen aus dem Buchhandel: und
noch mehr aus dem Gedächtniß der Leſewelt ver⸗
ſchwunden iſt; fie führt den Titel: *.
„Unpartheiiſche Unterſuchung über
bie Folgen ber franzöfifhen: Revolution
auf das übrige Europa Bon A. v. K.
Thorn, bei der Verlagsgeſellſchaft. “
(1794. 8. 104 Seiten.)
und das Motto:
„Sander Blige furchtbar ih
Kuͤhlt die Luft — und zündet nicht.“
Wenn nur die Anfangs Buchflaben A. v. K.
auf den Berfaffer hindeuten, fo wird diefe Ver:
muthung zur Gewißheit dadurch, daß Kotzebue
bei feinem Leben häufig, 3. B. in Joͤrdens Les
rikon deutſcher Dichter und Proſaiſten,
dritter Band, Seite 85 als Verfaſſer genannt iſt,
— 500 —
Menn zwiſchen Voltaire und Kotzebue
weiter keine Aehnlichkeitspunkte aufgefunden wer⸗
den koͤnnten, als der, daß beide vielgeleſene
Schriftſteller find: fo wäre dies ſchon genügend,
um bei der Erinnerung daran, daß Voltaire.
nad) feinem Tode als ein Haupthebel ber fran-
‚zöfifchen Revolution betrachtet wurde, es intereſ⸗
fant zu finden, wie von’ Koßebue bei feinem
Leben über die franzöfifche Revolution, deren Au?
genzeuge er war, redet. Die Art und Weiſe,
wie er dies thut, der Standpunkt freifinniger Un:
ferfuchung, aus welchem er bie thörige Furcht
der politifchen Zionswächter vor. den Folgen ver
franzöfifchen Revolution darftellt, aber die noth:
wendigen Folgen der großen Ereigniſſe andeutet,
die Trefflichkeit ſeiner damals ausgeſprochenen
Meinungen, der daraus fuͤr ſeinen ſpaͤteren Ob⸗
ſkurantismus ſich bildende Widerſpruch, und vor
allen, bie für unfere gegenwärtigen Tage aus je⸗
nen früheren Befenntniffen ſich ergebende heilfame,
aber Längft vergeffene Lehren, machen jene Schrift
zu einer der merkwuͤrdigſten, bie je aus Koße:
bue’s Feder flog, - Mit Recht muß der Verfaſſer
— 511 —
der vorliegenden biographiſchen Darſtellung bekla⸗
gen, daß er, angewandter Bemuͤhungen ohngeach⸗
tat, erſt ſehr ſpaͤt zum Beſitz derſelben gelangtes
er haͤtte bei mehreren Stellen des Kotzebueſchen
Lebens gern daraus Bruchſtücke mitgetheilt; er
beeilt ſich aber dieſen Mangel hier nachzuholen,
da jenes Schriftchen aus dem Buchhandel: und
noch mehr aus dem Geddchtniß der Kefewelt ver⸗
ſchwunden iſt; fie führt den Titel:
„Unpartheiiſche Unterſuchung über
die Folgen der franzöfifhen Revolution
auf das übrige Europa, Von A. v. K..
Thorn, bei der Verlagegeſellſchaft.
(1794. 8. 104 Seiten.)
und das Motto:
„Sander Blitze furchtbar eicht
Kuͤhlt die Luft — und zuͤndet nicht.“
Wenn nur die Anfangs Buchſtaben A. v. K.
auf den Verfaſſer hindeuten, ſo wird dieſe Ver⸗
muthung zur Gewißheit dadurch, dag Kotzebue
bei feinem Leben haufig, z. B. in Joͤrdens Le—
rikon deutſcher Dichter und Proſaiſten,
dritter Band, Seite 85 als Verfaſſer genannt iſt,
— Sl —
und nie, wie er fonft fo forgfältig that, dieſem
widerfprochen hat; daß er ferner in Gefellfchaften
- Aber diefes Bitchlein.fprach, ohne die Autosfchaft
abzulehnen, und daß endlich der Inhalt ſelbſt,
ob er gleich gegenwaͤrtig, nach den neueren poli⸗
tiſchen Geiſtesverirrungen Kotzebue's, für feine
Feder viel zw vernuͤnftig erſcheint, unverfenubare
: Spuren feiner Redeform, feiner Schlußfolge und
. feiner, ihm fo eigenthimlichen Abfchweifungen
enthält. So konnte er, gerade in bem Zeitpunfte,
wo er biefe Abhandlung fchrieb, keine Schrift
von Stapel laufen laſſen, ohne den Recenfenten
‚einige Broden hinzuwerfen und bes Rauhgefins
dels Aſiens, der Affaffinen, (Seite 228 dieſes
Lebens) zu erwähnen. Beide Merkmale finden
ſich auch hier. Wenn. übrigens für unfese Tage
eine Schrift Kogebue’s eine neue Auflage, viele
:Zefer und aufmerkfame Beherzigung verdiente, fo
iſt es undezweifelt diefe,.die völlig vergeffes
ne Mehrere von den folgenden Auszügen möch>
tem ſich trefflich eignen zu Denkfprüden
amd Stammbuhsinfhriften für die zahlrei=
. hen Freunde und vornehmen Gönner Kogebue’s,
— 65613 —
die nur an ſeinen ſpaͤteren Belenntniſſen Erbauung
finden. —
Man lefe:
— „Niemand wirb feine Wünfche bei der jes
gigen Bildung der Menfchen fo weit ausdehnen,
in einen Zuſtand natürlicher Freiheit zurückehren
zu wollen, der alle bürgeflichen Verhaͤltniſſe zer⸗
ſtoͤrt; aber doch werden die mehrſten Menſchen
eine Freiheit, bei ber die allgemeine Sicherheit”
beftehen könne, wünfchen. Daß ein folcher Wunſch
dem ganzen Menſchengeſchlechte allgemein ſey, und
nut. eine gewiſſe Abgeſtumpftheit davon eine Aus:
nahme mache, beweif’t unſere Anhänglichfeit für
die Sefchichte der alten Griechen und Römer, und
vielleicht wuͤrde Die Liebe zur Elaffifchen Literatur
wie fo groß, nie durch. eine Neihe von Jahrhun⸗
derten fo anhaltend geworben feyn, wenn nick.
aus allen Klaffikern jener Freiheitsfinn athmete,
der und — man vernünftle auch‘ dagegen, was
man will — fo gütlich thut. Daß bei dieſem
Wunſche der natürlichen Freiheit, in: fofern ſte
‚ ohne Verlegung des gefelfchaftlihen Kontrakts
und der. bürgerlichen Verhaͤltniſſe beftehen könne,
— 5 —
kein Gedanke an Empörung gegen. gute Zürften,. —
nothwendig fey, hat die Erfahrung bewieſen. —
(Seite 10 und 11.)
— „Diejenigen Herren, bei welchen die Phan⸗ |
tafie ſich über ihre Denkkraft erhebt, die.nicht im
dem Hange der Menfchen zur natürlichen Frei⸗
heit und größern Volfommenheit, ſondern ber
Grund der Theilnahme; in gewiflen außer uns
“liegenden Urfachen fuchen: diefe fehen nun —
gleich dem alten Mütterchen, das, voll der Furcht
auf einem Kirchhofe Geifter zu fehen, auch Ge⸗
fpenfter erblickt — überall Schredbilder; die nicht
in der Wirklichkeit, fondern blos in der Phanta⸗
fie. diefer Herren ihren Grund haben. Gerabe
diefer Gattung von Menfchen, die ſich nicht durch
Anftrengung. peinigen will, iſt es am liebflen,
von einer ihnen unbelannten Wirkung, den Grund
fo nahe als möglich. aufzufinden: dabei kommt
denn oft eine dunkle Idee ind Spiel, täufcht fie
gegen ihr Wiffen und Willen; fie, glauben eine.
neue Sache entdeckt zu haben, freuen fih, daß.
diefe - Entdedung ihnen fo wenig Mühe Toflete,
fuchen Gründe zur. Betätigung diefer Meinung,
— 55 —
fie paſſen ſolche ihrem Syſteme an, bürden eB
demjenigen auf, ber noch weniger zu denken Luft
hat, und der doch gern bei einem Mobegefpräche
‚nicht die ſtumme Perfon machen will. Auf diefe
Weiſe geht ed mit mancher Meinung, wie mit
einer Stadtneuigkeit: man trägt ſich damit herum,
verſchoͤnert und verändert fie, und fie erhält fi,
je nachdem fie intereffirt.” (Seite 12 und 43.)
— „Das Gefchrei’vom heimlichen Katholiciss
mus und geheimen Gefelfchaften (und von Franz
zufenriecheret) hatte aufgehört; aber wie derjenige;
der Lange läuten ober frommeln gehört hat, noch
immer dieſen Ton zu hoͤren glaubt, wenn er laͤngſt
voruͤber iſt, ſo blieb auch in denjenigen Koͤpfen,
welche ſich fuͤr die Sache intereſſirt hatten, ein
gewiſſer dumpfer Nachhall, eine dunkele Idee zu⸗
ruͤck, die zu einem Beſtreben ausartete: jedes
wichtige Ereigniß; deſſen Grund ſie nicht ſogleich
einzuſehen im Stande waren, auf Rechnung ei⸗
ner geheimen Geſellſchaft und ihrer geheimen Ma⸗
chinationen (und des erſonnenen Staatsverrathes
und der erlogencn Verſchwoͤrung) zu ſchreiben. “
Seite 18.):. 30 ou,
. 33*
— HE —
— „Die Zeit des Unglaubens iſt jetzt nicht
mehr bei und, und wenn wir gleich hin und wies
der, in Anfehung des dogmatifchen Glaubens zu:
. weilen etwas bedenklich find, fo feheinen wir doch,
im Betreff des hiftorifchen (und politifchen) Glau⸗
Bens unfere Vernunft fehr gefangen genommen
zu haben." (Seite 22.)
— „Es wäre in der That zu wünfchen, daß
die Fiskaͤle bevollmachtigt wurden, jeden, der eis
nen feiner Nebenmenfchen für einen — — —
ausgiebt, zur Führung des Beweifed anzuhalten,
und wenn er diefen nicht führen. Eönnte, gleich
jedem andern Verläumbder zu beftrafen; nur müßte;
was Ausbreitung der — Revolution fey? zuvoͤr⸗
derſt genau beſtimmt werden.‘ (Seite 29.)
— „So geht ed immer, wenn man blos auf
die Worte, nicht auf den Sinn einer Aeußerung,
richt auf den Bufammenhang und die Zeitums
ftände Rüdficht nimmt. So gings unfern Vor⸗.
fahren mit dem Verketzern; fo machte es vor eis
nigen Jahren bie Berliner Monatſchrift, indem
fie ohne Ruͤckſicht auf Ehre, Gluͤck "und Zufrie⸗
denheit ihres Naͤchſten, nach jedem Grunde zur
— —⸗ 517 undinm
Bertheidigung einer Hypothefe griff, -.die um ih⸗
rer Sonderbarkeit und Neuheit willen. dem Her⸗
ausgeber und Verleger, fonft aber, niemanden zum
Nugen war. Auf-ähnliche Weile dürfte es nie
manden fchwer: fallen‘, der Darauf. ausgeht, heim
liche Jakobiner zu fuchen, auch ‘welche zu finden.
Keine Aeußerung ift fo-unfchuldig, dag man fle
nicht verbächtig machen koͤnnte.“ — (Seite 3
‚und 37.)
— „Ueberhaupt ſcheint bie 1 ahte Zoleranm d ei⸗
nen ſehr hohen Grad von Kultur vorauszuſetzen,
der unſerm Zeitalter leider noch mangelt. —
Freilich rauchen unter uns (fuͤr jetzo noch) keine |
Scheiterhaufen, . Feine Caſa Santa verſchließt
die unglüdlihen Schlachtopfer der Intoleranz
(1794). — Ob man den (politifch) anders
Denkenden im Gefängniffe martert, oder ob’ man
aus bloßer Liebe zur Intoleranz ben Intoleran-
. ten baßt, kraͤnkt und verfolgt: davon liegt der
Grund nicht in der Denkungsart der verfchieden
Handelnden, fondern in ber Einrichtung des |
Staats und der Denkungdart des Zeitalters. Hm
(Seite 4.), Ä
— — [ee EEE
x
— 518 —
„Wie bei Intoleranz der Theologen, ſo geht
es auch bei politifher Intoleranz. Jeder
fucht dem, welcher anders denkt, auf feine Weife
zu ſchaden.“ Die Anhänger der franzöfifchen
Revolution find größtentheild junge feurige Leute,
die durch ihr feuriged Temperament hingeriffen
wurden, und ſich bei Tälterem Blute und mehres-
zen Jahren gewiß. eines Befferen befinnen. . Ger
abe, daß man fie ungehindert ſchwatzen Jäßt, iſt
der ſchnellſte Weg zu ihrer Belehrung: denn fie _
erfahren dadurch manchen Wiberfpruch und ihre
Ideen werden durch Widerlegung manches Schein⸗
grundes berichtigt, welches, wenn der Staat ihre
Aeußerung mit Strenge beſtraft, nicht geſchehen
wuͤrde. — — Derjenige Mann, der in irgend
einem Amte iſt, deſſen Urtheile und Aeußerungen
verdreht und nachtheilig ausgelegt werden, dieſer
iſt weit uͤbler daran. Die Liebe feiner Obern,
das Zutrauen der ihm Untergeordneten wird ge⸗
ſchwaͤcht, ja ihm vielleicht ganz entzogen und fo
fann der treuefle Diener des Staates durch Ver:
laͤumdung und Geklätfche in feiner Thaͤtigkeit ge-
hemmt und in bie unangenehmften Verhaͤltniſſe
— 5 —
geſetzt werden. Dieſe politiſche Intole—
ranz, dieſe iſt es allein, welche in un⸗
fern Zeiten gefährlich bleibt." — Ä
„Derjenige Staat, deffen weifer Re
gent diefe Intoleranz zu vermeiden
weiß, deffen einſichtsvolle Richter nie
von Gedanken und Xeußerungen Notiz
nehmen, ben Denuncianten, weldher ih-
nen Dinge dieſer Art zuträßt,. mit gen
N bührender Verachtung von ſich weifen:
ein folder Staat wird gewiß nur hoͤchſt
felten ober niemals einen Unterthanen
„gu firafen haben; der eine ber Ruhe gen.
fährlihe Abſicht oͤffentlich äußert." —
— „Der Sultan, der im Serail lebt, wird
erdroſſelt oder abgeſetzt, und dem Volke iſt's gleich⸗
guͤltig, wer es beherrſcht. Nicht fo dem Volke,
bad feine Monarchen ſieht, ſich in feinen hoͤchſten
Nöthen immer auf: ihren Schuß verläßt, den:
König als den erfien- Feldherrn / den erften Vers
theidiger bes Landes betrachtet: : Ein: folder Mo⸗
narch bat von ſänem Volke nichts‘ gar fürdtens
—— — —— — ———— —
kenn fein Intereſſe iſt zugleich das Suter
effe feiner. Völker geworben: —
„Als Maceponiens Aleranber aus ber Witte
ber. Empdrer ihren Wortführer ergriff und ihn
ber Strafe überantwortete, ald Peter der Große
unter den empörten Streligen fland und fie bei
feinem Anblide zitterten — o da war flr Aleran⸗
bern und Petern gewiß ein bebenklicherer Zeitpunkt,
als es. jebt für irgend einen Monarchen Europa’s
il. Der Untertban, ber feinen Monarchen fo
handeln fieht, als ob er Leine Gefahr feiner Pers
fon, Feine Gefahr für feinen Staat möglich halte,
wirb von einem gewiffen ebrfurchtövollen Schauer
Hingeriffen; er fühlt, daß er diefe Kräfte,. dieſen
Grad von Seelengröße nicht befist, und huldigt
biefem erhabenen Verdienſte durch Gehorfam und
Unterwerfung. Jede Furcht bleibt immer
zugleih Beweis von. Schwaͤche!“ — (S.
42 bis 45.) |
»— „Den Fürften, der nur gefürkhtet,
nicht gebiebt feyn will, ben wird auch
Tsin Axiegsheer [hügen!” (©. 49.)
5 rip Gute, gerechte, weiſe Bürften!:.ibr habt
— 521 —
die Mittel in Haͤnden, den Saamen des Aufruhrs
fo wie alle Entwürfe, der. hoͤlliſchen woutie zu⸗ er
ſticken!“ — (S. .51.)' or .
FE „Weislich handelt der Monarch, wenn er
nicht einen Stand auf Koſten des andern begim
ſtigt.“ (S. 66.)
— „Man wird ſagen, eine genilberte Monar⸗
chie nach dem Beiſpiele Englands, dieſe iſts viel⸗
leicht, welche Adel und Buͤrgerſtand gleich ſehn⸗
lich wuͤnſchen. — Der Wunſch kann nicht ver⸗
neint werden; aber ob einige Wahrſcheinlichkeit
der Erfüllung deſſelben ſey? — — — Eine Och⸗
lokratie oder Regierung der Sanscuͤlots — davon
koͤnnen nur ſolche Leute traͤumen, denen dickes
Blut, oder emporſteigende Dünfte "Shredbiber
vorſpiegeln.“ (S. 69 und 70.) - Ar BE
ee „Vielleicht kann in dem Staate, wo kin
weiſer Regent. bie Zügel ber Regierung lenkt, de
Adel manches zu fürchten haben: denn in bemje
nigen Staate, worin einzig Minifter herw
Na, werben biefe jederzeit das Korps begüms
gen, zu dem ſie ſelbſt gehören, und jede Bes
günftigung bes. Adels auf Koſten des
— 522 —
Bürgerſtandes wird den Adel ſeiner
Auflöfung näher bringen, weil ber Geift
bes Zeitalters es jetzt nicht mehr geftats
tet, bag erneuerter Drud bie renfnen
abſtumpfe.“ (S. 87.)
— „Liebe für gute Könige, fiir weife getreu⸗
Staatsmaͤnner, große, aber auch menſchliche Feld⸗
herren, gelehrte und wahrhaft chriſtliche Prediger,
gerechte und nicht nach todten Buchſtaben ſpre⸗
chende Richter, wird daher beſtaͤndig bei jedem
unverletzt bleiben, dem Tugend heilig iſt. Und
daß dieſe jedem ewig heilig bleibe: dieß ſey Haupt⸗
augenmerk des Staats; dam bedarf er zu feinem
Schutze weder religioſe noch politiſche Intoleranz;
tauſende freier — ſelbſt aufruͤhreriſche Schriften
werben in dem Staate nicht wirken, worin ber
Hausvater ruhig und zufrieven lebt, und keinem
Unterthan duch Mangel des Erwerbs die Hoff:
nung: benommen ift, bad Gluͤck des Gatten
und Vaters zu genießen.” — (5. 91.) „Vers
mehrt die Erwerböquellen, fchrankt ben Lurus
ein, erleichtert dad Heirathen; ſchaͤtzt, lohnt und
erhebt das Verdienſt; — haltet ſtrenge auf bie
— 513 —
Ausübung der Geſetze; fichert Perfon und Eigene
thum für jede Bebrudung und jeden Eingriffz
erlaubt keinem privilegirten Stande fich für eine
beffere Menfchengattung zu halten und feinem.
Wohlſtande das Gluͤck der arbeitenden Volksklaſſe
nachzuſetzen; herrſcht nicht uͤber Meinungen, ſon⸗
dern ſeyd zufrieden, wenn Handlungen der Un⸗
terthanen euren Geſetzen gemaͤß ſind, verknuͤpft
Achtung nur mit dem Verdienſte, Ehre und Be⸗
lohnung nur mit der Erfuͤllung der Pflicht! der
Mann, der dieſe erfüllt — gelte nie in Ruͤckſicht
ſeines Standes, ſondern nur ſeiner Verdienſte;
ſchafft auch dem Niedrigſten ſchnelle Gerechtigkeit
und Genugthuung, wenn ihn der Erſte eures
Staats druͤckt, und laßt ſodann die Gaͤnſe
ruhig ſchnattern, die euch weiß machen
wollen, daß nur ihre Wachſamkeit das
Capitol erhalten koͤnne; weiſet jeden,
der euch politiſche Intoleranz anpreiſt,
mit der Verachtung zuruͤck, bie ein
Mann verdient, der ſeinem Fuͤrſten das
Vertrauen auf die, Liebe feiner Unter.
thanen rauben will: kurz feyd. Väter eures.
— — 3824 —
Bolkes, und jeder wird wetteifern, euch Beweife
Ber Liebe und Ehrfurcht zu geben; denn jeder,
Der fich unter eurer Herrfehaft gluͤcklich fühlt,
wird das SIntereffe des Hürften, dem er dieſe
glüdliche Verfaffung verdankt, zugleich für. bie
feinige halten, und zur Vertheidigung deſſelben
Feine Gefahr ſcheuen.“ (S. 92 und 93.) |
" Wenn man au bei einzelnen Stellen biefer
benkwuͤrdigen Kotzebueſchen Schrift auf Zeugniffe
trifft, daß des Verfaffers Ideen noch Feine zur
inneren Ausbildung erforberliche Reife erlangt has
ben: fo findet man doch freudig eine lautere
Wuͤrdigung bed Zeitgeiftes, ein Iobenswerthes
Anfteeben, die heiligflen Forderungen bes Men—
fchen im Staate ins Licht zu feßen und in ‚einer
Ahnung des Nationalwillens die Pflichten zu ent⸗
wideln, welche der Beitgeift den Inhabern ver
Zhronen auferlegt. Wäre Kotzebue dem hier bes
fretenen Pfade getreu geblieben, fo wirbe bie
Nachwelt huldigend feinen Namen nennen, indeß
gegenwärtig nur die verabfcheuungswürdigen
Handlanger der politifhen- Intoleranz mit wohl⸗
— 25 —
gefälligem Lächeln hinter feiner ſchlechten Autori⸗
taͤt ihr unheimliches Weſen betreiben. —
Ihr Verehrer der Anſichten, die Kotzebue in
den letzten Jahren zum Hohne des lieben deut⸗
ſchen Vaterlandes, ſeiner herrlichen Juͤnglinge,
ſeiner lauteren Wuͤnſche und Hoffnungen ausſprach,
greift zu den „unpartheiifchen Unterſuchun—⸗
gen über die Folgen der franzöfifchen
Revolution auf das übrige Europa,”
Ieft und lernt von dem Dahingefchiedenen, was
ihr aus dem Munde der Lebenden nicht begreifen
wollt! — — un
Goͤthe fagte von Voltaire: „Wenn Fami⸗
lien fich lange erhalten, fo kann man bemerten,
dag die Natur endlich ein Individuum heroorbringt,
das die Eigenfchaften feiner fämmtlichen Ahnherrn
in fich begreift, und alle bisher vereinzelten und
angebeuteten Anlagen vereinigt und volllommen.
ausfpricht. Eben fo geht ed mit Nationen, deren
fämmtliche Verdienfte ſich wohl einmal, wenn es
glädt, in. Einem Individuum ausfprechen. So
entſtand in Ludwig XIV., ein franzöfiicher Koͤnig
—8
— 66 —
im hoͤchſten Sinne, und eben fo in Voltairen ber
höchfte unter den Franzofen denkbare, ber Nation
gemäßefte Schriftſteller.“
„Die Eigenſchaften find mannigfaltig, die man
von einem geiftvollen Mahne fordert, die man ar
ibm bewundert, und die Forderungen der Zrans
zofen find hierin, wo nicht größer, doch mannig⸗
faltiger, als die anderer Nationen.’
„Wir ſetzen den "bezeichneten Maaßſtab, viels
leicht nicht ganz vollfiändig und freilich nicht mes
thobifch genug gereihet, und in heiterer Weberfi cht
hierher:“
„Tiefe, Genie, Anſchauung, Erhabenheit, Nas
turell, Talent, Verdienſt, Adel, Geift, Schöner
Geiſt, Sefühl, Senfibifität, Gefchmad, guter Ge⸗
fhmad, Verſtand, Richtigkeit, Schilliches, Ton,
guter Ton, Hofton, Mannigfaltigkeit, Fülle, Reichs
thum, Fruchtbarkeit, Wärme, Magie, Anmuth,
Grazien, Gefälligkeit, Leichtigkeit, Lebhaftigkeit,
Feinheit, Brillantes, Saillanted, Pikantes, Delis
kates, Ingeniofes, Styl, Verfififation, Harmonie,
Reinheit, Korreftion, Eleganz, Vollendung." —
- „on allen dieſen Eigenfchaften und Geiſtes⸗
Aeußerungen Tann man vielleicht Doltairen nur
die. erfte und bie. lebte, die Ziefe in der Anlage
und die Vollendung in der Ausführung flreitig:
machen. Alles was übrigens von Fähigkeiten und
Fertigkeiten auf eine: glänzende Weiſe die Breite
der Welt ausfällt, hat er befelien und dadurch
feinen Ruhm über die Erde ausgedehnt." —
Daft zu freigiebig möchte hiernach der Kranz
großer Schriftftellereigenfchaften für Voltaire ges
flohten feyn, indem ihm bei. näherer Prüfung
außer der Tiefe und Vollendung noch manche Tu⸗
gend gebricht; befonders haben wir Deutfche ihm
nie dad Lob der Wahrheit zuerkannt: denn diefe,
fowohl die hiſtoriſche, als die poetifhe, iſt bei
ihm oft der Herrfchaft anderer Zwede unterthan.
Zrägt man den Maapflab jener Eigenfchaften
auf Kotzebue's Schriftftellerleben über, fo wird
die Gerechtigkeit fordern, ihm manches Lob zu
verfagen, das alle Welt ohne Widerfpruch dem
Sänger der Henriade zuerkennt. So arg aber.
wird deutfche Art und Kunft niemand fchmähen,
baß er es wagte, was fich die Sranzofen in Be, .
treff Voltaire's gar wohl gefallen laſſen koͤn⸗
nen, im Verfolg der vielbefprochenen Parallel;
von Kogebue behaupten zu wollen, daß er ſei⸗
nes Vaterlandes ‚vereinzelte Anlagen vereinigt und
solllommen ausfpreche, daß er ber höchfte, unter
den Deutſchen denkbare, der Nation gemäßefte
Schriftſteller ſey. — Doc darf in unfern Tagen
niemand erflaunen, wenn Behufes der Verherrlis
chung einer herzbrechenden Todeöfeier, zu Koge:
bue’3 Gedaͤchtniß, ahnlicher Hohn unter boligei>
ne Sicherheit geflellt wird. —
I.
Nachtraͤge und Berichtigungen.
Seite 6. — Kottzebue' s Oheim und Baſen mütterli:
cher Seite waren:
1. der verftorbene Konfi ftorlalrath und Amtmann Kruͤ⸗
ger zu Jena;
2. die noch lebende Witwe des Profeſſor Muſaus zu
Weimar;
3. die verſtorbene zweite Gattin des Rath Jage⸗
manns, des als verdienſtvollen Schriftſtellers be⸗
kannten Bibliothekars der Herzogin Amalia.
Seite 7. — RK 8 noch lebende Geſchwiſter find beide
‚älter, als er; fein Bruder Karl Kogebue ift 1757,
feine Schwefter die verwitwete Frau Amalia Gildes
wieifter 1759 geboren.
Beile 4 lies Bremen, anftatt eben
Seite 109 zur Anmerkung: Unter ben Schriftftellern
bes fiebzehnten Jahrhunderts findet man mehrere, bie ben
Kamen Kogebue führten, Schulmänner ober Prediger
waren, und bei theologifchen Streitigkeiten als Mitfechter
auftraten. Jener in der Anmerkung fo derb abgefertigte
Kogchbue war ein rüftiger polemifcher Streiter, ber fich
als Rektor des berühmten Gymnaſii zu Quedlinburg, ber
fogenannten ſynkretiſtiſchen Händel wegen, genöthigt fah,
| 34
— 530 —
1622 den Abſchied zu nehmen; 1629 findet man ihn wie⸗
der als Licenciat der Gottesgelahrtheit und Paſtor zu
St. Jakob zu Magdeburg, wo er gleich muthig mit den
proteſtantiſchen Ketzern und mit den verſchmitzten Jeſuiten
anbindet. —
Folgende Fehler wird der Leſer gebeten zu berichtigen:
Seite 7. Zeile 10: uͤberſchriebenem, anſtatt uͤber⸗
971. — 2: Großherzogs, anſtatt Großherzog.
109, — 3 der Anm. find nach und, die Worte:
"in den einzufdalten.
fhriebenen.
— 11. — 2 von wnten: bräuenden, anfatt
drauenden.
— 38. — 3: verweist, anftatt verweißt.
— 41. — 1: ihm, anſtatt ihn,
— 45. — 13: ſich, anſtatt ich.
— 75. — 7: aus, anſtatt zu.
— — — 14: teufliſche, anflatt teufelſche.
— 87. — 6: Verwandter, anſtatt Verwandte.
— 111. — 13: mehr beguͤnſtigt, anſtatt beguͤn⸗
ſtigt mehr.
— — — 14: Mißbraͤuche, anſtatt Miebraͤuche.
— 118. — 13: führt, anſtatt führen.
— 15 find bie Worte: des Gefühle, wegs
zuftreichen.
— 119 — II: durch Religtofität, anftatt ber
Religiofität.
— 126, — 20 find bie Worte: des Verluſtes wes
zuſtreichen.
111114
14
11111 |
1141411
531 ——
. Beile 4: ber kleinen, lieben, unſchrl⸗
digen, anſtatt die kleine, liebe,
unſchuldige.
— s8 iſt nad dem Worte Zweck der Artikel
des einzufchalten.
— 17: fittlidhe, anftatt fittlichen.
— 2: verwidelt, anftatt gewidelt.
— 20: nahe, anftatt ganz.
— 6: Verbrechers, anftatt Verbrechens.
— 8: widtiger, anflatt richtiger. |
— 14: Selbſtherrſcherin, anftatt Helbſt⸗
berrfcherin.
. — 3: bie, anftatt ba.
ı ber Anmerlung, vergeblides, ans
ftatt vorgebliches.
— 10 ber Anmerkung, ihm, anftatt er.
— 13 bafelbft, zu häufen, anftatt häufte.
— 2 der Anmerk. chetorifhes, anſtatt
vhetoriſches.
11: Lo kal⸗, anſtatt Cabal⸗.
14: mit ſich, anſtatt in ſich.
4: widerrieth, anſtatt wiederrieth.
14: bereit, anſtatt bereitet.
5: der mitgeführten, anſtatt ber
bei ſich geführten.
— 2. von unten: bie, anftatt ber.
— ı1: babende, anflatt führende.
— 11: Driefen, anftatt Driafen.
11411
. — 4v. unt.: Okt avia, anſtatt Oktovia
— 20: ungluͤcklich en, anſtatt Unglüdliche.
— 23: Subow, anſtatt Subew.
34*
— 532 —
Seite 327. Zeile 8: fragen wir, anſtatt fragt man.
r IN
111411
330.
336.
340.
341.
358.
381.
385.
399.
401.
406.
410.
418.
422.
438.
441:
468.
469.
472.
482.
495.
7 4:10, anftat dann.
— 16: Jahres, anſtatt Jahre.
— 15: Vorlefungen, anftatt Borlefung.
— 2: deffen, anftatt feinen.
— 1530 rſelinerinnen, anftatt Urſeli⸗
norinsen.
373. dette Zeile: Einen, anflatt einen.
. 378»
— 3: Spiele jährlid, Ein, anflatt
Spiele, jährlich ein.
— 3: ehrenvollem Gebädtniffe,
anftatt ehrenvolles Gebächtniß.
— 22 ift nad wohl aber einzufchalten: vers
ſteht. FW
— 12: bie, anſtatt ber.
— 19: einem, anſtatt einen.
— 8: dem, anftatt den.
— 19: ihm, anftatt ihr,
— ı1: erfdeint, anſtatt erfchien.
— 17: iſt nad. accrebitirten, einzufchalten:
Ruffifden. |
7: Inſinuationen, anſtatt Iſinua⸗
tionen.
— 18: jedem, anſtatt jeden.
— 14: hiervon, anftatt hierin.
— 12: erwärben, anftatt erworben.
— 22: Schlechten, anflatt Schlachten.
— 13: das, anftatt daß.
— 6: Reigmittels, anflatt Reiz mittelt.
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